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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.139/2006 /ruo 
 
Urteil vom 15. August 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied, Bundesrichter Favre, Mathys, 
Gerichtsschreiber Huguenin. 
 
Parteien 
A.________ AG, 
Beklagte, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Dr. Alexander Weber, 
 
gegen 
 
X.________, 
Kläger, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger. 
 
Gegenstand 
Inkassoauftrag; Zession; Verjährung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 19. Januar 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ (Kläger) war Gesellschafter der B.________. Diese erwarb im Jahre 1985 das Hotel C.________. Dazu verwendete sie unter anderem Geldmittel, die sie von der Hotelfinanzierungsgesellschaft D.________ AG als Darlehen erhalten hatte. Das C.________ rentierte jedoch nicht und musste auf Druck der Banken verkauft werden. Das Hotel wurde am 31. März 1993 verkauft bzw. per 1. April 1993 in eine Aktiengesellschaft überführt, ohne dass das Darlehen an die D.________ AG vollständig zurückgezahlt wurde. 
 
Die D.________ AG klagte am 22. März 1993 gegen die B.________ die per 30. Juni und 31. Dezember 1991, 1992 und 1993 fälligen Zinse ein. Während der Hängigkeit dieses Verfahrens trat die D.________ AG am 30. Juni 1993 einen Teil der Grundforderung gegenüber der B.________, nämlich zwei Mal je Fr. 480'000.-- nebst Zinsen, an die E.________ AG in Augsburg ab. Am 15. Juni 1997 wurde die A.________ AG (Beklagte) - damals noch unter A.A.________ AG firmierend - durch Zession Inhaberin der Forderung, was sie dem Kläger am 13. August 1997 notifizierte. 
A.a Am 25. April 1995 wurde über die B.________ der Konkurs eröffnet. 
A.b Mit Begehren vom 2. September 1997 setzte die Beklagte gegen den Kläger als solidarisch haftenden Gesellschafter der konkursiten B.________ eine Forderung von Fr. 1'110'000.-- nebst Zins zu 6,25% seit dem 1.9.1997 in Betreibung. Gegen diese Betreibung erhob der Kläger Rechtsvorschlag. 
A.c Mit Klage vom 30. Juli 1998 begehrte die Beklagte die Verurteilung des Klägers zur Bezahlung von Fr. 113'862.10, d.h. der Zinsen auf zwei Mal Fr. 480'000.-- für die Zeit vom 30. Juni 1993 bis zum 25. April 1995. Nach Teil- Gutheissung einer Berufung schützte das Handelsgericht die Forderung am 28. Februar 2002 in Höhe von Fr. 56'931.05. 
A.d Am 3. Mai 2002 reichte der Kläger beim Handelsgericht des Kantons Bern ein Gesuch um Neues Recht betreffend den Entscheid vom 28. Februar 2002 ein, welches der Beklagten am 7. Mai 2002 zur Beantwortung zugestellt wurde. Nach Eingang der Antwort am 15. August 2002 wurde dem Kläger Frist für die Replik angesetzt. Er verzichtete jedoch darauf und zog sein Gesuch am 21. Oktober 2002 zurück, worauf der Prozess beim Handelsgericht des Kantons Bern am 23. Oktober 2002 als erledigt abgeschrieben wurde. 
A.e Am 24. Februar 2003 betrieb die Beklagte den Kläger auf Bezahlung von Fr. 480'000.-- nebst 5% Zins seit dem 26. August 1995. Der Kläger erhob Rechtsvorschlag. 
A.f Der Kläger reichte am 27. Oktober 2003 beim Handelsgericht des Kantons Bern eine negative Feststellungsklage ein mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass er der Beklagten nichts schulde, und die Betreibung sei aufzuheben. Die Beklagte beantragte nicht nur Abweisung der Klage, sondern erhob am 14. Januar 2004 Widerklage auf Bezahlung von Fr. 480'000.-- nebst Zins zu 6.25% ab 26. April 1995. 
A.g Mit Urteil vom 10. September 2004 schrieb das Handelsgericht die negative Feststellungsklage als gegenstandslos ab und hiess die Widerklage im Umfang von Fr. 480'000.-- nebst Zins zu 5% für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1998 sowie von 6.25% für die Zeit ab 1. Januar 1999 gut, hob den Rechtsvorschlag in diesem Umfang auf und erteilte für den zugesprochenen Betrag Rechtsöffnung. 
A.h Das Bundesgericht hiess am 2. Juni 2005 die Berufung des Klägers teilweise gut, hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zur neuen Beurteilung der inhaltlichen Tragweite des Saldo-Vergleichs vom März 1995 und zum anschliessenden neuen Entscheid über die Klage an das Handelsgericht zurück. 
B. 
Das Handelsgericht des Kantons Bern stellte mit Urteil vom 19. Januar 2006 fest, dass die negative Feststellungsklage an der Hauptverhandlung vom 28. Juni 2004 gegenstandslos erklärt worden war, und schrieb das Verfahren diesbezüglich als erledigt ab (Ziffer 1). Die Widerklage wies das Gericht ab (Ziffer 2). Die Gerichtskosten bestimmte es auf insgesamt Fr. 24'000.-- und auferlegte sie den Parteien je zur Hälfte (Ziffer 3). Den Kläger verurteilte es, der Beklagten einen pauschalen Prozesskostenbeitrag von Fr. 15'000.-- zu leisten, wobei er seine eigenen Parteikosten zu tragen habe (Ziffer 4). Das Handelsgericht kam zum Schluss, die vom Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 2005 im kantonalen Verfahren erstmals erhobene Verjährungseinrede sei zulässig und begründet, was zur Abweisung der Widerklage führte. Da jedoch der Kläger unnötige Kosten verursacht hatte, indem er die Einrede nicht schon früher im Prozess erhob, auferlegte ihm das Handelsgericht diesen Teil der Kosten. 
C. 
Mit Berufung vom 24. April 2006 stellt die Beklagte die Rechtsbegehren, es sei gerichtlich festzustellen, dass die von ihr geltend gemachte Forderung über einen Betrag von Fr. 480'000.-- nebst Zins zu 6.25% ab 26. April 1995 nicht verjährt sei (Ziffer 1), das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 19. Januar 2006 sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziffer 2). Sie rügt, die Vorinstanz habe die Verjährung der Kapitalforderung bundesrechtswidrig angenommen. 
D. 
Der Kläger beantragt in der Antwort, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Er erhebt ausserdem Anschlussberufung mit dem Antrag, es seien die Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Kosten seien der Beklagten aufzuerlegen. 
E. 
Die Beklagte schliesst in der Anschlussberufungsantwort auf Nichteintreten, eventuell Abweisung der Anschlussberufung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit Berufung kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung des Bundesrechts. Wegen Ver-letzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ist die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten (Art. 43 Abs. 1 OG). Erörterungen über die Verletzung kantonalen Rechts sind in der Berufung unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Auf die Antwort und die Anschlussberufung sind die Formvorschriften, die für die Berufungsschrift gelten, sinngemäss anwendbar (Art. 59 Abs. 3 OG). 
1.1 Der Kläger rügt in der Anschlussberufung, die Vorinstanz habe Art. 58 Abs. 2 und Art. 64 der Zivilprozessordnung des Kantons Bern verletzt, indem sie ihm wegen unnötiger Weitläufigkeit einen Teil der Prozesskosten und eine reduzierte Parteientschädigung auferlegt und keine Parteientschädigung zugesprochen habe. Er rügt damit eine Verletzung kantonalen Rechts, was im vorliegenden Verfahren unzulässig ist. Auf die Anschlussberufung ist nicht einzutreten. 
1.2 Die Beklagte bringt unter anderem vor, die Vorinstanz habe die Bedeutung des Verfahrens um Neues Recht unzutreffend interpretiert und insbesondere die Tragweite von Art. 373 der Zivilprozessordnung des Kantons Bern verkannt. Sie rügt damit eine Verletzung kantonalen Rechts. Ihre Vorbringen sind nicht zu hören, soweit sie aus ihrer vom angefochtenen Entscheid abweichenden Auslegung des kantonalen Rechts eine Folge für die bundesrechtliche Frage der Verjährung ableiten will. Es ist insofern von der verbindlichen Darstellung im angefochtenen Entscheid auszugehen. 
2. 
Nach Art. 591 Abs. 1 OR verjähren Forderungen von Gesellschaftsgläubigern gegen einen Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Kollektivgesellschaft in fünf Jahren nach der Veröffentlichung seines Ausscheidens oder der Auflösung der Gesellschaft im Schweizerischen Handelsamtsblatt, sofern nicht wegen der Natur der Forderung eine kürzere Verjährungsfrist gilt. Die Verjährung wird gemäss Art. 135 OR - abgesehen von der hier nicht erfolgten Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners - unterbrochen durch Schuldbetreibung, Klage oder Einrede vor einem Gericht oder Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs und Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch. 
2.1 Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil wurde das Darlehen der D.________ AG mit der Konkurseröffnung über die Mario Balzari & Cie am 25. April 1995 fällig und kam die solidarische Haftung der Gesellschafter nach Art. 568 Abs. 3 OR spätestens in diesem Zeitpunkt zum Tragen. Die fünfjährige Verjährungsfrist gegenüber dem Kläger wurde mit der Betreibung vom 2. September 1997 unterbrochen und begann ab diesem Datum gemäss Art. 137 Abs. 1 OR neu zu laufen. Das Betreibungsbegehren vom 24. Februar 2003, mit dem die Beklagte den Kläger auf Bezahlung von Fr. 480'000.-- nebst 5 % Zins seit dem 26. April 1995 betrieb, reichte sie nach Ablauf dieser Fünfjahresfrist ein. Die Forderung ist daher verjährt, wenn mit der Vorinstanz zu erkennen ist, dass inzwischen keine weiteren verjährungsunterbrechenden Handlungen erfolgt sind. 
2.2 Die Beklagte hält daran fest, dass ihre am 30. Juli 1998 eingereichte Klage auf Bezahlung der Zinsen für das Darlehen vom 30. Juni 1993 bis zum 25. April 1995 die Verjährung für das Kapital unterbrochen habe. 
 
Jede Zinsforderung hat eine eigene, mit der Fälligkeit beginnende Verjährung (vgl. Art. 128 OR; von Tuhr/Escher, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, 3. Aufl. 1974, S. 234 Ziff. V.; Christian Schöbi, Die Akzessorietät der Nebenrechte von Forderungen unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsinstituts der Verjährung, Diss. Zürich 1990, S. 90 f. insbes. Ziff. 2a). Die Wirkung der Verjährungsunterbrechung tritt nur in dem Umfang ein, in dem der Gläubiger den staatlichen Zwangsapparat in Anspruch nimmt (BGE 119 II 339 E. 1c; Gauch/Schluep/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 8. Aufl., Rz. 3535; Berti, Zürcher Kommentar, N 170 zu Art. 135 OR; Däppen, Basler Kommentar, N 20 zu Art. 135 OR; Pichonnaz, Commentaire romand, N 26 ff. zu Art. 135 OR). Verjährungsunterbrechend wirkt die Klage auf Leistung einer fälligen Zinsforderung nur für diese, nicht auch für das Kapital, wie die Vorinstanz zutreffend darlegt. Dass der Zins rechtlich von der Hauptforderung abhängt, bedeutet umgekehrt nicht, dass die Hauptforderung zu den Zinsen akzessorisch wäre, wie die Beklagte unterstellt. Dass sodann der Bestand der Kapitalforderung vorfrageweise abzuklären war, um die eingeklagten Zinsen beurteilen zu können, macht diese Kapitalforderung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zum Gegenstand des Prozesses oder des richterlichen Urteils im Sinne von Art. 137 Abs. 2 OR
2.3 Mit Gesuch vom 3. Mai 2002 stellte der Kläger das Rechtsbegehren, das Urteil des Handelsgerichts vom 28. Februar 2002 sei aufzuheben, die Klage vom 30. Juli 1998 sei abzuweisen und die Vollstreckung des Urteils des Handelsgerichts vom 28. Februar 2002 sei aufzuschieben. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz führt die mit der Gewährung Neuen Rechts gemäss Art. 373 ZPO BE verbundene Aufhebung des angefochtenen Urteils einzig zur Wiederaufnahme des früheren Prozesses. Die Vorinstanz hat angesichts dieser beschränkten prozessualen Wirkung für das Verfahren um Neues Recht weder dem Gesuch vom 3. Mai 2002 noch der Eingabe der Beklagten vom 14. August 2002 eine verjährungsunterbrechende Wirkung für das Darlehenskapital zugesprochen in der Erwägung, dass das Begehren um Weniger (d.h. um einen Teil der Zinsen) nicht auch für das Mehr (d.h. für die Darlehensforderung) unterbrechend wirkt. Die Folgerung, dass bei dieser prozessualen Rechtsnatur des Gesuchs um Neues Recht weder der Eingabe der Beklagten vom 14. August 2002 noch dem Rückzug des Gesuchs durch den Kläger irgendwelche verjährungsunterbrechende Wirkung für die Darlehensforderung als solche zukommen konnte, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte vorbringt, bei zutreffendem Verständnis des Verfahrens um Neues Recht beinhalte dieses eine materiellrechtliche Beurteilung der Sachlage und konkret der bestrittenen Grundforderung, ist sie nicht zu hören (oben E. 1.2). Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
3.1 Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang gemäss dem betragsmässigen Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens von acht (Beklagte) zu eins (Kläger) unter die Prozessparteien aufzuteilen (Art. 156 Abs. 3 OG). 
3.2 Der überwiegend unterliegenden Beklagten sind die Parteikosten nicht zu ersetzen. 
 
Dem in eigener Sache prozedierenden Kläger stände nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts eine reduzierte Entschädigung nach Art. 159 OG zu, falls folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben wären. Es müsste sich um eine komplizierte Sache mit hohem Streitwert handeln, die Interessenwahrung müsste einen hohen Arbeitsaufwand notwendig machen, der den Rahmen dessen überschreitet, was der Einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat, und es müsste ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem betriebenen Aufwand und dem Ergebnis bestehen (BGE 110 V 132 E. 4d S. 135). 
 
Im vorliegenden Fall ist dem Kläger kein besonderer Aufwand im Sinne der zitierten Praxis entstanden. Damit fehlt eine der Voraussetzungen, die kumulativ gegeben sein müssen, weshalb der Kläger keine Parteientschädigung beanspruchen kann. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Anschlussberufung wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 9'000.-- wird der Beklagten im Umfang von Fr. 8'000.-- und dem Kläger im Umfang von Fr. 1'000.-- auferlegt. 
4. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. August 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: