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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.94/2004 /bmt 
 
Urteil vom 18. Mai 2004 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Nyffeler, 
Gerichtsschreiberin Schoder. 
 
Parteien 
B.________, 
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Fürsprecher André Vogelsang, 
 
gegen 
 
A.________, 
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Fürsprecherin Dr. Regina Natsch, 
 
Gegenstand 
Mietvertrag; Ausweisung, 
Berufung gegen das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, vom 2. Februar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Vertrag vom 5. Februar 2002 vermietete A.________ (Kläger) B.________ (Beklagter) das an der X.________-Strasse in Bern gelegene Restaurant Y.________ mit Kellerlokal und Nebenräumen ab 1. April 2002 bis zum 31. März 2007 zu einem monatlich im Voraus zahlbaren Mietzins einschliesslich Nebenkosten von Fr. 10'500.--. 
 
Mit Schreiben vom 9. Juli 2003 setzte der Kläger dem Beklagten eine Frist von dreissig Tagen zur Zahlung des ausstehenden Mietzinses für den Monat Juli 2003 und drohte ihm die vorzeitige Kündigung bei Säumnis an. Der Beklagte seinerseits forderte mit Schreiben vom 16. Juli 2003 die Eröffnung eines Kontos für die von ihm anlässlich der Übernahme des Restaurants geleistete Mietzinskaution von Fr. 30'000.-- auf seinen Namen. Dafür gewährte er dem Kläger eine letzte Frist bis zum 22. Juli 2003, verbunden mit der Androhung, bei fruchtlosem Ablauf zur Sicherung seines Anspruchs den monatlichen Mietzins ab August 2003 auf ein Sperrkonto zu überweisen und erst nach Errichtung des Mietzinskautionskontos freizugeben. 
 
Am 22. August 2003 setzte der Kläger dem Beklagten schriftlich eine dreissigtägige Zahlungsfrist für den August-Mietzins und drohte für den Säumnisfall erneut die vorzeitige Kündigung an. Am 15. Oktober 2003 setzte er dem Beklagten eine Nachfrist von sieben Tagen zur Bezahlung der ausstehenden Mietzinse für die Monate August, September und Oktober 2003 ein. Der Kläger wies darauf hin, dass er im Hinblick darauf, dass der Androhung gemäss Schreiben vom 22. August 2003 keine Folge geleistet worden sei, von Gesetzes wegen berechtigt sei, die Kündigung sogleich auszusprechen. 
B. 
Anlässlich eines Treffens vom 22. Oktober 2003 überreichte der Beklagte dem Kläger einen auf seinen Namen lautenden Auszug aus einem Privatkontokorrentkonto bei der Bank Z.________ mit einem Saldo von Fr. 35'250.--. Unter der Kontonummer war die Bezeichnung "Miete" angebracht. Der vom Kläger geforderte Betrag von Fr. 35'250.-- war bis zu diesem Tage nicht überwiesen. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2003 kündigte der Kläger das Mietverhältnis auf den 30. November 2003 formgerecht. 
C. 
Mit Entscheid vom 18. Dezember 2003 wies der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die Rechtsbegehren des Beklagten auf Feststellung der Nichtigkeit und auf Aufhebung der Kündigung vom 23. Oktober 2003 ab. Er verpflichtete den Beklagten kostenfällig, das Restaurant Y.________ mit Kellerlokal und sämtlichen Nebenräumen an der X.________-Strasse in Bern innert zwanzig Tagen ab Erhalt des Entscheides zu räumen und zu verlassen, unter Androhung der Folgen von Art. 404 ZPO/BE bei Widerhandlung. Auf Appellation des Beklagten wies der Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, am 2. Februar 2004 die Rechtsbegehren des Beklagten auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung vom 23. Oktober 2003 und auf deren Aufhebung ebenfalls ab. Der Beklagte wurde verurteilt, die gemieteten Lokalitäten innert zwanzig Tagen ab Erhalt des Appellations-Entscheides zu räumen und zu verlassen, wiederum unter Androhung der erstinstanzlich ausgesprochenen Säumnisfolgen. 
 
Der Appellationshof wies zunächst die Anträge des Beklagten auf weitere Beweisabnahmen und Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung ab. Der Appellationshof hielt sodann dafür, die mit amtlichem Formular ausgesprochene Kündigung sei gültig. Weder sei erwiesen, dass der Beklagte vor dem 3. November 2003 eine Verrechnungserklärung abgegeben habe, noch sei davon auszugehen, dass er konkludent die Verrechnung erklärt habe. In einer weiteren Begründung führte der Appellationshof aus, selbst bei erfolgter Verrechnung wäre im Zeitpunkt der Kündigung am 23. Oktober 2003 ein Betrag von Fr. 5'250.-- noch während einer Woche unbezahlt geblieben. Schliesslich verwarf der Appellationshof auch den Standpunkt des Beklagten, die Kündigung sei missbräuchlich, sei sie doch einzig auf die schleppende Zahlungsweise des Beklagten zurückzuführen. 
D. 
Der Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit Berufung die Aufhebung des Entscheids der 1. Zivilkammer des Appellationshofs des Kantons Bern vom 2. Februar 2004 und der Kündigung des Mietvertrages vom 5. Februar 2002 betreffend die Liegenschaft an der X.________-Strasse in Bern (Restaurant mit Kellerlokal), datierend vom 23. Oktober 2003. Ferner sei das Exmissionsgesuch des Klägers vom 26. November 2003 abzuweisen. 
 
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung und auf Bestätigung des angefochtenen Entscheids. 
E. 
Auf die gleichzeitig mit der Berufung eingereichte staatsrechtlichen Beschwerde ist das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tage nicht eingetreten. 
F. 
Das Konkursamt des Kantons Freiburg beantragte mit Schreiben vom 17. Mai 2004 gestützt auf Art. 207 SchKG die Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens. Das Sistierungsgesuch ging nach Fällung des Urteils vom 18. Mai 2004 bei der Kanzlei der I. Zivilabteilung ein und wurde mit Fällung des Urteils gegenstandslos. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit der Berufung rügt der Beklagte einzig eine Verletzung von Art. 271 Abs. 1 OR. Er räumt zwar ein, dass er durch ordnungsgemässe Begleichung des Mietzinses eine Kündigung hätte abwenden können, hebt jedoch hervor, dass es zuerst der Vermieter gewesen sei, der durch seine Weigerung, die Mietzinskaution gesetzeskonform zu hinterlegen, seine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Auf diesem Verhalten des Klägers basiere letztlich die Nichtbegleichung der Mietzinse für August, September und Oktober 2003. Zu berücksichtigen sei, dass er sich noch am 22. Oktober 2003 darum bemüht habe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass beide Parteien ihren vertraglichen Pflichten nachkommen können. Als damals nicht anwaltlich vertretene Partei habe er sich lediglich des falschen Mittels hiezu bedient. Ferner falle ins Gewicht, dass der Beklagte durch die Kündigung hart getroffen werde, weil er seine Existenz verliere. 
2. 
2.1 Nach Art. 271 Abs. 1 OR ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Ein solcher Verstoss liegt typischerweise vor bei Fehlen eines Interesses an der Rechtsausübung, bei zweckwidriger Verwendung eines Rechtsinstituts, bei extremem Ungleichgewicht der im Spiel stehenden Interessen, mangels schonender Rechtsausübung oder bei widersprüchlichem Verhalten, das gegen Art. 2 ZGB verstösst. Missbräuchlich ist etwa eine rein schikanöse Kündigung, bei der die Gründe offensichtlich bloss vorgeschoben sind (BGE 120 II 31 E. 4a S. 32; Urteil des Bundesgerichts 4C.267/2002 vom 18. November 2002, E. 2.2, mit Hinweisen). Art. 271a OR bezeichnet beispielhaft einzelne Fallgruppen missbräuchlicher Kündigung und konkretisiert die Grundnorm von Art. 271 Abs. 1 OR für die Vermieterkündigung (Weber, Basler Kommentar, 3. Aufl., N 8 zu Art. 271/271a OR). 
2.2 Nach dem angefochtenen Urteil hat der Beklagte die Missbräuchlichkeit der Kündigung im kantonalen Verfahren damit begründet, dass der Kläger den Beklagten so rasch als möglich aus dem Mietobjekt habe entfernen wollen, weil er Verkaufsabsichten gehegt und daher versucht habe, den Beklagten zu einem Formfehler zu verleiten. Eine derartige Absicht hielt der Appellationshof nicht für erwiesen, da der Beklagte bereits im Schreiben vom 28. Juli 2003 darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass der Mieter nur bei Mängeln der Mietsache zu einer Hinterlegung des Mietzinses berechtigt ist. Gegen eine derartige Absicht spreche auch, dass der Kläger dem Beklagten eine zusätzliche Frist zur Bezahlung der Ausstände gewährt habe. Indes habe der Beklagte den Mietzins - wenn überhaupt - selten pünktlich entrichtet, so dass die Verkaufsabsichten des Klägers verständlich seien. 
3. 
Aufgrund dieser für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Art. 63 Abs. 2 OG) ist nicht ersichtlich, welchen der Missbrauchstatbestände der Kläger mit seiner Kündigung verwirklicht haben könnte. Insbesondere die Säumnis mit der Mietzinszahlung stellte entgegen der Darstellung des Beklagten in der Berufung nicht einzig die Reaktion auf die unterlassene Deponierung der Kaution dar, sondern entsprach seinem schon vorher an den Tag gelegten Verhalten. Dem Beklagten hilft in diesem Zusammenhang auch nicht, dass er am 22. Oktober 2003 nicht anwaltlich vertreten war, wie er in der Berufung geltend macht. Immerhin wusste er über die Pflicht des Vermieters zur Hinterlegung der Sicherheit im Sinne von Art. 257e Abs. 1 OR sehr wohl Bescheid. Es wäre daher seine Sache gewesen, sich darüber zu erkundigen, wie er sich in dieser Situation zu verhalten hatte, wenn er die ordnungsgemässe Deponierung der Kaution erwirken und gleichzeitig der bereits angedrohten Kündigung entgehen wollte. Dem Kläger jedenfalls bleibt der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs erspart, wenn er bei den erheblichen Zahlungsrückständen trotz zusätzlicher Frist von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht. 
4. 
Aus diesen Gründen erweist sich die Berufung als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG), der zudem den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen hat (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird dem Beklagten auferlegt. 
3. 
Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 18. Mai 2004 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: