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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.132/2002 /ngu 
 
Urteil vom 4. Oktober 2002 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Schneeberger. 
 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Michael Ueltschi, Spitalgasse 4, Postfach 8563, 3001 Bern, 
 
gegen 
 
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gültigkeit eines Zahlungsbefehls; örtliche Zuständigkeit, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 25. Juni 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
In der Betreibung Nr. ..., die von der Y.________ in Frankreich eingeleitet worden war, stellte das Betreibungs- und Konkursamt Berner Oberland, Dienststelle Saanen, X.________ an dessen Adresse in Gstaad am 13. Dezember 2001 den Zahlungsbefehl zu. X.________ erhob Rechtsvorschlag. Mit Eingabe vom 18. April 2002 bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern ersuchte X.________ weiter um Nichtigerklärung des Zahlungsbefehls in der Betreibung Nr. ...; überdies sei diese einzustellen. Zur Begründung machte er geltend, er sei Ausländer und habe nicht Wohnsitz in Gstaad. Die angerufene Aufsichtsbehörde gewährte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung und wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 25. Juni 2002 ab mit der Begründung, X.________ habe in Gstaad Wohnsitz, weshalb der Zahlungsbefehl gültig sei. 
B. 
X.________ beantragt der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben; weiter ersucht er um Feststellung der Nichtigkeit des Zahlungsbefehls Nr. ... und um die Einstellung der Betreibung. 
 
Mit Verfügung vom 15. Juli 2002 hat die Präsidentin der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat auf Gegenbemerkungen verzichtet, und das Betreibungs- und Konkursamt hat sich nicht vernehmen lassen. Die Y.________ als Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. Ihre Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer am 6. August 2002 zugestellt. 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
 
1. 
Ein Zahlungsbefehl, der nicht vom Betreibungsamt am Wohnsitz des Schuldners ausgestellt wurde, kann im Allgemeinen bloss innert Frist angefochten werden (BGE 96 III 89 E. 2 S. 92; 88 III 7 E. 3 S. 11). Daher hätte der Beschwerdeführer die Rüge, er dürfe mangels Wohnsitz in Gstaad dort nicht betrieben werden (Art. 46 Abs. 1 SchKG), mit Beschwerde innert Frist nach Art. 17 Abs. 1 und 2 SchKG geltend machen müssen (BGE 68 III 33 S. 36 Mitte). Hat er das unterlassen, bleibt der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. ... die Basis für deren Fortsetzung (Urteil 7B.271/2001 vom 10. Januar 2002, E. 2c), ausser es läge ein Nichtigkeitsgrund (Art. 22 SchKG) vor: 
2. 
Haben sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner Wohnsitz im Ausland, kann der in der Schweiz Betriebene jederzeit Nichtigkeit des Zahlungsbefehls geltend machen. Denn bei dieser Ausgangslage besteht in der Schweiz kein Interesse an einer Zwangsvollstreckung (BGE 63 III 114 S. 115). Das Bundesgericht hat zu dieser Praxis präzisierend festgehalten, sie gelte nur bei einem "Schuldner mit einwandfreiem Auslandswohnsitz" und wenn "sich die Fortsetzung der Betreibung in der Schweiz geradezu als missbräuchliche Inanspruchnahme der schweizerischen Vollstreckungsgewalt darstellt" (BGE 68 III 33 S. 37 Mitte; bestätigend Urteil 7B.64/2000 vom 24. März 2000, E. 1b Abs. 2; so auch Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, t. 1: art. 1 - 88, N. 37 der Vorbemerkungen zu Art. 46 - 55 SchKG). 
2.1 Die kantonale Aufsichtsbehörde hält zur umstrittenen Wohnsitzfrage fest, vorliegend könnten den Akten Bezugspunkte entnommen werden, die auf einen Wohnsitz des Beschwerdeführers sowohl in der Schweiz als auch in Kanada schliessen lassen. Sozialversicherungsrechtliche, steuerrechtliche, fremdenpolizeiliche und einwohnermeldeamtliche Anknüpfungspunkte seien hier nicht ausschlaggebend (dazu BGE 125 III 100 E. 3 S. 101). Dass der Beschwerdeführer Eigentümer eines Chalets in Gstaad sei, dort regelmässig ein Postfach leere, einen Internetanschluss habe, drei Autos mit ständig eingelösten Nummernschildern besitze, im örtlichen Telefonbuch eingetragen sei und dort seit 1994 ohne entsprechenden Widerspruch sechs Zahlungsbefehle entgegengenommen habe, spreche für einen Wohnsitz in der Schweiz (E. 6b S. 4 f.). Die kantonale Aufsichtsbehörde ist aufgrund ihrer tatsächlichen und die Kammer bindenden Feststellungen (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 Satz 2 OG) zum Schluss gelangt, der Beschwerdeführer habe seinen Lebensmittelpunkt und somit seinen Wohnsitz in Gstaad, wo er sich in für Dritte (objektiv) erkennbarer Weise mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhalte (Art. 46 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 23 ZGB; BGE 125 V 76 E. 2a S. 77 f.; 120 III 7 E. 2a; 119 II 64 E. 2b/bb S. 65). 
2.2 Für eine Nichtigkeit des Zahlungsbefehls bestehen keine Anhaltspunkte: Zum einen zieht der Beschwerdeführer aus den festgestellten Tatsachen lediglich andere rechtliche Schlüsse und kann mit seinen Rügen einen "einwandfreien Auslandswohnsitz" nicht dartun, zumal die kanadische Notariatsurkunde vom 26. April 2002, mit der er seinen Wohnsitz in Kanada belegen will, auf seinen eigenen Angaben beruht (... "information supplied by you" ...). Zum anderen hat die kantonale Aufsichtsbehörde in Würdigung der bereits erwähnten Tatsachen, dass der Beschwerdeführer in Gstaad ein Chalet besitzt, dessen Briefkasten ständig geleert wird, dass er dort über einen Internetanschluss verfügt, im örtlichen Telefonbuch eingetragen ist und in Gstaad einen Fahrzeugpark unterhält, den Schluss gezogen, der Beschwerdeführer habe Wohnsitz in Gstaad. Somit erscheint die Fortsetzung der Betreibung in der Schweiz offensichtlich nicht "geradezu als missbräuchliche Inanspruchnahme der schweizerischen Vollstreckungsgewalt." 
2.3 Wird - wie hier - Nichtigkeit geltend gemacht, dürfen der Kammer neue Tatsachen unterbreitet werden (BGE 96 III 31 E. 2 S. 33; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. 1997, § 6 Rz 92 S. 52; Suzette Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II, N. 1,4,2 zu Art. 79 OG). 
 
Zwar macht der Beschwerdeführer gestützt auf Dokumente, die er der kantonalen Aufsichtsbehörde zu spät eingereicht hatte, geltend, er habe grundbuchrechtlich relevante Geschäfte bezüglich seines Chalets in Gstaad von Kanada aus betreut. Indessen muss auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer in Prozessurkunden aus Frankreich, die von der Beschwerdegegnerin neu vorgelegt werden, ausgeführt hat, er habe Wohnsitz in der Schweiz. Offensichtlich kann somit auch aus den vorgebrachten Noven nicht geschlossen werden, der Beschwerdeführer habe einwandfrei Wohnsitz im Ausland. Somit ist der Zahlungsbefehl gültig und die Beschwerde unter allen Gesichtspunkten abzuweisen. 
3. 
Gemäss Art. 20a Abs. 1 SchKG ist das Beschwerdeverfahren grundsätzlich kostenlos. Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen (Art. 63 Abs. 2 GebV SchKG). 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin (Y.________, Frankreich, vertreten durch Rechtsanwalt Valentin Schumacher, Boulevard de Pérolles 21, Case postale 408, 1701 Fribourg), dem Betreibungs- und Konkursamt Berner Oberland, Dienststelle Saanen, und der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. Oktober 2002 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: