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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.450/2002 /min 
 
Urteil vom 24. Februar 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Peter Schilliger, Kantonsstrasse 40, 6048 Horw, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Art. 29 BV etc. (Entmündigung nach Art. 369 ZGB), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 16. Oktober 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________, geb. 23. Juni 1957, war seit den 80er Jahren wegen seines psychischen Zustandes über zwanzigmal hospitalisiert. In der Zeit vom 1. Juli 2000 bis 13. August 2001 war er in W.________ an der Strasse S.________ wohnhaft. 
 
Mit Schreiben vom 12. Juli 2001 ersuchte die Vormundschaftsbehörde W.________ die psychiatrische Klinik Z.________ um ein psychiatrisches Gutachten. In ihrem Gutachten vom 30. Oktober 2001 und Ergänzungsgutachten vom 8. Januar 2002 diagnostizierten die Dres. S.________ und T.________ eine kontinuierlich verlaufende paranoide Schizophrenie mit zunehmendem Residuum. Seit 1982 bestehe ein Zustandsbild mit zerfahrenem inkohärentem Gedankengang und Wahnideen. X.________ zeige bis heute praktisch keine Krankheitseinsicht. Er habe die Medikamente jeweils nach kurzer Zeit wieder abgesetzt und jede Therapie abgebrochen bzw. gar nicht damit angefangen. Die Gutachter kamen zum Schluss, es liege eine Geisteskrankheit im Sinne von Art. 369 ZGB vor. 
 
Mit Schreiben vom 9. Januar 2002 lud das Vormundschaftssekretariat W.________ X.________ auf den 17. Januar 2002 zu einem Gespräch. Dieser teilte telefonisch mit, er halte sich in der psychiatrischen Klinik U.________ auf und könne am Gespräch nicht teilnehmen. Am 12. Februar 2002 führten R.________, Sozialvorsteher, und O.________, Vormundschaftssekretärin, mit X.________ in der Klinik U.________ eine Anhörung durch. 
B. 
Am 7. März 2002 ordnete der Gemeinderat von W.________ über X.________ eine Vormundschaft gemäss Art. 369 ZGB an und ernannte P.________, Amtsvormund, in N.________, als Vormund. Das Justiz-, Gemeinde- und Kulturdepartement des Kantons Luzern wies die von X.________ erhobene Verwaltungsbeschwerde am 12. Juli 2002 ab. Die gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, mit Urteil vom 16. Oktober 2002 ab. 
C. 
Gegen das Urteil des Obergerichts hat X.________ sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Mit Letzterer verlangt er die Kassation von Ziff. 1 des angefochtenen Urteils, die Einstellung des Entmündigungsverfahrens und eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Ausserdem stellt er ein Begehren um unentgeltliche Rechtspflege. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Werden in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und die Entscheidung über die Berufung auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Es besteht kein Anlass, anders zu verfahren. 
2. 
2.1 In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Beschwerdeführer, er sei nicht einmal über den Gutachtensauftrag orientiert worden, was seine Menschenwürde und persönliche Freiheit verletze (Art. 7 und 10 Abs. 2 BV), und er habe insbesondere auch zur Person des Gutachters keine Stellung nehmen können. Die Begutachtung erweise sich damit als willkürlich (Art. 9 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK). Des Weiteren sei er vor dem Entmündigungsentscheid von der Vormundschaftsbehörde W.________ nicht angehört worden. Er habe lediglich ein Schreiben mit der Überschrift "Einladung" erhalten, was vor Art. 29 Abs. 2 BV nicht Stand halte. Im Übrigen sei der Termin abgesetzt und der neue nur mündlich mitgeteilt worden. Das Gespräch, das schliesslich am 12. Februar 2002 in der Klinik stattgefunden habe, entspreche nicht den Anforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV. Gemäss der erstellten Aktennotiz habe die anwesende Oberärztin Dr. D.________ davon abgeraten, ihm mitzuteilen, dass die Anordnung einer Vormundschaft notwendig sei. Die Anhörung sei jedoch obligatorisch und die Äusserung von Dr. D.________ somit irrelevant. 
2.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an die Vorinstanz enthält keine entsprechenden Rügen und das Obergericht hat sich zu diesen Fragen nicht geäussert. Es handelt sich folglich um neue Vorbringen. 
 
Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205, 118 Ia 20 E. 5a S. 26) und es können auch keine neuen Beweismittel eingereicht werden (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71). Ausnahmen gelten für rechtliche und tatsächliche Noven, zu deren Geltendmachung erst die Begründung des angefochtenen Entscheides Anlass gibt oder die Gesichtspunkte betreffen, welche sich aufdrängen und deshalb von der kantonalen Instanz offensichtlich hätten berücksichtigt werden müssen (BGE 99 Ia 113 E. 4a S. 122). Neue rechtliche Vorbringen werden ausserdem zugelassen, wenn die letzte kantonale Instanz volle Überprüfungsbefugnis besass, sie das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte und nicht nur das Willkürverbot angerufen wird (BGE 107 Ia 187 E. 2b S. 191). Das Nichtvorbringen der entsprechenden Rügen im kantonalen Verfahren darf jedoch nicht gegen Treu und Glauben verstossen (vgl. BGE 112 Ia 339 E. 1c S. 340, 114 Ia 348 E. d S. 349, beide betr. Rekusationsvorbringen). Dies setzt voraus, dass der Beschwerdeführer gutgläubig ist und den Mangel nicht gekannt hat (zum Ganzen: Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 369 f.). 
2.3 Die erhobene Kritik betrifft das Vorgehen der Vormundschaftsbehörden; es sind somit Vorbringen tatsächlicher Art. Weder handelt es sich dabei um Rügen, zu denen erst der Entscheid des Obergerichts Anlass gegeben hat, noch handelt es sich um Gesichtspunkte, die das Obergericht von Amtes wegen hätte aufgreifen müssen. Dieses hat in seinen Bemerkungen anlässlich der Akteneinreichung im konnexen Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass das Justiz-, Gemeinde- und Kulturdepartement in seinem Entscheid vom 12. Juli 2002 den bereits damals vorgebrachten Einwand des Beschwerdeführers, er sei vorgängig nie über die Gründe für die Anordnung der Vormundschaft orientiert worden, verworfen und befunden hat, es sei ihm das rechtliche Gehör gewährt worden. Nachdem der während des ganzen Verfahrens anwaltlich vertretene Beschwerdeführer diese Erwägungen in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht thematisiert hatte, durfte das Obergericht davon ausgehen, er habe sie akzeptiert. Der Beschwerdeführer macht denn auch nicht geltend, die Vorinstanz hätte die entsprechenden Fragen von Amtes wegen wieder aufgreifen müssen. Ebenso wenig behauptet er, die gerügten Mängel im Stadium des obergerichtlichen Verfahrens nicht gekannt zu haben. Die Rügen sind demnach unzulässig und es ist auf sie nicht einzutreten. 
3. 
3.1 In materieller Hinsicht bringt der Beschwerdeführer vor, fälschlicherweise sei ihm für die Medikamenteneinnahme eine schlechte Prognose gestellt worden, der Meinung seines Psychiaters G.________ sei nicht genügend Gewicht beigemessen worden, das psychiatrische Gutachten basiere lediglich auf einigen kurzen Gesprächen und es sei in sich nicht schlüssig. Im Übrigen vermöge er auch die finanziellen Belange selbst zu regeln. 
3.2 Diese Vorbringen stellen appellatorische Kritik an den Erwägungen im angefochtenen Entscheid dar, die bei der staatsrechtlichen Beschwerde unzulässig ist (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495). Insbesondere genügt die Behauptung des Gegenteils nicht zur Begründung willkürlicher Tatsachenfeststellungen (BGE 122 III 488 E. 3b S. 490) und ebenso wenig liegt Willkür bereits dann vor, wenn der Beschwerdeführer andere Schlüsse aus den Beweisunterlagen - namentlich dem Gutachten und dem Bericht seines Psychiaters - zu ziehen vermag als das Obergericht (BGE 116 Ia 85 E. 2b S. 88). Die Rügen bleiben unsubstanziiert, weshalb auf sie nicht einzutreten ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war sie von Anfang an aussichtslos. Damit mangelt es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 152 Abs. 1 OG), was zur Abweisung des entsprechenden Gesuchs führt. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 24. Februar 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: