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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_395/2020  
 
 
Urteil vom 12. Oktober 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterinnen van de Graaf, Koch, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
2. B.________, 
3. C.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Rahel Plüss, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Mehrfaches unbefugtes Aufnehmen von Gesprächen, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 10. Januar 2020 (ST.2018.133-SK3 Proz. Nr. ST.2017.32114). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Kreisgericht Rorschach sprach A.________ am 10. August 2018 vom Vorwurf des mehrfachen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen frei. Es auferlegte ihm die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 2'150.-- und sprach ihm keine Entschädigung zu. 
Das Kantonsgericht St. Gallen erklärte A.________ auf Berufung der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 10. Januar 2020 des mehrfachen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen zum Nachteil von B.________ und C.________ schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 50.--. Hinsichtlich des Vorwurfs des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen mit seinem damals 6-jährigen Sohn stellte es das Verfahren mangels eines Strafantrags des Beistands seines Sohnes bzw. der Kindesschutzbehörde ein. 
Das Kantonsgericht wirft A.________ vor, er habe am 7. September 2016 und zwischen dem 2. und 11. November 2016 je ein Telefongespräch mit Richter B.________ des Kreisgerichts Rheintal ohne dessen Wissen und Einwilligung auf einen Tonträger aufgenommen. Am 4. März 2015 habe er heimlich ein Telefongespräch zwischen ihm und C.________, der damaligen Kindergärtnerin seines Sohnes, ohne deren Wissen und Einwilligung aufgenommen. Diese Gesprächsaufzeichnung habe er am 6. Juli 2017 auf Facebook veröffentlicht. 
 
B.   
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 10. Januar 2020 sei aufzuheben, er sei freizusprechen und es sei ihm für das Strafverfahren Schadenersatz und Genugtuung zuzusprechen. A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde, soweit sich der Beschwerdeführer darin zum Vorwurf des Aufnehmens von Gesprächen mit seinem Sohn äussert. Die Vorinstanz stellte das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer in diesem Anklagepunkt ein. Der Beschwerdeführer zeigt nicht ansatzweise auf, weshalb er trotz der Verfahrenseinstellung ein rechtlich geschütztes Interesse (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG) an der Behandlung seiner Rügen haben könnte. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht zunächst, die angeblichen Straftaten seien in der Anklageschrift nur pauschal und teils mit recht wagen Zeitangaben umschrieben. Eine präzise Umschreibung, wie er die Kläger in ihrem Geheim- oder gar Privatbereich geschädigt haben soll, sei nicht erkennbar.  
 
2.2. Die Anklageschrift bezeichnet gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1 und Art. 325 StPO festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 144 I 234 E. 5.6.1 S. 239; 143 IV 63 E. 2.2 S. 65; 141 IV 132 E. 3.4.1 S. 142 f.; je mit Hinweisen). Wird gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben und hält die Staatsanwaltschaft am Strafbefehl fest, indem sie ihn mit den Akten dem Gericht überweist (vgl. Art. 355 Abs. 3 lit. a und Art. 356 Abs. 1 StPO), so gilt der Strafbefehl als Anklageschrift (Art. 356 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Umschreibung des der beschuldigten Person zur Last gelegten Sachverhalts im Strafbefehl (vgl. Art. 353 Abs. 1 lit. c StPO) muss daher den Anforderungen von Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO an eine Anklage genügen (BGE 145 IV 438 E. 1.3.1 S. 441 f.; 140 IV 188 E. 1.5 S. 191).  
 
2.3. Dies ist beim Strafbefehl vom 12. Dezember 2017 der Fall. Daraus geht hervor, wann der Beschwerdeführer Telefongespräche mit welchen Personen ohne deren Einwilligung aufgenommen hat. Der Beschwerdeführer wusste damit, was ihm vorgeworfen wird. Der Strafbefehl genügt insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Anklageschrift, auch wenn darin bezüglich des zweiten dekliktsrelevanten Telefongesprächs mit dem Beschwerdegegner 2 - mangels genauer Kenntnis des exakten Datums - ein Zeitraum von zehn Tagen erwähnt wird.  
Nicht erforderlich war, dass sich der Strafbefehl auch zum Inhalt der Telefongespräche äussert, da der Tatbestand von Art. 179 ter StGB nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts keine über die nicht bewilligte Aufnahme von nichtöffentlichen Gesprächen hinausgehende Schädigung voraussetzt (vgl. dazu hinten E. 5).  
 
3.   
 
3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet weiter, der Beschwerdegegner 2 als Privatperson habe nie einen Strafantrag gestellt. Dieser habe lediglich Strafanzeige eingereicht, womit er von einem Offizialdelikt ausgegangen sei. Die "Strafanzeige" habe er zudem in amtlicher Funktion verfasst, da er sein Schreiben mit der Absenderadresse des Kreisgerichts Rheintal versehen habe.  
 
3.2. Der Einwand ist offensichtlich unbegründet. Das Schreiben vom 28. August 2017 ist mit "Strafanzeige" überschrieben. Daraus geht jedoch hervor, dass es sich bei Art. 179ter StGB gemäss dem Beschwerdegegner 2 um ein Antragsdelikt handelt. Das Schreiben enthält zudem einen ausdrücklichen Strafantrag ("Hiermit wird der entsprechende Strafantrag innert der laufenden Frist gestellt"). Die Vorinstanz geht daher auch bezüglich des Beschwerdegegners 2 zu Recht von einem gültigen Strafantrag aus (angefochtenes Urteil E. 2b S. 4). Nichts zur Sache tut, dass der Beschwerdegegner 2 als Zustelladresse nicht seine Privatadresse, sondern die Adresse des Kreisgerichts Rheintal angab.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer moniert zudem, der Beschwerdegegner 2 sei nie persönlich einvernommen worden, um seinen Standpunkt zu untermauern, dies obschon der Beschwerdegegner 2 gemäss Art. 180 Abs. 2 StPO zur Aussage verpflichtet gewesen wäre. Die Beschwerdegegnerin 3 sei erst an der zweiten Verhandlung des Kantonsgerichts St. Gallen vom 10. Januar 2020 befragt worden.  
 
4.2. Die Einwände sind unbegründet, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer legt in seiner Beschwerde nicht dar, er habe vor der Vorinstanz eine Befragung des Beschwerdegegners 2 beantragt. Er kann vor Bundesgericht daher nicht rügen, dass eine solche Einvernahme unterblieb (vgl. etwa Urteil 6B_1367/2019 vom 17. April 2020 E. 4.5 mit Hinweisen). Im Übrigen zeigt er auch nicht auf, dass und inwiefern eine Einvernahme des Beschwerdegegners 2 für die Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts angezeigt gewesen wäre (vgl. Art. 139 Abs. 2 StPO).  
Mit der Einvernahme der Beschwerdegegnerin 3 im vorinstanzlichen Verfahren muss eine allfällige Verletzung der Parteirechte des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren als geheilt gelten. Anfechtungsgegenstand vor Bundesgericht ist der Entscheid der letzten kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 1 BGG). Rechtsverletzungen im erstinstanzlichen Verfahren können vor Bundesgericht daher nicht gerügt werden. 
 
5.  
 
5.1. In der Sache kritisiert der Beschwerdeführer, Art. 179 ter StGB stelle nur das Aufnehmen von Aussagen aus dem Geheim- oder Privatbereich unter Strafe. Aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung geführte Gespräche würden nicht darunter fallen. Die Privatkläger hätten die von ihm aufgenommenen Gespräche während ihrer Arbeitszeit und in ihrer Funktion als Richter bzw. Kindergärtnerin geführt.  
 
5.2. Das Bundesgericht setzte sich im Urteil 6B_943/2019 vom 7. Februar 2020, teilweise publiziert in: BGE 146 IV 126, ausführlich mit der Auslegung von Art. 179 ter StGB und insbesondere dem Begriff des "nichtöffentlichen Gesprächs" im Sinne dieser Bestimmung auseinander. Danach erfordert die Würdigung eines Gesprächs als "nichtöffentlich" im Sinne von Art. 179 ter StGB nicht notwendig, dass sich dieses auf den Geheim- oder Privatbereich der anderen Gesprächsteilnehmer bezieht oder in einem persönlichen oder geschäftlichen Kontext erfolgt. Das Gespräch ist nicht öffentlich, wenn sich dessen Teilnehmer in Anbetracht der gesamten Umstände in der legitimen Erwartung unterhalten, dass ihre Äusserungen nicht für jedermann verständlich sind (BGE, a.a.O., E. 2 und 3). Darauf kann verwiesen werden. Die Vorinstanz nimmt in ihrer Urteilsbegründung auf das Urteil 6B_943/2019 vom 7. Februar 2020 Bezug. Sie bejaht den objektiven Tatbestand des Aufnehmens von nichtöffentlichen Gesprächen im Sinne von Art. 179 ter Abs. 1 StGB daher zu Recht. Indem der Beschwerdeführer das heimlich aufgenommene Gespräch mit der Beschwerdegegnerin 3 auf Facebook veröffentlichte, erfüllt er des weiteren auch den objektiven Tatbestand von Art. 179 ter Abs. 2 StGB (vgl. angefochtenes Urteil S. 15 f.).  
 
5.3. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten datieren vor dem erwähnten Entscheid BGE 146 IV 126, mit welchem das Bundesgericht seine in BGE 108 IV 161 amtlich publizierte Rechtsprechung zum Bergriff des "nichtöffentlichen Gesprächs" im Sinne von Art. 179 ter StGB änderte.  
Die Vorinstanz verneint einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit im Sinne von Art. 21 StGB. Sie stellt in diesem Zusammenhang fest, der Beschwerdeführer habe die Gespräche heimlich aufgenommen. Er sei sich bewusst gewesen, dass mit dem Verbot, ohne Einwilligung Aufnahmen zu tätigen, die Vertraulichkeit des Gesprächs geschützt werde. Trotzdem habe er sich darüber hinweggesetzt. Er habe daher zumindest damit gerechnet und auch in Kauf genommen, dass er mit der Aufnahme der Gespräche die Rechte des Gegenübers verletze (angefochtenes Urteil S. 16). 
Der Beschwerdeführer setzt sich damit in seiner Beschwerde nicht auseinander. Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen und ist damit Tatfrage (BGE 142 IV 137 E. 12 S. 152; 141 IV 369 E. 6.3 S. 375). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen überprüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 97 Abs. 2 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118, 88 E. 1.3.1 S. 91 f.). Insoweit gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118, 88 E. 1.3.1 S. 92). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung macht der Beschwerdeführer weder geltend noch begründet er dies. 
 
5.4. Wohl hätte die Vorinstanz gemäss der zuvor zitierten Rechtsprechung nicht einen Rechtsirrtum (Art. 21 StGB), sondern einen Sachverhaltsirrtum im Sinne von Art. 13 Abs. 1 StGB prüfen müssen (vgl. Urteil 6B_943/2019 vom 7. Februar 2020 E. 4, nicht publ. in: BGE 146 IV 126). Auch ein Sachverhaltsirrtum wäre gestützt auf die verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz jedoch zu verneinen gewesen (vgl. Urteil 6B_943/2019 vom 7. Februar 2020 E. 4.2, nicht publ. in: BGE 146 IV 126).  
 
5.5. Der vorinstanzliche Schuldspruch verstösst nicht gegen Bundesrecht.  
 
6.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
Den Beschwerdegegnern 2 und 3 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da sie nicht zur Stellungnahme aufgefordert wurden und im bundesgerichtlichen Verfahren daher keine Auslagen hatten. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Oktober 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld