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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1187/2019  
 
 
Urteil vom 7. Juli 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Rohrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A._________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Justizvollzug Kanton Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Bedingte Entlassung aus der stationären Massnahme, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, vom 25. September 2019 (VB.2019.00493). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A._________ hielt seiner Ehefrau am 25. Juni 2017 im Laufe eines Streits ein Messer an die Wange und sagte ihr, dass er sie töte, wenn sie sich nicht bei ihm entschuldige und dass er ihr den Mund aufschlitze, wenn sie nicht die Klappe halte. Zudem konsumierte er im Zeitraum vom 23. August 2016 bis 25. Juni 2017 mehrfach Cannabis und Kokain. 
 
B.  
Am 23. November 2017 wurde A._________ im Rahmen des vorzeitigen Massnahmenvollzugs in das Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) in Rheinau eingewiesen. Am 6. Dezember 2017 musste er dort ausgeschlossen und in Sicherheitshaft versetzt werden. Am 16. März 2018 konnte er in das Zentrum für Stationäre Forensische Therapie (ZSFT) in Rheinau übertreten. 
 
C.  
Das Bezirksgericht Bülach stellte mit Urteil vom 21. März 2018 fest, dass A._________ die Tatbestände der Drohung sowie der mehrfachen Übertretung des BetmG (SR 812.121) im Zustand der nicht selbstverschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt habe. Es sah gestützt auf Art. 19 Abs. 1 StGB von einer Strafe ab und ordnete eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) an. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 27. Mai 2019 lehnte das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich eine bedingte Entlassung aus dem stationären Massnahmenvollzug von A._________ ab und ordnete die Weiterführung der Massnahme an. 
 
E.  
Sowohl die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (Justizdirektion) als auch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wiesen den dagegen erhobenen Rekurs bzw. die dagegen erhobene Beschwerde am 18. Juli 2019 bzw. am 25. September 2019 ab. 
 
F.  
A._________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragt, er sei aus dem stationären Massnahmenvollzug zu entlassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Aufhebung der Massnahme bzw. die bedingte Entlassung aus dem Vollzug der stationären Massnahme. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich geltend, er habe sich mit seiner Ehefrau wieder versöhnt. Von ihm gehe keine Gefahr mehr aus. Das Rückfallrisiko sei sehr gering und er habe während der Massnahme grosse Fortschritte erzielt.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB zur Behandlung von psychischen Störungen ist anzuordnen, wenn der Täter psychisch schwer gestört ist, er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht, und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (Art. 59 Abs. 1 StGB).  
Eine Massnahme, für welche die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, ist aufzuheben (vgl. Art. 56 Abs. 6 und Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB). 
Die Vollzugsbehörde prüft auf Gesuch hin oder von Amtes wegen, ob und wann der Täter aus dem Vollzug der Massnahme bedingt zu entlassen oder die Massnahme aufzuheben ist. Sie beschliesst darüber mindestens einmal jährlich. Vorher hört sie den Eingewiesenen an und holt einen Bericht der Leitung der Vollzugseinrichtung ein (Art. 62d Abs. 1 StGB). 
Der Täter wird gemäss Art. 62 Abs. 1 StGB aus dem stationären Vollzug einer Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Voraussetzung für die bedingte Entlassung ist eine günstige Prognose. Die Prognose ist günstig, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene keine weiteren Straftaten begehen wird, die mit der behandelten Störung in Zusammenhang stehen. Eine Heilung im medizinischen Sinn ist indes nicht erforderlich. Es genügt, dass der Betroffene gelernt hat, mit seinen Defiziten umzugehen. Entscheidend ist, dass die mit der schweren psychischen Störung zusammenhängende Rückfallgefahr durch die Behandlung ausreichend vermindert werden konnte (vgl. BGE 145 IV 167 E. 1.8 S. 175 f.; 141 IV 236 E. 3.7 S. 241 f.; 137 IV 201 E. 1.2 S. 202 f.; Urteil 6B_699/2019 vom 16. Januar 2020 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). 
 
1.2.2. Die stationäre therapeutische Massnahme muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV; Art. 56 Abs. 2 StGB). Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt neben der Eignung der Massnahme zur Verbesserung der Legalprognose und dem Fehlen milderer Massnahmen für die Erreichung des angestrebten Erfolgs, dass zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation besteht (vgl. BGE 146 IV 49 E. 2.7.3 S. 56; 142 IV 105 E. 5.4 S. 112; 137 IV 201 E. 1.2 S. 203; Urteil 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.2.2, nicht publ. in: BGE 144 IV 176). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gilt sowohl bei der Anordnung von Massnahmen als auch bei den Folgeentscheidungen (BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 112 mit Hinweisen). Im Rahmen der Verhältnismässigkeit ist auch der Dauer des bereits erfolgten Freiheitsentzugs Rechnung zu tragen (BGE 146 IV 49 E. 2.7.3 S. 56; 145 IV 65 E. 2.6.1 S. 74 f.; 137 IV 201 E. 1.2 S. 203; je mit Hinweisen). Bei lang andauernder Unterbringung gewinnt der Freiheitsanspruch des Eingewiesenen zunehmend an Gewicht (Urteil 6B_699/2019 vom 16. Januar 2020 E. 2.3.1 mit Hinweisen).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Die Justizdirektion stützt sich in ihrer Verfügung vom 18. Juli 2019, mit welcher sie das Begehren um Aufhebung und bedingte Entlassung aus der Massnahme abweist, auf das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. med. B._________ vom 9. Oktober 2017, auf den Bericht des ZFST Rheinau vom 22. März 2019 sowie auf die Protokolle der Vollzugskoordinationssitzung vom 7. Mai 2019 und der persönlichen Anhörung vom 7. Mai 2019 ab (Verfügung der Justizdirektion vom 18. Juli 2019 Ziff. 4.2 - 4.6 S. 3 ff.).  
Sie führt dabei zusammengefasst aus, dem Beschwerdeführer seien im psychiatrischen Gutachten vom 9. Oktober 2017 folgende Diagnosen gestellt worden: Hebephrene Schizophrenie, kontinuierlich (ICD-10: F20.1); Störung durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom, derzeit abstinent in beschützender Umgebung (ICD-10: F10.21); Störung durch multiplen Substanzgebrauch (Cannabis, Kokain, verschreibungspflichtige Medikamente, Speed etc.), schädlicher Gebrauch (ICD-10: F19.1). Der Gutachter habe ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zahlreiche Risikomerkmale für die Begehung weiterer, auch schwerwiegender Delikte zeige und mit hoher Wahrscheinlichkeit von weiteren häuslichen Gewaltdelikten (allenfalls mit Waffeneinsatz) gegenüber der Ehefrau bzw. einer neuen Partnerin zu rechnen sei. Gemäss dem Gutachter sei aufgrund der Schwere der Erkrankung und des damit verbundenen Rückfallrisikos aus psychiatrischer Sicht eine stationäre Massnahme angezeigt (vgl. Verfügung der Justizdirektion vom 18. Juli 2019 Ziff. 4.2 S. 3). 
Im Bericht des ZFST Rheinau vom 22. März 2019 werde beim Beschwerdeführer sodann von einer undifferenzierten Schizophrenie mit paranoiden und hebephrenen Anteilen (ICD-10: F20.3) ausgegangen. Die im Vergleich zum psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. med. B._________ veränderte Diagnosestellung resultiere gemäss dem ZFST Rheinau aus einer Verlaufsbeobachtung, in der sich neben der hebephrenen Symptomatik auch paranoid anmutende Symptome wie diffuse Ängste, erhöhtes Misstrauen und Fehlinterpretationen von Situationen gezeigt hätten. Die Änderung der Diagnose habe - so der Bericht - keine Anpassung der Massnahmenbehandlung oder der Medikation zur Folge. Das Abhängigkeitssyndrom von Cannabinoiden und Kokain sowie eine Störung durch Alkohol mit schädlichem Gebrauch seien sodann im Wesentlichen bestätigt worden. Die Kombination der Psychopharmakotherapie und des multimodalen Therapieangebots hätte gemäss Bericht insgesamt zu einer Zustandsstabilisierung des Beschwerdeführers geführt und durch die Behandlung sowie Bearbeitung deliktsrelevanter Problembereiche seien kleine Fortschritte erzielt worden. Im Hinblick auf die Risikoreduktion halte der Bericht zudem fest, dass der Beschwerdeführer ein basales Problem- und Krankheitsverständnis habe entwickeln können. Zur Bearbeitung der noch offenen Therapieziele und nachhaltigen Senkung des Rückfallrisikos sei die Stabilität des bisherigen Behandlungserfolgs zunächst jedoch unter höheren Alltagsbelastungen und weiteren Progressionen im stationären Setting zu erproben. Eine Weiterführung der Massnahme erscheine laut dem Bericht aus forensisch-psychiatrischer Sicht als notwendig (vgl. Verfügung der Justizdirektion vom 18. Juli 2019 Ziff. 4.4 S. 4). 
Gestützt auf die Aktenlage kommt die Justizdirektion zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer grundsätzlich ein gutes Vollzugsverhalten attestiert werden könne: Unter engmaschiger äusserer Kontrolle sei er weitgehend absprachefähig und medikamentencompliant. Allerdings habe mit ihm bisher erst ein basales Krankheitsverständnis erarbeitet werden können. Delikts- und risikorelevante Themen seien offenbar aber noch nicht nachhaltig bearbeitet worden und eine massgebliche Erarbeitung von Coping-Strategien stehe ebenfalls noch aus. Davon, dass der Beschwerdeführer für die Gewährung eines Lockerungsschrittes mit einer hohen Eigenverantwortung, wie der bedingten Entlassung, genügend gefestigt sei, könne unter diesen Umständen noch nicht ausgegangen werden. Daran ändere nichts, dass der Beschwerdeführer in ein (stabiles) Umfeld zu Frau und Tochter zurückkehren wolle, zumal er in der Vergangenheit gerade bei Partnerschaftskonflikten instabil bzw. delinquent reagiert habe und gemäss psychiatrischem Gutachten vom 9. Oktober 2017 mit hoher Wahrscheinlichkeit insbesondere von weiteren häuslichen Gewaltdelikten gegenüber der Ehefrau bzw. einer neuen Partnerin - auch mit Einsatz von Waffen - zu rechnen sei. Davon, dass diese Rückfallgefahr zwischenzeitlich massgeblich gesenkt worden wäre, könne noch nicht ausgegangen werden, auch wenn der Beschwerdeführer im Laufe der bisherigen Massnahmendauer kleine Fortschritte erzielt haben mag. Insofern sei das psychiatrische Gutachten vom 9. Oktober 2017 nach wie vor aktuell. Vorliegend sei ein schrittweises Vorgehen angezeigt. Vor Gewährung der bedingten Entlassung sei beim Beschwerdeführer eine nachhaltigere Stabilität anzustreben. Insbesondere seien zunächst stufenweise weniger weitgehende Belastungserprobungen vorzunehmen. Ein solches Vorgehen erscheine - gerade angesichts der langjährigen psychiatrischen Vorgeschichte des Beschwerdeführers und der gescheiterten ambulanten Massnahme bzw. manifestierter Rückfälligkeit - zweckmässig und angesichts der bisherigen Massnahmendauer auch noch als verhältnismässig. Mangels genügend günstiger Prognose sei von einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus der stationären Massnahme abzusehen (vgl. Verfügung der Justizdirektion vom 18. Juli 2019 Ziff. 5 S. 5). 
 
1.3.2. Die Vorinstanz schliesst sich den Ausführungen der Justizdirektion an. Sie erwägt, dass dem Beschwerdeführer trotz des grundsätzlich guten Vollzugsverhaltens derzeit keine günstige Prognose gestellt werden könne, und sich die Massnahme auch angesichts ihrer Dauer von noch nicht zwei Jahren weiterhin als verhältnismässig erweise. Im Übrigen gehe auch aus dem jüngsten Behandlungsplan der ZFST Rheinau vom 21. August 2019 nicht hervor, dass die gutachterlich diagnostizierte hohe Rückfallgefahr bisher derart vermindert werden konnte, dass sich eine bedingte Entlassung aus der stationären Massnahme zum jetzigen Zeitpunkt vertreten liesse (vgl. angefochtenes Urteil Ziff. 3.3 S. 5).  
 
1.4. Die vorinstanzlichen Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Vorliegend ist erstellt, dass der Beschwerdeführer an einer schweren psychischen Störung leidet, welche als delikts- und insofern auch als rückfallsrelevant eingestuft wurde. Unbestritten ist sodann, dass die Massnahme zur Behandlung der psychischen Störung grundsätzlich positiv verläuft und der Beschwerdeführer bereits kleine Fortschritte erzielen konnte. Entscheidend ist jedoch, dass die mit der schweren psychischen Störung zusammenhängende Rückfallgefahr nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Justizdirektion, welchen sich die Vorinstanz zu Recht anschliesst, durch die Behandlung noch nicht ausreichend vermindert werden konnte. Inwiefern die zwischenzeitliche Versöhnung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau an dieser Einschätzung etwas ändern sollte, ist nicht ersichtlich. Auch dem Behandlungsplan der ZFST Rheinau vom 21. August 2019 lässt sich mit der Vorinstanz nichts entnehmen, was zu einer anderen Beurteilung des Rückfallrisikos führen könnte. Die Vorinstanz durfte ohne Rechtsverletzung davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer noch nicht in Freiheit bewähren könne. Dass sie die stationäre therapeutische Massnahme noch als verhältnismässig erachtet, gibt mit Blick auf die weiterhin bestehende Rückfallgefahr und die bisherige Dauer der Massnahme ebenfalls zu keiner Beanstandung Anlass. Schliesslich erscheint die Massnahme auch nicht als aussichtslos, zumal der Beschwerdeführer doch bereits gewisse Fortschritte im Sinne eines basalen Krankheitsverständnisses und einer gewissen Medikamenten-Compliance (einstweilen in strukturiertem engmaschigen Rahmen) erzielen konnte. Der vorinstanzliche Entscheid, dem Beschwerdeführer die (bedingte) Entlassung aus dem stationären Massnahmenvollzug zu verweigern, ist bundesrechtskonform.  
 
2.  
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Juli 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer