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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_447/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Widerruf einer bedingt ausgesprochenen Vorstrafe, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 4. Februar 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 4. Februar 2015 zweitinstanzlich wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Zudem erklärte es eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten für vollziehbar, welche das Strafgericht Basel-Stadt am 22. Juli 2010 wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz bedingt ausgesprochen hatte. 
 
B.  
 
 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das appellationsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Vorstrafe nicht zu vollziehen. Eventualiter sei die Sache zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Voraussetzungen für einen Widerruf des bedingten Strafvollzugs seien nicht erfüllt. Es könne keine Schlechtprognose gestellt werden. Er habe den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben gefunden. Werde die Vorstrafe nicht vollzogen, seien "eher keine" weiteren Straftaten zu erwarten, weil nur so ein Strafvollzug mit elektronischer Überwachung möglich sei, welcher den Erhalt der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers zulasse. Der Vollzug der Vorstrafe würde den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu Fall bringen, was sich auf die Bewährungsaussichten negativ auswirken würde. Die Vorinstanz berücksichtige nicht hinreichend, dass sich der Beschwerdeführer aus der kriminellen Vergangenheit verabschiedet habe. Sie lege zu viel Gewicht auf die Tatsache, dass er das neu zu beurteilende Delikt kurze Zeit nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft begangen habe. Es sei eine Gesamtbeurteilung der prognoserelevanten Faktoren vorzunehmen und dürfe nicht einseitig auf die erneute Delinquenz während der Probezeit abgestellt werden, zumal sich der Beschwerdeführer seit bald 4 Jahren wohl verhalten habe. Zudem sei der anstehende Vollzug der neu ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe in Bezug auf die Bewährungsaussichten als positiver Faktor zu berücksichtigen. Schliesslich sei der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt, da die Vorinstanz den Widerruf der bedingt ausgesprochenen Vorstrafe nur ungenügend begründe.  
 
1.2. Hat sich der Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so wird die aufgeschobene Strafe nicht mehr vollzogen (Art. 45 StGB).  
Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Es kann die Art der widerrufenen Strafe ändern, um mit der neuen Strafe in sinngemässer Anwendung von Art. 49 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Dabei kann es auf eine unbedingte Freiheitsstrafe nur erkennen, wenn die Gesamtstrafe mindestens sechs Monate erreicht oder die Voraussetzungen nach Art. 41 erfüllt sind (Art. 46 Abs. 1 StGB). 
Ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf einen Widerruf. Es kann den Verurteilten verwarnen oder die Probezeit um höchstens die Hälfte der im Urteil festgesetzten Dauer verlängern. Für die Dauer der verlängerten Probezeit kann das Gericht Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. Erfolgt die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anordnung (Art. 46 Abs. 2 StGB). 
 
1.3. Massgebend für den Entscheid über den Widerruf ist, ob das neue Delikt, welches während der Probezeit aus einer früheren Verurteilung begangen wurde, erwarten lässt, der Verurteilte werde weitere Straftaten verüben. Zu widerrufen ist die bedingte Strafe nur, wenn aufgrund der erneuten Straffälligkeit eine eigentliche Schlechtprognose besteht (BGE 134 IV 140 E. 4.3 S. 143). Die mit der Gewährung des bedingten Vollzugs abgegebene Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters (BGE 134 IV 60 E. 7.2 S. 73 f.) ist somit unter Berücksichtigung der neuen Straftat neu zu formulieren. Das Nebeneinander von zwei Sanktionen erfordert eine Beurteilung in Varianten: Möglich ist, dass der Vollzug der neuen Strafe erwarten lässt, der Verurteilte werde dadurch von weiterer Straffälligkeit abgehalten, weshalb es nicht notwendig erscheine, den bedingten Vollzug der früheren Strafe zu widerrufen. Umgekehrt kann der nachträgliche Vollzug der früheren Strafe dazu führen, dass eine Schlechtprognose für die neue Strafe im Sinne von Art. 42 Abs. 1 StGB verneint und diese folglich bedingt ausgesprochen wird (BGE 134 IV 140 E. 4.5 S. 144 mit Hinweisen; Urteil 6B_855/2010 vom 7. April 2011 E. 2.1 und 2.2). Im Übrigen sind die Bewährungsaussichten erneut anhand einer Gesamtwürdigung der Tatumstände, des Vorlebens, des Leumunds sowie aller weiteren Tatsachen zu beurteilen, die gültige Schlüsse etwa auf den Charakter des Täters sowie Entwicklungen in seiner Sozialisation und im Arbeitsverhalten bis zum Zeitpunkt des Widerrufsentscheids zulassen (BGE 134 IV 140 E. 4.4 S. 143). Bei der Beurteilung dieser Fragen verfügt das Sachgericht über einen Ermessensspielraum, in welchen das Bundesgericht nur eingreift, wenn das Ermessen in nicht vertretbarer Weise ausgeübt wurde (BGE 134 IV 140 E. 4.2 S. 143).  
 
1.4. Die Vorinstanz spricht die neue Freiheitsstrafe von 10 Monaten unbedingt aus und erwägt, es führe nicht zu besonders günstigen Verhältnissen, dass der Beschwerdeführer seit März 2014 temporäre Arbeitseinsätze im Stundenlohn bestreite. Denn er sei nach wie vor stark überschuldet. Er habe unmittelbar nach einer mehrmonatigen Untersuchungshaft und unbeeindruckt von mehreren Vorstrafen weiter delinquiert.  
Was den Vollzug der Vorstrafe von 14 Monaten betrifft, erwägt die Vorinstanz, dem Beschwerdeführer sei zwar zugute zu halten, dass er seit März 2014 gearbeitet habe. Er sei allerdings schon zuvor arbeitstätig gewesen, ohne dass ihn dies von Delikten abgehalten hätte. Er habe sich nicht um eine Verbesserung seiner Situation bemüht, indem er etwa mit dem Verein A.________ zusammengearbeitet oder seine Schulden saniert hätte. Es sei nach dem Vollzug der neu ausgesprochenen Strafe weiterhin damit zu rechnen, dass er Betäubungsmitteldelikte begehe. 
 
1.5. Indem die Vorinstanz die Vorstrafe für vollziehbar erklärt, verletzt sie ihr Ermessen nicht. Sie wendet die Begriffe gemäss Art. 42 Abs. 2 und Art. 46 Abs. 1 StGB zutreffend an. Zwar misst sie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer kurz nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft weiter delinquierte, einiges Gewicht zu. Doch kann nicht gesagt werden, sie hätte die erforderliche Gesamtwürdigung unterlassen und die anderen relevanten Beurteilungskriterien vernachlässigt. Insbesondere würdigt sie zutreffend, dass der Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 11. Oktober 2011 und 31. Mai 2012 zwei Mal verwarnt wurde.  
 
1.6. Die Vorinstanz hat ihre Begründungspflicht nicht verletzt. Sie hat die Gründe im Urteil so wiedergegeben, dass sich die richtige Anwendung des Bundesrechts überprüfen lässt (Art. 50 StGB; BGE 134 IV 1 E. 4.2.1 S. 5). Insbesondere hat sie entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten berücksichtigt, dass die neue Strafe unbedingt ausgesprochen wird.  
 
2.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da das Rechtsmittel von vornherein aussichtslos war, kann seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Oktober 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer