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Urteilskopf

120 II 197


37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Juni 1994 i.S. H. gegen U. AG (Berufung).

Regeste

Stellvertretung; Vertrauenshaftung (Art. 33 Abs. 3 OR).
Kriterien der normativ zurechenbaren, auf Rechtsschein beruhenden Vollmacht (E. 2a). - Voraussetzungen der Vertrauenshaftung nach Art. 33 Abs. 3 OR (E. 2b). - Tatsächlicher oder objektiver Vertretungswille des Vertreters (E. 2b/aa; Präzisierung der Rechtsprechung).
Verneinung einer kaufmännischen Rechtsscheinvollmacht im vorliegenden Fall (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 197

BGE 120 II 197 S. 197

A.- A. H. ist Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma "Sport H." in J. Mitarbeiter im Betrieb ist sein Sohn G. H., der registermässig über keine Unterschriftsberechtigung verfügt.
Am 21. Dezember 1990 unterzeichnete G. H. unter dem Firmenstempel "H. Sport" einen als "Einrichtungsauftrag" benannten
BGE 120 II 197 S. 198
Vertrag mit der U. AG über die Einrichtung eines neuen Sportgeschäfts in J. zu approximativen Kosten von Fr. 200'000.-. Die rückseitig auf dem Vertragsformular vorgedruckten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin sehen für den Fall einer akzeptierten Annullierung des Vertrags durch den "Käufer" eine Entschädigung von 25% der "Kaufsumme" als Ersatz für die Planungs- und Verkaufskosten, entgangenen Gewinn etc. vor.
Am 11. Januar 1991 gab die Lieferantin eine "provisorische Auftragsbestätigung" mit Terminplan ab. Auf Geschäftspapier der Einzelfirma ersuchte G. H. sie indessen mit Schreiben vom 24. Januar 1991, bis zur Klärung noch offener Fragen keine weiteren Schritte zu unternehmen. Unter privatem Briefkopf trat er in der Folge am 25. März 1991 vom Vertrag zurück, da es nicht gelungen sei, die Finanzierung des Vorhabens sicherzustellen.

B.- Mit Klage vom 5. März 1992 belangte die U. AG die "H. Sport, Einzelfirma des Herrn G. H." auf Fr. 50'000.-- nebst Zins als Entschädigung für die Vertragsannullierung. Mit Vorentscheid vom 18. Juni 1992 trat das Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf die Klage unter Berichtigung der beklagtischen Parteibezeichnung in "A. H." ein. Am 17. März 1993 hiess es die Klage im Teilbetrag von Fr. 30'000.-- nebst Zins gut.
Das Bundesgericht heisst eine dagegen eingelegte Berufung des Beklagten gut und weist die Klage ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der Beklagte ist vertraglich gebunden, wenn sein Sohn den Vertrag in seinem Namen als Fremdgeschäft abgeschlossen hat und dazu bevollmächtigt war, oder wenn die Klägerin aus seinem Verhalten in guten Treuen auf eine solche Vollmacht schliessen durfte, oder wenn er den Vertrag nachträglich genehmigt hat. Im Falle der Genehmigung wäre er der ihn beanspruchenden Klägerin selbst dann vertraglich verpflichtet, wenn sein Sohn als angemasster Firmeninhaber an sich ein Eigengeschäft abgeschlossen hätte (BK-ZÄCH, N. 86 zu Art. 32 OR).
Eine ausdrückliche kaufmännische oder bürgerliche Bevollmächtigung des Sohnes ist nicht erstellt, ebensowenig eine Genehmigung des Vertrags durch den Beklagten. In antizipierter Beweiswürdigung stellt das Handelsgericht sodann fest, dass der Sohn des Beklagten sich auf ein Eigengeschäft beruft, was zwangsläufig bedeutet, dass dieser für sich auch keine Anscheins- oder Duldungsvollmacht in
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Anspruch nimmt (dazu BK-ZÄCH, N. 46 ff. zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 16 zu Art. 33 OR). Zu prüfen ist damit einzig, ob die Klägerin Schutz ihres guten Glaubens beanspruchen kann, mit dem Beklagten den Einrichtungsvertrag geschlossen zu haben, ob mit andern Worten ihr guter Glaube das Fehlen einer normativ zwar kundgegebenen, tatsächlich aber nicht erteilten Vollmacht heilt.
a) Der Tatbestand wird vom Regelungsgedanken von Art. 33 Abs. 3 OR erfasst (BGE 53 III 171 E. 2) und terminologisch uneinheitlich etwa als externe Anscheins- oder Duldungsvollmacht (BGE 107 II 105 E. 6a S. 115; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 154; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991, S. 158; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 612; KOLLER, Der gute und der böse Glaube im allgemeinen Schuldrecht, S. 70 Rz. 231), als Rechtsscheinvollmacht (Nachweise bei GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991, Band I, S. 263 Rz. 1410), als Quasivollmacht (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, S. 359; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts, 3. Aufl. 1988, S. 74) oder schlicht als Schutz des gutgläubigen Dritten vor fehlender Vertretungsmacht des Vertreters bezeichnet (BK-ZÄCH, N. 8 ff., N. 46 und N. 128 ff. zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 29 ff. zu Art. 33 OR; zum Gesamten GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 260 ff. Rz. 1390 ff.). Unbesehen dieser uneinheitlichen Terminologie beruht die Bindung des ungewollt Vertretenen jedenfalls auf dem Vertrauensprinzip, wonach die normativ zurechenbare der tatsächlich ungewollten rechtsgeschäftlichen Bindung derogiert. Danach ist der Erklärende im rechtsgeschäftlichen Bereich nicht gebunden, weil er einen bestimmt gearteten inneren Willen hatte, sondern weil er ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem die Gegenseite in guten Treuen auf einen bestimmten Willen schliessen durfte (BGE 69 II 319 /322). Das bedeutet im Vertretungsrecht, dass der Vertretene auf einer bestimmt gearteten Äusserung zu behaften ist, wenn der gutgläubige Dritte, demgegenüber der Vertreter ohne Vollmacht handelt, sie in guten Treuen als Vollmachtskundgabe verstehen durfte und darauf vertraute. Wer auf einen Rechtsschein vertraut, darf nach Treu und Glauben verlangen, dass dieses Vertrauen demjenigen gegenüber geschützt wird, der den Rechtsschein hervorgerufen oder mitveranlasst und damit zu vertreten hat (SOERGEL/LEPTIEN, N. 15 zu § 167 BGB; RGRK-STEFFEN, N. 10 zu § 167 BGB).
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b) Im einzelnen setzt diese Vertrauenshaftung - soweit hier von Interesse - folgendes voraus:
aa) Der Vertreter muss dem Dritten gegenüber in fremdem Namen handeln. Ob dies zutrifft, entscheidet sich wiederum nach den Regeln zur Auslegung empfangsbedürftiger Erklärungen. Erforderlich ist daher entweder, dass der Vertreter den Vertretungswillen hat und der Dritte dies erkennt, oder dass er zwar keinen Vertretungswillen hat, der Dritte jedoch nach Treu und Glauben auf einen solchen schliessen darf und tatsächlich auch schliesst (KOLLER, a.a.O., S. 56 Rz. 191). Mithin kommt es nicht auf den inneren tatsächlichen, sondern auf den nach aussen kundgegebenen und vertrauenstheoretisch sowie tatsächlich als solchen verstandenen Vertretungswillen an (STAUDINGER/DILCHER, N. 39 zu § 167 BGB; RGRK-STEFFEN, N. 13 zu § 167 BGB). Insoweit ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu präzisieren, wonach der vollmachtlose Vertreter einen tatsächlichen Vertretungswillen haben müsse (BGE 100 II 200 E. 8a S. 211 mit Hinweisen). Hinreichend ist auch hier der objektiv geäusserte Wille (BK-ZÄCH, N. 40 zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O.).
Demgegenüber entfällt die Annahme einer Vertretungswirkung, wenn jemand nicht in, sondern unter fremdem Namen handelt, sich beispielsweise der Angestellte als Geschäftsinhaber ausgibt. Hier wird äusserlich ein Eigen- und nicht ein Fremdgeschäft abgeschlossen, was eine Anwendung der vertretungsrechtlichen Gutglaubensvorschriften von vornherein ausschliesst (KOLLER, a.a.O., S. 57 Rz. 194; NEUMAYER, Vertragsschluss unter fremdem Namen, Mélanges Pierre Engel, S. 221 ff.).
bb) Das Handeln des Vertreters in fremdem Namen vermag allerdings für sich allein eine Vertrauenshaftung des Vertretenen nie zu begründen, denn aus erwecktem Rechtsschein ist nur gebunden, wer diesen Rechtsschein objektiv zu vertreten hat. Dies folgt bereits daraus, dass das Geschäft nicht durch den Vertreter, sondern durch den Vertretenen mittels des Vertreters abgeschlossen wird, denn dieser ist Vertragspartei, und ihn trifft dessen gesamte Rechtswirkung (MÜLLER-FREIENFELS, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S. 212; anders noch BGE 42 II 648 E. 1b). Die objektive Mitteilung der Vollmacht muss daher vom Vertretenen ausgehen. Entscheidend ist allein, ob das tatsächliche Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben auf einen Mitteilungswillen schliessen lässt. Dieses Verhalten kann in einem positiven Tun bestehen, indessen auch in einem passiven Verhalten, einem bewussten oder normativ zurechenbaren Unterlassen oder Dulden (BGE 85 II 22 E. 1; BK-ZÄCH,
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N. 35 ff. und N. 144 zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 31 zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O., S. 70 Rz. 231). Hat der Vertretene dabei Kenntnis vom Auftreten des Vertreters, schreitet aber dagegen nicht ein, wird ihm nach einem anschaulichen, wenngleich für das schweizerische Recht ungenauen Ausdruck eine sogenannte externe Duldungsvollmacht unterstellt (zur Terminologie BK-ZÄCH, N. 46 und N. 130 zu Art. 33 OR). Kennt er das Verhalten des Vertreters nicht, könnte er es aber bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit kennen und verhindern, liegt nach derselben Terminologie eine externe Anscheinsvollmacht vor (KOLLER, a.a.O., S. 70 Rz. 231; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 264 Rz. 1411 f.) In einem Teil der Lehre wird allerdings diese externe Anscheinsvollmacht als vertragsbegründender Tatbestand abgelehnt und allein der culpa-Haftung auf das (negative) Vertrauensinteresse unterstellt (KELLER/SCHÖBI, a.a.O., S. 74 f.). Indessen ist zum mindesten die Auffassung nicht von der Hand zu weisen, dass das Institut der Anscheinsvollmacht im hier verwendeten Sinne jedenfalls im kaufmännischen Verkehr seine Rechtfertigung hat, indem der Geschäftspartner nicht mit den für ihn undurchschaubaren Organisationsrisiken der Unternehmung belastet werden soll (CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 48 ff., insbesondere S. 52, S. 191 ff.; KOLLER, a.a.O., S. 79 Rz. 252 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Allerdings sind in diesem Zusammenhang auch die Schranken zu beachten, welche einem leichtfertigen Vertrauen des Geschäftspartners aus der Publizitätswirkung des Handelsregisters gesetzt sind. Zudem wird mit beachtlichen Gründen weitergehend darauf hingewiesen, dass sich auf der Grundlage des Vertrauensgrundsatzes eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Duldungs- und Anscheinsvollmacht im Aussenverhältnis, eine Differenzierung des Gutglaubensschutzes nach bewusst geduldetem oder nachlässig nicht vermiedenem Rechtsschein, nicht leicht begründen lässt (SOERGEL/LEPTIEN, N. 17 zu § 167 BGB). Namentlich ist nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb die normative Wirkung des erweckten Rechtsscheins vom Kenntnisstand desjenigen abhängen soll, der ihn objektiv zu vertreten hat, wenn der Vertrauensgrundsatz gerade dazu angerufen wird, rechtsgeschäftliche Bindung auch dort zu begründen, wo sie nach dem tatsächlichen Wissen und Willen des Erklärenden nicht gewollt ist.
Art. 33 Abs. 3 OR begründet richtig verstanden eine Verkehrsschutzregelung des Inhalts, dass nach Massgabe des Vertrauensschutzes der Vertretene und nicht der Geschäftsgegner das Risiko
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fehlender Vollmacht trägt (analog für das deutsche Recht FROTZ, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 300). Im Vordergrund steht nicht das Verschulden des Erklärenden, sondern die Gefährdung des auf den Vollmachtswillen gerichteten Vertrauens des Dritten (VON CRAUSHAAR, Die Bedeutung der Rechtsgeschäftslehre für die Problematik der Scheinvollmacht, AcP 174/1974, S. 2 ff., S. 20). Klarzustellen ist indessen, dass die Bindungswirkung nicht bereits dann eintritt, wenn der Dritte auf den Bestand einer Vollmacht schliessen darf, sondern bloss dann, wenn das Unterlassen des Vertretenen objektiv als drittgerichtete Mitteilung, als Vollmachtskundgabe zu werten ist (FROTZ, a.a.O., S. 297; KOLLER, a.a.O., S. 71 Rz. 231).
Wie für die Willenserklärung gilt für die Kundgabe der Vollmacht, dass sie auch ohne Erklärungsbewusstsein wirksam werden kann (BK-ZÄCH, N. 41 zu Art. 33 OR mit Hinweisen).
Dagegen muss die Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein dem Erklärenden objektiv zurechenbar sein, was u.a. voraussetzt, dass er sich der ihm unterstellten Bedeutung seines Verhaltens auf Grund der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände hätte bewusst sein können (BGE 85 II 22; BK-KRAMER, N. 50 zu Art. 1 OR; BK-ZÄCH, N. 42 zu Art. 33 OR).
cc) Schliesslich tritt die Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht nur bei berechtigter Gutgläubigkeit des Dritten ein (BGE 99 II 39 E. 1 S. 42; BK-ZÄCH, N. 155 zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 35 zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O., S. 88 ff. Rz. 273 ff.). Rechtstheoretisch rechtfertigt allein der gute Glaube des Mitteilungsempfängers, den Vollmachtsmangel zu heilen (BGE 107 II 105 E. 6a S. 115; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 261 Rz. 1393).

3. Das Handelsgericht schliesst auf eine (externe) Anscheinsvollmacht, weil der Sohn des Beklagten objektiv in dessen Namen gehandelt und dieser den erweckten Rechtsschein nicht zerstört habe, mithin gegenüber der gutgläubigen Klägerin rechtsgeschäftlich verpflichtet worden sei.
a) Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass der Sohn des Beklagten, welcher die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin im Geschäftslokal des Vaters führte, den Vertrag unter dessen Firmenstempel zeichnete und für die Korrespondenzen dessen Geschäftspapier benutzte, nach Treu und Glauben den Eindruck erweckte, er handle in fremdem Namen.
Die Klägerin ist in ihrem Rechtsstandpunkt indessen von vornherein nur zu schützen, wenn sie auf diesen objektiven Anschein
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auch vertraute, das heisst tatsächlich von einem Fremdgeschäft des Sohnes ausging. War sie dagegen der Meinung, mit ihm ein Eigengeschäft abzuschliessen, entfällt zwangsläufig eine Vertrauenshaftung des Beklagten. Der angefochtene Entscheid äussert sich zu diesem inneren Tatbestand auf seiten der Klägerin nicht und ist insoweit lückenhaft, zumal aus den vom Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellten Urteilsgrundlagen nicht unzweideutig hervorgeht, die Klägerin sei in Tat und Wahrheit von einem Fremdgeschäft ausgegangen. Bereits der Umstand, dass die Klägerin im Prozess ursprünglich G. und nicht A. H. als Geschäftsinhaber belangte, deutet indessen eher darauf hin, dass sie sich in der Person des Geschäftsinhabers geirrt, nicht aber ein Vertretungsverhältnis angenommen hatte. Diesfalls aber wäre von einem Eigengeschäft des Sohnes auszugehen, und entfiele die beanspruchte Haftung des Beklagten. Eine Ergänzung des Sachverhalts im Sinne von Art. 64 OG erübrigt sich indessen, wenn die Auffassung des Handelsgerichts, die Klägerin habe gutgläubig auf eine Vollmachtskundgabe durch den Vater schliessen dürfen, vor dem Bundesrecht nicht standhält.
b) Nach dem Gesagten wird der Vertrauensschutz des Dritten zwar durch die Vollmachtskundgabe begründet. Besteht diese Kundgabe indessen in einem passiven Verhalten des Vertretenen, müssen zusätzlich hinreichende objektive Umstände gegeben sein, aus denen der Dritte auf die Bevollmächtigung des Vertreters zum Abschluss des in Frage stehenden Geschäfts schliessen darf. Obliegt dem Vertretenen mit andern Worten, einen Rechtsschein zu zerstören, muss dieser bereits hervorgerufen worden sein. Dabei kann nicht allein auf das Verhalten des Vertreters ankommen, der Dritte muss dieses nach Treu und Glauben, mithin nach objektiven Anzeichen, auch als rechtmässig werten dürfen.
Das Handelsgericht lastet dem Beklagten an, er hätte den durch das Vertreterhandeln seines Sohnes erweckten Anschein erkennen können und sei dagegen nicht eingeschritten. Die Erkennbarkeit leitet es daraus ab, dass die Verhandlungen im Geschäftslokal des Beklagten stattfanden und als Fortsetzung früherer Umbaupläne mit nunmehr neuem Standort wirkten. Die Feststellung, die Parteien hätten bereits früher verhandelt, allerdings nicht um eine zweig- oder ersatzbetriebliche Neueröffnung, sondern um eine Neuausstattung des bestehenden Geschäfts an der ...strasse in J., entnimmt das Handelsgericht entsprechenden Ausführungen des Beklagten in der Klageantwort. Daraus geht allerdings hervor, dass damals der
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Beklagte selbst und nicht sein Sohn Verhandlungspartner der Klägerin war. Mithin lässt sich eine Vertragshaftung des Beklagten jedenfalls nicht mit der Begründung halten, er habe in früheren Verhandlungen seinen Sohn wirken lassen und damit eine Duldungsvollmacht begründet, die er nicht widerrufen habe und daher weiterhin gegen sich gelten lassen müsse (Art. 34 Abs. 3 OR). Eine normative Vollmachtskundgabe ist im Umstand früherer, vom Vertretenen selbst geführten Vertragsverhandlungen nicht zu erblicken.
Aus dem Umstand, dass die Vertragsverhandlungen im Geschäft des Beklagten stattfanden, schliesst das Handelsgericht offenbar, dem Sohn sei eine betriebliche Stellung eingeräumt worden, mit der üblicherweise eine Vollmacht verbunden sei. Diese Auffassung, welche namentlich in kaufmännischen Verhältnissen, wie sie auch hier gegeben sind, ihre grundsätzliche Berechtigung hat, ist in der Rechtsprechung bereits dem Gutglaubensschutz des Dritten zugrunde gelegt worden (Nachweise bei BK-ZÄCH, N. 159 ff. zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O., S. 77 ff. Rz. 246 ff., BUCHER, a.a.O., S. 614 Fn. 54). Allerdings vermag die Klägerin sich nicht auf einen Rechtsschein zu berufen, wie das Gesetz ihn im Rahmen der besonders normierten Vertretungsmacht kaufmännischer Vertreter für den Umfang deren Vertretungsmacht begründet (vgl. etwa Art. 458 ff., Art. 462 und Art. 348b OR), wurde G. H. doch eine solche interne Bevollmächtigung nicht erteilt, und wird eine solche von ihm auch nicht aus Duldung oder Anschein beansprucht. Zu prüfen ist daher bloss, ob der kaufmännische Rechtsschein der Klägerin erlaubte, auf eine solche Vertretungsmacht zu schliessen. Dabei ist auch hier weniger entscheidend, ob der Kaufmann die rechtsgeschäftliche Tätigkeit seines Vertreters im einzelnen kennt und billigt, als vielmehr, wie die mit seinem Vertreter kontrahierenden Dritten sein Verhalten auffassen müssen. Dürfen sie in guten Treuen annehmen, dass ihm das rechtsgeschäftliche Handeln seines Vertreters bei Beachtung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt nicht entgangen sein konnte und daher von ihm gedeckt werde, so muss er sich auf diesem Verhalten behaften lassen (BGE 74 II 149 E. 2). Indessen darf, wie im bürgerlichen Bereich, der Dritte eine solche Ermächtigung nicht leichthin annehmen (BGE 99 II 39 E. 1 S. 42). Da die kaufmännische Stellvertretung in jeder Erscheinungsform auf Dauer ausgelegt ist, ist für deren allfällige vertrauenstheoretische Begründung ein Verhalten des Scheinbevollmächtigten erforderlich, welches seinerseits auf Dauer und Kontinuität ausgerichtet ist. Bloss einmaliges Handeln vermag im Regelfall den Rechtsschein nicht zu begründen.
BGE 120 II 197 S. 205
Zudem darf der Dritte nach der ihm obliegenden Aufmerksamkeit im allgemeinen aus dem betrieblichen Rechtsschein bloss auf eine Handlungsvollmacht, nicht aber weitergehend auf eine Prokura schliessen (vgl. BK-GAUTSCHI, N. 6b zu Art. 462 OR). Mit der Stellung in einem Betrieb ist zwar häufig und typischerweise eine bestimmte Vollmacht verbunden, zumal ohne sie der Inhaber der Stellung die mit ihr verbundenen Aufgaben gar nicht ordnungsgemäss erfüllen könnte (SOERGEL/LEPTIEN, N. 30 zu § 167 BGB). Vermutungsweise heisst dies aber gleichzeitig, dass diese Vollmacht inhaltlich auf die mit der Stellung verbundenen Aufgaben beschränkt ist und der loyale Geschäftspartner nicht ohne zusätzliche Gründe, die auf eine entsprechende Mitteilung schliessen lassen, von einer weiterreichenden Vertretungsmacht ausgehen darf. Auch für das schweizerische Recht ist - analog § 56 HGB - davon auszugehen, dass derjenige, der in einem Laden angestellt ist, bloss zu Rechtshandlungen ermächtigt gilt, die in einem derartigen Laden gewöhnlich geschehen (VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 358 Fn. 25). Der so begründete Rechtsschein deckt daher allein die branchenüblichen Geschäfte des jeweiligen Handelsgewerbes (BGE 76 I 338 E. 5 S. 353; STAUB/JOOST, N. 30 ff. zu § 56 HGB; HEYMANN/SONNENSCHEIN, N. 9 ff. zu § 56 HGB). Die Bestellung einer Ladeneinrichtung zum Preise von ca. Fr. 200'000.-- für ein Verkaufsgeschäft der Sportbranche liegt jedoch klarerweise ausserhalb dieses üblichen Geschäftsgangs und ist daher durch die allgemeine Rechtsscheinvollmacht des Angestellten nicht gedeckt. Umstände einer weitergehenden Vollmachtskundgabe sind nicht festgestellt. Die Klägerin durfte mithin auch nicht aus der betrieblichen Stellung ihres Verhandlungspartners dessen Vollmacht folgern, den streitigen Vertrag mit ihr einzugehen. Ebenfalls die Verwandtschaft des Vertretenen zum Vertreter reicht sodann nicht aus, den Rechtsschein einer umfassenden Bevollmächtigung im privaten oder geschäftlichen Bereich zu begründen (STAUDINGER/DILCHER, N. 36 zu § 167 BGB; SOERGEL/LEPTIEN, N. 36 zu § 167 BGB).
Nichts anderes gilt schliesslich für die Verwendung von Geschäftspapier in der dem Vertragsschluss folgenden Korrespondenz und namentlich des Firmenstempels auf dem Vertragsdokument durch den Sohn des Beklagten. Zwar ist der Auffassung durchaus beizupflichten, dadurch könne in besonderem Masse eine rechtsgeschäftliche Vertrauenshaftung des Vertretenen begründet werden (STAUDINGER/DILCHER, N. 35 zu § 167 BGB). Indessen hat das Bundesgericht bereits im Jahre 1913 darauf hingewiesen, dass die
BGE 120 II 197 S. 206
Firmenstempel in den meisten Geschäften auch subalternen Angestellten zugänglich sind, und u.a. gerade diesen die Benutzung des Stempels obliegt (BGE 39 II 91 E. 3). Nichts anderes gilt für den betrieblichen Briefkopf.
All die genannten Anzeichen vermögen daher das gutgläubige Vertrauen des Dritten in eine Vertretungsmacht nicht weiter zu schützen, als es die branchenübliche Geschäftsabwicklung erheischt. In der bisherigen Rechtsprechung ist denn soweit ersichtlich Gutglaubensschutz stets bloss in diesem beschränkten Umfang gewährt worden (BGE 105 II 110, BGE 76 I 338 E. 5, BGE 53 III 171 E. 2, BGE 31 II 667 E. 3, SJ 1966, S. 537; NJW 1976, S. 1673). Im vorliegenden Fall ging die eingegangene Verpflichtung indessen wesentlich über den normalen Geschäftsbetrieb hinaus, so dass die Klägerin ohne weitere vertrauensbildende Umstände nicht davon ausgehen durfte, der Sohn vermöge insoweit den Beklagten rechtsgeschäftlich zu verpflichten. Solche weiteren Umstände aber hat das Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Schliesslich reichen die genannten Umstände auch in ihrer Gesamtwürdigung nicht aus, einen Gutglaubensschutz der Klägerin zu begründen.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 2 3

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