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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
C 179/04 
 
Urteil vom 21. August 2006 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Borella und Kernen; Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Parteien 
A.________, 1959, Beschwerdeführerin, vertreten durch die DAS Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Wengistrasse 7, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Aargauische Arbeitslosenkasse Industrie Handel Gewerbe, Entfelderstrasse 11, 5000 Aarau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 17. August 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________, Mutter von drei 1984, 1986 und 1988 geborenen Kindern, war seit 1990 in der Firma X.________ AG angestellt. Am 24. Juni 2002 wurde das Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin aus wirtschaftlichen Gründen auf Ende September 2002 aufgelöst. Am 18. Januar 2003 konnte A.________ bei derselben Firma als Maschinenbedienerin im 2-Schicht-Betrieb erneut eine Stelle antreten. Bereits am 26. Juni 2003 wurde ihr auch dieses Arbeitsverhältnis per 30. September 2003 gekündigt und gleichzeitig per 1. Oktober 2003 ein neuer Arbeitsvertrag angeboten. Wegen der Einführung eines neuen Schichtsystems sollte sie künftig in drei Schichten arbeiten (je eine Woche Früh-, Spät- und Nachtschicht, anschliessend eine Woche frei). A.________ unterzeichnete den neuen Arbeitsvertrag nicht, da sie nicht bereit war, Nachtarbeit zu leisten. Sie meldete sich bei der Aargauischen Arbeitslosenkasse Industrie Handel Gewerbe (nachfolgend: Arbeitslosenkasse) zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 1. Oktober 2003 an. Die Arbeitslosenkasse stellte sie mit Verfügung vom 4. November 2003 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab dem 1. Oktober 2003 für die Dauer von 31 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Die hiegegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 8. Dezember 2003 ab. 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 17. August 2004 ab. 
C. 
A.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei aufzuheben, eventualiter sei die Dauer von 31 Tagen angemessen zu reduzieren. 
 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau und die Arbeitslosenkasse beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
D. 
Am 21. August 2006 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen über die den Arbeitslosen obliegende Pflicht zur Annahme einer zumutbaren Arbeit (Art. 16 Abs. 1 und 2 AVIG), über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG) sowie über die nach dem Grad des Verschuldens zu bemessende Einstellungsdauer (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 und 3 AVIV) eingehend dargestellt. Beizufügen ist, dass die Arbeitslosigkeit unter anderem dann als selbstverschuldet gilt, wenn der Versicherte das Arbeitsverhältnis von sich aus aufgelöst hat, ohne dass ihm eine andere Stelle zugesichert war, es sei denn, dass ihm das Verbleiben an der Arbeitsstelle nicht zugemutet werden konnte (Art. 44 Abs 1 lit. b AVIV). Dieser Einstellungstatbestand kann nach der Rechtsprechung auch dann erfüllt sein, wenn die Kündigung vom Arbeitgeber ausgesprochen wird, weil die Arbeitnehmerin trotz der ihr gebotenen Gelegenheit nicht bereit war, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen weiterzuführen. Auch in einem solchen Fall ist zu untersuchen, ob der Versicherten ein Verbleiben am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr zumutbar gewesen ist (ARV 1986 Nr. 23 S. 91 Erw. 1 mit Hinweisen; Urteil H. vom 29. Oktober 2003, C 133/03, Erw. 2.2). 
1.2 Sodann hat die Vorinstanz die gesetzlichen Bestimmungen zur Zulässigkeit des ununterbrochenen Schichtbetriebs und zur Ruhe- und Höchstarbeitszeit (Art. 24 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel vom 20. März 1998 [ArG], SR 822.11, in Kraft seit 1. August 2000, in Verbindung mit Art. 37 und 38 ArGV 1, Art. 25 Abs. 1 und 26 Abs. 1 ArG, 34 Abs. 4 und 36 ArGV 1) zutreffend dargelegt und zu Recht festgestellt, dass keine Hinweise dafür vorliegen, dass diese Regelungen beim neuen Arbeitsvertragsangebot per 1. Oktober 2003 nicht eingehalten worden wären. 
2. 
Streitig und zu prüfen sind die Zulässigkeit der Einstellung in der Anspruchsberechtigung sowie deren Dauer. 
3. 
Die Beschwerdeführerin bringt unter Berufung auf Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG vor, die ihr per 1. Oktober 2003 angebotene Arbeit sei unzumutbar und von der Annahmepflicht ausgenommen gewesen, weil sie dem Alter, den persönlichen Verhältnissen und dem Gesundheitszustand nicht angemessen gewesen sei. 
3.1 Zu den genannten Zumutbarkeitskriterien Alter und Gesundheitszustand ist vorab anzumerken, dass die Beschwerdeführerin zur Zeit der vorgesehenen Änderung des Arbeitsverhältnisses 44-jährig war und damit in einem Lebensabschnitt, in welchem Arbeitnehmende nicht wegen ihrer Jugend oder auf Grund eines fortgeschrittenen Alters einer besonderen Schonung bedürfen; unter älteren Arbeitnehmenden sind solche zu verstehen, die 55 Jahre und älter sind, aber das AHV-Rentenalter noch nicht erreicht haben (Gerhards, Kommentar zum AVIG, Band 1, Rz 26 zu Art. 16). Was die gesundheitlichen Bedenken betrifft, führt die Beschwerdeführerin nichts an, das die angebotene Arbeit als unzumutbar erscheinen liesse. Dass sie zunehmend an Rückenschmerzen gelitten und der Arzt ihr angeraten habe, eine körperlich weniger anstrengende Arbeit anzunehmen, hat sie nicht belegt (siehe BGE 124 V 238 Erw. 4b/bb, wonach Unzumutbarkeit aus gesundheitlichen Gründen durch ein eindeutiges ärztliches Zeugnis oder allenfalls durch andere geeignete Beweismittel belegt sein muss). 
3.2 Im Zusammenhang mit der behaupteten Unzumutbarkeit der angebotenen Arbeit auf Grund der Nichtangemessenheit mit den persönlichen Verhältnissen bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe keine Nachtarbeit annehmen müssen, da sie damals Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren zu betreuen gehabt habe und durch das neue Schichtmodell feste Strukturen im Familienleben verunmöglicht worden wären. Dass das Arbeitsgesetz eine Einwilligungsvoraussetzung zu regelmässiger Nachtarbeit statuiert, zeigt, dass solche nicht ohne weiteres zumutbar ist. Es trifft auch zu, dass gemäss Art. 36 Abs. 1 ArG ein Arbeitgeber bei der Festsetzung der Arbeits- und Ruhezeit besonders Rücksicht auf Arbeitnehmende mit Familienpflichten nehmen muss. Als Familienpflichten gelten nach dieser Bestimmung die Erziehung von Kindern bis 15 Jahren sowie die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder nahestehender Personen. Da zum Zeitpunkt des vorgesehenen Beginns des neuen Arbeitsvertrags das jüngste Kind der Beschwerdeführerin aber gerade 15 Jahre alt geworden war, konnte sie sich bei der Verweigerung von Nachtarbeit zumindest nicht unmittelbar auf Art. 36 Abs. 1 ArG berufen. Dieses Kind stand zudem kurz vor dem Schulabschluss, das mittlere Kind ging in die Lehre, das älteste Kind war bereits volljährig. Die Berufung der Beschwerdeführerin auf familiäre Pflichten wirkt ausserdem nicht plausibel, denn sie hatte bis anhin auch im 2-Schicht-Betrieb gearbeitet, wobei die Frühschicht jeweils um 5 Uhr begann und die Spätschicht um 21 Uhr aufhörte. Bei diesen Arbeitszeiten waren geregelte Familienstrukturen ebenfalls erschwert. Zudem hatte sie sich schon mit dem bis 30. September 2003 gültigen Arbeitsvertrag bereit erklärt, bei Bedarf auch im 3- und 4-Schicht-Betrieb zu arbeiten. Nach dem Gesagten wäre es der Beschwerdeführerin somit zumutbar gewesen, die Änderung des Arbeitsvertrages mindestens so lange zu akzeptieren, bis sie eine neue, ihr besser entsprechende Anstellung gefunden und damit den Eintritt der Arbeitslosigkeit vermieden hätte. 
4. 
Dem Eventualantrag auf eine angemessene Reduktion der Dauer der Einstellung ist nicht stattzugeben, weil gemäss Art. 45 Abs. 3 AVIV ein schweres Verschulden vorliegt, wenn die Versicherte ohne entschuldbaren Grund eine zumutbare Arbeitsstelle ohne Zusicherung einer neuen aufgegeben oder eine zumutbare Arbeit abgelehnt hat. Die Einstelldauer für schweres Verschulden beträgt zwischen 31 und 60 Tagen (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV). Nach der Rechtsprechung ist als sachgemässer Ausgangspunkt für die individuelle Verschuldensbeurteilung im Bereich des schweren Verschuldens grundsätzlich ein Mittelwert in der Skala zu wählen (123 V 153 Erw. 3c). Unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalles ermöglicht diese Vorgehensweise einerseits eine Verschärfung der verwaltungsrechtlichen Sanktion, andererseits aber auch eine angemessene Reduktion bei Vorliegen von Milderungsgründen. Die Vorinstanz hat bereits schuldmildernde Gründe berücksichtigt, indem sie die Einstellungsdauer auf 31 Tage, mithin im untersten Bereich des schweren Verschuldens, festgesetzt hat. Zwar handelt es sich bei der Bestimmung von Art. 45 Abs. 3 AVIV, wonach die Aufgabe einer zumutbaren Arbeitsstelle ohne Zusicherung einer neuen ein schweres Verschulden darstellt und gemäss Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung von 31 bis zu 60 Tagen nach sich ziehen muss, lediglich um eine Regel, von der beim Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall abgewichen und auch eine mildere Sanktion verhängt werden darf (ARV 2000 Nr. 8 S. 42 Erw. 2c). In BGE 130 V 125 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, dass bei Vorliegen eines entschuldbaren Grundes auch bei Ablehnung einer amtlich zugewiesenen zumutbaren Arbeit nicht zwingend von einem schweren Verschulden auszugehen ist. Ein entschuldbarer Grund kann das Verschulden als mittelschwer oder leicht erscheinen lassen, wobei die subjektive Situation der betroffenen Person und objektive Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Vorliegend sind jedoch keine besonderen Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gegeben. Die Beschwerdeführerin hatte keinen entschuldbaren Grund, die Arbeit abzulehnen, weshalb von einer weiteren Reduktion der Einstelldauer abzusehen ist. Die verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung für 31 Tage ab dem 1. Oktober 2003 ist demnach nicht zu beanstanden. 
5. 
Auch die Rüge einer rechtsungleichen Behandlung, weil andere Arbeitnehmende aus demselben Grund entlassen, aber nicht mit einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung bestraft worden seien, ist nicht zu hören. Auf schriftliche Nachfrage des Eidgenössischen Versicherungsgerichts erklärte die Beschwerdegegnerin am 2. März 2005, sie könne dazu nicht Stellung nehmen, da sich keine anderen Mitarbeitenden der betreffenden Firma bei ihr angemeldet hätten. Eine abweichende Praxis verschiedener Durchführungsorgane der Arbeitslosenversicherung hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit einer Beschäftigung könnte jedoch nicht bereits als Verstoss gegen die Gleichbehandlung der Versicherten gewertet werden. Massgebend ist, ob das jeweilige Handeln eines solchen Organs im konkreten Einzelfall gesetzeskonform ist oder nicht. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 21. August 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: