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[AZA 0/2] 
6S.132/2000/bue 
 
KASSATIONSHOF 
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24. August 2000 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, 
Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, 
Wiprächtiger und Gerichtsschreiber Weissenberger. 
 
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In Sachen 
X.L.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hanspeter Geissmann, Mellinger-strasse 1, Baden, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
 
betreffend 
ordnungswidrige Führung der Geschäftsbücher 
(Art. 325 StGB), 
Verjährungsbeginn (Art. 71 StGB); (eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 11. Januar 2000), hat sich ergeben: 
 
A.- Am 31. Dezember 1996 lud das Betreibungsamt Zürich die Y.________ AG bzw. deren Organe zum Pfändungsvollzug vor. In der Vorladung wurde die Schuldnerin bzw. deren Vertreter ausdrücklich aufgefordert, die letzte Bilanz des betriebenen Unternehmens mitzubringen und Auskunft über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft zu geben. Dieser Aufforderung wurde nicht Folge geleistet, weshalb das Betreibungsamt einen Pfändungsauftrag an das Betreibungsamt Rheinfelden erteilte mit der Bitte, den geschäftsführenden Direktor der Schuldnerin, X.L.________, über das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Y.________ AG zu befragen. Am 7. März 1997 wurden die Büromobilien der Y.________ AG gepfändet. X.L.________ gab dem Pfändungsbeamten zu Protokoll, die Y.________ AG besitze keine weiteren Vermögenswerte. Um diese Angaben zu prüfen, forderte das Betreibungsamt Zürich die einzige Verwaltungsrätin der Schuldnerin (und Ehefrau von X.L.________), A.L.________, am 21. März 1997 unter Hinweis auf die Strafbarkeit nach Art. 166 StGB, eventualiter Art. 325 StGB, auf, innert 5 Tagen seit Zustellung des Schreibens die letzte Bilanz der Y.________ AG vorzulegen. Auch dieser Aufforderung wurde keine Folge geleistet. Anfang Mai 1997 überliess X.L.________ einem Treuhänder drei Ordner, die nach Jahrgängen klassierte Unterlagen, chronologisch sortierte Bankbelege sowie ein Kassabuch ohne Saldonachführung enthielten. Der Auftrag zur Buchführung und Erstellung der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 1995 und 1996 wurde dem Treuhänder unter Zahlung eines Kostenvorschusses von 5000 Franken jedoch erst Anfang November 1997 erteilt (zuvor waren gegen die Firma Y.________ AG am 7. Juli 1997 3 Verlustscheine ausgestellt worden). Weil der beauftragte Treuhänder verschiedene von ihm benötigte Unterlagen bei der Y.________ AG einfordern musste und Kreditoren und Debitoren mit Saldo fehlten, konnten die Jahresrechnungen 1995 und 1996 erst am 2. Februar 1998 fertiggestellt werden. 
 
B.- Mit Urteil vom 10. März 1999 sprach das Bezirksgericht Rheinfelden X.L.________ vom Vorwurf der Unterlassung der Buchführung gemäss Art. 166 StGB mangels Vorsatzes in Bezug auf die Verschleierung der finanziellen Situation der Y.________ AG frei. Hingegen sprach es ihn der fahrlässigen ordnungswidrigen Führung der Geschäftsbücher gemäss Art. 325 Abs. 1 StGB betreffend das Geschäftsjahr 1996 schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von 150 Franken. 
 
Eine vom Verurteilten dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 11. Januar 2000 ab und ergänzte das erstinstanzliche Urteilsdispositiv von Amtes wegen dahin gehend, dass das Verfahren betreffend das Geschäftsjahr 1995 eingestellt werde. 
 
C.- X.L.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben, soweit die Berufung abgewiesen und ihm die Verfahrenskosten auferlegt wurden, und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht Erwägung: 
 
1.- a) Der Beschwerdeführer anerkennt, dass er den Tatbestand des Art. 325 Abs. 1 StGB in allen Teilen erfüllt hat. Er macht einzig geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht den Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung verneint. Der Übertretungstatbestand der Verletzung von Buchführungspflichten durch zeitlichen Verzug in Bezug auf die Erstellung der Jahresabschlüsse sei kein Dauerdelikt, sondern ein Zustandsdelikt. Als Unterlassungsdelikt sei die Tat in dem Zeitpunkt beendet, in dem der Buchführungspflichtige hätte handeln sollen. Für Aktiengesellschaften sehe das Gesetz vor, dass die Generalversammlung innerhalb von 6 Monaten nach dem Abschlusstag stattzufinden habe und die Vorlagefrist 20 Tage betrage. Als für die Buchhaltung der Firma Y.________ AG verantwortlicher Geschäftsführer hätte er dafür sorgen müssen, dass der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1996 spätestens am 10. Juni 1997 vorlag. 
Ab diesem Datum sei das Delikt beendet gewesen und habe die absolute Verfolgungsverjährungsfrist von 2 Jahren zu laufen begonnen. Die Verjährung sei somit am 12. Juni 1999 eingetreten. Selbst wenn Art. 325 StGB als Dauerdelikt qualifiziert würde, wäre das Urteil des Obergerichts nach Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung gefällt worden. In diesem Fall hätte die Verjährung am 4. November 1997 zu laufen begonnen, da er zu diesem Zeitpunkt seinen Pflichten vollumfänglich nachgekommen sei. Der Verzug vom 30. November 1997 bis zum 2. Februar 1998 sei offensichtlich vom Treuhänder zu vertreten. 
 
b) Die Vorinstanz führt zur Frage der Verjährung aus, der Tatbestand des Art. 325 StGB diene der Durchsetzung der namentlich für Aktiengesellschaften geltenden obligationenrechtlichen Buchführungspflichten gemäss Art. 957 OR bzw. Art. 662 ff. OR. Geschütztes Rechtsgut sei das Interesse von Aktionären und Gläubigern an einer transparenten Vermögenslage. Dieses Rechtsgut bleibe so lange verletzt, bis der vernachlässigten Buchführungspflicht nachgekommen werde. Damit falle die ordnungswidrige Buchführung in die Kategorie der Dauerdelikte, welche erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes beendigt würden. X.L.________ habe eine ordnungsgemässe Bilanz und Erfolgsrechnung für die Jahre 1995 und 1996 erst auf den 2. Februar 1998 erstellt bzw. erstellen lassen. Seine strafbare Unterlassung verjähre somit erst am 2. Februar 2000 (angefochtenes Urteil, S. 5 f.). 
 
2.- a) Nach Art. 325 Abs. 1 StGB wird mit Haft oder Busse bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig der gesetzlichen Pflicht, Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen, nicht nachkommt. Art. 325 StGB ist systematisch zu den Konkurs- und Betreibungsdelikten zu zählen. Im Verhältnis zum Vergehenstatbestand des Art. 166 StGB (Unterlassung der Buchführung) ist Art. 325 StGB subsidiär. 
Praktische Bedeutung erlangt diese Vorschrift vor allem vor Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingungen des Art. 166 StGB (Konkurseröffnung oder Verlustscheine) und bei nur fahrlässigem Verhalten, das sie ausdrücklich einbezieht (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl. Bern 1995, § 24 N 13). Art. 325 StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt. 
 
Die strafrechtlich sanktionierte Pflicht zur Buchführung und Aufstellung einer Bilanz dient sowohl der Selbstinformation des Unternehmens als auch der Information der Kredit gewährenden Gläubiger (vgl. 
Art. 697h Abs. 2 OR zur Aktiengesellschaft) sowie weiterer Beteiligter (vgl. Art. 959 OR). Ist die Vermögenslage einer Gesellschaft nicht überblickbar, weil keine oder eine mangelhafte Bilanz aufgestellt wurde, gefährdet dies die Vermögensinteressen der genannten Personen und unter Umständen auch die Abwicklung von Betreibungsverfahren sowie von Beweisabnahmen in Zivilprozessen (vgl. Peter Albrecht, Kommentar Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Band, Art. 166 N 3 mit weiteren Hinweisen). Da der Tatbestand den Eintritt einer Vermögensgefährdung nicht voraussetzt, stellt Art. 325 StGB ein (sehr) abstraktes Gefährdungsdelikt dar. 
 
Den Umfang der Buchführungspflicht bestimmt das Privatrecht. Die einzelnen Pflichten sind in den Art. 957 ff. OR und weiteren Bestimmungen des Obligationenrechts konkretisiert. Gemäss Art. 958 Abs. 1 OR hat auf Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein Inventar, eine Betriebsrechnung und eine Bilanz aufzustellen, wer zur Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet ist. 
Diese Pflicht trifft insbesondere die in das Handelsregister einzutragende Aktiengesellschaft (Art. 957 OR). 
Art. 662 OR sieht vor, dass der Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft für jedes Geschäftsjahr einen Geschäftsbericht erstellt, der sich insbesondere aus der Jahresrechnung zusammensetzt, welche ihrerseits aus der Erfolgsrechnung, der Bilanz und dem Anhang besteht. 
Gemäss Art. 958 Abs. 2 OR schliesslich sind das Inventar, die Betriebsrechnung und die Bilanz innerhalb einer dem ordnungsmässigen Geschäftsgang entsprechenden Frist abzuschliessen. Dabei handelt es sich um eine auslegungsbedürftige Ordnungsvorschrift. Für die Aktiengesellschaft ergibt sich die spezifische Frist aus der Pflicht, eine Generalversammlung innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres abzuhalten (Art. 699 Abs. 2 OR) und zudem den Revisionsbericht spätestens 20 Tage (Art. 696 Abs. 1 OR) vor der ordentlichen Generalversammlung den Aktionären am Gesellschaftssitz zur Einsicht aufzulegen (Art. 696 Abs. 1 OR). Die Abschlussfrist von 6 Monaten wird von der Praxis auch für Betriebe anderer Rechtsformen als anwendbar betrachtet und bildet die obere Grenze, die bloss beim Vorliegen ausserordentlicher Ereignisse überschritten werden sollte (Markus Neuhaus, Basler Kommentar, OR Art. 958 N 5 mit Hinweisen). 
 
b) Beim Unterlassungsdelikt beginnt die Verjährung mit dem Tag, an dem der Handlungspflichtige hätte aktiv werden müssen oder an dem die Handlungspflicht endet (Stefan Trechsel, Kurzkommentar Strafgesetzbuch, 
2. Aufl. Zürich 1997, Art. 71 N 3 mit ausführlichen Verweisen zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung). 
 
Stellt das verantwortliche Gesellschaftsorgan nicht innert 6 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres eine ordnungsgemässe Bilanz auf, verhält es sich vom Fristablauf an rechtswidrig. Das Interesse der Gläubiger und weiterer Beteiligter, Kenntnis über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu erhalten, bleibt über die genannte Frist hinaus bestehen. Entsprechend dauert die Buchführungspflicht auch nach Ablauf der Bilanzvorlegungsfrist fort. Die im pflichtwidrigen Unterlassen der gesetzlich verlangten Buchführungsarbeiten bestehende Tat ist erst beendet, wenn die Pflicht zum Handeln entfällt, etwa wenn eine ordnungsgemässe Buchführung nachgeholt wird oder wenn der Handlungspflichtige aus seiner Pflichtenstellung ausscheidet. Die Verfolgungsverjährung beginnt folglich mit dem Tag, an dem das pflichtwidrige Verhalten sein Ende nimmt (Art. 71 Abs. 4 StGB); die absolute Verjährung tritt zwei Jahre später ein (Art. 109 StGB i.V.m. Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). 
 
Einzuräumen ist, dass die Verfolgungsverjährung damit unter Umständen erst nach sehr langer Zeit beginnt und dass man sich fragen kann, ob dies beim Übertretungstatbestand von Art. 325 StGB sinnvoll ist. Wie aus den nachfolgenden Erwägungen ersichtlich, begann im vorliegenden Fall die Verfolgungsverjährung lediglich rund 8 Monate nach Beginn der Unterlassungstat zu laufen. 
Unter diesen Umständen kann die Frage offen bleiben. 
 
3.- Den Beschwerdeführer traf als geschäftsführender Direktor der Y.________ AG die Pflicht zur Erstellung einer Jahresrechnung spätestens 6 Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres (vgl. Art. 662 OR und Art. 326 Abs. 1 StGB). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, war die Buchführung der Y.________ AG für das Geschäftsjahr 1996 nicht ordnungsgemäss, weil sie ohne besonderen Grund nicht bis spätestens Ende Juni 1997, sondern erst rund 8 Monate später vorlag und damit zeitlich stark im Rückstand war. Auch nach Ablauf der Abschlussfrist Ende Juni 1997 blieb die durch Art. 957 OR dem Beschwerdeführer auferlegte Pflicht bestehen und verhielt sich dieser durch Unterlassen der notwendigen Schritte andauernd pflichtwidrig. Der Beschwerdeführer beauftragte erst am 4. November 1997, also rund 5 Monate nach Ablauf der Abschlussfrist, einen Treuhänder mit der Erstellung der ausstehenden Jahresrechnungen. Es stellt sich hier daher nur die Frage, ob die gesamte Zeitspanne zwischen der erheblich verspäteten Erteilung des Auftrags und dessen Erfüllung am 2. Februar 1998 dem Beschwerdeführer anzulasten ist. Das ist mit der Vorinstanz zu bejahen. 
 
 
Sofern sich der Bilanzierungspflichtige ausser Stande sieht, die ihm obliegende Pflicht selbst zu erfüllen, muss er die Aufgabe vorzeitig einer geeigneten Drittperson (z.B. Buchhalter oder Treuhandgesellschaft) übertragen (BGE 96 IV 76 E. 3 S. 79). Wird der Auftrag so frühzeitig erteilt, dass mit der Fertigstellung der Bilanz vor Ablauf der Abschlussfrist gerechnet werden darf, beschränken sich die Pflichten des Organs einer Kapitalgesellschaft allein auf Auswahl, Instruktion und Kontrolle des mit der Bilanzierung Betrauten (vgl. 
Schubarth/Albrecht, Kommentar Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Band, Art. 166 N 14 f.). Hält der Bilanzierungspflichtige die genannte Sorgfalt ein, genügt der blosse Fristablauf nicht, um den Tatbestand zu erfüllen (vgl. Schubarth/Albrecht, a.a.O.). 
 
Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen (Art. 277bis Abs. 1 BStP) des Bezirksgerichts, auf welche die Vorinstanz abgestellt hat, verzögerte sich die Erstellung der Jahresabschlüsse durch den Treuhänder, weil ihm der Beschwerdeführer unvollständige Unterlagen überlassen hatte (Urteil Bezirksgericht, S. 5). Die vom Treuhänder zur Erfüllung des Auftrags benötigten rund 3 Monate sind somit wesentlich auf das sorgfaltswidrige Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen, und es gereicht ihm deshalb die gesamte zusätzliche Verzögerung zum Vorwurf. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht den Beginn der Verfolgungsverjährung auf den 2. Februar 1998 festgesetzt, den Tag, an welchem der Treuhänder die Jahresrechnungen ablieferte. Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils vom 11. Januar 2000 war die Übertretung somit noch nicht absolut verjährt. 
 
4.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (2. Strafkammer) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
--------- Lausanne, 24. August 2000 
 
 
Im Namen des Kassationshofes 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: