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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_612/2017  
 
 
Urteil vom 27. Dezember 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Eugen Mätzler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken, St. Alban-Anlage 26, 4002 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge (Lebenspartnerrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. Mai 2017 (BV.2016.16). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
B.________ verstarb am... 2011. Die Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken, bei welcher er berufsvorsorgeversichert war, bejahte den Anspruch von A.________, langjährige Lebenspartnerin des Verstorbenen, auf ein Todesfallkapital in der Höhe von Fr. 648'077.80, lehnte hingegen die Ausrichtung einer Lebenspartnerrente ab. 
 
B.   
Am 18. Juli 2016 erhob A.________ Klage gegen die Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken, welche das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 16. Mai 2017 abwies. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 16. Mai 2017 sei aufzuheben; die Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken sei zu verpflichten, ihr eine Lebenspartnerrente nach BVG und anwendbarem Reglement auszurichten; eventualiter sei die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das kantonale Sozialversicherungsgericht stellte der Beschwerdeführerin lediglich einen Teil der von der Beschwerdegegnerin eingereichten Akten zu. Trotz entsprechender Anträge legte es keine weiteren Dokumente offen. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts. 
 
1.1. Art. 29 Abs. 2 BV räumt den Parteien und Betroffenen als allgemeine Verfahrensgarantie und Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör einen Anspruch auf Akteneinsicht ein. Diese sollen vor dem Entscheid von den tatsächlichen Grundlagen vorbehaltlos und ohne Geltendmachung eines besonderen Interesses Kenntnis nehmen können (BGE 129 I 249 E. 3 S. 253). Die Akteneinsicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Akten, ohne dass es darauf ankäme, ob sie den Entscheid in der Sache tatsächlich beeinflussen könnten (BGE 125 II 473 E. 4c/cc S. 478 mit Hinweisen). Die Einsicht in die Akten, die für ein bestimmtes Verfahren erstellt oder beigezogen wurden, kann demnach nicht mit der Begründung verweigert werden, die betreffenden Dokumente seien für den Verfahrensausgang belanglos; vielmehr muss es dem Betroffenen selber überlassen sein, die Relevanz der Akten zu beurteilen (BGE 132 V 387 E. 3.2 S. 389; Urteil 9C_369/2012 vom 2. November 2012 E. 6.2 mit Hinweisen). Das Akteneinsichtsrecht ist nicht absolut. Es findet seine Grenzen am öffentlichen Interesse des Staates oder an berechtigten Geheimhaltungsinteressen Dritter (BGE 126 I 7 E. 2b S. 10; Gerold Steinmann, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar [Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender (Hrsg.)], 3. Aufl. 2014, Rz. 52 zu Art. 29 BV).  
 
1.2. Die Vorinstanz hat mit folgender Begründung eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts der Beschwerdeführerin verneint: Die nicht offen gelegten Akten enthielten hauptsächlich persönliche Daten des Verstorbenen und insbesondere keine Daten über die Klägerin. Jener könne sich nicht mehr zu seinen Rechten äussern und sei nicht am Verfahren beteiligt, sodass die seine Persönlichkeit betreffenden Daten in den Akten der Beschwerdegegnerin besonders zu schützen seien. Bei der Entscheidfindung sei in keiner Weise auf die betreffenden Akten abgestellt worden. Sie seien ohne jegliche Relevanz für das vorliegende Verfahren. Die Stellungnahme der Klägerin zu diesen Akten hätte keinen Einfluss auf das Ergebnis haben können. Ihr sei es daher auch ohne Einsicht in diese möglich gewesen, von allen wesentlichen Entscheidungsgrundlagen Kenntnis zu nehmen. Aus diesen Gründen sei das Interesse des Verstorbenen an der Geheimhaltung dieser Akten und damit seiner Daten schwerer zu gewichten als das Recht der Klägerin auf (vollständige) Akteneinsicht.  
 
1.3. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, geht - nach allgemeiner Rechtsauffassung - der Persönlichkeitsschutz mit dem Tod der betroffenen Person unter, erlöschen seine Persönlichkeitsrechte (BGE 127 I 145 E. 5c/cc S. 161). Einzig mit dem pauschalen Hinweis, die nicht offen gelegten Akten enthielten hauptsächlich persönliche Daten des verstorbenen Lebenspartners, welcher sich zu seinen Rechten nicht äussern könne, lässt sich daher die Beschränkung der Akteneinsicht nicht begründen. Überwiegende Interessen des Verstorbenen jedenfalls in Bezug auf die hier streitigen Punkte, welche die Geheimhaltung der von der Beschwerdegegnerin eingereichten Akten rechtfertigen, sind keine auszumachen.  
 
Die nach dem Gesagten zu bejahende Verletzung des Akteneinsichtsrechts wiegt schwer, angesichts der Tatsache, dass von den 64 Dokumenten, welche die von der Beschwerdegegnerin eingereichten Akten umfassten, lediglich deren sechs der Beschwerdeführerin zugestellt wurden. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz die nicht offen gelegten Aktenstücke nicht als entscheidrelevant erachtet und nicht darauf abgestellt hat. Damit wurde der Beschwerdeführerin, wie sie vorbringt, "die Möglichkeit abgeschnitten, eine andere Bewertung vorzunehmen und dem Gericht vorzutragen". Eine Heilung des Mangels fällt aufgrund der eingeschränkten Kognition des Bundesgerichts in tatsächlicher Hinsicht (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) ausser Betracht. 
 
2.   
Auf einen Schriftenwechsel wird angesichts des Verfahrensausgangs, der einen formellen Hintergrund aufweist, verzichtet. Die Einholung einer Vernehmlassung zur Beschwerde käme einem Leerlauf gleich und würde nur weitere Kosten verursachen. Damit ist ein Schriftenwechsel aus Gründen der Prozessökonomie nicht erforderlich       (Art. 102 Abs. 1 BGG; Urteil 9C_440/2017 vom 19. Juli 2017 E. 10). 
 
3.   
Von der Erhebung von Gerichtskosten ist abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. Mai 2017 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Dezember 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler