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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_443/2011 
 
Urteil vom 22. Februar 2012 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Kolly, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Bank X.________ SA, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Burkhardt und Rechtsanwältin Dr. Maria Walter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________ Inc., 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roberto Dallafior und Rechtsanwältin Zoe Honegger, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vertragserfüllung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Juli 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Eingabe vom 23. Februar 2011 stellte die auf den Britischen Jungferninseln domizilierte Y.________ Inc. (Beschwerdegegnerin) dem Handelsgericht des Kantons Zürich ein Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ff. ZPO) und beantragte, die Bank X.________ SA (Beschwerdeführerin) zu verpflichten, ihr in Verrechnung mit dem Guthaben auf ihrem Konto EUR 120'000.-- zu bezahlen. Mit Urteil vom 7. Juli 2011 hiess das Handelsgericht als Einzelgericht die Klage gut. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht im Wesentlichen, das angefochtene Urteil aufzuheben, das Gesuch der Beschwerdegegnerin abzuweisen und eventuell nicht darauf einzutreten. Ihr vorab gestelltes Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wies das Bundesgericht am 31. August 2011 ab. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, während das Handelsgericht auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss dem angefochtenen Urteil besteht zwischen den Parteien ein Bankvertrag, umfassend Konto- und Depotführung. 
 
1.1 Die Beschwerdegegnerin hatte in einen Fund investiert, wobei die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen der Vorinstanz als Kommissionärin fungierte. Der Fund investierte in die Gesellschaften des mittlerweile wegen Betrugs verurteilten A.________. Die Beschwerdegegnerin veräusserte ihre Anteile vor der Aufdeckung der Betrüge mit erheblichem Gewinn. Ihr wurden im Oktober 2008 rund 1 Mio. USD durch die Beschwerdeführerin gutgeschrieben. Seit April 2010 ist diese in den USA eingeklagt, da die Liquidatoren des Funds die rund 1 Mio. USD aus bereicherungsrechtlichen Überlegungen zurückfordern. In diesem Umfang verweigert sie Auszahlungen an die Beschwerdegegnerin und die Freigabe von Liquidität. 
 
1.2 Der angefochtene Entscheid hält fest, der grundsätzliche Anspruch der Beschwerdegegnerin, über ihr Vermögen zu verfügen, werde nicht ernsthaft bestritten. Zu prüfen sei dagegen, ob angesichts der Einwendungen und Einreden der Beschwerdeführerin der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Anspruch noch liquid sei. Die Beschwerdeführerin hatte sich vor der Vorinstanz auf den Befreiungsanspruch gemäss Art. 402 Abs. 1 OR berufen und geltend gemacht, davon werde auch der in den USA eingeklagte Rückforderungsanspruch erfasst. Nachdem die Beschwerdegegnerin eine externe Schuldübernahme abgelehnt habe, sei sie im internen Verhältnis zur Deckung verpflichtet. 
1.2.1 Diese Rechtsauffassung erschien der Vorinstanz abwegig. Das Gesetz spreche klar von eingegangenen Verpflichtungen, was einen rechtsgeschäftlichen Grund voraussetze. Ausservertragliche Ansprüche Dritter, und davon handle offensichtlich die Klage in den USA, hätten keinen rechtsgeschäftlichen Grund. Sollten sie zu einer Belastung führen, stünde der Beschwerdeführerin allenfalls ein Ersatzanspruch nach Art. 402 Abs. 2 OR zu, der aber mangels Behauptungen zum Verschulden der Beschwerdegegnerin nicht zu prüfen sei. 
1.2.2 Dagegen sei die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen, der Beschwerdegegnerin den Erlös aus dem Geschäft abzuliefern bzw. gutzuschreiben. Nachdem in den USA Klage gegen die Beschwerdeführerin angehoben worden sei, erscheine nicht ausgeschlossen, dass sie die rund 1 Mio. USD zurückzahlen müsse, womit kein Anspruch auf das Geld und keine Ablieferungspflicht bestanden hätte. Folglich könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin ein Bereicherungsanspruch (Art. 62 Abs. 2 OR) gegenüber der Beschwerdegegnerin entstehen könnte. 
1.2.3 Die Vorinstanz kam sodann allerdings zum Schluss, dass das zwischen den Parteien vereinbarte Pfandrecht zukünftige Forderungen nicht einschliesse. Da auch ein allfälliger - nach Auffassung der Vorinstanz ohnehin nicht gegebener - Anspruch nach Art. 402 Abs. 1 OR jedenfalls zur Zeit nicht bestehe, hielt die Vorinstanz den eingeklagten Anspruch für liquid und ausgewiesen. 
 
2. 
Der im Summarverfahren nach Art. 248 lit. b ZPO erteilte Rechtsschutz in klaren Fällen setzt voraus, dass der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar und die Rechtslage klar ist (Art. 257 Abs. 1 lit. a und b ZPO). Fehlt eine dieser beiden Voraussetzungen, ist auf das Gesuch um Gewährung dieses Rechtsschutzes nicht einzutreten (Art. 257 Abs. 3 ZPO). Die Rechtslage ist klar, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7352 Ziff. 5.18 zu Art. 253 E-ZPO; vgl. auch BGE 118 II 302 II E. 3 S. 304). 
 
2.1 Nach Art. 402 Abs. 1 OR hat der Auftraggeber dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. Art. 402 Abs. 2 OR regelt den Anspruch auf Schadenersatz. Zwar wird die Auffassung vertreten, Ansprüche gegen den Beauftragten aus Delikt oder ungerechtfertigter Bereicherung würden von Art. 402 Abs. 1 OR nicht erfasst, sondern könnten nur nach Massgabe von Art. 402 Abs. 2 OR entschädigt werden (WERRO, Le mandat et ses effets, 1993, S. 233 Rz. 681; DERSELBE, in: Commentaire romand, Code des obligations, 2003, N. 10 zu Art. 402 OR). In der Lehre werden aber als Verbindlichkeiten, die im Sinne von Art. 402 Abs. 1 OR in Frage kommen, beispielsweise auch solche aus (verschuldensunabhängigen) Haftpflichtansprüchen Dritter genannt (FELLMANN, Berner Kommentar, 1992, N. 89 zu Art. 402 OR). Bereits insoweit ist kein klares Recht gegeben. 
 
2.2 Gegen die Annahme klaren Rechts sprechen auch folgende Gesichtspunkte: 
2.2.1 Zu beurteilen steht nicht ein gewöhnlicher Fall einer Auftragserfüllung, sondern eine ausserordentliche Situation, in der ein Dritter den aus der Auftragserfüllung entstandenen, dem Auftraggeber bereits gutgeschriebenen Gewinn vom Beauftragten zurückfordert und sich die Frage stellt, ob und wenn ja welche gegenseitigen Pflichten den Parteien aus dem diesbezüglich angehobenen Prozess in den USA erwachsen. 
2.2.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist schon die Unterscheidung zwischen Schaden und Verwendung nicht scharf (OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1936, N. 5 zu Art. 402 OR), und der aus der Eingehung einer Gefahr allein im Interesse des Auftraggebers resultierende Schaden ist wie eine Aufwendung zu ersetzen (BGE 59 II 145 E. 6 S. 256; FELLMANN, a.a.O., N. 136 zu Art. 402 OR; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin verlangt aber nicht Ersatz eines ihr zufolge des Auftrages zufällig entstehenden Schadens (FELLMANN, a.a.O., N. 136 zu Art. 402 OR; OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 10 zu Art. 402 OR), sondern die Sicherstellung einer Forderung, die gerade aus dem durch die vertragsgemässe Mandatserfüllung erzielten, an die Beschwerdegegnerin weitergeleiteten Gewinn abgeleitet wird. Durch seine Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers soll der Beauftragte aber keinen Vermögensverlust erleiden (FELLMANN, a.a.O., N. 10 zu Art. 402 OR; TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 4. Aufl. 2009, S. 784 Rz. 5226). Das Bundesgericht hat denn auch in einem Fall, in dem ein Staat anlässlich der Abwicklung einer in Auftrag gegeben grenzüberschreitenden Banktransaktion das Geld gestützt auf gesetzliche Bestimmungen eingezogen hatte, die Anwendbarkeit von Art. 402 Abs. 1 OR nicht generell, sondern nur mit Blick auf die unsorgfältige Ausführung des Auftrags ausgeschlossen (BGE 110 II 283 E. 3a S. 285 f.). 
 
2.3 Der Beauftragte kann Befreiung verlangen, sobald seine Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten entstanden ist (BGE 78 II 42 E. 4 S. 51), selbst wenn diese noch nicht fällig ist (FELLMANN, a.a.O., N. 118 zu Art. 402 OR). Der Befreiungsanspruch kann auch einen Anspruch auf Sicherheitsleistung beinhalten (BGE 88 II 162 E. 4 S. 169; FELLMANN, a.a.O., N. 116 zu Art. 402 OR mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund können die Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht als klar unbegründet angesehen werden. 
 
2.4 Die Beschwerdegegnerin macht allerdings geltend, es sei bisher gar keine Forderung gegenüber der Beschwerdeführerin entstanden. Dass der Bestand des in den USA eingeklagten Anspruchs erst mit Abschluss des Verfahrens feststeht, heisst jedoch nicht, dass die Forderung erst dannzumal entsteht. Die Vorinstanz selbst spricht insoweit zutreffend von einer möglicherweise bestehenden, aber bestrittenen Forderung. Auch die Existenz einer bestrittenen Forderung belastet indessen das Vermögen des Belangten. Selbst wenn man mit der Vorinstanz davon ausgehen wollte, der Beschwerdeführerin stehe lediglich ein Bereicherungsanspruch zu, wäre somit kein klarer Fall zu beurteilen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Beschwerdegegnerin nicht bereits zum jetzigen Zeitpunkt insoweit ungerechtfertigt bereichert ist, als ihr der Gewinn bereits gutgeschrieben wurde, die damit zusammenhängende in den USA eingeklagte Forderung aber nicht ihr Vermögen belastet, sondern dasjenige der Beschwerdeführerin. Von einer eindeutigen Rechtslage kann nicht die Rede sein. 
 
3. 
Nach dem Gesagten ist auf das Begehren um Rechtsschutz in klaren Fällen nicht einzutreten (Art. 257 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist zu neuer Entscheidung über die Kosten- und Entschädigungsfolge im kantonalen Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren wird die Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Beschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und auf das Gesuch um Gewährung von Rechtsschutz in klaren Fällen nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Handelsgericht zurückgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
4. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'500.-- zu entschädigen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 22. Februar 2012 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Luczak