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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_609/2018  
 
 
Urteil vom 5. Dezember 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 
24. Mai 2018 (725 18 15 / 133). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1989 geborene A.________ arbeitet in der Administration und als Reinigungskraft bei der B.________ Facility Services, und ist bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) unter anderem gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 26. Januar 2017 erstattete die Arbeitgeberin eine Unfallmeldung, wonach er seit dem 14. Juli 2016, als er das Attentat in Nizza miterlebt hatte, an Schlafstörungen und Panikattacken leide. Die Unfallversicherung klärte den Sachverhalt ab, indem sie sich vom Versicherten das Ereignis detailliert schildern liess und einen Bericht der lic. phil. C.________, Psychologin FSP, vom 2. Juni 2017 einholte. Mit Verfügung vom 14. Juli 2017 lehnte die Suva ihre Leistungspflicht ab, da kein Unfall im Rechtssinne vorliege. Daran hielt sie auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 28. November 2017). 
 
B.   
Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 24. Mai 2018 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Suva zu verpflichten, ihm die gesetzlichen Leistungen aufgrund des Ereignisses vom 14. Juli 2016 auszurichten. 
 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die Leistungspflicht der Suva für die Folgen des Ereignisses des 14. Juli 2016 in Nizza verneint hat, wobei zu prüfen ist, ob dieses als Unfall im Sinne von Art. 4 ATSG zu qualifizieren ist.  
 
2.2. Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äussern Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat (Art. 4 ATSG). Rechtsprechung und Lehre haben schreckbedingte plötzliche Einflüsse auf die Psyche seit jeher als Einwirkung auf den menschlichen Körper (im Sinne des geltenden Unfallbegriffes) anerkannt und für ihre unfallversicherungsrechtliche Behandlung besondere Regeln entwickelt. Danach setzt die Annahme eines Unfalles voraus, dass es sich um ein aussergewöhnliches Schreckereignis, verbunden mit einem entsprechenden psychischen Schock, handelt; die seelische Einwirkung muss durch einen gewaltsamen, in der unmittelbaren Gegenwart des Versicherten sich abspielenden Vorfall ausgelöst werden und in ihrer überraschenden Heftigkeit geeignet sein, auch bei einem gesunden Menschen durch Störung des seelischen Gleichgewichts typische Angst- und Schreckwirkungen (wie Lähmungen, Herzschlag etc.) hervorzurufen. Das frühere Eidgenössische Versicherungsgericht, heute Bundesgericht, hat diese Rechtsprechung wiederholt bestätigt und dahingehend präzisiert, dass auch bei Schreckereignissen nicht nur die Reaktion eines (psychisch) gesunden Menschen als Vergleichsgrösse dienen kann, sondern in diesem Zusammenhang ebenfalls auf eine "weite Bandbreite" von Versicherten abzustellen ist. Zugleich hat es dabei relativierend, unter Bezugnahme auf den massgeblichen Unfallbegriff (BGE 118 V 59 E. 2b S. 61 und 283 E. 2a; ferner BGE 122 V 230 E. 1 S. 232 mit Hinweisen), betont, dass sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit definitionsgemäss nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber bezieht, weshalb nicht von Belang sein könne, wenn der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog (BGE 129 V 177 E. 2.1 S. 179; SVR 2008 UV Nr. 7 S. 22 E. 2.2 [U 548/06]). An den Beweis der Tatsachen, die das Schreckereignis ausgelöst haben, an die Aussergewöhnlichkeit dieses Ereignisses sowie den entsprechenden psychischen Schock sind strenge Anforderungen zu stellen (Urteil 8C_376/2013 vom 8. Oktober 2013 E. 3.1; 8C_341/2008 vom 25. September 2008, E. 2.3 vgl. zum Ganzen auch ANDRÉ NABOLD in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, 2018, N. 35 zu Art. 6 mit Hinweisen).  
 
3.   
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, vorliegend sei unbestritten, dass es sich beim auslösenden Vorfall, dem Attentat in Nizza vom 14. Juli 2016, um ein aussergewöhnliches schreckliches Ereignis gehandelt habe. Uneinig seien sich die Parteien hingegen, ob sich die gewaltsamen Ereignisse in unmittelbarer Gegenwart des Versicherten abgespielt hätten. Das konkrete Erlebnis, welches der Beschwerdeführer sowohl gegenüber der Suva als auch anlässlich der Parteiverhandlung vor dem kantonalen Gericht weitestgehend gleichlautend geschildert habe, erfülle aber die rechtsprechungsgemäss sehr hohen Anforderungen an ein aussergewöhnliches Schreckereignis und damit an den gesetzlichen Unfallbegriff nicht. Halte man sich den vom Versicherten geschilderten Ablauf vor Augen, so fehle es, auch wenn es sich zugegebenermassen um einen Grenzfall handle, an der gemäss Lehre und Rechtsprechung für die Annahme eines Unfalls erforderlichen unmittelbaren Konfrontation des Versicherten mit dem aussergewöhnlichen Schreckereignis. Das Attentat habe sich in der Nähe, nicht aber in der unmittelbaren Gegenwart des Versicherten abgespielt. Er habe dieses nicht direkt miterlebt und sei nie in wirklicher Gefahr gewesen.  
 
3.2. Diese Beurteilung beruht auf einer sorgfältigen Würdigung der Sach- und Rechtslage. Das kantonale Gericht hat namentlich zutreffend berücksichtigt, dass der Versicherte nicht verletzt wurde und weder das Attentat noch die darauf folgende Schiesserei zwischen der Polizei und dem Attentäter direkt gesehen oder miterlebt hatte. Vielmehr bemerkte er lediglich, dass etwas vorgefallen sein musste, als Menschen am Strand auf den Beachclub, vor welchem sich der Versicherte befand, zurannten und wild durcheinander riefen. Erst auf Aufforderung Dritter hin begab er sich ins Innere des Beachclubs, wo er sich während rund zwei Stunden aufhielt. Weitere Wahrnehmungen werden gemäss Ausführungen im angefochtenen Entscheid für diese Zeit nicht geschildert. Aus eigenem Entschluss hätten sich der Beschwerdeführer und seine Freundin dann über die Promenade in Richtung Parkhaus begeben. Bei einem Hotel seien sie von der Polizei gebeten worden, sich ins Innere zu begeben und auf weitere Anweisungen zu warten. Sie hätten dort mehrere Stunden warten müssen.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, das kantonale Gericht habe sich zu wenig mit seiner Wahrnehmung auseinandergesetzt. Er habe stundenlang in Todesangst unter ebenfalls verängstigten Menschen ausharren müssen, wobei über die effektive Bedrohung völlige Ungewissheit geherrscht habe. Auf der Strasse habe er mit Folie abgedeckte Menschenkörper gesehen. Insbesondere sei er durch die "mehr als vier Stunden erlebte Todesangst, Hilflosigkeit und Ohnmacht" traumatisiert worden.  
 
3.3.2. Damit wird insbesondere, die Dauer, während der der Versicherte verständlicherweise grosser Unsicherheit und Ängsten ausgesetzt war, betont. Unbestritten lag objektiverweise nie eine konkrete Gefährdung vor. Der Beschwerdeführer macht denn auch bloss geltend, er sei durch seine Ängste und damit durch seine Vorstellung, was passieren könnte, traumatisiert worden. Das kantonale Gericht hat sich mit diesen bereits vorinstanzlich angeführten Vorbringen eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb sie kein aussergewöhnliches Schreckereignis im Sinne eines Unfalls zu begründen vermögen. Seine verständliche Angst, es könnte etwas geschehen, vermag die für die Erfüllung des Unfallbegriffs notwendige Voraussetzung, dass sich der gewaltsame Vorfall in unmittelbarer Gegenwert des Versicherten abgespielt haben muss, nicht zu ersetzen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Versicherte sich im Anschluss an das Attentat während mehrerer Stunden in einem Hotel aufhalten musste. Die Vorinstanz hat diesbezüglich festgestellt, dass zu jenem Zeitpunkt keine weiteren Schüsse gefallen waren. Da die Polizei den Beschwerdeführer angewiesen hatte, sich in dieses Hotel zu begeben, musste er objektiverweise davon ausgehen, sich dort in Sicherheit zu befinden. Im übrigen kann auf die zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden.  
 
3.3.3. Anzufügen bleibt, dass es vorliegend auch am Unfallbegriffsmerkmal der Plötzlichkeit fehlt. Es ist kaum mit dem Unfallbegriff nach Art. 4 ATSG vereinbar, wenn ein Schreckereignis erst nach einem gewissen Zeitablauf zu bejahen wäre, weil erst dann die Intensität der Einwirkung des äusseren Faktors ein Mass erreicht hat, welches den erlittenen psychischen Schock als ausserordentlich erscheinen liesse. Ein Schreckereignis als Unfall kann daher nur vorliegen, wenn es bereits nach relativ kurzer Zeit die erforderliche Intensität erreichte (vgl. dazu auch NABOLD, a.a.O. N 17 + 18 zu Art. 6 UVG). Vorliegend fehlt es an einem solchen spezifischen Moment, weil der Versicherte das Geschehen auf der Promenade nicht unmittelbar wahrgenommen hatte.  
 
3.3.4. Schliesslich ist der Vorinstanz beizupflichten, dass die vom Versicherten angeführten Urteile 8C_30/2007 vom 20. September 2007 und 8C_653/2007 vom 28. März 2008, welche im Zusammenhang mit der Tsunami-Katastrophe 2004 ergangen sind, zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Bundesgericht hat in den genannten Urteilen nicht die Schreckwirkung des Ausmasses der Katastrophe mit den entsprechenden optischen Eindrücken allein als ausserordentliches Schreckereignis qualifiziert. Es hat in den angeführten Fällen unter anderem auch darauf abgestellt, dass sich die Betroffenen in einer konkreten objektiven Lebensgefahr befunden hatten, was vorliegend nicht der Fall war. Daher ergeben sich aus den genannten Urteilen keine Gesichtspunkte, welche die Beschwerde zu stützen vermöchten. Die Vorinstanz hat zu Recht das Vorliegen eines Unfalls verneint. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
4.   
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. Dezember 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer