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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A.29/2004 /bnm 
 
Urteil vom 3. November 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Daniel Fischer, 
 
gegen 
 
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 30. Juli 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a X.________ (Beschwerdeführer) reiste im August 1990 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, welches das Bundesamt für Flüchtlinge mit Entscheid vom 13. Februar 1992 abwies. Diesen Entscheid focht er am 16. März 1992 bei der Schweizerischen Asylrekurskommission an. Am 4. Dezember 1992 heiratete der Beschwerdeführer eine um 20 Jahre ältere, in der Schweiz niedergelassene italienische Staatsangehörige und zog daraufhin, am 7. Dezember 1992, seine Beschwerde zurück; aufgrund der Eheschliessung stellte ihm der Kanton Zürich eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung aus. Am 20. September 1994 wurde die Ehe geschieden. Am 9. Februar 1995 heiratete der Beschwerdeführer eine Schweizer Bürgerin. 
A.b In der Folge ersuchte der Beschwerdeführer um seine erleichterte Einbürgerung. Am 13. November 1998 unterzeichnete er eine Erklärung, wonach er und seine Schweizer Ehegattin in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse zusammenlebten und weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestünden. Der Beschwerdeführer wurde darüber belehrt, dass die erleichterte Einbürgerung nicht in Frage komme, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantrage oder keine tatsächliche Gemeinschaft mehr bestehe. Am 9. Dezember 1998 erhielt der Beschwerdeführer durch erleichterte Einbürgerung nach Art. 27 des Bundesgesetzes über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (SR.141.0; BüG) das Schweizer Bürgerrecht. 
A.c Am 29. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführer von seiner Schweizer Ehefrau geschieden. Daraufhin ehelichte er am 20. September 1999 im Libanon eine libanesische Staatsangehörige. 
B. 
Im August 2001 teilte das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES, nachfolgend Bundesamt) dem Beschwerdeführer durch Vermittlung der Schweizerischen Vertretung in Beirut die Eröffnung eines Verfahrens um Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung mit. Im Verlaufe dieses Verfahrens wurden der Beschwerdeführer sowie die zweite Ehefrau angehört und die Scheidungsakten beigezogen. Mit Verfügung vom 19. November 2003 erklärte das Bundesamt die erleichterte Einbürgerung des Beschwerdeführers für nichtig. Die gegen diese Verfügung erhobene Verwaltungsbeschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD; Departement) am 30. Juli 2004 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den Entscheid des Departementes vom 30. Juli 2004 aufzuheben und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. In der Sache ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
D. 
Mit Präsidialverfügung vom 22. September 2004 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt, nachdem sich das Departement dieser Massnahme nicht widersetzt hatte. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach Art. 27 Abs. 1 BüG kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizer Bürgerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizer Bürgerin lebt. Nach dem Wortlaut und Wortsinn der Bestimmung müssen sämtliche Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch anlässlich der Einbürgerungsverfügung erfüllt sein. Fehlt es insbesondere im Zeitpunkt des Entscheids an der ehelichen Gemeinschaft, darf die erleichterte Einbürgerung nicht ausgesprochen werden. Der Begriff der "ehelichen Gemeinschaft" stammt zwar aus dem Zivilgesetzbuch (Art. 159 Abs. 1 ZGB). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche sich auf die Literatur stützt, unterscheidet sich der Begriff der ehelichen Gemeinschaft im Sinn von Art. 27 und 28 BüG aber von jenem des ZGB (BGE 121 II 49 E. 2b S. 51 mit Hinweis auf die Lehre). Eine eheliche Gemeinschaft im Sinn des Bürgerrechtsgesetzes setzt nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern eine tatsächliche Lebensgemeinschaft voraus. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (BGE 121 II 49 E. 2b S. 52; 128 II 97 E. 3a S. 98). Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (vgl. Botschaft des Bundesrats zur Änderung des BüG vom 27. August 1987, BBl 1987 III 310; 128 II 97). Ein Hinweis auf den fehlenden Willen der Ehegatten, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, kann der Umstand sein, dass kurze Zeit nach der Einbürgerung das Scheidungsverfahren eingeleitet wird. 
1.2 Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom EJPD mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", d.h. mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (BGE 128 II 97 E. 3a S. 99). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (Urteil 5A.5/1997 vom 21. Mai 1997, E. 2b; BGE 5A.18/2004 vom 7. September 2004, E. 2). 
2. 
2.1 In der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 40 BZP). Frei ist die Beweiswürdigung vor allem darin, dass sie nicht an bestimmte starre Beweisregeln gebunden ist, die dem Richter genau vorschreiben, wie ein gültiger Beweis zu Stande kommt und welchen Beweiswert die einzelnen Beweismittel im Verhältnis zueinander haben (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. Bern 1983, S. 278/279; zu den Beweismitteln: BGE 130 II 169 E. 2.3.2 ff.). Für eine belastende Verfügung - wie hier - trägt die Verwaltung die Beweislast. Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist von der Verwaltung zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde (BGE 130 II 169 E. 2.3.1 S. 172). Im Wesentlichen geht es dabei um innere Vorgänge, die der Verwaltung oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind. Sie kann sich daher veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Tatsächliche Vermutungen können sich in allen Bereichen der Rechtsanwendung ergeben, namentlich auch im öffentlichen Recht. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die auf Grund der Lebenserfahrung gezogen werden (Häfelin, Vermutungen im öffentlichen Recht, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel 1982, S. 626; vgl. auch Sutter, Die Beweislastregeln unter besonderer Berücksichtigung des verwaltungsrechtlichen Streitverfahrens, Diss. Zürich 1988, S. 56 ff., 178 ff. und Gygi, a.a.O., S. 282 ff.; Kummer, Berner Kommentar, N. 362 f. zu Art. 8 ZGB). 
2.2 Als Problem der Beweiswürdigung berührt die tatsächliche Vermutung weder die Beweislast noch die das Verwaltungsverfahren beherrschende Untersuchungsmaxime. Diese gebietet zwar, dass die Verwaltung auch nach entlastenden, das heisst die Vermutung erschütternden Elementen sucht. Nun liegt es beim vorliegend zur Diskussion stehenden Thema in der Natur der Sache, dass solche der Verwaltung oft nicht bekannt sein dürften und nur der Betroffene darüber Bescheid weiss. Es ist daher Sache des Betroffenen, der nicht nur zur Mitwirkung verpflichtet ist (Art. 13 VwVG), sondern angesichts der gegen ihn sprechenden tatsächlichen Vermutung selber ein eminentes Interesse daran hat, die Vermutung durch den Gegenbeweis bzw. erhebliche Zweifel umzustürzen, indem er Gründe bzw. Sachumstände aufzeigt, die es als überzeugend (nachvollziehbar) erscheinen lassen, dass eine angeblich noch wenige Monate zuvor bestehende tatsächliche, ungetrennte eheliche Gemeinschaft in der Zwischenzeit dergestalt in die Brüche gegangen ist, dass es zur Scheidung kam (BGE 5A.18/2004 vom 7. September 2004, E. 3.2). 
2.3 Gemäss dem angefochtenen Entscheid reiste der Beschwerdeführer im August 1990 in die Schweiz ein, wo sein Asylgesuch am 13. Februar 1992 abgewiesen wurde. Diesen Entscheid focht er am 16. März 1992 bei der Schweizerischen Asylrekurskommission an. Am 4. Dezember 1992 heiratete der Beschwerdeführer eine um 20 Jahre ältere, in der Schweiz niedergelassene italienische Staatsangehörige, und zog anschliessend (am 7. Dezember 1992) seine Beschwerde zurück; aufgrund der Eheschliessung stellte ihm der Kanton Zürich eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung aus. Am 20. September 1994 wurde die Ehe geschieden, worauf der Beschwerdeführer am 9. Februar 1995 eine Schweizer Bürgerin ehelichte. In der Folge ersuchte er um seine erleichterte Einbürgerung, welchem Begehren am 9. Dezember 1998 entsprochen wurde. Am 7. Mai 1999 hob der Beschwerdeführer das Scheidungsverfahren an, worauf er am 29. Juni 1999 von seiner Schweizer Ehefrau geschieden wurde. Daraufhin heiratete er am 20. September 1999 in Libanon eine libanesische Staatsangehörige. 
Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid verflossen nach der Einbürgerung nur knapp fünf Monate bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens; überdies ehelichte der Beschwerdeführer knapp drei Monate nach der Scheidung von seiner Schweizer Ehefrau eine libanesische Staatsangehörige. Diese konkreten Umstände begründen die tatsächliche Vermutung, dass der Beschwerdeführer und seine Schweizer Ehefrau im Zeitpunkt der Einbürgerung nicht mehr in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten und dass infolgedessen die erleichterte Einbürgerung erschlichen wurde. Verstärkt wird diese Vermutung durch eine weitere, aus den geschilderten Umständen anlässlich der ersten Heirat gewonnene Vermutung, dass es dem Beschwerdeführer bei dieser Heirat in Tat und Wahrheit darum ging, der drohenden Ausweisung aus der Schweiz zu entgehen. 
2.4 Was der Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Ehedauer ausführt, geht an der Sache vorbei, interessiert im konkreten Zusammenhang doch einzig, weshalb die angeblich anlässlich der Einbürgerung intakte Ehe knapp fünf Monate später in die Brüche ging. Dazu kann der Beschwerde nichts entnommen werden. Zwar hat die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 26. Oktober 2002 erklärt, Ende 1998 sei die Ehe noch intakt gewesen. Zur Frage, warum der Ehemann die Scheidung verlangt habe, erklärte sie aber nichts sagend: "Er sagte, dass ich ihn zu wenig respektiere.". Nach Angaben des Beschwerdeführers soll ein Streit im Frühjahr 1999 im Zusammenhang mit der Reise in den Libanon bzw. die darin begründete Eifersucht der früheren Ehefrau Ursache für die Zerrüttung der Ehe gewesen sein. Abgesehen davon, dass weder der Streit noch die Eifersucht der Ehefrau nachgewiesen sind, wäre auch in der durch einen konkreten Anlass hervorgerufenen und damit nachvollziehbaren Eifersucht kein Grund für die Einleitung des Scheidungsverfahrens durch den Beschwerdeführer zu erblicken. Auch die übrigen Ausführungen, in denen der Beschwerdeführer einzelne Erwägungen des angefochtenen Entscheids kritisiert, vermögen nicht zu erklären, weshalb die anlässlich der Einbürgerung intakte Ehe nur knapp fünf Monate später zerrüttet war. Zu diesen untauglichen Erklärungsversuchen erübrigen sich folglich weitere Erörterungen. Damit aber bleibt es bei der Vermutung, dass der Beschwerdeführer und seine Schweizer Ehefrau im Zeitpunkt der Einbürgerung nicht mehr in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten und dass infolgedessen die erleichterte Einbürgerung erschlichen wurde. 
3. 
Demzufolge ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2‘000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. November 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: