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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.115/2005 /blb 
 
Urteil vom 13. Mai 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Stach, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Huber, 
Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug, Aabachstrasse 3, Postfach 800, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (provisorische Rechtsöffnung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug vom 9. März 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Mit Vertrag vom 7. September 2000 verpflichtete sich die X.________ AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin), die Adresse der Y.________ AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) im jährlich erscheinenden Branchenverzeichnis "________", erstmals in der Ausgabe 2001, zu einem Preis von Fr. 1'800.-- pro Ausgabe zu publizieren. Gemäss Ziff. 4.3 der auf der Rückseite des Vertrages abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sahen die Parteien eine erste Laufzeit von drei Ausgabenummern vor und hielten überdies fest, "dass sich der Vertrag automatisch um diese Laufzeit verlängert, wenn dieser nicht spätestens per 31.12. desjenigen Jahres, in welchem die 1. Ausgabenummer der jeweiligen Laufzeit erscheint, gekündigt wird.". 
A.b Mit Schreiben vom 5. Februar 2002 kündigte die Beschwerdegegnerin den Vertrag auf den nächstmöglichen Termin, worauf die Beschwerdeführerin am 14. Februar 2002 schriftlich die Kündigung unter Berufung auf die AGB "auf die 9. Aufl.; Ausgabebezeichnung 2007", d.h. per Ende 2006, bestätigte. Auf den Vorschlag der Beschwerdegegnerin, den Vertrag per Ende 2003 aufzulösen, ging die Beschwerdeführerin nicht ein. 
B. 
In der für die nicht bezahlte Rechnung der Ausgabe 2004 eingeleiteten Betreibung erhob die Beschwerdegegnerin Rechtsvorschlag. Der Rechtsöffnungsrichter am Kantonsgerichtspräsidium Zug gab dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 1'800.-- (für die Ausgabe 2004) nebst Zins mit Verfügung vom 11. November 2004 nicht statt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug mit Urteil vom 9. März 2005 ab. Sie gelangte zum Schluss, die zweijährige Kündigungsfrist gemäss Ziff. 4.3 der AGB sei mit der Ungewöhnlichkeitsregel nicht zu vereinbaren, weshalb sich die Auffassung des Rechtsöffnungsrichters als zutreffend erweise, die Beschwerdegegnerin habe den Insertionsvertrag am 5. Februar 2002 mit Wirkung auf den 31. Dezember 2003 gekündigt. Der Vertrag bilde damit keinen provisorischen Rechtsöffnungstitel für die in Betreibung gesetzte Forderung betreffend die Ausgabe 2004. 
C. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, das Urteil der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug aufzuheben. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
D. 
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde mit Verfügung vom 13. April 2005 nicht entsprochen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Unter Berufung auf Gauch/Schluep/Schmid/Rey (Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil. Bd. 1, 8. Aufl. 2003, N. 1138 ff., 1141b f.) hat die Justizkommission dafürgehalten, die Ungewöhnlichkeitsregel ziele entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht darauf ab, schwache, insbesondere unerfahrene, Vertragspartner gegen starke zu schützen. Ihr Zweck bestehe vielmehr darin, die global zustimmende Partei vor allgemeinen Geschäftsbestimmungen zu bewahren, mit denen sie nicht gerechnet habe und aus ihrer Sicht zur Zeit des Vertragsabschlusses vernünftigerweise nicht habe rechnen müssen. Das gelte auch für Klauseln, die selbst für den Erfahrenen (den Branchenkenner) aufgrund ihres Inhalts, ihrer Platzierung und der geführten Vertragsverhandlungen überraschend und dementsprechend ungewöhnlich sind. Wie zuvor bereits der Rechtsöffnungsrichter hat auch die Justizkommission die in den AGB enthaltene zweijährige Kündigungsfrist bei einem auf drei Jahre abgeschlossenen Vertragsverhältnis als ungewöhnlich und deshalb unverbindlich gehalten. Entscheidend sei, dass die Kündigung gemäss Ziff. 4.3 der AGB bereits spätestens zwei Jahre vor Ablauf des dreijährigen Vertrages erfolgen müsse, womit die geschäftserfahrene Beschwerdegegnerin vernünftigerweise nicht habe rechnen müssen. Nach den weiteren Erwägungen der Justizkommission ist die Bedeutung der verklausulierten Formulierung der Kündigungsbestimmung nicht nur für den juristischen Laien schwierig zu verstehen, sondern bereitet selbst geschäftsgewandten Personen Mühe, zumal ihre Tragweite erst nach eingehenden Studien erkannt werden kann. 
1.1 Die Beschwerdeführerin wirft der Justizkommission vor, den Ungewöhnlichkeitsgrundsatz willkürlich angewendet zu haben. Zur Begründung hält sie zunächst im Wesentlichen dafür, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besage die Ungewöhnlichkeitsregel, dass ungewöhnliche bzw. überraschende oder geschäftsfremde Klauseln von AGB, mit denen vernünftigerweise nicht gerechnet werden müsse, nur dann vom Konsens der Parteien erfasst seien, wenn auf sie durch drucktechnische Hervorhebung oder individuellen Hinweis besonders aufmerksam gemacht werde (BGE 109 II 213 E. 2a; 109 II 452). Ziel und Zweck dieser Regel sei, insbesondere geschäftsunerfahrene bzw. schwächere Parteien (subjektives Erfordernis) vor Übervorteilung oder Täuschung durch AGB zu schützen. Dieses subjektive Erfordernis sei vorliegend nicht gegeben, gelte doch die Beschwerdegegnerin unbestrittenermassen als geschäftserfahren. Objektiv erforderlich sei nach der Rechtsprechung ein geschäftsfremder Inhalt, mithin ein Inhalt, der zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führe oder in erheblichem Mass aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus falle. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, zumal bei Insertionsverträgen wie dem vorliegenden automatische Vertragsverlängerungen üblich seien. Die Justizkommission habe diese Tatsachen nicht gewürdigt und damit die Ungewöhnlichkeitsregel qualifiziert falsch angewendet. 
 
Soweit die Beschwerdeführerin ohne Bezug zum konkreten Fall die Rechtsprechung des Bundesgerichts wiedergibt und auf den Fettdruck von Vertragsbestimmungen hinweist, vermag ihre Beschwerde den Begründungsanforderungen gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG von vornherein nicht zu genügen (BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a; 127 III 279 E. 1c S. 282, mit Hinweisen; 128 I 295 E. 7a S. 312). Darauf ist nicht einzutreten. Sodann hat die Justizkommission die Geschäftserfahrenheit der Beschwerdegegnerin ebenso wenig übersehen wie die Tatsache, dass die automatische Verlängerung bei Insertionsverträgen üblich ist. Sie hat indes das von der Beschwerdeführerin angesprochene subjektive Erfordernis der Geschäftsunerfahrenheit unter Berufung auf einschlägige Lehre (Gauch/Schluep/Schmid/Rey, a.a.O., N. 1142) als unwesentlich erachtet. Selbst wenn sie damit von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 109 II 213 E. 2a S. 217) abgewichen sein sollte, was offen bleiben kann, genügte dies für sich genommen noch nicht, den angefochtenen Entscheid als willkürlich erscheinen zu lassen (BGE 117 III 76 E. 7c S. 83). Schliesslich hat die Justizkommission das objektive Erfordernis berücksichtigt, indem sie die zweijährige Kündigungsfrist der dreijährigen Vertragsdauer gegenübergestellt und die Vertragsbestimmung wegen ihrer unverhältnismässig langen Kündigungsfrist als unüblich angesehen hat. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit in dieser Hinsicht als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. 
1.2 Als sachlich unhaltbar kritisiert die Beschwerdeführerin die Auffassung der Justizkommission, wonach es gewöhnlich bzw. üblich sei, dass eine Partei erst ein halbes Jahr nach Vertragsabschluss oder noch später die AGB konsultiere; nicht vertretbar sei aber auch die im angefochtenen Entscheid zum Ausdruck gebrachte Meinung, es sei nicht ungewöhnlich, dass jemand wie hier während der ersten 13 Monate der Vertragslaufzeit nicht von den AGB Kenntnis nehme. Vielmehr müsse - so die Beschwerdeführerin - von einer geschäftserfahrenen Partei erwartet werden, dass sie bei Vertragsabschluss bzw. im Verlaufe von 13 Monaten einen Blick in die AGB werfe. 
 
Nun hat sich die Justizkommission nicht in diesem Sinne geäussert, sondern sich die Frage gestellt, ob die Beschwerdegegnerin als global zustimmende, also vom Inhalt der AGB nicht Kenntnis nehmende, Partei sich eine zweijährige Kündigungsfrist entgegenhalten lassen muss. Sie hat dies verneint, weil sie nicht mit einer derart ungewöhnlichen Regelung habe rechnen müssen, dass eine Kündigung spätestens zwei Jahre vor Ablauf der dreijährigen Vertragsdauer zu erfolgen habe. Dem hält die Beschwerdeführerin lediglich entgegen, eine zweijährige Kündigungsfrist bei einem auf drei Jahre abgeschlossenen Vertrag könne nicht unüblich bzw. ungewöhnlich sein. Mit dieser appellatorischen Kritik ist Willkür nicht aufzuzeigen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 109 Ia 217 E. 2b S. 226; 125 I 492 E. 1b S. 495; 127 III 279 E. 1c). Ist es nicht willkürlich anzunehmen, die global zustimmende Partei habe mit einer derartigen Regelung nicht rechnen müssen, kommt es nicht darauf an, wie viel Zeit ihr für die Konsultation der AGB zur Verfügung stand. 
1.3 Damit ist der Willkürvorwurf bezüglich der Ungewöhnlichkeitsregel unbegründet, soweit auf die entsprechenden Rügen überhaupt eingetreten werden kann. Der Entscheid der Justizkommission erweist sich demnach im Ergebnis als verfassungskonform (BGE 128 I 81 E. 2 S. 86). Unter diesen Umständen braucht nicht abgeklärt zu werden, ob das Argument der Justizkommission, die Formulierung von Ziff. 4.3 der AGB sei nur schwer verständlich, mit der Ungewöhnlichkeitsregel nichts zu tun hat und deshalb willkürlich ist, wie die Beschwerdeführerin behauptet. 
2. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren nicht zu entschädigen, da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 750.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 13. Mai 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: