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[AZA 7] 
C 90/01 Vr 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Ursprung; Gerichtsschreiber 
Fessler 
 
Urteil vom 8. August 2001 
 
in Sachen 
K.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Michael Kunz, Fischmarkt 12, 4410 Liestal, 
 
gegen 
Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung, Utengasse 36, 4058 Basel, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, Basel 
 
A.- K.________ bezog für die Zeit vom 1. September bis 
31. Dezember 1997 Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von Fr. 18'572. 70. Mit Verfügungen vom 23. Januar 1998 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt die Anspruchsberechtigung ab 1. September 1997 und forderte die ausbezahlte Summe zurück, wogegen sich der Leistungsbezüger beschwerte. Mit Urteil vom 4. August 1998 (C 166/98) stellte das Eidgenössische Versicherungsgericht in Bestätigung des Entscheides der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt vom 26. März 1998 fest, K.________ sei aufgrund seiner Stellung als Verwaltungsrat der Firma A.________ AG im Bezugszeitraum nicht anspruchsberechtigt gewesen. Im Weitern wies es die Sache an die Vorinstanz zur Prüfung der nicht beurteilten Rückerstattungsfrage zurück. 
Mit Entscheid vom 4. November 1999 wies die kantonale Schiedskommission die Beschwerde gegen die Rückerstattungsverfügung vom 23. Januar 1998 ab, was unangefochten blieb. 
Am 27. November 1999 stellte K.________ ein Erlassgesuch, welches die Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt mit Verfügung vom 19. Juni 2000 ablehnte. 
 
B.- K.________ liess hiegegen Beschwerde erheben, welche die kantonale Schiedskommission mit Entscheid vom 14. Dezember 2000 abwies. 
 
 
C.- K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, es sei der Entscheid der kantonalen Schiedskommission aufzuheben und das Erlassgesuch vom 27. November 1999 gutzuheissen, eventualiter die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die kantonale Amtsstelle verzichtet auf eine Stellungnahme und einen Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat keine Vernehmlassung eingereicht. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig und zu prüfen ist als eine Voraussetzung des Erlasses der Rückerstattung der in den Monaten September bis Dezember 1997 zu Unrecht bezogenen Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von Fr. 18'572. 70, ob der Beschwerdeführer beim Bezug gutgläubig war (Art. 95 Abs. 2 [erster Satz] AVIG). 
 
2.- Nach der Rechtsprechung liegt guter Glaube nicht schon bei Unkenntnis des Rechtsmangels vor. Vielmehr dürfen sich Leistungsempfängerinnen und -empfänger nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Daraus erhellt, dass der gute Glaube zum Vornherein entfällt, wenn die zu Unrecht erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige oder grobfahrlässige Melde- oder Auskunftspflichtsverletzung zurückzuführen ist. Anderseits kann sich die rückerstattungspflichtige Person auf den guten Glauben berufen, wenn ihr fehlerhaftes Verhalten nur eine leichte Fahrlässigkeit darstellt (ARV 1998 Nr. 14 S. 73 Erw. 4a, 1992 Nr. 7 S. 103 Erw. 2b; vgl. auch BGE 112 V 103 Erw. 2c, 110 V 180 Erw. 3c). 
Im Weitern ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen können und sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG (in Verbindung mit Art. 132 Ingress OG) von der Vorinstanz verbindlich beantwortet wird. 
Demgegenüber gilt die Frage nach der Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 223 Erw. 3 mit Hinweisen; ARV 1998 Nr. 41 S. 237 Erw. 3; vgl. Art. 3 ZGB). 
 
3.- Die kantonale Schiedskommission hat den guten Glauben im Wesentlichen mit dem Hinweis darauf verneint, der Beschwerdeführer habe im fraglichen Zeitraum von September bis Dezember 1997 neben der nicht weiter belegten Suche einer Teilzeitstelle gleichzeitig auch Aufträge für die Firma akquiriert (ohne hiefür entlöhnt zu werden). 
Diese Doppeltätigkeit widerlege seine Behauptung, er sei jederzeit gutgläubig gewesen. Wäre er das (tatsächlich) gewesen, hätte er nicht nebst dem Bezug von Arbeitslosenentschädigung auch Akquisitionsarbeiten für seine eigene Firma vornehmen dürfen. 
 
4.- a) Die Argumentation der Vorinstanz beruht auf der an sich durchaus richtigen Überlegung, dass es offensichtlich Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung widerspricht, wenn ein als arbeitlos gemeldeter Taggeldbezüger seine Arbeitskraft einem bestimmten Arbeitgeber unentgeltlich zur Verfügung stellt und sie nicht auf dem Arbeitsmarkt anbietet und gegebenenfalls im Rahmen des Zumutbaren einsetzt. Ein solches Verhalten schliesst Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug im Sinne von Art. 95 Abs. 2 (erster Satz) AVIG ohne weiteres aus. Diese Feststellung gilt indessen nur dort, wo die Anspruchsvoraussetzungen des anrechenbaren Arbeitsausfalles (Art. 8 Abs. 1 lit. b und Art. 11 AVIG) oder der Vermittlungsfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15 AVIG) zur Diskussion stehen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr geht es vorliegend um den guten Glauben in Bezug auf die Stellung als (einzelzeichnungsberechtigter) Verwaltungsrat der Firma, welche der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum September bis Dezember 1997 auch nach seiner "Freistellung" innehatte, was nach der Rechtsprechung (ARV 2000 Nr. 14 S. 70 f. Erw. 2 mit Hinweis auf BGE 123 V 234; vgl. auch Erw. 3 des Urteils vom 4. August 1999) die Anspruchsberechtigung ausschliesst. 
Es gibt zwar in den Akten Hinweise, dass die im Übrigen nicht in Abrede gestellte Akquisitionstätigkeit einen bedeutenden zeitlichen Umfang einnahm. Gemäss den Protokollen von den Beratungsgesprächen auf dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) vom 20. Oktober und 3. November 1997 äusserte sich der Beschwerdeführer dem zuständigen Arbeitsvermittler gegenüber in dem Sinne, es seien im letzten Monat einige Projekte gestartet, zu seiner Enttäuschung aber mittlerweile abgesagt worden. Betreffend Fototaschen (Filmentwicklung) seien um die 140 Firmen angeschrieben worden, wovon er sich eine Ankurbelung des Geschäfts erhoffe. Und sein primäres Ziel sei, wieder 100 % in seinem Geschäft-Atelier zu arbeiten. Dies genügt indessen nicht für die Verneinung der Anspruchsberechtigung vorab wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit und umso weniger, soweit verfahrensrechtlich zulässig (vgl. BGE 122 V 36 f. Erw. 2), für ein wiedererwägungsweises Rückkommen auf die Zusprechung und Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung für September bis Dezember 1997 unter diesem Gesichtspunkt. 
 
b) aa) Weder das Verwaltungsratsmandat als solches noch der Umstand, dass die Firma nicht Kurzarbeit beantragte, sondern das Arbeitsverhältnis kündigte und den Beschwerdeführer neu in reduziertem zeitlichem Umfang wieder anstellte, sprechen gegen die Gutgläubigkeit des Leistungsbezügers. 
Davon geht zu Recht auch die Vorinstanz aus, dies umso mehr, als ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer arbeitslosenversicherungsrechtlich Arbeitnehmerstellung zukam. Ebenfalls kann daraus, dass die Frage im Antragsformular nach der Erzielung von Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit mit 'Nein' beantwortet wurde, nicht auf ein fehlendes Unrechtsbewusstsein hinsichtlich des die Anspruchsberechtigung ausschliessenden Verwaltungsratsmandates geschlossen werden. Insbesondere kann entgegen der Begründung in der Verfügung vom 19. Juni 2000 nicht von einer wissentlich falschen Angabe gesprochen werden, hat doch aufgrund der Akten als erstellt zu gelten, dass die Firma spätestens ab 1. September 1997 keinen Lohn mehr zahlte. Unter diesen Umständen muss aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer gemäss Notiz vom 4. September 1997 dem Berater des RAV gegenüber erwähnt hatte, er sei Geschäftsführer und Mitaktionär der Firma, die Gutgläubigkeit des Leistungsbezügers bejaht werden, zumal sein Name auch Bestandteil des Firmennamens war. Dass dieser Sachverhalt für die Verwaltung nicht Anlass genug für entsprechende Abklärungen war, kann dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. 
 
bb) Für die Frage, ob er sich bei den konkreten tatsächlichen Gegebenheiten auf den guten Glauben berufen kann, ist zunächst von Bedeutung, dass anders als bei der Kurzarbeitsentschädigung sich im Antragsformular für Arbeitslosenentschädigung kein Hinweis darauf findet, dass Personen, denen eine arbeitgeberähnliche Stellung im Sinne der Aufzählung in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG zukommt, nicht anspruchsberechtigt sind (vgl. ARV 1998 Nr. 41 S. 238 Erw. 4b). Dass der Beschwerdeführer bei der Anmeldung oder in einem späteren Zeitpunkt während des Taggeldbezugs auf diese Rechtslage hingewiesen worden wäre, sei es vom zuständigen Sachbearbeiter der Kasse, sei es bei den Beratungsgesprächen auf dem RAV, ist aufgrund der Akten nicht anzunehmen. Eine unbedingte den guten Glauben per se ausschliessende gesetzliche Pflicht, wonach er selber von sich aus auf seine Stellung als Verwaltungsrat hätte hinweisen müssen, welcher Sachverhalt sich im Übrigen nach den Feststellungen im Urteil vom 4. August 1999 nicht beweiskräftig erstellen lässt, besteht im Übrigen nicht. Anderseits wäre der Beschwerdeführer nach Art. 96 Abs. 2 AVIG verpflichtet gewesen, die laut dem Verwaltungsratspräsidenten der Firma auf 1. September 1997 erfolgte "Freistellung" zu 100 % und die Tatsache, ab diesem Zeitpunkt keinen Lohn (mehr) zu beziehen, zu melden. Denn im Antragsformular hatte er sich lediglich als im Umfang von 50 % arbeitslos bezeichnet, und gemäss dem den Gesuchsunterlagen beigelegten Arbeitsvertrag vom 13. August 1997 war er ab 1. September 1997 im Rahmen eines halben Arbeitspensums bei entsprechend reduziertem Gehalt wieder resp. weiterhin als Geschäftsführer tätig. 
Abgesehen davon, dass diese Änderungen tatsächlich keine Auswirkungen auf die Leistungsbemessung hatten, indem aus hier nicht weiter interessierenden Gründen das volle Taggeld ausgerichtet wurde, ist anzunehmen, dass eine entsprechende Meldung auch keine Folgen gehabt hätte, was die Anspruchsberechtigung als solche anbetrifft. Ob auch hinsichtlich der (unentgeltlichen) Akquisitionstätigkeit eine Meldepflicht bestand, was nicht auszuschliessen ist, kann nach dem in Erw. 4a Gesagten offen bleiben. 
 
c) Entgegen kantonaler Schiedskommission und Amtsstelle ist somit von Gutgläubigkeit beim Bezug der Arbeitslosenentschädigung (Art. 95 Abs. 2 [erster Satz] AVIG) auszugehen. 
Ob auch die weitere Voraussetzung der grossen Härte für den Erlass der Rückerstattung gegeben ist, wird die Verwaltung noch zu prüfen haben (vgl. dazu auch BGE 126 V 48). 
 
5.- Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der kantonalen Amtsstelle aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). 
Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
werden der Entscheid der Kantonalen 
Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel- Stadt vom 14. Dezember 2000 und die Verfügung vom 19. Juni 2000 aufgehoben und die Sache an die Kantonale 
 
 
Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel- Stadt zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen 
über das Erlassgesuch neu verfüge. 
 
 
II.Die Gerichtskosten von Fr. 1500.- werden der Kantonalen Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel- Stadt auferlegt. 
 
 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1500.- wird dem Beschwerdeführer rückerstattet. 
 
 
IV.Die Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung 
 
 
von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) 
zu bezahlen. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, der Kantonalen 
Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel- Stadt, der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt 
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 8. August 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: