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[AZA 7] 
C 260/01 Gr 
 
II. Kammer 
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichter Lustenberger und nebenamtlicher 
Richter Weber; Gerichtsschreiber Widmer 
 
Urteil vom 5. März 2002 
 
in Sachen 
R.________, 1946, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernard Rambert, Langstrasse 62, 8004 Zürich, 
 
gegen 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Rudolf Diesel-Strasse 28, 8404 Winterthur, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Der 1946 geborene R.________ trat am 1. Oktober 1973 als Rekrut ins Corps der Polizei ein, wo er bis zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Stadtrat von X.________ auf den 30. September 1997 beschäftigt war. Am 13. Januar 1998 stellte er Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Januar 1998. Der Bezirksrat X.________ wies einen gegen den Stadtratsbeschluss erhobenen Rekurs ab, die hiegegen eingereichte Beschwerde wurde mit Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. März 1999 ebenfalls abgewiesen. Die vom Versicherten erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat (Urteil vom 24. August 1999). Mit Verfügung vom 20. Oktober 1999 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich R.________ für die Dauer von 25 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein, weil er der Arbeitgeberin Anlass zur Auflösung des Anstellungsverhältnisses gegeben und damit die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet habe. Gleichzeitig forderte sie vom Versicherten 25 Taggelder im Gesamtbetrag von Fr. 6735. 55 zurück. 
 
B.- Die von R.________ gegen die Kassenverfügung eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 2. Juli 2001 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte beantragen, der vorinstanzliche Entscheid und die angefochtene Verfügung seien aufzuheben; eventuell sei der Prozess bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren; subeventuell sei die Sache zur weiteren Abklärung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Nach Art. 10 Abs. 1 AVIG gilt als ganz arbeitslos, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht. Der Arbeitslosigkeit gleichgestellt wird gemäss Art. 10 Abs. 4 AVIG die vorläufige Einstellung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, wenn gegen dessen Auflösung durch den Arbeitgeber eine Beschwerde mit aufschiebender Wirkung hängig ist. Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung des anrechenbaren Ausfalls überträgt Art. 11 Abs. 5 AVIG dem Bundesrat die Befugnis zur Bestimmung, wie der Arbeitsausfall bei der vorläufigen Einstellung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (Art. 10 Abs. 4 AVIG) angerechnet wird. Der gestützt auf diese Delegationsnorm erlassene Art. 10 AVIV bestimmt Folgendes: Hat der Versicherte gegen die Einstellung der Lohnzahlung, die mit einem Verfahren zur Auflösung seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses verbunden ist, Beschwerde erhoben, so ist der bis zum Abschluss des Hauptverfahrens erlittene Arbeitsausfall des Versicherten vorläufig anrechenbar und die Kasse zahlt die Entschädigung aus, wenn der Versicherte alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und insbesondere vermittlungsfähig ist (Art. 10 Abs. 1 AVIV). Zeigt das Beschwerdeverfahren, dass der Versicherte durch sein Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat, so stellt ihn die Kasse in der Anspruchsberechtigung ein und fordert die zu viel bezahlten Taggelder von ihm zurück (Art. 10 Abs. 3 AVIV). 
 
b) Nach Art. 30 Abs. 1 AVIG ist der Versicherte in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er u.a. durch eigenes Verschulden arbeitslos ist (lit. a). Die Arbeitslosigkeit gilt insbesondere dann als selbstverschuldet, wenn der Versicherte durch sein Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV). 
Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens; die Einstellung fällt binnen sechs Monaten nach Beginn der Einstellungsfrist dahin (Art. 30 Abs. 3 dritter und vierter Satz AVIG). Sie gilt ab dem ersten Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Versicherte aus eigenem Verschulden arbeitslos geworden ist (Art. 45 Abs. 1 lit. a AVIV). 
2.- Die Stadt X.________ löste das Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 42 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Arbeitsverhältnisse des Personals der Stadt X.________/Personalrecht (PR) auf den 30. September 1997 vorzeitig und einseitig auf. Gemäss Art. 43 Abs. 4 PR wurde dem Beschwerdeführer die zuletzt bezogene Besoldung bis 31. Dezember 1997 ausgerichtet, womit allfällige Ferien- und Überzeitguthaben als abgegolten zu gelten hatten. 
Einem allfälligen Rekurs gegen die vorzeitige einseitige Auflösung des Dienstverhältnisses wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich qualifizierte im Entscheid vom 17. März 1999 die Auflösung des Dienstverhältnisses als administrative Entlassung. 
Auch das Bundesgericht kam im Urteil vom 24. August 1999 im Rahmen des staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens zum Schluss, dass eine administrative Auflösung des Dienstverhältnisses gegeben sei. Die vom Stadtrat von X.________ verfügte und von den verschiedenen angerufenen Rechtsmittelinstanzen bestätigte administrative Entlassung führte zur definitiven Auflösung des Dienstverhältnisses. 
Demgegenüber ergeht die vorläufige Dienstenthebung, welche der Regelung des Art. 10 Abs. 4 AVIG zu Grunde liegt, vor oder während eines Verfahrens auf definitive administrative oder disziplinarische Auflösung des Dienstverhältnisses. 
 
Dabei geht es, wie dies schon in der begrifflichen Umschreibung enthalten ist, um eine vorläufige Massnahme. Im vorliegenden Fall ist jedoch gerade nicht eine vorläufige Einstellung im Dienst, sondern unmittelbar die Entlassung erfolgt. Aus diesem Grund findet die Sonderregelung des Art. 10 Abs. 4 AVIG (einschliesslich Art. 11 Abs. 5 AVIG und Abs. 10 Abs. 3 AVIV) keine Anwendung. Vielmehr besteht bei einer definitiven administrativen Auflösung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses mit Entzug der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde kein Unterschied zu einer (fristlosen) Beendigung eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses. 
3.- Die Einstellungsverfügung der Arbeitslosenkasse erging am 20. Oktober 1999. Eine allfällige Einstellung gilt ab dem ersten Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 45 Abs. 1 lit. a AVIV). Aufgrund des Beschlusses des Stadtrates von X.________ ist unklar, ob das Arbeitsverhältnis per 30. September oder auf den 
31. Dezember 1997 beendigt wurde. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da die am 20. Oktober 1999 verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf jeden Fall nicht mehr innert der sechsmonatigen Vollstreckungsfrist des Art. 30 Abs. 3 AVIG erging. Die Rechtzeitigkeit der Einstellungsverfügung kann auch nicht damit begründet werden, dass im Schreiben vom 18. März 1998 die Auszahlung unter Vorbehalt einer Rückforderung erging. In diesem Schreiben wurde auf Art. 10 Abs. 3 AVIV verwiesen. Diese Verordnungsbestimmung ist aber vorliegend, wie dargelegt, gerade nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine vorläufige, sondern um eine definitive Einstellung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses handelt. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in ständiger Rechtsprechung zu Art. 30 Abs. 3 AVIG festgehalten hat, handelt es sich bei der Frist von sechs Monaten um eine Vollstreckungsfrist. Es geht um bereits verfügte Einstellungen, die nach Ablauf der Frist von sechs Monaten nicht mehr "bestanden" werden können mit der Folge, dass die Einstellung dahinfällt und der Anspruch auf Vollstreckung mit dem unbenützten Ablauf der Frist infolge Verwirkung untergeht (BGE 124 V 88 Erw. 5b, 114 V 352 Erw. 2b, 113 V 73 Erw. 4b in fine). Die zeitliche Begrenzung der Vollstreckung ist nicht ohne Einfluss auf die Möglichkeit, nachträglich einen Einstellungsgrund durch Verfügung geltend zu machen und durch Rückforderung bereits ausgerichteter Leistungen zu vollziehen. Da die Verwirkung des Einstellungsanspruches dessen Vollzug nach Fristablauf entgegensteht, darf eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung nicht mehr rückwirkend verfügt werden, wenn damit die Rückforderung bereits ausgerichteter Leistungen zu verbinden wäre, diese infolge Verwirkung jedoch nicht mehr durchgesetzt werden könnte, weil seit Beginn der fraglichen Einstellung schon mehr als sechs Monate vergangen sind (BGE 114 V 352 Erw. 2b; ARV 1993 Nr. 3 S. 24 Erw. 5a). 
Aus diesem Grund geht es auch nicht an, die Auszahlung der Taggelder mit dem Vorbehalt zu verbinden, nachträglich eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu verfügen und gegebenenfalls Zahlungen zurückzufordern. Dieses Vorgehen ändert nichts daran, dass die Einstellung innert der sechsmonatigen Frist nicht vollstreckt worden ist, weil die Zahlungen effektiv erfolgt sind (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 31. Juli 2001, C 242/99). In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist die vorinstanzlich bestätigte Einstellungsverfügung vom 20. Oktober 1999 somit aufzuheben, womit der vom Beschwerdeführer gestellte Sistierungsantrag gegenstandslos wird. 
 
4.- Dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens entsprechend steht dem Versicherten eine Parteientschädigung zu (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). 
Für das kantonale Verfahren hat die Vorinstanz dem Versicherten ausgangsgemäss keine Parteientschädigung zugesprochen. 
Weil auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung kein bundesrechtlicher Anspruch auf Parteientschädigung besteht (vgl. Art. 103 AVIG), ist davon abzusehen, die Akten zu einer allfälligen Neufestsetzung der Parteientschädigung dem kantonalen Gericht zuzustellen. Hingegen ist es dem letztinstanzlich obsiegenden Beschwerdeführer unbenommen, mit Blick auf den Ausgang des Prozesses vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht bei der Vorinstanz einen entsprechenden Antrag zu stellen. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des 
Kantons Zürich vom 2. Juli 2001 und die Einstellungsverfügung 
der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich vom 20. Oktober 1999 aufgehoben. 
 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung 
 
 
von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu 
bezahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, 
 
 
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 5. März 2002 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Vorsitzende der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: