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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_222/2018  
 
 
Urteil vom 17. Juli 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Philipp Studer, 
 
gegen  
 
Polizei des Kantons Solothurn, 
Rechtsdienst, Waffenbüro, 
Werkhofstrasse 33, 4503 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Einsicht einer Verwaltungsbehörde in ein im Strafverfahren eingereichtes Arztzeugnis, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichtspräsidenten des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 28. März 2018 (STBER.2016.48). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen des Verdachts des Betrugs und weiterer Delikte. 
Am 17. August 2017 verfasste Ute Müller, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, ein Arztzeugnis über A.________. Sie verneinte dessen Verhandlungsfähigkeit. 
Am 14. September 2017 ersuchte das Waffenbüro der Polizei des Kantons Solothurn (im Folgenden: Waffenbüro) das Obergericht des Kantons Solothurn um Einsicht in das Arztzeugnis. 
Mit Verfügung vom 28. März 2018 gab der Präsident des Obergerichts (Strafkammer) dem Gesuch statt. 
 
B.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des Obergerichtspräsidenten aufzuheben. Das Gesuch des Waffenbüros vom 14. September 2017 sei abzuweisen. 
 
C.  
Die Polizei des Kantons Solothurn hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Der Obergerichtspräsident hat Gegenbemerkungen eingereicht. Er beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. 
A.________ hat eine Replik eingereicht. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 30. Mai 2018 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. Er ordnete an, diese falle ohne Weiteres dahin, wenn der Waffenerwerbsschein von A.________ nicht innerhalb von 7 Tagen ab Erhalt dieser Verfügung beim Obergericht eingetroffen sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Es geht um die Akteneinsicht bei hängigem Strafverfahren durch eine andere Behörde gemäss Art. 101 Abs. 2 StPO. Die angefochtene Verfügung schliesst weder das Strafverfahren noch das vom Waffenbüro geführte Verwaltungsverfahren ab. Sie stellt nach der Rechtsprechung einen Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG dar (Urteil 1B_241/2016 vom 11. Oktober 2016 E. 1.1 f.). 
Gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung ist die Beschwerde zulässig, wenn (a) der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann, ober (b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. 
Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht. 
Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern dem Beschwerdeführer ein konkreter rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen für ihn günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 90 E. 1.1.3 S. 95 mit Hinweis). 
Aufgrund des Arztzeugnisses möchte das Waffenbüro prüfen, ob beim Beschwerdeführer ein Hinderungsgrund nach Art. 8 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54) besteht. Träfe dies zu, hätte das Waffenbüro gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. b WG die Waffen des Beschwerdeführers zu beschlagnahmen. Mit der angefochtenen Verfügung wird das Arztzeugnis dem Waffenbüro zur Kenntnis gebracht. Die Beamten des Waffenbüros sind jedoch an das Amtsgeheimnis gebunden. Sollte das Waffenbüro einen dem Beschwerdeführer nachteiligen Entscheid fällen, könnte der Beschwerdeführer dagegen die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ergreifen. Dabei könnte er insbesondere - wie mit der vorliegenden Beschwerde in Strafsachen - vorbringen, das Arztzeugnis sei nicht mehr aktuell, weshalb daraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürften. Sollte die Rechtsmittelinstanz dem zustimmen und deshalb das Arztzeugnis als unbeachtlich beurteilen, wäre für den Beschwerdeführer jeder Rechtsnachteil beseitigt. Der dem Beschwerdeführer aufgrund der angefochtenen Verfügung drohende Rechtsnachteil kann demnach durch einen für ihn günstigen späteren Entscheid behoben werden. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist deshalb zu verneinen (ebenso Urteil 1B_241/2016 vom 11. Oktober 2016, das einen vergleichbaren Fall betraf). 
Die Beschwerde ist damit nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz unzulässig. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer beantragt in der Replik, es sei durch das Bundesgericht festzustellen und dem Beschwerdeführer zu berichten, ob die Vernehmlassung der Vorinstanz dem Waffenbüro eröffnet worden oder Letzterem durch die Vorinstanz direkt in Kopie zugestellt worden sei.  
Das Bundesgericht stellte am 22. Juni 2018 eine Kopie der Vernehmlassung der Vorinstanz (act. 9a) dem Waffenbüro zu. 
 
2.2. Der Beschwerdeführer beantragt in der Replik sodann, es sei durch das Bundesgericht zu überprüfen, ob die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung das Amtsgeheimnis verletzt habe, wobei eine allenfalls gegebene Amtsgeheimnisverletzung von Amtes wegen zur Strafanzeige zu bringen sei.  
Die Vorinstanz zitiert in der Vernehmlassung aus dem Protokoll der Einvernahme des Beschwerdeführers in der obergerichtlichen Berufungsverhandlung vom 23. Januar 2018. Letztere war öffentlich. Tatsachen, die in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zur Sprache kommen, sind keine Geheimnisse (BGE 127 IV 122 E. 3b/aa S. 129 mit Hinweisen). Für eine Amtsgeheimnisverletzung nach Art. 320 StGB bestehen demnach keine ernsthaften Anhaltspunkte, weshalb eine Strafanzeige durch das Bundesgericht ausser Betracht fällt. 
 
2.3. Der Beschwerdeführer beantragt in der Replik schliesslich, diese sei dem Waffenbüro nicht zu eröffnen.  
Für die Geheimhaltung der Replik gegenüber dem Waffenbüro besteht kein Grund. Die Replik ist deshalb dem Waffenbüro praxisgemäss zur Kenntnis zu bringen. 
 
3.  
Da der Beschwerdeführer unterliegt, trägt er die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Polizei des Kantons Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Juli 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri