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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_457/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. Februar 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Otmar Kurath, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld, handelnd durch den ausserordentlichen Staatsanwalt A.________, 
2. B.________, 
3. C.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Amtsmissbrauch), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Thurgau vom 28. Januar 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen führte ein Strafverfahren gegen X.________. Die Untersuchung leiteten Oberstaatsanwalt B.________ und Staatsanwältin C.________. Am 4. August 2014 erstattete X.________ Strafanzeige gegen B.________ und C.________ wegen Amtsmissbrauchs, Begünstigung und Falschbeurkundung. 
 
B.  
Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, handelnd durch den ausserordentlichen Staatsanwalt A.________, verfügte am 22. Juli 2015 die Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens. X.________ erhob dagegen Beschwerde. Das Obergericht hob am 28. Januar 2016 die Nichtanhandnahmeverfügung in Bezug auf den Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Urkundenfälschung im Amt auf und wies die Generalstaatsanwaltschaft an, eine Strafuntersuchung zu eröffnen und durchzuführen. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Nichtanhandnahmeverfügung der Generalstaatsanwaltschaft sei auch in Bezug auf den Tatbestand der Begünstigung aufzuheben. Eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit dieses entscheide, ob auch wegen des Verdachts auf Begünstigung ein Strafverfahren gegen B.________ und C.________ zu eröffnen sei. Sowohl für das vorinstanzliche Verfahren als auch vor Bundesgericht beantragt X.________ die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
D.  
B.________ und C.________ beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. X.________ nahm dazu Stellung. Danach reichten B.________ und C.________ einerseits sowie X.________ andererseits insgesamt drei weitere Stellungnahmen ein. Das Obergericht und der ausserordentliche Staatsanwalt verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Vorinstanz trat auf die Beschwerde nicht ein, soweit diese den Tatbestand der Begünstigung betraf (Urteil, S. 9). Streitgegenstand ist in diesem Zusammenhang deshalb nur die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist (BGE 139 II 233 E. 3.2). Soweit der Beschwerdeführer weitergehende Rechtsbegehren stellt, ist auf die Beschwerde in Strafsachen nicht einzutreten.  
 
1.2. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der Privatkläger die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen. Ein in der Sache nicht legitimierter Beschwerdeführer kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren, noch kann er geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend. Er kann hingegen vorbringen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, er habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen oder er habe keine Einsicht in die Akten nehmen können ("Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_491/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht auf das von ihm erhobene Rechtsmittel nicht eingetreten. Er ist demnach legitimiert, den Entscheid der Vorinstanz vor dem Bundesgericht anzufechten. 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz erwägt, dass der Tatbestand der Begünstigung nach Art. 305 StGB nur das Funktionieren der Rechtspflege, mithin einzig ein kollektives Rechtsgut, schütze. Es gebe deshalb keine geschädigte Person oder eine solche sei gegebenenfalls nur mittelbar geschädigt. In Bezug auf den Tatbestand der Begünstigung sei der Beschwerdeführer daher nicht Geschädigter im Sinne von Art. 115 StPO und somit nicht zur Beschwerde legitimiert (Urteil, S. 9).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei hinsichtlich der Beschwerdelegitimation im vorinstanzlichen Verfahren nicht massgebend, ob er Geschädigter im Sinne von Art. 115 StPO sei. Entscheidend sei einzig, ob er nach Art. 382 Abs. 1 StPO ein rechtlich geschütztes Interesse an der Änderung des angefochtenen Entscheides habe. Die von ihm angezeigten Staatsanwälte hätten einen Verdächtigen - D.________ - von der Strafverfolgung verschont, um diesen gegen ihn als Zeuge im Sinne von Art. 162 StPO aufmarschieren zu lassen. Die Nichtanhandnahmeverfügung erschwere es ihm, die Verwertung dieser Zeugenbefragung zu bekämpfen. Weiter würde er wegen der Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens gegen die von ihm angezeigten Staatsanwälte eine Rechtsgrundlage für seine Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche verlieren, zumal D.________ immer wieder zur Verlängerung der Untersuchungshaft oder zur rechtswidrigen Absetzung seines Verteidigers angeführt worden sei. Auch sei unzutreffend, dass er nicht Geschädigter im Sinne von Art. 115 StPO sei. Rechtspflegedelikte wie Art. 305 StGB würden das Funktionieren und die Integrität der Strafrechtspflege schützen, aber auch - wie vorliegend - private Interessen.  
 
2.3. Nach Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Der Beschwerdeführer macht im Ergebnis geltend, er erleide einen Nachteil daraus, dass D.________ nicht als beschuldigte Person, sondern als Zeuge befragt worden sei. Aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgt, dass die Aussage eines Zeugen per se nicht mehr wert ist als ein anderes Beweismittel, etwa die Aussage einer Auskunftsperson oder eines Mitbeschuldigten. Die Überzeugungskraft beurteilt sich im konkreten Fall aufgrund der "inneren Autorität" und nicht danach, ob der Einvernommene einer strafrechtlich sanktionierten Wahrheitspflicht unterstellt ist (DONATSCH, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 162). In diesem Sinne erleidet der Beschwerdeführer im jetzigen Verfahrensstadium keinen Nachteil daraus, dass gegen D.________ kein Strafverfahren eröffnet wurde und dieser nicht als Beschuldigter befragt wurde. Dem Umstand, dass Letzterer beim Tatgeschehen nicht unbeteiligt gewesen sein soll, ist im Rahmen der (künftigen) Würdigung seiner Aussagen Rechnung zu tragen. Dies betrifft sowohl den Schuldpunkt als auch allfällige Entschädigungsansprüche des Beschwerdeführers. Dass der Verteidiger des Beschwerdeführers von den angezeigten Staatsanwälten zu Unrecht abgesetzt wurde, hat die Vorinstanz bereits in einem früheren Entscheid rechtskräftig festgehalten (vgl. Urteil, S. 3). Der Beschwerdeführer verfügte über kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO, weshalb die Vorinstanz zu Recht auf seine Beschwerde nicht eintrat, soweit diese den Tatbestand der Begünstigung betraf. Ob der Beschwerdeführer auch Geschädigter im Sinne von Art. 115 StPO ist, kann offenbleiben.  
 
3.  
 
3.1. Zur unentgeltlichen Rechtspflege erwägt die Vorinstanz, dass nach dem thurgauischen Verantwortlichkeitsgesetz für den Schaden, den eine mit öffentlichen Aufgaben betraute Person in Ausübung amtlicher Verrichtungen einem Dritten verursacht, ausschliesslich der Staat hafte. Der Beschwerdeführer habe daher keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen die Beschwerdegegner 2 und 3, weshalb er nach Art. 136 StPO keinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege habe.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer rügt, dass ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege vorliegend unabhängig von einer allfälligen Zivilklage unmittelbar gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV bestehe.  
 
3.3. Ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht selbst unter dem Blickwinkel von Art. 29 Abs. 3 BV nur dann, wenn das Rechtsbegehren der gesuchstellenden Person nicht aussichtslos erscheint. Der Beschwerdeführer verfügte im vorinstanzlichen Verfahren über kein rechtlich geschütztes Interesse, die Verfügung der Staatsanwaltschaft in Bezug auf den Tatbestand der Begünstigung anzufechten. Sein diesbezügliches Rechtsbegehren war von vornherein aussichtslos, weshalb die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Recht ablehnte.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdegegner 2 und 3 haben Anspruch auf eine angemessene Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG). Dem Kanton steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegnern 2 und 3 für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Februar 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses