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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_510/2012 
 
Urteil vom 16. November 2012 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Karlen, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, Beschwerdeführerin 1, 
Y.________ AG, Beschwerdeführerin 2, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Benno Wild, 
Benno Wild, Beschwerdeführer 3, 
 
gegen 
 
A.________, Beschwerdegegner 1, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernhard Isenring, 
B.________, Beschwerdegegner 2, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Nathan Landshut, 
C.________, Beschwerdegegner 3, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lucius Richard Blattner, 
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Einstellung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 5. Juli 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 16. Februar 2011 stellten die X.________ AG und die Y.________ AG gegen A.________, B.________ und Mitbeteiligte Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs im Sinn von Art. 186 StGB, unwahrer Angaben über das kaufmännische Gewerbe im Sinn von Art. 152 StGB und Ungehorsams des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahrens im Sinn von Art. 323 StGB. In Bezug auf den Hausfriedensbruch führten sie zur Begründung an, A.________ und B.________ hätten als Vertreter der D.________ GmbH und der E.________ GmbH die von ihnen für einen Restaurationsbetrieb von der X.________ AG und der Y.________ AG gemieteten Räumlichkeiten an der F.________-strasse xx in Zürich nach Ablauf des Mietvertrags nicht geräumt und seien rechtswidrig darin geblieben. C.________ habe sie dabei unterstützt. 
 
Am 18. März 2011 reichte Benno Wild Strafanzeige gegen A.________, B.________ und C.________ ein wegen falscher Anschuldigung im Sinn von Art. 303 Ziff. 1 StGB und Irreführung der Rechtspflege im Sinn von Art. 304 StGB. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Strafanzeige der E.________ GmbH vom 17. Februar 2011 gegen ihn wegen Hausfriedensbruchs entbehre jeder Grundlage und sei wider besseren Wissens erfolgt. 
 
Am 14. März 2012 stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat beide Strafverfahren gegen A.________, B.________ und C.________ ein. 
 
Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von der X.________ AG, der Y.________ AG und Benno Wild gegen die Einstellungsverfügungen eingereichte Beschwerde am 5. Juli 2012 ab. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragen die X.________ AG, die Y.________ AG und Benno Wild, es sei dieser obergerichtliche Beschluss aufzuheben und die Strafverfahren ordnungsgemäss weiterzuführen. 
 
C. 
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung. C.________ teilt mit, er verzichte auf Parteistellung und stelle keine Anträge. A.________ und B.________ beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie eventuell abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Einstellungen der Verfahren in Bezug auf Hausfriedensbruch und Irreführung der Rechtspflege. Unangefochten geblieben und damit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Einstellung der Strafverfahren in Bezug auf die weiteren von den Einstellungsverfügungen erfassten Delikte. 
 
1.2 Der angefochtene Entscheid bestätigt, dass die von den Beschwerdeführern angestrebten Strafverfahren eingestellt bleiben. Er schliesst damit die Verfahren ab. Es handelt sich um den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführer sind somit zur Beschwerde befugt, wenn sie sich als Privatkläger an den kantonalen Verfahren beteiligt haben und sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung allfälliger Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG). 
 
1.3 Irreführung der Rechtspflege im Sinn von Art. 304 StGB schützt jedenfalls in erster Linie den ungehinderten Gang der Rechtspflege. Der Beschwerdeführer 3 hat sich am kantonalen Verfahren zwar als Privatkläger beteiligt. Er legt indessen nicht dar, inwiefern sich eine Verurteilung der Beschwerdegegner wegen Irreführung der Rechtspflege auf seine Zivilansprüche auswirken könnte. Das liegt - anders als in Bezug auf eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs, siehe unten E. 1.4 - auch nicht nahe. Da es Sache des Beschwerdeführers ist, die Legitimationsvoraussetzungen darzutun, sofern sie nicht offensichtlich erfüllt sind (BGE 133 II 353 E. 1; 249 E.1.1), ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten. 
 
1.4 In Bezug auf den umstrittenen Hausfriedensbruch sind die Beschwerdeführer Strafantragsteller und als solche Privatkläger (Art. 118 Abs. 1 und 2 StPO). Sie haben sich am kantonalen Verfahren beteiligt. Eine allfällige Verurteilung der Beschwerdegegner könnte sich offensichtlich auf ihre Zivilansprüche auswirken, deren Stellung sie sich ausdrücklich vorbehalten haben. Auf die Beschwerde ist insoweit einzutreten. 
 
2. 
Hausfriedensbruch im Sinn von Art. 186 StGB begeht, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, eine Wohnung, einen umfriedeten Garten etc. unrechtmässig eindringt oder, trotz Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. 
 
2.1 Der angefochtenen, vom Obergericht geschützten Verfahrenseinstellung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: 
 
1996 vermietete die Beschwerdeführerin 1 der D.________ GmbH Räumlichkeiten für einen Restaurationsbetrieb. 2004 trat die Beschwerdeführerin 2 für die Beschwerdeführerin 1 in den Vertrag ein, wobei letztere Vermieterin eines Abstellplatzes blieb. Ab Juli 2010 zahlte die D.________ GmbH keine Miete mehr und versuchte, den Mietvertrag auf die E.________ GmbH zu übertragen. Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 akzeptierten diese Übertragung nicht. Sie kündigten den Mietvertrag per Ende Oktober 2010. Die D.________ GmbH verliess die Räumlichkeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht. Am 8. Dezember 2010 verfügte das Audienzrichteramt die Exmission. Am 1. Februar 2011 wurde über die D.________ GmbH der Konkurs eröffnet. Am 7. Februar 2011 bestätigte das Konkursamt den Eigentümerinnen, dass es die Mieträumlichkeiten nicht übernähme und sie darüber verfügen könnten. Mit Schreiben vom 14. Februar 2011, amtlich durch das Stadtammannamt zugestellt, wurde die E.________ GmbH aufgefordert, die Geschäftsräume bis zum 16. Februar 2011, 14 Uhr, zu verlassen. Die E.________ GmbH reagierte auf diese Aufforderung nicht. 
 
2.2 Staatsanwaltschaft und Obergericht gehen davon aus, dass die Beschwerdegegner 1 und 2 als Vertreter sowohl der D.________ GmbH als auch der E.________ GmbH die fraglichen Räumlichkeiten unter Mitwirkung des Beschwerdegegners 3 trotz Kündigung des Mietvertrags nicht räumten und eigenmächtig die Schliessanlage auswechselten. Sie sind der Auffassung, dass das Hausrecht des Mieters in Bezug auf die gemieteten Räumlichkeiten bis zu seinem Auszug erhalten bleibt, auch wenn die Rechtsgrundlage des Mietverhältnisses - der Mietvertrag - weggefallen und das weitere Verbleiben jeder Rechtsgrundlage entbehrt, mithin rechtswidrig ist. Sie kommen zum Schluss, die Beschwerdegegner hätten sich offensichtlich nicht des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht, indem sie nach Ablauf des Mietvertrags nicht auszogen und auch die Aufforderung des Stadtammannamts zum Auszug ignorierten. 
 
2.3 Nach der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 186 StGB beginnt das Hausrecht mit dem Einzug des Mieters oder Pächters und endet mit dem Auszug. Die Strafbestimmung hat die Funktion, die Privat- und Geheimsphäre des Wohnungsinhabers - das Hausrecht - zu schützen, nicht aber dem Vermieter (Verpächter) die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu erleichtern (BGE 112 IV 31 E. 3c S. 34). Das gilt allerdings nur, wenn die Räumlichkeiten anfänglich rechtmässig - z.B. wie hier aufgrund eines Mietvertrags - in Besitz genommen wurden. Wer ohne Recht in eine Wohnung eingedrungen ist und sie eigenmächtig besetzt hält, kann sich dem Eigentümer gegenüber nicht auf das Hausrecht berufen (BGE 128 IV 81). Diese Rechtsprechung wird vom überwiegenden Teil der Lehre begrüsst (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. A. 2010, S. 157 f.; DONATSCH, Strafrecht III, 3. A. 2008, S. 450; TRECHSEL/BERTOSSA, Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 2008, N. 7 zu Art. 186; CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. 1, 2002, N. 27 zu Art. 186; SCHUBARTH, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, 3. Band: Art. 176-186, 1984, N. 27 zu Art. 186). DELNON/RÜDY kritisieren sie zwar nunmehr in der zweiten Auflage des Basler Kommentars (Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, 2. A. 2008, N. 5a ff. zu Art. 186). Sie argumentieren im Wesentlichen, mit dem Eingehen des Mietvertrags würde der Mieter das Hausrecht für eine bestimmte Zeit erwerben. Dieses sei an das Bestehen des Vertrags gekoppelt und würde daher mit dessen Auslaufen automatisch an den Vermieter zurückgehen. Diese Kritik, auf die sich die Beschwerdeführer im Übrigen nicht berufen, vermag nicht zu überzeugen. Bleibt ein Mieter nach Ablauf des Mietvertrags in der Wohnung, so hat der Vermieter in diesen Räumen zu diesem Zeitpunkt schon rein faktisch keine Privat- und Geheimsphäre, die des strafrechtlichen Schutzes bedürfte. Dass ein Mieter die Mietsache nach Ablauf des Vertrags nicht freiwillig freigibt, gehört zudem zu den normalen Geschäftsrisiken des Vermieters; solche Streitigkeiten sind zivilrechtlicher Natur und dementsprechend vorab mit zivilrechtlichen Mitteln zu lösen. Insofern ist an BGE 112 IV 31 festzuhalten, wonach dem Vermieter zur Ausweisung seines vertragsbrüchigen Mieters die Mittel des Strafrechts - die Verfolgung wegen Hausfriedensbruchs - nicht zur Verfügung stehen. 
 
2.4 Die Beschwerdeführer bringen vor, die Beschwerdegegner hätten sich (auch gegenüber dem Konkursamt) auf den Standpunkt gestellt, die D.________ GmbH sei nicht mehr Mieterin der umstrittenen Räumlichkeiten, vielmehr würde nunmehr die E.________ GmbH darüber verfügen. Diese sei indessen zu keinem Zeitpunkt zur Benützung dieser Räumlichkeiten berechtigt gewesen. Dementsprechend sei sie "Besetzerin" im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und könne sich gegenüber den Eigentümerinnen nicht auf das Hausrecht berufen. 
 
Die Beschwerdegegner 1 und 2 verfügten als Vertreter der seit 1996 als Mieterin fungierenden D.________ GmbH unbestrittenermassen jahrelang mit der Billigung der Beschwerdeführerinnen 1 und 2 über das Hausrecht an den vermieteten Räumlichkeiten. Nach der dargelegten Rechtsprechung stand ihnen dieses damit solange zu, bis sie es durch Verlassen bzw. Übergabe der Räumlichkeiten an die Vermieterinnen aufgaben. Daran ändert weder der Umstand etwas, dass sie (mangels der nach Art. 263 Abs. 1 OR erforderlichen schriftlichen Zustimmung der Vermieterinnen) ohne Erfolg versucht haben, das Mietverhältnis auf die ebenfalls von ihnen beherrschte E.________ GmbH zu übertragen, noch dass die D.________ GmbH später in Konkurs fiel. 
 
Ob die Beschwerdegegner 1 und 2 allenfalls dem Konkursamt gegenüber die E.________ GmbH als Mieterin genannt und sich durch diese objektiv falsche Angabe strafbar gemacht haben, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. 
 
2.5 Steht somit dem Mieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die zu ändern nach dem Gesagten kein Anlass besteht, das Hausrecht vom Einzug in die Mietsache bis zum Auszug zu, so haben sich die Beschwerdegegner 1, 2 und 3 nach den unbestrittenen tatsächlichen Feststellungen des Hausfriedensbruchs bzw. der Gehilfenschaft dazu klarerweise nicht schuldig gemacht. Ist aber das beanstandete Verhalten der Beschwerdegegner nicht tatbestandsmässig, konnte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach Art. 319 Abs. 1 lit. b StGB ohne Verletzung von Bundesrecht einstellen. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben ausserdem den Beschwerdegegnern 1 und 2, die sich (anders als der Beschwerdegegner 3) am Verfahren beteiligt haben, eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern 1-3 je zu einem Drittel auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführer 1-3 haben dem Beschwerdegegner 1 und dem Beschwerdegegner 2 für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von je Fr. 900.-- zu bezahlen, unter solidarischer Haftung für den gesamten Betrag. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. November 2012 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi