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Urteilskopf

110 II 70


15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Mai 1984 i.S. TMC Corporation gegen Bundesamt für geistiges Eigentum (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Rückweisung eines Patentgesuchs. Gesetz- und Verfassungsmässigkeit des Art. 35 Abs. 3 PatV.
1. Kann das Bundesamt für geistiges Eigentum die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der PatV überprüfen? (Frage offengelassen) (E. 1).
2. Die Rückweisung eines Patentgesuchs wegen fehlender und bis zum Ablauf von 16 Monaten seit dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum nicht nachgereichter Erfindernennung gemäss Art. 35 Abs. 3 PatV hält sich im Rahmen der dem Bundesrat im PatG delegierten Kompetenzen und ist verfassungsmässig (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 71

BGE 110 II 70 S. 71
Das Bundesamt für geistiges Eigentum (Amt) wies am 26. Mai 1983 das Patentgesuch der TMC Corporation für eine Auslöseskibindung wegen fehlender Erfindernennung zurück. Die TMC Corporation hat gegen die Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, sie aufzuheben, eventuell in der Weise abzuändern, dass die Patentbewerberin durch Nachreichung der Erfindernennung, Stellung eines schriftlichen Weiterbehandlungsantrags und Bezahlung einer Weiterbehandlungsgebühr veranlassen könne, dass die Zurückweisung rückgängig gemacht werde. Sie stellte überdies beim Amt ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand (Art. 47 PatG), welches am 5. Oktober 1983 abgewiesen wurde. Die TMC Corporation hat dagegen ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist beide Beschwerden ab, die Beschwerde gegen die Rückweisung des Patentgesuchs aus folgenden

Erwägungen

Erwägungen:

1. Wird die Erfindernennung nicht mit dem Antrag eingereicht, so kann sie bis zum Ablauf von 16 Monaten seit dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum nachgereicht werden (Art. 35 Abs. 1 PatV). Wird sie nicht rechtzeitig nachgereicht, so weist das Amt das Patentgesuch zurück (Art. 35 Abs. 3 PatV). Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, das Amt sei nicht entsprechend dieser Bestimmung vorgegangen. Sie bestreitet indes deren Gesetz- und Verfassungsmässigkeit und macht geltend, Art. 35 Abs. 3 PatV widerspreche sowohl der Delegationsnorm des Art. 141 PatG als auch der Bundesverfassung, insbesondere Art. 4 BV. Ausserdem sei Art. 14 Abs. 2 lit. b PatV über den Wortlaut
BGE 110 II 70 S. 72
hinaus analog auf den Fall von Art. 35 Abs. 3 PatV anzuwenden.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Amt hätte Art. 35 Abs. 3 PatV nicht "auf unmodifizierte Weise" auf ihren Fall anwenden dürfen. Soweit sie damit rügen will, bereits das Amt hätte Art. 35 Abs. 3 PatV auf seine Rechtmässigkeit hin überprüfen müssen, wirft sie der Vorinstanz eine zu Unrecht vorgenommene Kognitionsbeschränkung und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Ob das Amt die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der Verordnungsbestimmung überhaupt prüfen dürfte (vgl. BGE 104 Ib 418 E. 3; 104 Ib 208; BGE 100 Ib 17 E. 4b; VPB 41/1977 Nr. 97 S. 49), kann indes dahingestellt bleiben. Dem Bundesgericht kommt in dieser Frage jedenfalls nicht eine beschränktere Kognition zu, weshalb eine allfällige Verweigerung des rechtlichen Gehörs im bundesgerichtlichen Verfahren geheilt würde (BGE 104 Ib 418 E. 3; 209 E. 2).

2. Das Bundesgericht kann grundsätzlich die PatV auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Dabei prüft es, ob sich die Verordnung in den Grenzen der dem Bundesrat im PatG eingeräumten Befugnisse hält. Soweit zudem das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der Verordnung (BGE 109 V 219 E. 5a; BGE 107 Ib 246 E. 4 mit Hinweisen).
Nach Art. 141 PatG hat der Bundesrat die zur Ausführung des Patentgesetzes nötigen Massnahmen zu treffen (Abs. 1); er kann insbesondere Vorschriften über Fristen aufstellen (Abs. 2). Vor der Revision von 1976 bestimmte Art. 5 PatG, dass die Erfindernennung vor dem amtlichen Datum der Eintragung des Patents erfolgen müsse. Bei der Revision wurde diese Frist gestrichen, weil es der Gesetzgeber für zweckmässig hielt, diese und andere Fristen in der Verordnung festzulegen, damit das schweizerische Recht rascher an geänderte internationale Normen angepasst werden könne (Botschaft über die Änderung des Patentgesetzes vom 24. März 1976, BBl 1976 II S. 69). In der Botschaft zur Gesetzesänderung wurde ausdrücklich festgehalten, Frist, Form und Inhalt der Erfindernennung müssten in der Verordnung möglichst auf das Recht des Europäischen Patentübereinkommens (EPUe, SR 0.232.142.2) abgestimmt werden, aber auch auf das berechtigte Interesse des Erfinders, den Anspruch auf Nennung seines Namens wirksam durchsetzen zu können (Botschaft a.a.O., S. 69). Die allgemeine Vollzugskompetenz gemäss Art. 141 Abs. 2 PatG, auf der Art. 35 PatV beruht, ist in dieser Hinsicht mit der Gesetzesänderung
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spezifiziert worden und insoweit für das Bundesgericht verbindlich.
Dass die streitige Frist und die Sanktion bei Versäumnis der Regelung des EPUe entspricht (Art. 91 Abs. 5 EPUe; Regel 42 der Ausführungsordnung zum EPUe, SR 0.232.142.21), wird zu Recht nicht bestritten. Ebensowenig lässt sich bestreiten, dass sie auf die Interessen des Erfinders abgestimmt ist, verhilft sie doch dem Recht auf Erfindernennung besser zum Durchbruch als die frühere Regelung; so können namentlich Unstimmigkeiten in der Erfindernennung bereits vor der Publikation der Patentschrift bereinigt werden, und das Amt ist früher in der Lage, auf Anfragen Dritter Angaben über Namen und Wohnsitz des Erfinders zu machen (Art. 91 Abs. 1 lit. b PatV).
Bei üblicher Sorgfalt ist es ohne weiteres möglich, die lange Frist einzuhalten, auf die und deren Folgen der Patentbewerber vom Amt ausdrücklich aufmerksam gemacht wird, falls er die Erfindernennung nicht ordnungsgemäss bereits dem Antrag auf Erteilung des Patents beigefügt hat. Der Bundesrat hat daher mit der streitigen Regelung hinreichende Massnahmen getroffen, um den Anmelder vor den Folgen von Verfahrensfehlern zu bewahren. Insoweit ist daher auch dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung getragen (BGE 107 Ib 246 f. E. 4). Aber auch im Vergleich zu andern Fristen des Patenterteilungsverfahrens lässt sich die Regelung weder unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit noch demjenigen der Rechtsgleichheit (BGE 109 V 219 E. 5a) beanstanden. Da die Frist des Art. 35 Abs. 3 PatV nach dem Gesagten nicht nur ein geordnetes Verfahren, sondern ausserdem den Schutz des Erfinders bezweckt, unterscheidet sie sich ohnehin von den in Art. 14 Abs. 2 lit. b PatV genannten Fristen, bei deren Versäumnis die Zurückweisung durch einen Weiterbehandlungsantrag rückgängig gemacht werden kann. Ausserdem fällt die streitige Regelung auch innerhalb der PatV nicht aus dem Rahmen, da die Frist für die Einreichung der Prioritätsbelege ebenfalls in der Verordnung festgelegt ist, 16 Monate beträgt (Art. 40 Abs. 4 PatV) und entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch von der Sanktion her vergleichbar ist, da der Prioritätsanspruch verwirkt ist, wenn die Frist nicht eingehalten ist (Art. 19 Abs. 2 PatG), was praktisch dem Verlust des Patents gleichkommen kann. Dass der deutsche Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hat, ist nicht massgebend. Abgesehen davon ist die geltende Fassung des deutschen Patentgesetzes, das eine Frist von 15 Monaten
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vorsieht, die zwar verlängert werden kann, aber nur bei aussergewöhnlichen Umständen (§ 37 Abs. 1 und 2), mit der schweizerischen Regelung durchaus vergleichbar.
Die Beschwerde gegen die Rückweisung des Patents erweist sich deshalb als offensichtlich unbegründet.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2

Referenzen

BGE: 104 IB 418, 109 V 219, 107 IB 246, 104 IB 208 mehr...

Artikel: Art. 35 Abs. 3 PatV, Art. 141 PatG, Art. 14 Abs. 2 lit. b PatV, Art. 47 PatG mehr...