Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.308/2003 /err
Urteil vom 1. Oktober 2003
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Störi.
Parteien
Y.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Robert Hadorn, Stockerstrasse 39, Postfach, 8027 Zürich,
gegen
Statthalteramt des Bezirkes Bülach, Postfach 121, 8180 Bülach,
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach 4875, 8022 Zürich.
Gegenstand
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 25. März 2003.
Sachverhalt:
A.
Das Statthalteramt des Bezirkes Bülach verurteilte Y.________ am 25. Januar 1999 zu einer Baubusse von 20'000 Franken, da er als Architekt bei der Erstellung von zwei Mehrfamilienhäusern an der X.________strasse in Oberembrach von den bewilligten Plänen abgewichen sei.
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Bülach verurteilte Y.________ am 29. Dezember 1999 auf dessen Einsprache hin wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen § 340 Abs. 1 PBG in Verbindung mit § 309 lit. a und b PBG sowie § 326 PBG und wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen § 340 Abs. 2 PBG in Verbindung mit § 250 PBG sowie Art. 14 BZO der Gemeinde Oberembrach zu einer Busse von 11'000 Franken.
Y.________ focht dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde an; darin wehrte er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das Planungs- und Baugesetz und beanstandete die Strafzumessung. Ausserdem beantragte er eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne von § 449 Ziff. 3 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO) wegen neuer Tatsachen und Beweismittel, die dem Einzelrichter nicht bekannt gewesen seien.
B.
Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von Y.________ gegen seine Verurteilung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 5. Dezember 2001 ab, soweit es darauf eintrat, und auferlegte ihm die Verfahrenskosten (Dispositiv-Ziffern 1 und 4). Das von Y.________ ergänzend gestellte Gesuch um Wiederaufnahme des Verfahrens wies es ab (Dispositiv-Ziffer 2).
Y.________ focht Dispositiv-Ziffer 2 dieses Beschlusses mit Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich und die Dispositiv-Ziffern 1 und 4 mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an.
C.
Das Bundesgericht hiess am 4. April 2002 die von Y.________ gegen diesen obergerichtlichen Beschluss erhobene staatsrechtliche Beschwerde gut und hob dessen Dispositiv-Ziffern 1 und 4 auf.
D.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat auf die Nichtigkeitsbeschwerde von Y.________ am 23. März 2003 nicht ein.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Rechts- und Gehörsverweigerung (Verletzung von Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 BV) beantragt Y.________, diesen Entscheid des Kassationsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an dieses zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um Zusprechung einer angemessenen Parteientschädigung.
In seiner Vernehmlassung beschränkt sich das Statthalteramt Bülach auf die Bemerkung, bei den Kanalisations-, Luftschutzraum- und Umgebungsplänen handle es sich um technische Ausführungspläne, welche, anders als Grundriss- und Fassadenpläne, keine baurechtliche Bedeutung erwirkten. Das Kassationsgericht verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mit Urteil des Bundesgerichts vom 4. April 2002 wurde die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das PBG aufgehoben. Gestützt darauf hiess das Obergericht mit Urteil vom 7. Januar 2003 die Nichtigkeitsbeschwerde gut und wies die Sache im Sinne der Erwägungen an den Einzelrichter zur Neubeurteilung zurück. Es hielt fest, von der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen das PBG habe der Einzelrichter Vormerk zu nehmen. Da der angefochtene Entscheid die Wiederaufnahme des Verfahrens in Bezug auf den rechtskräftig erledigten Teil des Verfahrens betrifft (siehe E. 2 hiernach), stellt er einen Endentscheid dar, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
2.1 Das Kassationsgericht trat auf die vom Beschwerdeführer erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nicht ein mit der Begründung, er habe sein rechtlich geschütztes Interesse daran verloren. Er habe mit seinem Revisionsbegehren seine Verurteilung wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das PBG, insbesondere aber die vom Einzelrichter vorgenommene Strafzumessung beanstandet. Mit dem Entscheid des Obergerichts vom 7. Januar 2003 seien sowohl der einzelrichterliche Schuldspruch wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das PBG wie insbesondere auch der Strafpunkt aufgehoben worden. Damit sei das Anfechtungsobjekt nachträglich dahingefallen, weshalb insofern kein rechtlich schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers an der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde bestehe.
2.2 Der Beschwerdeführer wirft dem Kassationsgericht eine formelle Rechtsverweigerung vor. Es gehe aus nicht nachvollziehbaren Gründen davon aus, er beanstande bloss seine Verurteilung wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das PBG und die Strafzumessung. Gerade das Revisionsgesuch ziele in erster Linie auf die Aufhebung der Verurteilung wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen das PBG. Der Einzelrichter sei zum Schluss gekommen, er sei von den bewilligten Plänen abgewichen, ohne vorgängig um Bewilligung ersucht oder die Änderung angezeigt zu haben, was einen vorsätzlichen Verstoss gegen das PBG darstelle. In der Nichtigkeitsbeschwerde habe er wiederholt und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass er die vorgenommenen Änderungen in den Kanalisations-, Schutzraum- und Umgebungsplänen, die vor dem Baubeginn genehmigt worden seien, detailliert aufgezeigt habe. Mit diesen Vorbringen habe er offensichtlich bezweckt, den Vorwurf zu entkräften, er habe Änderungen vorgenommen, ohne diese angezeigt zu haben, was vom Einzelrichter als vorsätzliche Widerhandlung gegen das PBG qualifiziert worden sei. Das Revisionsbegehren ziele damit nicht in erster Linie auf die in der Zwischenzeit aufgehobene Verurteilung wegen fahrlässiger, sondern auf diejenige wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen das PBG (Beschwerdeschrift Ziff. 4a S. 9 f. 4).
2.3 Diese Ausführungen treffen zu. Das Kassationsgericht hat offensichtlich übersehen, dass es dem Beschwerdeführer mit dem von ihm angestrengten Wiederaufnahmeverfahren auch und vor allem um die Aufhebung seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen das PBG ging (Nichtigkeitsbeschwerde vom 23. März 2000 ans Obergericht, Ziff. II.3.e, f S. 9 f.) und dies hat er auch in seiner Nichtigkeitsbeschwerde vom 20. Februar 2002 ans Kassationsgericht deutlich zum Ausdruck gebracht (Ziff. 4b, c S. 6 ff.). Es hat damit eine formelle Rechtsverweigerung begangen, indem es auf die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Abweisung des Revisionsbegehrens mit der Begründung nicht eintrat, das rechtlich geschützte Interesse des Beschwerdeführers daran sei mit der Aufhebung seiner Verurteilung wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen das PBG nachträglich weggefallen. Die Rüge ist begründet.
3.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Hingegen hat der Kanton Zürich dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Kassationsgerichtes des Kantons Zürich vom 25. März 2003 aufgehoben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt des Bezirkes Bülach und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Oktober 2003
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: