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{T 0/2} 
1P.644/2001/ger/bmt 
 
Urteil vom 7. Dezember 2001 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, Bundesrichter Féraud, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
H.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Dietsche, Eisenbahnstrasse 41, Postfach 228, 9401 Rorschach, 
 
gegen 
 
Untersuchungsrichter Dr. P.________, Kantonales Untersuchungsamt, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
Anklagekammer des Kantons St. Gallen, Regierungsgebäude, 9001 St. Gallen. 
 
Art. 29 BV (Ausstand) 
 
(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 3. Juli 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Seit 1994 ermittelte die Staatsanwaltschaft Mannheim u.a. gegen W.________, R.________ und H.________ wegen des Verdachts der Teilnahme an verschiedenen Vermögensdelikten, insbesondere Anlagebetrug, Veruntreuung und Urkundenfälschung. W.________, R.________ und weitere Personen wurden in Deutschland rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Da sich H.________ den deutschen Ermittlungsbehörden nicht stellte, wurde das Strafverfahren gegen sie 1997 an den Kanton St. Gallen abgetreten. Dort wurde das Ermittlungsverfahren von den Untersuchungsrichtern B.________ und P.________ des Kantonalen Untersuchungsamts, Wirtschaftsdelikte, geführt. 
B. 
Am 9. Oktober 2000 stellte H.________ gegen den Untersuchungsrichter B.________ ein Ausstandsbegehren, weil dieser ihre Verteidigungsrechte missachtet und durch verschiedene Äusserungen den Anschein der Befangenheit erweckt habe. Am 18. Mai 2001 hiess das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde H.________s gut, weil die systematisch anmutende mangelnde Ladung der Verteidigung zu Zeugeneinvernahmen sowie mehrere Äusserungen des Untersuchungsrichters in der Gesamtbetrachtung Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit aufkommen liessen. Gestützt auf diesen Entscheid stellte der stellvertretende Erste Staatsanwalt mit Verfügung vom 19. Juni 2001 den Ausstand von Untersuchungsrichter B.________ fest. 
C. 
Zwischenzeitlich hatte H.________ mit Eingabe vom 27. März 2001 ein weiteres Ausstandsbegehren gegen die Untersuchungsrichter P.________ und B.________ gestellt. Dieses Begehren lehnte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen am 24. April 2001 ab. Hiergegen erhob H.________ am 11. Mai 2001 Rechtsverweigerungsbeschwerde bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Mit Entscheid vom 3. Juli 2001 schrieb die Anklagekammer das Ausstandsverfahren betreffend Untersuchungsrichter B.________ als gegenstandslos ab und wies die Beschwerde betreffend Untersuchungsrichter P.________ ab. 
D. 
Hiergegen erhob H.________ am 3. Oktober 2001 staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Untersuchungsrichter P.________, der Stellvertretende Erste Staatsanwalt und die Anklagekammer beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Beim angefochtenen Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen handelt es sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Entscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 Abs. 1 OG). Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten. 
1.2 Die Beschwerdeführerin macht einzig eine Verletzung der bundesverfassungsrechtlichen Garantie auf einen unbefangenen Untersuchungsrichter geltend. Diese Rüge prüft das Bundesgericht mit freier Kognition. 
2. 
Wie das Bundesgericht im zur Veröffentlichung bestimmten Entscheid i.S. W. vom 19. September 2001 (E. 2.2. mit Hinweisen) dargelegt hat, findet Art. 30 Abs. 1 BV auf die Ablehnung von Richtern Anwendung, während sich die Ausstandspflicht eines Untersuchungsrichters in seiner Funktion als Strafuntersuchungsbehörde nach Art. 29 Abs. 1 BV richtet. Dieser Bestimmung kommt allerdings hinsichtlich der Unparteilichkeit des Untersuchungsrichters ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu. Ein Untersuchungsrichter kann danach abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die nach objektiven Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu erwecken (vgl. Übersicht über die Praxis im zur Veröffentlichung bestimmten Entscheid i.S. W. vom 19. September 2001 E. 2.4.). 
3. 
Die Beschwerdeführerin leitet die Befangenheit von Untersuchungsrichter P.________ aus einer Gesamtwürdigung folgender Umstände ab: 
 
- Bei der Einvernahme des Ehepaares E.________ habe die Verteidigung nicht teilnehmen können; zudem habe Untersuchungsrichter P.________ sich durch die Frage "Welche Rolle spielte Frau H.________ Ihrer Meinung nach im ganzen Betrugsfall" voreilig auf eine Wertung der der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Handlungen gegenüber Prozessbeteiligten festgelegt; 
 
- Im Rechtshilfegesuch vom 5. Februar 2001 an das Fürstentum Liechtenstein habe Untersuchungsrichter P.________ der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe geschädigte Anleger und Vermittler möglicherweise genötigt, wenn nicht sogar erpresst, weitere Gelder für die Bewältigung des Prozesses zur Verfügung zu stellen. Denselben Vorwurf habe bereits Untersuchungsrichter B.________ in der Beschwerdeantwort vom 25. August 2000 ohne ausreichende Anhaltspunkte erhoben. Die Wiederholung des Vorwurfs wiege umso schwerer, als es im Rechtshilfeersuchen um den Verbleib der Zahlungen von L.________ und von Versicherungsgesellschaften ging; die Frage der Prozessfinanzierung sei durch die Beschwerdeführerin somit irrelevant gewesen; 
 
- Untersuchungsrichter P.________ habe zusammen mit Untersuchungsrichter B.________ Ermittlungen in Deutschland initiiert, die in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig gewesen seien (Verstoss gegen Art. 82 ff. und Art. 44 des St. Galler Strafprozessgesetzes; Umgehung des Rechtshilfeweges; Verletzung des Amtsgeheimnisses); 
 
- In der Einvernahme vom 4. Mai 2001 habe Untersuchungsrichter P.________ das Schweige- und das Verbeiständungsrecht der Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise angegriffen, indem er ihr - trotz ihres Entschlusses, die Aussage zu verweigern - eine Vielzahl vorbereiteter Fragen gestellt und sie anschliessend aufgefordert habe, sich bei ihm zu einem Gespräch unter vier Augen einzufinden, da er gewiss sei, dass sie aussagen wolle; 
- Schliesslich habe sich Untersuchungsrichter P.________ geweigert, dem Verteidiger Einblick in den Fragenkatalog des Rechtshilfegesuchs vom 13.Dezember 2000 zu gewähren, in dem die Befragung zahlreicher Zeugen in Deutschland beantragt worden sei. Der Verteidigung sei es deshalb verunmöglicht worden, schriftliche Ergänzungsfragen zu stellen. 
4. 
4.1 Die Anklagekammer nahm an, der Anspruch auf Ablehnung im Zusammenhang mit der Befragung des Ehepaares E.________ sei verwirkt: Die Beschwerdeführerin habe am 23. Oktober 2000 unter anderem gegen diese Einvernahme Beschwerde bei der Anklagekammer erhoben, weil der Verteidigung die Teilnahme widerrechtlich verwehrt worden sei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe sie daher Kenntnis von den angeblichen Ausstandsgründen gehabt. Dennoch habe sie das Ausstandsbegehren erst mit Beschwerdeergänzung vom 25. Juni 2001 gestellt. 
 
Die Beschwerdeführerin macht dagegen geltend, Untersuchungsrichter P.________ würden eine Mehrzahl von Handlungen vorgeworfen, die in ihrer Gesamtheit objektiv den Anschein der Befangenheit begründeten. In diese Gesamtwürdigung müssten auch Umstände einbezogen werden, die der Beschwerdeführerin schon länger bekannt gewesen seien, für sich allein jedoch vermutlich kein Ausstandsbegehren gerechtfertigt hätten. Ansonsten könne Voreingenommenheit nur noch bei einer einzigen massiven Verfehlung gerügt werden, nicht aber mehr bei einer Vielzahl kleinerer, sich über einen grösseren Zeitraum erstreckender Verfehlungen. 
4.2 Nach Treu und Glauben muss eine Ablehnung unverzüglich geltend gemacht werden, sobald der Ausstandsgrund bekannt ist, andernfalls der Anspruch auf Ablehnung verwirkt ist (BGE 121 I 225 E. 3 S. 229 mit Hinweisen). Die Handhabung dieses Grundsatzes bereitet allerdings Schwierigkeiten, wenn mehrere Verfahrensverletzungen oder bedenkliche Äusserungen erst in ihrer Summierung den Anschein der Befangenheit erwecken. In dieser Situation kann es zweifelhaft sein, ab welchem Zeitpunkt nach Treu und Glauben spätestens ein Ausstandsbegehren gestellt werden muss. 
 
Im vorliegenden Fall macht allerdings die Beschwerdeführerin geltend, dass die Einvernahme E.________ durch Untersuchungsrichter P.________ - die am gleichen Tag, in gleicher Weise und mit weitgehend demselben Fragenkatalog stattfand wie die Einvernahme des Ehepaares N.________ durch Untersuchungsrichter B.________ - Teil einer gemeinsamen Strategie beider Untersuchungsrichter gewesen sei, den ihnen unangenehmen Verteidiger fern zu halten. Dann aber hätte es sich aufgedrängt, gleichzeitig mit dem Ausstandsbegehren gegen Untersuchungsrichter B.________, das sich u.a. auf die Vernehmung des Ehepaars N.________ stützte, auch den Ausstand von Untersuchungsrichter P.________ zu verlangen. 
 
Die Frage der Verwirkung kann allerdings offen bleiben, wenn sich die Beschwerde aus anderen Gründen als unbegründet erweist. 
5. 
5.1 Es ist unstreitig, dass Untersuchungsrichter P.________ die Eheleute E.________ fragte, welche Rolle H.________ ihrer Meinung nach "im ganzen Betrugsfall" gespielt habe, und im Rechtshilfegesuch an das Fürstentum Liechtenstein vom 5. Februar 2001 der Beschwerdeführerin vorwarf, "geschädigte Anleger und Vermittler möglicherweise genötigt, wenn nicht sogar erpresst" zu haben. Damit hat er die gleichen Äusserungen getätigt, die das Bundesgericht im Entscheid vom 18. Mai 2001 betreffend den Ausstand von Untersuchungsrichter B.________ als voreilige Wertung des Verhaltens der Beschwerdeführerin und deshalb als bedenklich gewertet hatte. 
5.2 Ausschlaggebend für die Bejahung der Befangenheit im bundesgerichtlichen Entscheid vom 18. Mai 2001 war jedoch eine Gesamtwürdigung des Verhaltens von Untersuchungsrichter B.________, wobei der systematisch anmutenden Verletzung der Verteidigungsrechte bei der Einvernahme von Belastungszeugen besonderes Gewicht zukam. Im vorliegenden Fall fehlt dieses Element: Untersuchungsrichter P.________ führte nur eine einzige Zeugeneinvernahme ohne Ladung der Verteidigung durch. Hinzu kommt, dass die Zeugeneinvernahme von Untersuchungsrichter B.________ vorbereitet worden war, der auch den Fragenkatalog ausgearbeitet hatte. Untersuchungsrichter P.________, der seinen Kollegen kurzfristig vertreten musste, war daher weder für die versäumte Ladung der Verteidigung noch für die Formulierung der einzelnen Fragen verantwortlich. 
 
5.3 Für sich allein genügt der Vorwurf der Nötigung und Erpressung im Rechtshilfegesuch nicht, um Zweifel an der Unvoreingenommenheit von Untersuchungsrichter P.________ zu wecken: Der Vorwurf war durch den Zusatz "möglicherweise" deutlich als blosse Hypothese gekennzeichnet. Auch wenn das Rechtshilfegesuch nicht direkt die Frage der Prozessfinanzierung betraf, gehörte dieser Aspekt doch zur vollständigen Darstellung des Sachverhaltes, bei dem das Schiedsgerichtsverfahren gegen L.________ und die daraus erlangte Entschädigung eine zentrale Rolle spielten. 
 
Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob die weiteren von der Beschwerdeführerin genannten Umstände, für sich allein oder in ihrer Gesamtheit, geeignet sind, Zweifel an der Unbefangenheit von Untersuchungsrichter P.________ zu begründen. 
6. 
Untersuchungsrichter P.________ werden zunächst verschiedene Verfahrensverstösse vorgeworfen, namentlich im Zusammenhang mit Ermittlungshandlungen in Deutschland. 
6.1 Dies betrifft zum einen die Fragebögen zur Ermittlung weiterer Geschädigter, die - mit ausdrücklicher Zustimmung des Zentralbüros Interpol Wiesbaden - direkt an Privatpersonen in Deutschland verschickt wurden. Die Anklagekammer hat dieses Vorgehen in ihrem Entscheid zwar als rechtswidrig gewertet, darin aber keinen Umstand gesehen, der geeignet wäre, Zweifel an der Unbefangenheit von Untersuchungsrichter P.________ zu wecken. Zu Recht: Es liegen keine Anhaltspunkte für eine systematische oder gar vorsätzliche Missachtung der eigenen Untersuchungskompetenzen vor. Vielmehr handelte es sich um einen Verfahrensfehler, der in komplexen, mehrere Staaten betreffenden Untersuchungen für einmal vorkommen kann. 
6.2 Zum anderen macht die Beschwerdeführerin geltend, Untersuchungsrichter P.________ hätte ihrem Verteidiger vorab Einsicht in das Rechtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft Freiburg i.Br. gewähren müssen, um es der Verteidigung zu ermöglichen, Ergänzungsfragen an die Zeugen zu formulieren. 
Im fraglichen Rechtshilfeersuchen vom 13. Dezember 2000 wurden die deutschen Behörden um die Einvernahme von insgesamt sieben Zeugen ersucht, die in Freiburg i.Br. und Umgebung wohnen. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verteidiger der Beschwerdeführerin an den Einvernahmen anwesend sein wolle und gemäss Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR; SR 0.351.1) und Art. III des hierzu zwischen der Schweiz und Deutschland am 13. November 1969 abgeschlossenen Zusatzvertrags (SR 0.351.913.61) das Recht habe, ergänzende Fragen an die Zeugen anzuregen. Damit war den Verteidigungsrechten der Beschwerdeführerin grundsätzlich Genüge getan. Zwar mag es Fälle geben, in denen es der Verteidigung aus praktischen Gründen (z.B. grosse Anzahl von Zeugeneinvernahmen, weite Entfernung) nicht möglich ist, an allen rechtshilfeweisen Zeugeneinvernahmen im Ausland teilzunehmen, weshalb nach anderen Möglichkeiten zur Stellung von Ergänzungsfragen gesucht werden muss. Die vom Verteidiger vorgeschlagene Lösung (Formulierung der Ergänzungsfragen im Rechtshilfegesuch nach vorheriger Einsichtnahme der Verteidigung) ist jedoch nicht unproblematisch, da sie die Gefahr einer Beeinflussung der Zeugen durch den Angeschuldigten birgt. Im vorliegenden Fall war der Untersuchungsrichter zu einem solchen Vorgehen jedenfalls nicht verpflichtet: Freiburg i.Br. ist von St. Gallen nicht weiter entfernt als viele schweizerische Städte und die Befragung von sieben Zeugen kann in wenigen Tagen vorgenommen werden. Unter diesen Umständen kann die Weigerung des Untersuchungsrichters, dem Verteidiger vorab Einsicht in den Fragenkatalog zu geben, jedenfalls nicht als Ausdruck einer Voreingenommenheit gegen die Beschwerdeführerin gewertet werden. 
7. 
Schliesslich wirft die Beschwerdeführerin Untersuchungsrichter P.________ vor, ihr Schweigerecht missachtet zu haben, indem er ihr in der Einvernahme vom 4. Mai 2001 zahlreiche Fragen vorgelegt habe, obwohl sie bereits erklärt hatte, von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen. Zudem habe er versucht, sie zu einem Gespräch unter vier Augen, unter Ausschluss ihres Verteidigers, zu bewegen, in der Hoffnung, sie so zur Aussage veranlassen zu können. Die Beschwerdeführerin sieht darin unzulässige Einvernahmemethoden und eine Beeinträchtigung ihres Schweige- und ihres Verbeiständungsrechts. 
7.1 Der Beschwerdeführerin steht es als Angeschuldigter frei, ob und inwieweit sie Aussagen vor dem Untersuchungsrichter machen will. Beruft sie sich auf ihr Schweigerecht, bedeutet dies jedoch nicht, dass der Untersuchungsrichter die Einvernahme sofort abbrechen muss. Dieser darf vielmehr versuchen, die Angeschuldigte - ganz oder teilweise - umzustimmen und eine Aussage zumindest zu einzelnen Sachkomplexen zu erhalten. Voraussetzung ist nur, dass er sich jeder Beeinträchtigung der Willensentschliessungs- und -betätigungsfreiheit der Angeschuldigten enthält (vgl. Art. 81 Abs. 1 und 2 StPG/SG), d.h. er darf keinen unmittelbaren oder mittelbaren Druck ausüben. Im vorliegenden Fall beschränkte sich der Untersuchungsrichter darauf, die einzelnen Fragen zu verlesen und sich jeweils zu vergewissern, dass die Beschwerdeführerin hierzu keine Aussage machen wollte. Damit übte er keinen unzulässigen Druck aus. Die Beschwerdeführerin macht selbst nicht geltend, dass die Einvernahme unzumutbar lange Zeit gedauert hätte und sie so übermüdet oder erschöpft gewesen sei, dass ihr eine freie Entscheidung nicht mehr möglich gewesen sei. 
7.2 Gleiches gilt für die Einladung des Untersuchungsrichters an die Beschwerdeführerin, sich mit ihm unter vier Augen zu unterhalten. Auch hier hatte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob sie dieses Angebot annehmen wollte oder nicht. Die Aufforderung des Untersuchungsrichters wurde in Anwesenheit des Verteidigers gemacht; die Beschwerdeführerin hatte also die Möglichkeit, sich mit diesem zu besprechen und sich beraten zu lassen. 
7.3 Nach dem Gesagten kann im Vorgehen des Untersuchungsrichters kein unzulässiger Angriff auf das Aussageverweigerungs- oder das Verbeiständungsrecht gesehen werden. Damit liegt auch kein Umstand vor, der Zweifel an der Unvoreingenommenheit von Untersuchungsrichter P.________ begründen könnte. Auch bei einer Gesamtbetrachtung aller von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umstände besteht objektiv nicht der Anschein der Befangenheit. 
8. 
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Der Beschwerdeführerin werden die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, Untersuchungsrichter Dr. P.________, der Staatsanwaltschaft und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. Dezember 2001 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin