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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.402/2002 /min 
 
Urteil vom 18. Dezember 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Gysel. 
 
D.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucien W. Valloni, Bellerivestrasse 201, 8034 Zürich, 
 
gegen 
 
E.________ S.à.r.l., 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Hofmann, Münstergasse 2, Postfach 2990, 8022 Zürich, 
Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich. 
 
LugÜ (Rechtsöffnung; Vollstreckbarerklärung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 23. September 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die E.________ S.à.r.l. gelangte am 7. Mai 2002 an den Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich und verlangte, es sei das Urteil des Gerechtshofs te Amsterdam vom 9. November 2000 anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären und ihr in der gegen D.________ eingeleiteten Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes S.________ definitive Rechtsöffnung zu erteilen für Fr. 1'670'900.-- nebst Zins zu 5 % seit 21. Dezember 1998 und Fr. 17'862.-- nebst Zins zu 5 % seit 9. November 2000 sowie Fr. 410.-- Zahlungsbefehlskosten. Mit Verfügung vom 20. Juni 2002 erklärte die Einzelrichterin das vorgelegte Urteil für vollstreckbar und erteilte der E.________ S.à.r.l. definitive Rechtsöffnung für Fr. 1'670'900.-- nebst Zins zu 5 % seit 20. Februar 2001 sowie Fr. 410.-- Betreibungskosten. 
 
Den von D.________ hiergegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich am 23. September 2002 ab. 
B. 
D.________ hat rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit den Anträgen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben, das Urteil des Gerechtshofs te Amsterdam vom 9. November 2000 sei nicht für vollstreckbar zu erklären und es sei der E.________ S.à.r.l. die definitive Rechtsöffnung nicht zu erteilen; allenfalls sei die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Instanz zurückzuweisen. Er rügt eine Verletzung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Lugano am 16. September 1988 und für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Januar 1992 (Lugano-Übereinkommen; LugÜ; SR 0.275.11). 
 
Zur Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Durch Präsidialverfügung vom 18. November 2002 ist das Betreibungsamt S.________ angewiesen worden, in der Betreibung zwischen den Parteien bis zum Entscheid über die Beschwerde keine Verwertungshandlungen vorzunehmen. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der angefochtene Beschluss stellt einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid dar, der mit keinem andern Rechtsmittel als der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten werden kann (Art. 37 Abs. 2 LugÜ; BGE 126 III 534 E. 1a S. 536 mit Hinweisen). Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Staatsverträgen (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG) ist deshalb zulässig. 
 
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann grundsätzlich nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt werden (BGE 127 II 1 E. 2c S. 5 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann indessen das Bundesgericht den Entscheid über die definitive Rechtsöffnung in Vollstreckung des Urteils eines ausländischen Gerichts selbst fällen, wenn die Verhältnisse klar sind (BGE 126 III 534 E. 1c S. 536 mit Hinweisen). Da der die Beschwerde führende Schuldner hier selbst erklärt, die Voraussetzungen für eine definitive Rechtsöffnung seien, abgesehen von der Verletzung des Lugano-Übereinkommens, erfüllt, steht den von ihm gestellten materiellen Anträgen nichts entgegen. 
 
Ob Bestimmungen des Lugano-Übereinkommens verletzt worden sind, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 125 III 451 E. 3b S. 455). 
2. 
Strittig ist, ob das von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Urteil des Gerechtshofs te Amsterdam vom 9. November 2000 in der Schweiz vollstreckbar ist. 
2.1 Dieses Urteil ist in einem sog. "kort geding"-Verfahren ergangen, einem summarischen Massnahmeverfahren, das beim Präsidenten der "Arrondissementsrechtbank" eingeleitet werden kann, ohne dass ein Verfahren in der Hauptsache vor dem zuständigen Gericht hängig zu sein braucht. Im Rahmen des "kort geding"-Verfahrens kann der Richter den Antragsgegner zur vorläufigen Erbringung einer Geldleistung verpflichten. Obwohl es sich um ein Verfahren zum Erlass einstweiliger Massnahmen handelt, wird die Streitsache in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht zum Gegenstand eines ordentlichen Verfahrens gemacht, sondern findet der Rechtsstreit mit dem Massnahmeentscheid sein Ende (Pra 88 [1999] Nr. 143, Anmerkungen zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [EuGH] vom 27. April 1999 i.S. Mietz/Intership Yachting Sneek BV). 
 
Im vorliegenden Fall wurde der Massnahmeentscheid des Präsidenten der "Arrondissementsrechtbank" von Haarlem am 9. November 2000 durch den Gerechtshof te Amsterdam aufgehoben und der Beschwerdeführer verpflichtet, der Beschwerdegegnerin vorläufig eine Million US Dollar zu zahlen. Gleichzeitig wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. 
2.2 Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung dieses Urteils in der Schweiz ist, dass der Gerechtshof te Amsterdam im Sinne des Lugano-Übereinkommens zuständig war. 
2.2.1 Die erforderliche Zuständigkeit ist vorab dann gegeben, wenn sich der Richter beim Erlass der einstweiligen Massnahme auf eine ordentliche Zuständigkeit für die Hauptsache im Sinne des Lugano-Übereinkommens berufen kann: Das Gericht, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits in der Hauptsache zuständig ist, ist auch für die Anordnung einstweiliger Massnahmen zuständig, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Die Zuständigkeit (für die Hauptsache) ist in den Art. 2 bis 18 LugÜ geordnet. Sie ist unter anderem gegeben, wenn eine den Anforderungen von Art. 17 LugÜ entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen worden ist. Die Derogationswirkung erstreckt sich auch auf Massnahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes (BGE 125 III 451 E. 3a S. 453 mit zahlreichen Hinweisen). Die Hauptsachezuständigkeit des Massnahmegerichts muss sich aus dem Wortlaut der Entscheidung eindeutig ergeben, und das Gericht des Anerkennungsstaates ist an die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts hinsichtlich der Begründung der Zuständigkeit gebunden (Art. 28 Abs. 3 LugÜ). 
2.2.2 Wo keine Hauptsachezuständigkeit gegeben ist, genügt auch die blosse Einlassung des Antragsgegners vor dem Gericht des einstweiligen Rechtsschutzes nicht aus, um die Vollstreckbarkeit zu begründen. Indessen bestimmt Art. 24 LugÜ, dass die in dem Recht eines Vertragsstaats vorgesehenen einstweiligen Massnahmen bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaats zuständig ist. Um die Umgehung der Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens zur Hauptsache zu verhindern, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften jedoch einschränkende Voraussetzungen festgelegt (dazu BGE 125 III 451 E. 3b S. 456 ff.). Das Bundesgericht hat seinerseits erklärt, dass die Abrede, Streitigkeiten ausschliesslich vor dem prorogierten Gericht auszutragen, nicht ausgehölt werden solle; es dürfe daher nicht ins Belieben einer Partei gestellt sein, der Gegenpartei gegen deren Willen ein Massnahmeverfahren vor einem anderen Gericht aufzudrängen; allerdings müsse es trotz Gerichtsstandsvereinbarung möglich bleiben, wenigstens dann vor einem anderen als dem ausschliesslich prorogierten Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, wenn dieses andere Gericht allein in der Lage sei, eine sofort vollstreckbare Massnahme rechtzeitig anzuordnen (BGE 125 III 451 E. 3a S. 454 mit Hinweisen). 
2.3 Das Obergericht ist zum Schluss gelangt, der Gerechtshof te Amsterdam habe sich auf die ordentliche Hauptsachezuständigkeit gemäss Art. 17 LugÜ stützen können, so dass nicht geprüft zu werden brauche, ob angesichts der gegebenen Umstände die von der Rechtsprechung zu Art. 24 LugÜ festgelegten Erfordernisse gegeben seien. Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, der strittige Entscheid beruhe auf Art. 24 LugÜ. Da aber weder die Hauptsachezuständigkeit gegeben sei noch die zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt seien, könne der Entscheid in der Schweiz nicht vollstreckt werden. 
2.3.1 Gemäss dem im 6. Abschnitt (Vereinbarung über die Zuständigkeit) stehenden Art. 17 LugÜ sind die Gerichte eines Vertragsstaats ausschliesslich zuständig, wenn die Parteien vereinbart haben, dass die Gerichte dieses Vertragsstaats über eine Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen. Die hier in Frage stehende Forderung stützt sich auf eine Vereinbarung vom 19. November 1997, die folgende Gerichtsstandsklausel enthält: 
"F. Law and jurisdiction 
1. This agreement is governed by the laws of the Netherlands. In event of any dispute concerning any aspect of this agreement, the parties shall attempt to settle the dispute amicably within a time period of not longer than four weeks; should no amicable agreement be reached, the parties agree to refer the subject thereof to arbitration first. If dispute cannot be settled between parties the competent court in Haarlem, the Netherlands shall have exclusive jurisdiction." 
2.3.2 Der Gerechtshof te Amsterdam berief sich zur Begründung seiner Zuständigkeit nicht ausdrücklich auf Art. 17 LugÜ. Im Anschluss an eine wörtliche Wiedergabe der Vertragsbestimmungen samt Gerichtsstandsvereinbarung führte er aus, der Beschwerdeführer habe die Zuständigkeit bestritten, weil sich die Parteien in der Gerichtsstandsklausel auf ein Schiedsverfahren geeinigt hätten. Ein solches sei indessen nicht anhängig gemacht worden. Dem Vertragstext sei nicht zu entnehmen, dass das Anrufen des staatlichen Richters ausgeschlossen sein solle. Das Schiedsverfahren werde dort nicht näher geordnet und es sei von den Parteien nicht behauptet worden, die Bedingung ("If dispute cannot be settled...") sei noch nicht erfüllt. Es sei deshalb nicht anzunehmen, dass die Parteien noch vom Schiedsverfahren Gebrauch machen würden. Der Gerechtshof setzte sich alsdann mit weiteren Einwänden gegen seine Zuständigkeit auseinander und hielt abschliessend fest, im Übrigen habe der Beschwerdeführer die Zuständigkeit des niederländischen Richters nicht bestritten. 
2.3.3 Aus diesem letzten Satz will der Beschwerdeführer ableiten, die Zuständigkeit des niederländischen Richters stütze sich auf seine Einlassung, was jedoch nicht geeignet sei, eine Hauptsachezuständigkeit gemäss Art. 18 LugÜ zu begründen. Diese Argumentation greift zu kurz. Vielmehr ist der Auffassung des Obergerichts zuzustimmen, wonach aus dem Umstand, dass der Gerechtshof die Schiedsklausel und die Gerichtsstandsvereinbarung wörtlich zitiert und anschliessend die Schiedseinrede sowie die weiteren Vorbringen gegen seine Zuständigkeit verworfen habe, sich - e contrario - ergebe, dass die Zuständigkeit des niederländischen Gerichts in der Hauptsache aus der Gerichtsstandsvereinbarung und damit aus Art. 17 LugÜ abgeleitet worden sei. Tatsächlich kann die ergänzende Feststellung, im Übrigen habe der Beschwerdeführer die Zuständigkeit des niederländischen Richters nicht bestritten, nur so verstanden werden, dass im "kord geding"-Verfahren keine weiteren Gründe für die geltend gemachte Unzuständigkeit vorgetragen worden seien. Bereits die Wendung "im Übrigen" weist darauf hin, dass vorgängig das Wesentliche gesagt worden ist und lediglich ein weiteres Argument hinzugeschoben wird. 
Ist nach dem Gesagten die Hauptsachezuständigkeit gestützt auf Art. 17 LugÜ gegeben, lässt sich auch die Zuständigkeit für das "kord geding"-Verfahren auf diese Bestimmung stützen. Die Unzuständigkeitseinrede ist mithin unbegründet. 
3. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist aus den dargelegten Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Zur Sache ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. In der Stellungnahme zum Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen Massnahme hat sich die Beschwerdegegnerin (eventualiter) mit dem Eventualbegehren des Beschwerdeführers, das Betreibungsamt anzuweisen, bis zum Entscheid über die Beschwerde wenigstens Verwertungshandlungen zu unterlassen, ausdrücklich einverstanden erklärt. Damit sind ihr keine - notwendigen - Kosten erwachsen, so dass die Zusprechung einer Parteientschädigung entfällt. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 9'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt S.________ und dem Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 18. Dezember 2002 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: