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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_70/2009 
 
Urteil vom 7. April 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Raselli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Peter von Ins, 
 
gegen 
 
Bundesanwaltschaft, Taubenstrasse 16, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Verfahrenssprache der Hauptverhandlung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 18. Februar 2009 des Bundesstrafgerichts, Präsident der Strafkammer. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Bundesanwaltschaft hat gegen X.________ und weitere Personen Anklage beim Bundesstrafgericht erhoben. Der Beginn der Hauptverhandlung vor der Strafkammer wurde auf 1. April 2009 angesetzt. Das Strafkammerpräsidium des Bundesstrafgerichts hat (in Ziffer 1 seiner prozessleitenden Verfügung vom 18. Februar 2009) Deutsch als Verfahrenssprache der Hauptverhandlung definitiv bestimmt. Dagegen hat X.________ am 11. März 2009 Beschwerde beim Bundesgericht erhoben. Er beantragt, Ziffer 1 der Verfügung vom 18. Februar 2009 sei aufzuheben und als Verfahrenssprache der Hauptverhandlung sei Italienisch festzulegen. 
 
B. 
Das Bundesstrafgericht und die Bundesanwaltschaft beantragen mit Stellungnahmen vom 17. bzw. 19. März 2009 je das Nichteintreten auf die Beschwerde, eventualiter deren Abweisung. Der Beschwerdeführer replizierte am 23. März 2009. Mit Verfügung vom 25. März 2009 wies das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde bzw. Anordnung einer vorsorglichen Massnahme ab. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition. 
 
Strafprozessuale Zwischenentscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts sind (unter den Voraussetzungen von Art. 92-94 BGG) grundsätzlich anfechtbar (Art. 80 Abs. 1 BGG). Dies gilt auch für verfahrensleitende Entscheide des Präsidenten der Strafkammer. Im Gegensatz zu Art. 79 BGG (Entscheide der Beschwerdekammer) beschränkt das Gesetz die Anfechtbarkeit nicht auf Zwangsmassnahmenentscheide der Strafkammer (zur amtlichen Publikation bestimmter Entscheid 1B_7/2009 vom 16. März 2009 E. 1). Zu prüfen ist, ob die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt sind. 
 
2. 
Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (und schon zum altrechtlichen Art. 87 Abs. 2 OG) ist ein Vor- oder Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte (BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 86 f.; 134 IV 43 E. 2.1 S. 45; 133 IV 139 E. 4 S. 141, 288 E. 3.1 S. 291, 335 E. 4 S. 338, je mit Hinweisen). Ein nicht verfahrensabschliessender Zwischenentscheid begründet grundsätzlich selbst dann keinen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil, wenn er zu einem zusätzlichen Verfahrensaufwand führt (BGE 133 IV 121 E. 1.3 S. 125). 
 
2.1 Strafprozesse müssen beförderlich geführt werden. Sie unterliegen dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot (vgl. BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170; 130 IV 54 E. 3.3 S. 54 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fehlt es namentlich bei folgenden Gegenständen von Zwischenentscheiden in der Regel am irreparablen Rechtsnachteil im Sinne des Gesetzes: Nichtauswechslung des Offizialverteidigers (BGE 126 I 207 E. 2b S. 211; Urteil 1B_245/2008 vom 11. November 2008 E. 2), Bestellung von gerichtlichen Gutachtern (BGE 133 IV 121 E. 1.3 S. 125; Urteil 2C_507/2008 vom 14. Juli 2008 E. 2.3-2.4), Abweisung von Beweisanträgen oder vorläufige Verfahrenssistierung (BGE 134 IV 43 E. 2 S. 44 f.; 133 IV 139 E. 4 S. 141; 99 Ia 437 E. 1 S. 438; 97 I 1 E. 1a S. 2; 96 I 462 E. 3a S. 464 f.; Urteile 1B_161/2008 vom 27. November 2008 E. 3; 1B_273/2007 vom 6. Februar 2008 E. 1.2-1.4; 1B_226/2007 vom 11. Januar 2008 E. 3; 4P.335/2006 vom 27. Februar 2007 E. 1.2.4), Anklageerhebung (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 141; Urteil 6B_149/2007 vom 17. Juli 2007 E. 1), Eröffnung, Wiederaufnahme oder Vereinigung von Strafverfahren (Urteile 6B_23/2007 vom 2. April 2007 E. 1.1.2; 1P.423/2003 vom 16. Juli 2003 E. 2), verfahrensleitende Entscheide über die Zuständigkeit und Strafhoheit (BGE 133 IV 288 E. 3.1 S. 291 f.) oder Rückweisungen der Akten an die Anklagebehörde bzw. an die Vorinstanz (Urteile 6B_205/2007 vom 27. Oktober 2007 E. 2-3; 6B_516/2007 vom 22. Oktober 2007 E. 1). Im Urteil 1P.76/2002 vom 14. Februar 2002 hat das Bundesgericht den nicht wieder gutzumachenden Nachteil auch bei einem Zwischenentscheid verneint, der dem Angeschuldigten die Übersetzung von Einvernahmeprotokollen in seine Muttersprache verweigerte. 
 
2.2 Der Beschwerdeführer begründet den nicht wieder gutzumachenden Nachteil damit, dass er die Verhandlungssprache Deutsch nicht ausreichend verstehe. Bei den Angeklagten handle es sich überwiegend um Personen italienischer Muttersprache. In seiner Replik beruft er sich auf ein Urteil (1P.500/2001 vom 11. Oktober 2001), in dem das Bundesgericht auf eine ähnlich gelagerte Beschwerde eingetreten sei. 
 
2.3 Die Bundesanwaltschaft legt in ihrer Vernehmlassung Folgendes dar: 
2.3.1 Der Schriftverkehr des am 7. Januar 2003 eröffneten gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens sei "ausschliesslich" in deutscher Sprache erfolgt. Die Frage der Verfahrenssprache sei damals einzig von einem französischsprachigen Beschuldigten aufgeworfen worden, der am 3. September 2004 habe beantragen lassen, als Verfahrenssprache sei Französisch zu bestimmen. Eine gegen die Beibehaltung der Verfahrenssprache Deutsch erhobene Beschwerde sei von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Urteil vom 16. November 2004 rechtskräftig abgewiesen worden. Zwar habe die Beschwerdekammer gewisse Vorbehalte gegen die Beibehaltung der Verfahrenssprache Deutsch geäussert. Keiner der Beschuldigten, auch kein italienischsprachiger, habe jedoch im Ermittlungsverfahren einen Wechsel auf Italienisch beantragt. 
2.3.2 Nach Eröffnung der Voruntersuchung am 1. November 2005 habe ein Beschuldigter italienischer Muttersprache erstmals Italienisch als Verfahrenssprache verlangt. Der Eidgenössische Untersuchungsrichter habe daraufhin (gegenüber sämtlichen Beschuldigten) verfügt, es werde weiter auf Deutsch instruiert. Einer der Beschuldigten habe dagegen Beschwerde erhoben, welche von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Urteil vom 13. Februar 2006 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die übrigen Beschuldigten hätten im Voruntersuchungsverfahren nie Einwände gegen die Verfahrenssprache Deutsch vorgebracht. Die Beschwerdekammer habe unter anderem darauf hingewiesen, dass ein Teil der Beschuldigten, die amtlichen Verteidiger und die mit dem Fall betrauten Bundesstaatsanwälte deutscher Muttersprache gewesen seien. Die Verfahrensakten seien fast vollständig auf Deutsch geführt bzw. in diese Sprache übersetzt worden. Aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums sprächen Gründe der Prozessökonomie gegen einen Sprachwechsel im Voruntersuchungsverfahren. Ein solcher würde einen unverhältnismässigen zusätzlichen Übersetzungsaufwand und eine unangemessene Verfahrensverzögerung nach sich ziehen. Die Parteirechte der Beschuldigten mit Rücksicht auf ihre Muttersprachen seien durch Aktenübersetzungen und Beizug von Dolmetschern stets gewährleistet worden. 
2.3.3 Am 26. September 2008 habe sie, die Bundesanwaltschaft, Anklage erhoben. Das Verfahren vor der Anklagebehörde und der Strafkammer des Bundesstrafgerichts sei weiterhin auf Deutsch instruiert worden. Die Angeklagten hätten auch in diesem Stadium keinen Wechsel der Verfahrenssprache verlangt, sondern die Übersetzung der in deutscher Sprache verfassten umfangreichen Anklageschrift in ihre jeweiligen Muttersprachen beantragt. Diesen Anträgen sei Folge geleistet worden. Sechs Angeklagte, darunter mehrere Personen italienischer Muttersprache, hätten zwischen dem 19. Januar und 4. Februar 2009 sodann die Übersetzung zahlreicher Beweisunterlagen aus dem Italienischen in die Verfahrenssprache Deutsch beantragt. 
2.3.4 Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft ist es "geradezu offensichtlich", dass mit den zahlreichen Beschwerden gegen verfahrensleitende Verfügungen des Strafkammerpräsidiums (konnexe Verfahren 1B_55/2009, 1B_69/2009, 1B_70/2009, 1B_73/2009, 1B_75/2009, 1B_77/2009, 1B_79/2009 und 1B_83/2009) bezweckt werde, die auf 1. und 2. April sowie 4. Mai bis 19. Juni 2009 angesetzte Hauptverhandlung "zum Platzen zu bringen". Bei einem Wechsel der Verfahrenssprache auf Italienisch drohe eine massive Verzögerung des Prozesses, zumal sich in diesem Fall neue, ausreichend sprachkundige Verteidiger, Vertreter der Bundesanwaltschaft und Bundesstrafrichter in die über 1000 Bundesordner Akten einlesen müssten. 
 
2.4 Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich vom Verfahrensgegenstand des vom Beschwerdeführer erwähnten Urteils 1P.500/2001. Jener Fall betraf eine kantonale Strafuntersuchung, die ein bernischer Untersuchungsrichter gegen ein im Berner Jura wohnhaftes Ehepaar führte. Der Ehemann war französischer, die Ehefrau deutscher Muttersprache. Als Verfahrenssprache im Untersuchungsverfahren war Französisch festgelegt worden. Die Ehefrau focht eine Beschlagnahmeverfügung an und machte (gestützt auf den Sprachenfreiheitsartikel von Art. 18 BV bzw. Art. 6 KV/BE) geltend, es sei unzulässig, die Untersuchung gegen sie auf Französisch zu instruieren. Gestützt auf die altrechtliche Verfahrensbestimmung von Art. 87 Abs. 2 OG trat das Bundesgericht auf die staatsrechtliche Beschwerde ein und wies sie ab. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil wurde mit dem kurzen Hinweis begründet, dass "die Weiterführung" der Strafuntersuchung auf Französisch einen Rechtsnachteil bewirken könnte. 
 
2.5 Aus der vom Strafkammerpräsidium gewählten Verhandlungssprache folgt für den Beschwerdeführer kein irreparabler Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Wie sich aus den Akten ergibt, war die durch das Bundesstrafgericht mehrfach überprüfte Verfahrenssprache im aufwändigen Ermittlungs-, Voruntersuchungs- und Anklageverfahren während mehr als sechs Jahren Deutsch. Die jeweilige Verfahrensleitung hat sehr umfangreiche Übersetzungen von Dokumenten und Prozesshandlungen in verschiedene Sprachen veranlasst. Es besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Strafkammer des Bundesstrafgerichts im hängigen gerichtlichen Hauptverfahren nicht weiterhin für die gebotenen Übersetzungen (auch in die Muttersprache des Beschwerdeführers) besorgt sein wird. Das Strafkammerpräsidium hat schon in seiner separaten prozessleitenden Verfügung vom 10. Februar 2009 (unter Hinweis auf BGE 118 Ia 462 E. 2b) vermerkt, dass die Angeklagten Anspruch haben auf ausreichende Übersetzung aller Schriftstücke und mündlichen Äusserungen, auf deren Verständnis sie angewiesen sind, um in den Genuss eines fairen Verfahrens zu kommen (vgl. auch konnexes Urteil 1B_55/2009 vom 19. März 2009, E. 1.1). Solche Übersetzungen haben nicht nur ins Italienische, sondern auch ins Spanische und ins Französische zu erfolgen wegen der unterschiedlichen Muttersprachen der Angeklagten. Die Beibehaltung der Verhandlungssprache Deutsch hindert die Gerichtsleitung nicht an der Gewährleistung der Parteirechte. Entsprechende Beanstandungen könnte der Beschwerdeführer, falls nötig, immer noch im Rahmen einer Anfechtung des Endentscheides vorbringen. Zudem steht es ihm im gerichtlichen Hauptverfahren weiterhin offen, der Strafkammer die ihm nötig erscheinenden Prozessanträge (betreffend Übersetzung usw.) zu unterbreiten. 
 
Für eine konsequente Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG spricht - gerade im vorliegenden sehr komplexen Strafprozess - auch das Interesse an einer beförderlichen Weiterführung des Verfahrens (vgl. oben, E. 2.1). Zu berücksichtigen ist sodann, dass die Anfechtbarkeit von prozessleitenden Verfügungen des Bundesstrafgerichts nach BGG besonders restriktiv geregelt ist: Verfügungen der Beschwerdekammer im Ermittlungs- und Voruntersuchungsverfahren unterliegen der Beschwerde an das Bundesgericht nur, wenn es sich um Zwangsmassnahmen handelt (Art. 79 BGG). Verfügungen des Präsidiums der Beschwerdekammer sind überhaupt nicht anfechtbar (BGE 133 IV 182 E. 4 S. 183-187; 130 IV 156 E. 1.2.1 S. 159). Auch unter diesem gesetzessystematischen Gesichtspunkt drängt sich grundsätzlich eine zurückhaltende Eintretenspraxis auf. 
 
Im Übrigen hat der Beschwerdeführer (nach den vorliegenden Akten) weder während des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens, noch während der Voruntersuchung, noch im Zeitpunkt der Anklageerhebung Beschwerde gegen die Verfahrenssprache Deutsch erhoben. Auf diese Frage ist aber mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen nicht näher einzugehen. 
 
2.6 Nach dem Gesagten fehlt es hier am nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Auch die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG sind (offensichtlich) nicht erfüllt. 
 
3. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Die gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 64 BGG) werden vom Gesuchsteller ausreichend glaubhaft gemacht, so dass dem Ersuchen entsprochen werden kann. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
2.2 Rechtsanwalt Peter von Ins, Bern, wird als amtlicher Vertreter des Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Bundesanwaltschaft und dem Bundesstrafgericht, Präsident der Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. April 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster