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Urteilskopf

108 Ia 59


13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. März 1982 i.S. Schweizerische Vereinigung für den Wassersport und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Persönliche Freiheit.
Ein für Wasserzonen angeordnetes Schiffahrtsverbot berührt den Schutzbereich der persönlichen Freiheit nicht (E. 4a).
Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (BSG).
Art. 3 BSG ermächtigt die Kantone, im Interesse des Naturschutzes Fahrverbote für Wasserfahrzeuge aller Art anzuordnen (E. 4b).

Sachverhalt ab Seite 60

BGE 108 Ia 59 S. 60
Der Regierungsrat des Kantons Schwyz beschloss, die am Zürichsee gelegenen Gebiete Frauenwinkel, Aahorn, Nuoler-Ried und Bätzimatt unter Schutz zu stellen. Gestützt auf kantonales Recht und das Binnenschiffahrtsgesetz erliess er für jedes der vier Gebiete weitgehend übereinstimmende Schutzverordnungen. Diese sehen je eine Naturschutzzone, eine Landschaftsschutzzone und eine Wasserzone vor. § 5 der Verordnungen regeln die Wasserzonen: Nach Abs. 1 bezweckt die Wasserzone die Erhaltung und Verbesserung eines natürlichen Seeuferzustandes; Abs. 2 verbietet das Anlegen, Stationieren sowie das Durchfahren mit Wasserfahrzeugen aller Art und sieht lediglich gewisse Ausnahmen für die Fischerei, die Seepolizei und die Fischereiaufsicht vor; das Baden ist nach Abs. 3 nur an den hierfür besonders bezeichneten Stellen gestattet.
Da die Bestimmungen über die Wasserzonen angefochten wurden, der Regierungsrat den Schutz der vier Gebiete aber als vordringlich erachtete, erliess er am 25. Februar 1980 gestützt auf das Binnenschiffahrtsgesetz folgendes Verbot: In den Gebieten Frauenwinkel, Aahorn, Nuoler-Ried und Bätzimatt werden im Zürichsee Wasserzonen ausgeschieden, in denen jedes Durchfahren, Anlegen oder Stationieren mit Wasserfahrzeugen aller Art verboten ist. Von diesem Verbot werden die Berufsfischerei, die Seepolizei, die Fischereiaufsicht und teilweise die Sportfischerei ausgenommen.
Die Beschwerdeführer fechten sowohl die Schutzverordnungen als auch das Verbot des Regierungsrats vom 25. Februar 1980 mit staatsrechtlicher Beschwerde an. Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.

Erwägungen

Auszug aus den Erwägungen:

4. a) Die Beschwerdeführer behaupten, das Verbot, die ausgeschiedenen Wasserzonen mit Wasserfahrzeugen aller Art zu befahren, schränke ihre individuelle Freiheit in ungerechtfertigter Weise ein. Sinngemäss beschweren sie sich damit über einen Eingriff in ihre persönliche Freiheit.
Nach der neueren Praxis des Bundesgerichts schützt die persönliche Freiheit als zentrales Freiheitsrecht nicht nur die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen darstellen (BGE 107 Ia 55 E. 3a,
BGE 108 Ia 59 S. 61
BGE 104 Ia 39 f., mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat indessen wiederholt zum Ausdruck gebracht, nicht jeder beliebige Eingriff in das Recht der Persönlichkeit rechtfertige die Berufung auf ein ungeschriebenes verfassungsmässiges Recht; namentlich habe die persönliche Freiheit nicht die Funktion einer allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die sich der Einzelne gegenüber jedem staatlichen Akt, der sich auf seine persönliche Lebensgestaltung auswirkt, berufen könnte (BGE 107 Ia 56, mit Hinweisen; vgl. auch PETER SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage 1982, S. 98; JÖRG PAUL MÜLLER, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 18 und 141). Eine Grenzziehung des Schutzbereiches der persönlichen Freiheit ist daher notwendig. Diese kann aber nicht ein für allemal gefunden werden, sondern ist von Fall zu Fall zu suchen. Hierfür sind die Zielrichtung des Freiheitsrechts und die Intensität, mit der die konkret in Frage stehende Massnahme in dieses eingreift, von Bedeutung.
Der Schutzbereich der persönlichen Freiheit wird durch das für die Wasserzonen geltende Fahrverbot klarerweise nicht berührt. Die persönliche Freiheit garantiert den Beschwerdeführern nicht die Möglichkeit, jeden See an beliebiger Stelle befahren zu dürfen. Es wird auch keine elementare Erscheinungsform der Persönlichkeitsentfaltung betroffen. Das Fahrverbot bezieht sich sodann nur auf einen kleinen Teil des Zürichsees und bedeutet daher keine intensive Beschränkung. So wie das Verbot des Windsurfing auf dem Sihlsee nicht in den Wirkungsbereich der persönlichen Freiheit eingreift (unveröffentlichtes Urteil Fässler vom 4. April 1979, E. 6), so ist es auch im vorliegenden Fall ganz klar, dass das für die Wasserzonen angeordnete Fahrverbot deren Schutzbereich nicht berührt.
b) Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, das sowohl im Regierungsratsbeschluss vom 25. Februar 1980 als auch in den § 5 der einzelnen Schutzverordnungen enthaltene Fahrverbot widerspreche dem Bundesrecht und entbehre einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Träfe dies zu, so wären die Beschwerden bereits aus diesem Grunde gutzuheissen. Liegt hingegen keine Verletzung von Bundesrecht vor, so ist weiter zu prüfen, ob das Fahrverbot den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletze, wie dies die Beschwerdeführer behaupten.
aa) Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz, BSG; SR 747.201) lauten wie folgt:
BGE 108 Ia 59 S. 62
"1 Die Gewässerhoheit steht den Kantonen zu. Das Bundesrecht bleibt vorbehalten.
2 Soweit das öffentliche Interesse oder der Schutz wichtiger Rechtsgüter es erfordern, können die Kantone die Schiffahrt auf ihren Gewässern verbieten oder einschränken oder die Zahl der auf einem Gewässer zugelassenen Schiffe begrenzen."
Art. 25 Abs. 3 BSG ermächtigt die Kantone, besondere örtliche schiffahrtspolizeiliche Vorschriften zu erlassen, "um die Sicherheit der Schiffahrt oder den Umweltschutz zu gewährleisten".
Art. 3 der allgemeinen Bestimmungen des Binnenschiffahrtsgesetzes, der die Gewässerhoheit der Kantone vorbehält, sieht in Abs. 2 ausdrücklich und in umfassender Weise vor, dass die Kantone die Schiffahrt auf ihren Gewässern nicht nur einschränken, sondern verbieten können. Freilich muss ein Verbot durch das öffentliche Interesse oder den Schutz wichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt sein. Dass der Natur- und Heimatschutz, der primär Sache der Kantone ist, im öffentlichen Interesse liegt, bedarf keiner weiteren Begründung: Es ergibt sich dies namentlich aus Art. 24sexies der Bundesverfassung und der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung (vgl. insbesondere Art. 1 lit. d und Art. 18 ff. NHG), ferner aus der Aufnahme der Gebiete Frauenwinkel, Ufenau, Lützelau und Nuoler-Ried in das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (Ziff. 14 05 und 14 06, SR. 451.11) sowie aus dem BB vom 19. Juni 1975 über die Genehmigung zweier Übereinkommen der Unesco, u.a. des Übereinkommens über Feuchtgebiete als Lebensraum für Wasser- und Watvögel (SR 451.41 und 0.451.45). Auch das Raumplanungsgesetz des Bundes fordert ausdrücklich Schutzzonen als Lebensräume für schutzwürdige Tiere und Pflanzen (Art. 17 Abs. 1 lit. d. RPG). Angesichts der klaren Kompetenz nach Art. 3 Abs. 2 BSG und der eindeutigen öffentlichen Interessen am Naturschutz ergibt sich, dass das für die Wasserzonen angeordnete Fahrverbot im Binnenschiffahrtsgesetz eine gesetzliche Grundlage findet und nicht gegen dieses verstösst. Bei dieser Rechtslage ist es nicht erforderlich, das Verbot zusätzlich auch auf Art. 25 Abs. 3 BSG abzustützen, wie dies der Regierungsrat tut.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer lässt sich aus den Art. 25 und 27 BSG nicht die Unzulässigkeit von Fahrverboten, die im Interesse des Naturschutzes erlassen worden sind, ableiten. Der Titel des zweiten Abschnittes des Kapitels über die Verkehrsregeln zeigt, dass es sich bei den Art. 25 bis 27 BSG um
BGE 108 Ia 59 S. 63
schiffahrtspolizeiliche Anordnungen handelt. Art. 25 enthält insbesondere Regeln über "Fahrt und Stilliegen"; um die Sicherheit der Schiffahrt oder den Umweltschutz zu gewährleisten, können die Kantone besondere örtliche Vorschriften erlassen. Diese Bestimmungen verbietet es den Kantonen nicht, gestützt auf Art. 3 Abs. 2 BSG auch weitergehende Fahrverbote zu erlassen. Auch aus Art. 27 BSG ergibt sich nicht, dass die im vorliegenden Fall angeordneten Fahrverbote gegen das Binnenschiffahrtsgesetz verstossen. Art. 27 BSG regelt "Veranstaltungen und militärische Übungen"; nach Abs. 2 können die Kantone die Schiffahrt im Gebiete der Veranstaltung vorübergehend ganz oder teilweise verbieten. Diese auf derartige Veranstaltungen zugeschnittenen Bestimmungen schliessen es indessen keineswegs aus, nach Art. 3 Abs. 2 BSG die Schiffahrt im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von wichtigen Rechtsgütern zu beschränken.
Auch aus Art. 53 der Verordnung über die Schiffahrt auf schweizerischen Gewässern (BSV; SR 747.201.1) können die Beschwerdeführer nichts für ihre Auffassung herleiten. Diese Vorschrift, welche das Fahren in der Uferzone generell regelt, steht dem Erlass gezielter weitergehender Beschränkungen durch die Kantone, welche durch das öffentliche Interesse oder den Schutz wichtiger Rechtsgüter erforderlich sind, keineswegs entgegen. Art. 53 BSV enthält keine abschliessende Regelung der Beschränkungen, welche die Sportschiffahrt in der Uferzone zu beachten haben, wie die Beschwerdeführer meinen. Auch die Art. 24sexies Abs. 4 und 24septies BV schliessen kantonales Recht nicht aus. Die Befugnis des Bundes, Bestimmungen zum Schutze der Tier- und Pflanzenwelt sowie Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt zu erlassen, steht kantonalem, dem Bundesrecht nicht wiedersprechendem Recht nicht entgegen.
Die Argumentation der Beschwerdeführer ist daher klarerweise unbegründet. Das im Interesse des Naturschutzes angeordnete Fahrverbot ist nicht bundesrechtswidrig und verstösst daher nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts.
Die fehlende Rechtsgrundlage für das Fahrverbot leiten die Beschwerdeführer einzig aus dem behaupteten Verstoss gegen Bundesrecht ab. Es ist daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob das Verbot auch im kantonalen Recht eine ausreichende gesetzliche Grundlage finden würde.
bb) Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass der Schutz der Natur, speziell der Biotopschutz, um den es im
BGE 108 Ia 59 S. 64
vorliegenden Fall geht, allgemein im öffentlichen Interesse liegt. Sie wiederholen einzig ihre bereits dem Verwaltungsgericht vorgetragene Meinung, das Fahrverbot in den Wasserzonen sei unverhältnismässig. Was sie gegen die ausführlichen und sorgfältigen Erwägungen des Verwaltungsgerichts vortragen, ist jedoch nicht geeignet, eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit darzutun. (...)

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 4

Referenzen

BGE: 107 IA 55, 104 IA 39, 107 IA 56

Artikel: Art. 3 Abs. 2 BSG, Art. 25 und 27 BSG, Art. 25 Abs. 3 BSG, Art. 3 BSG mehr...