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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_370/2018  
 
 
Urteil vom 21. September 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch die Eltern, vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Graubünden, Ottostrasse 24, 7000 Chur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Geburtsgebrechen; medizinische Massnahmen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 13. März 2018 (S 17 161). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ leidet an verschiedenen Geburtsgebrechen, für deren Behandlung sie Leistungen der Invalidenversicherung bezieht. Ab... 2014 (Zeitpunkt des Spitalaustritts) richtete ihr die IV-Stelle des Kantons Graubünden Hilflosenentschädigung für leichte Hilflosigkeit im Sonderfall, ab 1. Mai 2016 für mittelschwere Hilflosigkeit aus. Diese anerkannte weiter den Anspruch der Versicherten auf medizinische Massnahmen in Form der Behandlung in Hauspflege durch die Kinderspitex Ostschweiz. Mit Verfügung vom 3. November 2017 übernahm die IV-Stelle die Kosten der Kinderspitex vom 1. Juli 2017 bis 28. Februar 2018 im Umfang von "3 Stunden pro Monat für Beratung und Instruktion der Eltern" sowie "39 Stunden pro Woche für Untersuchung und Behandlung". Damit wich sie vom Zeitaufwand ab, den der behandelnde Kinderarzt, die Kinderspitex und die Eltern der Versicherten zusammen ermittelt hatten (168 Stunden in der Woche für Untersuchung und Behandlung, 28 Stunden in der Woche für Grundpflege nach KLV sowie 7.5 Stunden im Monat für Abklärung und Beratung; Verordnung vom 17. Januar 2017). 
 
B.   
A.________ erhob Beschwerde, welche das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 3. Kammer als Versicherungsgericht, nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 13. Februar 2018 abwies, soweit es darauf eintrat. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 13. Februar 2018 und die zugrundeliegende Verfügung vom 3. November 2017 seien aufzuheben; die kantonale IV-Stelle sei zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen zu gewähren, insbesondere die notwendigen Kosten der Kinderspitexleistungen im ärztlich verordneten Umfang (168 Stunden in der Woche für Untersuchung und Behandlung, 28 Stunden in der Woche für Grundpflege nach KLV sowie 7.5 Stunden im Monat für Abklärung und Beratung) zu übernehmen resp. dafür Kostengutsprache zu erteilen. 
 
Die IV-Stelle des Kantons Graubünden ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Entscheid bestätigt für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 28. Februar 2018 die auf Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG sowie Art. 2 Abs. 3 GgV gestützte Übernahme der Kosten der Leistungen der Kinderspitex im Umfang von "3 Stunden pro Monat für Beratung und Instruktion der Eltern" sowie "39 Stunden pro Woche für Untersuchung und Behandlung" durch die Invalidenversicherung gemäss der Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2017. Der behandelnde Kinderarzt hatte zusammen mit der Kinderspitex und den Eltern der Versicherten ab 1. Januar 2017 einen Zeitaufwand von 168 Stunden in der Woche für Untersuchung und Behandlung, 28 Stunden in der Woche für Grundpflege gemäss "KLV 7" sowie 7.5 Stunden im Monat für Abklärung und Beratung ermittelt (Verordnung vom 17. Januar 2017 für "Spitex-Leistungen gemäss Art. 13 & 14 IVG [gem. IV-Rundschreiben Nr. 308]"). In diesem Umfang verlangt die Beschwerdeführerin Kostengutsprache, wobei sie geltend macht, der vorliegende Fall sei gleich gelagert wie der im Urteil 9C_46/2017 vom 6. Juni 2017 beurteilte Sachverhalt. 
 
2.   
Nach Art. 13 Abs. 1 IVG haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen. Diese umfassen u.a. die Behandlung, die vom Arzt selbst oder auf seine Anordnung durch medizinische Hilfspersonen in Anstalts- oder Hauspflege vorgenommen wird, mit Ausnahme von logopädischen und psychomotorischen Therapien (Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG). 
 
Im Urteil 9C_46/2017 vom 6. Juni 2017 E. 3.1 erkannte das Bundesgericht, dass für die Kostenübernahme durch die Invalidenversicherung allein entscheidend sei, ob bzw. dass in Bezug auf die (einzelnen) Leistungen der Kinderspitex die Voraussetzungen nach Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG gegeben sind. Die zeitaufwandmässige Begrenzung im damals geltenden IV-Rundschreiben Nr. 308 vom 27. Februar 2012 bezeichnete es als nicht massgebend (unter Hinweis auf das Urteil 9C_299/2016 vom 13. Februar 2017 E. 4.4). Weiter erwog das Bundesgericht in E. 3.2, dass es zu unterscheiden gelte zwischen dem alle Eventualitäten umfassenden maximalen Pflegebedarf und den tatsächlich erfolgten Pflegeeinsätzen, soweit bekannt, was erst im Rahmen der Festsetzung der Vergütung der Leistung von Bedeutung sei. Dem fügte es an, dass das "Selber-Ausführen" von medizinischen Massnahmen (z.B. Flüssigkeit sondieren und Medikamente verabreichen) durch die Eltern oder Drittpersonen aufgrund entsprechender Instruktion durch das Fachpersonal einen Leistungsanspruch bei Einsatz einer Pflegefachfrau nicht ausschliesse. 
 
Das IV-Rundschreiben Nr. 308 vom 27. Februar 2012 wurde zwecks Umsetzung des Urteils 9C_299/2016 vom 13. Februar 2017 durch das IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 ersetzt. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Festlegung der durch die Invalidenversicherung zu vergütenden Spitexleistungen (3 Stunden pro Monat für Beratung und Instruktion der Eltern sowie 39 Stunden pro Woche für Untersuchung und Behandlung), was für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 28. Februar 2018 gelten soll, sei nach Massgabe des IV-Rundschreibens Nr. 362 vom 23. März 2017 erfolgt. Es handle sich um eine aufwandbezogene und einzelfallweise Gesamtbeurteilung, welche mit den umfassenden und einleuchtenden Abklärungen vor Ort am 8. September 2017 betreffend Hilflosenentschädigung für Minderjährige (inkl. Intensivpflegezuschlag) übereinstimme. Im diesbezüglichen Bericht vom 11./27. September 2017 sei detailliert und plausibel zu den einzelnen Pflegebetreuungspositionen und dem jeweils konkret damit verbundenen Zeitaufwand Stellung genommen worden. Es bestehe kein Anlass, an den umfangreichen und praktisch ermittelten Abklärungen samt den daraus gezogenen Schlussfolgerungen betreffend Pflegeaufwand zu zweifeln.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Die zugesprochenen 3 Stunden pro Monat für Beratung und Instruktion sowie 39 Stunden pro Woche für Untersuchung und Behandlung (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. a und b KLV) stellen somit den im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 28. Februar 2018 maximal zu vergütenden effektiven Zeitaufwand dar. Demgegenüber entsprechen die in der Verordnung vom 17. Januar 2017 angegebenen 168 Stunden in der Woche für Untersuchung und Behandlung dem theoretisch maximalen Pflegebedarf. Dabei handelt es sich gemäss dem IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 um "Situationen, in welchen während 24 Stunden pro Tag mit medizinischen Notfallinterventionen zu rechnen ist". Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt ein solcher Sachverhalt nicht bereits dann vor, wenn die versicherte Person einer dauernden persönlichen Überwachung im Sinne von Art. 37 Abs. 2 lit. b IVV (mittelschwere Hilflosigkeit) bedarf oder eine intensive Betreuung nach Art. 42ter Abs. 3 IVG und Art. 39 IVV (Intensivpflegezuschlag) benötigt. Sie kann daher aus der Verfügung vom 5. September 2016, mit welcher ihr ab 1. Mai 2016 eine Hilflosenentschädigung für mittelschwere Hilflosigkeit zugesprochen worden war, nichts zu ihren Gunsten ableiten.  
 
3.2.2. Weiter ist gemäss dem IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 die Leistung in "Situationen, in welchen während 24 Stunden pro Tag mit medizinischen Notfallinterventionen zu rechnen ist", nicht mit anderen Leistungen für "Massnahmen der Untersuchung und Behandlung" kumulierbar. Damit wird berücksichtigt, dass eine pro Tag mehrstündige Anwesenheit einer Pflegefachperson ausreicht, um auch alle anderen aufgeführten erforderlichen medizinischen Massnahmen durchzuführen. Dasselbe gilt im Grundsatz auch für die zur Diskussion stehenden 39 Stunden pro Woche, was durchschnittlich rund 5 1/2 Stunden im Tag entspricht. Im Übrigen könnten die in der Verordnung vom 17. Januar 2017 angegebenen 28 Stunden in der Woche für Grundpflege, soweit sie unter Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV fallen, nicht gestützt auf Art. 13 und Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG durch die Invalidenversicherung vergütet werden.  
 
3.2.3. Sodann ist unbestritten, dass die Eltern der Beschwerdeführerin teilweise Pflegeleistungen übernehmen und sie darüber hinaus ihre Tochter persönlich überwachen in den Zeiten, in welchen keine Pflegefachfrau vor Ort ist. Fallen sie beispielsweise krankheitsbedingt aus, muss die notwendige Pflege durch die Spitex erbracht werden. Als Folge davon kann der verfügungsweise festgesetzte (grundsätzlich zu vergütende) Zeitaufwand für die (Behandlungs- und Grund-) Pflege überschritten werden. In diesem Zusammenhang hält das IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 fest, dass der Elternanteil nicht berücksichtigt, sondern im Abklärungsverfahren festgehalten wird. Änderungen des freiwilligen Elternanteils an medizinischen Massnahmen führen zu einer Anpassung der Verfügung. In diesem Sinne begegnete die Beschwerdegegnerin in der vorinstanzlichen Vernehmlassung dem Einwand, bei einer dokumentierten Dauerüberwachung könne das Ausfallen der Eltern fatale Folgen haben, da die (einspringende) Spitex "mangels Kostendach auf unbezahlten Rechnungen 'sitzen' bleibt", mit dem Hinweis, dass bei veränderten tatsächlichen Verhältnissen jederzeit ein Revisionsgesuch eingereicht werden könne. Diese Regelung mag aus Sicht der Versicherten und der Leistungserbringer "unfreundlich" erscheinen. Immerhin zwingt sie die Beteiligten gewissermassen zu einer möglichst genauen Umschreibung von Art und Umfang der notwendigen Massnahmen der Behandlungs- und Grundpflege. Jedenfalls kann aber nicht davon gesprochen werden, die Berücksichtigung der von den Eltern für ihre Tochter erbrachten Leistungen bereits auf der Stufe der Kostengutsprache führe zu einer Verletzung ihrer persönlichen Freiheit zu bestimmen, "von wem sie sich pflegen lassen will" bzw. welche Pflegeleistungen sie (...) erbringen wollen".  
 
3.3. Schliesslich wurden 7.5 Stunden im Monat für Abklärung und Beratung in der Verordnung vom 17. Januar 2017, auf welche sich die Beschwerdeführerin beruft, nicht näher begründet. Es kann somit nicht gesagt werden, ein tatsächlicher Bedarf in dieser Höhe sei klar ausgewiesen, wie sie vorbringt. Für die nach ihrer Auffassung zu Unrecht unberücksichtigt gebliebenen koordinativen Massnahmen (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 KLV) können nach dem IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 maximal 6 Stunden pro Woche vergütet werden. Dabei geht es um den direkt Kontakt zwischen Pflegenden und Arzt oder medizinischen Hilfspersonen zur Koordination der medizinischen Behandlung in hochkomplexen und gleichzeitig sehr instabilen Pflegesituationen. Eine solche liegt namentlich vor, wenn mehrere Spezialärzte involviert sind und der Pflegeaufwand sich laufend in bedeutendem Masse ändert. Diese Regelung wird nicht bestritten.  
 
Es finden sich keine Hinweise in den Akten, namentlich nicht in den Abklärungsberichten Hilflosenentschädigung für Minderjährige (inkl. Intensivpflegezuschlag) vom 13. Juli 2016 und 11./27. September 2017, welche auf einen erhöhten Bedarf für koordinative Massnahmen schliessen lassen könnten. Dasselbe gilt in Bezug auf den Verlaufsbericht des behandelnden Kinderarztes vom 27. Februar 2017. Gestützt darauf hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), dass seit geraumer Zeit eine relativ stabile Pflegesituation bestehe. 
 
3.4. Nach dem Gesagten hält der vorinstanzliche Entscheid, welcher die zugesprochenen 3 Stunden pro Monat für Beratung und Instruktion der Eltern sowie 39 Stunden pro Woche für Untersuchung und Behandlung bestätigt, vor Bundesrecht stand.  
 
4.   
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 3. Kammer als Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. September 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler