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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_446/2019  
 
 
Urteil vom 5. September 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Attinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Roth, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 21. Mai 2019 
(200 18 634 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1997 geborene A.________ erwarb im Sommer 2015 die Matura. Das in der Folge begonnene Studium der Physik beendete sie, gleich wie das anschliessend in Angriff genommene Psychologie-Studium, schon nach wenigen Wochen. Im April 2016 meldete sie sich unter Hinweis auf psychische Beschwerden und chronische Unterleibs-Schmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Diese nahm diverse medizinische Abklärungen vor und holte beim BEGAZ Begutachtungszentrum, Binningen, eine polydisziplinäre Expertise vom 10. November 2017 ein (internistisch, gynäkologisch, urologisch, psychiatrisch und neuropsychologisch). Insbesondere gestützt auf diesbezügliche Stellungnahmen des Regionalen ärztlichen Dienstes (RAD) verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 9. Juli 2018 einen Anspruch der Versicherten auf IV-Leistungen mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens im Rechtssinne. 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. Mai 2019 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur ergänzenden Abklärung und anschliessenden neuen Beurteilung des Rentenanspruchs, eventuell sei ihr "rückwirkend per 5. Januar 2017" eine Invalidenrente auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
 
2.1. Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit, die Invalidität, die Bemessung des Invaliditätsgrades sowie den Umfang des Rentenanspruchs zutreffend dargelegt (Art. 6-8 und 16 ATSG [SR 830.1] sowie Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30; 104 V 135 E. 2a und b S. 136). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zu den beweisrechtlichen Anforderungen an die verschiedenen medizinischen Gutachten und ärztlichen Berichte sowie zu deren Beweiswert (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352).  
 
So ist den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten von externen Spezialärzten, welche aufgrund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangen, bei der Beweiswürdigung volle Beweiskraft zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Demgegenüber haben die internen Berichte des RAD nach Art. 49 Abs. 1 IVV (SR 831.201), wie sie im vorliegenden Fall zu beurteilen sind, eine andere Funktion als die medizinischen Gutachten (Art. 44 ATSG) oder die Untersuchungsberichte des RAD im Sinne von Art. 49 Abs. 2 IVV (vgl. zu Letzteren BGE 135 V 254 E. 3.3 und 3.4 S. 257 ff.). In Ersteren würdigen Rad-Ärztinnen und -Ärzte die vorhandenen Befunde aus medizinischer Sicht, ohne dass sie selber medizinische Befunde erheben. Der Beweiswert ihrer Stellungnahmen hängt davon ab, ob sie den allgemeinen beweisrechtlichen Anforderungen an ärztliche Berichte genügen. Sie müssen insbesondere in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden sein und in der Beschreibung der medizinischen Situation und der Zusammenhänge einleuchten; die Schlussfolgerungen sind zu begründen. Die RAD-Ärztinnen und -Ärzte müssen sodann über die im Einzelfall gefragten persönlichen und fachlichen Qualifikationen verfügen (SVR 2009 IV Nr. 56 S. 174, 9C_323/2009 E. 4.3.1; Meyer/Reichmuth, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 3. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 59). Auf das Ergebnis versicherungsinterner ärztlicher Abklärungen - zu denen die RAD-Berichte gehören - kann (ohne Einholung eines externen Gutachtens) nicht abgestellt werden, wenn auch nur geringe Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit bestehen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 in fine S. 470; SVR 2018 IV Nr. 4 S. 11, 8C_839/2016 E. 3.2). 
 
3.   
In psychischer Hinsicht ist die Vorinstanz gestützt auf das BEGAZ-Teilgutachten des Psychiaters Dr. B.________ von einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) und akzentuierten Persönlichkeitszügen (ICD-10 Z73.1) ausgegangen, welche im Vordergrund stünden. Zur Beantwortung der Frage, ob diesen Beschwerden invalidisierende Wirkung beizumessen sei, unterzog das kantonale Gericht die medizinischen Tatsachenfeststellungen einer einlässlichen Prüfung anhand der Standardindikatoren und gelangte zum Schluss, dass aus rechtlicher Optik überwiegend wahrscheinlich keine funktionelle Leistungsbeeinträchtigung angenommen werden könne. Auch aus somatischer Sicht sei mit Blick auf die RAD-Berichte der Urologin und Chirurgin Dr. C.________ vom 16. Januar und 9. Mai 2018 eine langdauernde Arbeitsunfähigkeit nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgewiesen. Die entsprechende vorinstanzliche Ablehnung jeglicher Leistungen der Invalidenversicherung wird von der Beschwerdeführerin einzig mit Bezug auf die Erwägungen zum physischen Gesundheitszustand bestritten, wogegen die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts zum psychischen Beschwerdebild gänzlich unbeanstandet blieb. Im Folgenden ist deshalb zu prüfen, ob sich die Vorinstanz in somatischer Hinsicht zu Recht auf die erwähnten RAD-Berichte stützt. Streitig ist auch, ob die Versicherte unter körperlichem Blickwinkel hinreichend abgeklärt ist. 
 
4.   
 
4.1. Im gynäkologischen Teilgutachten zur BEGAZ-Expertise bescheinigte Facharzt Dr. D.________ ein weitgehend therapierefraktäres, chronisches urethrales Schmerzsyndrom bzw. Schmerzsyndrom des Beckens bei Zustand nach diversen Therapieversuchen. Sämtliche bisher durchgeführten Abklärungen seien negativ gewesen, mit Ausnahme der Urodynamik, welche eine Detrusor-Dyssynergie ergeben habe. Aufgrund der erhobenen Befunde sei eine ausserhäusliche Arbeitsfähigkeit vorerst nicht gegeben. Wie die Versicherte immer wieder erwähnt habe, sei sie gerne bereit, das Studium wieder aufzunehmen und (oder) zu arbeiten, wenn ihr weitere Therapieversuche längerfristige Beschwerdefreiheit bescherten. Es sei von einer instabilen medizinischen Situation zu sprechen, zumal noch nicht alle diagnostischen Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien (MRI-Untersuchung mit Kontrastmittel, Messung der Pudendus-Nervenleitgeschwindigkeit).  
 
Der BEGAZ-Urologe Dr. E.________ diagnostizierte eine Beckenbodenmyalgie. Bei der Beschwerdeführerin würden Schmerzen besonders unter körperlicher Tätigkeit, in der Nacht und unter psychischer Anspannung auftreten. In der Folge könne es zu reduzierter Schlafqualität kommen, wodurch die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit unterschiedlich stark eingeschränkt werde. Aus urologischer Sicht sei die Versicherte für ein Studium oder eine Tätigkeit ausser Haus zurzeit als vollständig arbeitsunfähig zu betrachten. Hingegen wurde der Beschwerdeführerin aus gesamtmedizinischer Sicht bei einer "Homeofficetätigkeit" eine verwertbare Arbeitsfähigkeit von sechs Stunden im Tag attestiert. 
 
4.2. Das kantonale Gericht erwog, mit der RAD-Ärztin Dr. C.________ sei festzustellen, dass die Ausführungen des gynäkologischen BEGAZ-Gutachters allein auf den subjektiven Angaben der Beschwerdeführerin beruhten. Der Experte habe die Angaben übernommen, ohne sich mit ihnen versicherungsmedizinisch auseinanderzusetzen. Überdies würden die Schilderungen der Versicherten Inkonsistenzen aufweisen. So habe sie einerseits im Gespräch mit Dr. D.________ Manipulationen im Beckenbereich sowie die Benützung von Tampons als Auslöser für die Schmerzsymptomatik benannt. Andererseits habe sie ausschliesslich intravaginale Physiotherapie gefordert, habe sich mit ihrem früheren Partner sexuell einlassen können, lebe ihre eigene Sexualität und werde mit (vaginal einzuführenden) CPD-Ovula behandelt. Ferner habe die Beschwerdeführerin sowohl gegenüber dem gynäkologischen als auch dem psychiatrischen Gutachter angegeben, dass der Schlaf frei von Schmerzen bzw. Durchschlafen kein Problem sei. Anlässlich der urologischen Evaluation durch Dr. E.________ habe sie sich demgegenüber dahingehend geäussert, dass sie in der Nacht unregelmässige Schmerzattacken verspüre. Der BEGAZ-Urologe habe daraus unbesehen eine reduzierte Schlafqualität mit unterschiedlich stark eingeschränkter Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit abgeleitet. Eine kritische Auseinandersetzung mit den sich widersprechenden Angaben sei weder im urologischen noch im gynäkologischen Teilgutachten erfolgt (auch nicht im Rahmen der Konsensbesprechung). Ebenso sei dem Einwand der RAD-Ärztin zu folgen, wonach aus somatischer Sicht keine haltbare medizinische Begründung dafür bestehe, dass eine berufliche Tätigkeit oder eine Ausbildung nur zu Hause unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgeübt werden könne. Denn ein gestörter Schlaf und eine darauf zurückzuführende eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit würden sich unabhängig davon auswirken, ob zu Hause oder ausserhäuslich studiert oder gearbeitet werde. Angesichts dieser nachvollziehbaren und einleuchtenden Überlegungen von Dr. C.________ könne nicht auf die beiden Teilgutachten von Dr. D.________ und Dr. E.________ abgestellt werden.  
 
4.3. Diese Beweiswürdigung der Vorinstanz ist weder offensichtlich unrichtig noch in anderer Weise rechtswidrig und deshalb für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 1 hievor). Die Beschwerdeschrift beschränkt sich in weiten Teilen darauf, aus der Warte der Versicherten die eigene Sicht der Dinge darzulegen. Damit lässt sich jedoch kein willkürliches vorinstanzliches Vorgehen belegen. Ein solches ist auch insofern nicht auszumachen, als das kantonale Gericht auf die einlässlichen und überzeugenden RAD-Berichte von Dr. C.________ abstellt, die in somatischer Hinsicht für in warmer und trockener Umgebung zu verrichtende Arbeiten (leicht, wechselbelastend, ohne Heben oder Tragen von Lasten über 10 kg und der Möglichkeit für häufigere Toilettengänge) eine uneingeschränkte Leistungsfähigkeit bescheinigt. Auch mit Bezug auf die vorinstanzliche antizipierte Beweiswürdigung, wonach von weiteren medizinischen Abklärungen abgesehen werden könne, macht die Beschwerdeführerin nirgends Willkür geltend. Solche wäre denn auch aufgrund des strengen Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen gewesen (BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53 mit Hinweisen). Im Verzicht auf weitere Beweisvorkehren ist ebenso wenig eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) zu erblicken. Denn sowohl die Messung der Pudendus-Nervenleitgeschwindigkeit als auch die Durchführung eines MRI des Beckens sind bereits erfolgt, ohne dass sie für die hier zu beantwortenden Fragen relevante Resultate geliefert hätten. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift stellte die Vorinstanz hinsichtlich des (in den Akten nicht vorhandenen) MRI nicht einfach auf die Laienaussage der Versicherten ab. Vielmehr verwies das kantonale Gericht in erster Linie auf die Aktenlage. Dieser kann entnommen werden, dass das MRI vom Juni 2014 eine eingeblutete Ovarialzyste zutage förderte (Bericht des Spitals F.________ vom 30. Juli 2014), welche unter den "Diagnosen ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit" Eingang in das BEGAZ-Gutachten fand. Als Spezialärztin für Urologie und Chirurgie war Dr. C.________ entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin durchaus in der Lage, auch das gynäkologische Teilgutachten zu beurteilen. Schliesslich wurde der Einwand der Versicherten, sie sei nicht "leitliniengerecht" (vgl. Leitlinien Beckenschmerzsyndrom, Journal für Urologie und Urogynäkologie 2012, 19 [4] S. 15) abgeklärt worden, nicht rechtsgenüglich begründet. Es reicht jedenfalls nicht aus, bloss die entsprechende Behauptung aufzustellen und zur Begründung gänzlich auf einen medizinischen Fachartikel zu verweisen.  
 
Nach dem Gesagten muss es mit der verfügten, vorinstanzlich bestätigten Leistungsablehnung sein Bewenden haben. 
 
5.   
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. September 2019 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Attinger