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Urteilskopf

111 III 70


17. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 19. November 1985 i.S. Alpenblick Immobilien AG (Rekurs)

Regeste

Eine vor der Konkurseröffnung angehobene Betreibung auf Pfandverwertung, die gestützt auf Art. 206 SchKG während des Konkursverfahrens dahingefallen ist, wird wieder gültig, wenn das Konkursdekret angefochten und von der Berufungsinstanz aufgehoben wird.

Sachverhalt ab Seite 70

BGE 111 III 70 S. 70
Die Ersparniskasse Nidwalden strengte gegen die Alpenblick Immobilien AG mit Zahlungsbefehl Nr. 4097 des Betreibungsamtes Giswil vom 19. April 1984 Betreibung auf Pfandverwertung an für eine Forderung von Fr. 400'000.--, die durch eine Grundpfandverschreibung auf den Grundstücken der Schuldnerin in Giswil gesichert war. Der Rechtsvorschlag der Schuldnerin wurde beseitigt, und der Gläubigerin wurde vom Richter die provisorische Rechtsöffnung erteilt.
Mit Zahlungsbefehl Nr. 25782 des Betreibungsamtes Nidwalden vom 14. März 1984 hatte die Ersparniskasse Nidwalden die Alpenblick Immobilien AG auch für eine Forderung von Fr. 31'635.-- betrieben. Nachdem der Rechtsvorschlag der Schuldnerin beseitigt worden war und die Gläubigerin das Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, erliess das Amt die Konkursandrohung. Am 22. Februar 1985 eröffnete der Konkursrichter von Nidwalden über die Schuldnerin den Konkurs, wogegen diese beim Obergericht des Kantons Nidwalden Berufung einlegte. Ihr Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde am 8. März 1985 abgelehnt. Am 18. Juli 1985 hiess das Obergericht die Berufung indessen gut und hob das Konkursdekret auf, weil die Schuldnerin den Nachweis erbracht hatte, dass inzwischen sämtliche mit der Konkursandrohung verbundenen Forderungen bezahlt worden seien.
Am 21. August 1985 stellte die Ersparniskasse Nidwalden in der Betreibung Nr. 4097 des Betreibungsamtes Giswil das Verwertungsbegehren. Daraufhin erliess das Betreibungsamt die Steigerungsanzeige,
BGE 111 III 70 S. 71
in welcher die Steigerung der gepfändeten Liegenschaften in Giswil auf den 9. November 1985 angesetzt wurde. Nachträglich wurde die Versteigerung auf den 23. November und schliesslich auf den 4. Januar 1986 verschoben.
Gegen die Ansetzung der Versteigerung in der Betreibung Nr. 4097 des Betreibungsamtes Giswil erhob die Alpenblick Immobilien AG Beschwerde, welche von der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 24. Oktober 1985 abgewiesen wurde.
Die Alpenblick Immobilien AG führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit den Anträgen, den Entscheid der Obergerichtskommission vom 24. Oktober 1985 und die Betreibung Nr. 4097 aufzuheben und die angesetzte Steigerung zu annullieren.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. In der vorliegenden Rekursschrift stellt sich die Rekurrentin auf den Standpunkt, dass mit der Konkurseröffnung vom 22. Februar 1985 die Betreibung Nr. 4097 auf Grundpfandverwertung dahingefallen sei. Da ihrer Berufung gegen das Konkurserkenntnis die aufschiebende Wirkung versagt worden sei, sei der Konkurs rechtskräftig eröffnet worden und habe die vom Gesetz vorgesehenen Wirkungen entfaltet. Die Tatsache, dass das Konkursdekret schliesslich am 18. Juli 1985 aufgehoben worden sei, habe dieselben Folgen wie der Widerruf des Konkurses nach Art. 195 SchKG. Dies gelte um so mehr, als das Obergericht die Berufung gegen die Konkurseröffnung wegen des Vorliegens neuer Tatsachen gutgeheissen habe. Wäre indessen der Berufung gegen das Konkurserkenntnis die aufschiebende Wirkung erteilt und die Berufung anschliessend abgewiesen worden, so wäre der Konkurs am Tag des Entscheids des Obergerichts eröffnet worden. Da aber der Berufung die aufschiebende Wirkung verweigert worden und die Konkurseröffnung damit gültig geblieben sei, habe sie ihre Wirkungen seit dem Erlass des Konkursdekrets vom 22. Februar 1985 durch den Konkursrichter entfaltet. Die Betreibung auf Grundpfandverwertung sei daher gemäss Art. 206 SchKG aufgehoben worden. Sie könne nicht wieder aufleben, wenn das Konkursdekret des erstinstanzlichen Richters im
BGE 111 III 70 S. 72
Berufungsverfahren aufgehoben werde. Dies sei auch beim Widerruf des Konkurses nach Art. 195 SchKG oder bei der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven nach Art. 230 SchKG nicht der Fall.

2. Dieser Betrachtungsweise der Rekurrentin kann indessen aus den folgenden Überlegungen nicht gefolgt werden:
a) Die Rekurrentin beruft sich zur Begründung ihres Standpunkts auch auf Art. 230 SchKG. Es ist jedoch offensichtlich, dass im vorliegenden Fall keine Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven gemäss Art. 230 SchKG erfolgt ist. Dieses Vorgehen ist erst angezeigt, wenn der Konkurs definitiv eröffnet worden ist und das Konkursamt feststellt, dass keinerlei zur Masse gehörendes Vermögen vorhanden ist, wovon es dem Konkursgericht Anzeige erstattet. Dieses beschliesst daraufhin die Einstellung und Schliessung des Konkursverfahrens, falls nicht ein Gläubiger die Kosten für dasselbe sicherstellt. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch nichts Derartiges geschehen, so dass Art. 230 SchKG nicht zur Anwendung kommt. Überdies ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass nach der Rechtsprechung auch bei der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven die Betreibungen auf Pfandverwertung, die in Anwendung von Art. 206 SchKG aufgehoben wurden, weil die Konkurseröffnung definitiv war, nach Schliessung des Konkurses weitergeführt werden (BGE 88 III 21 /22 E. 2).
b) Ebensowenig ist im vorliegenden Fall ein Widerruf des Konkurses im Sinne von Art. 195 SchKG gegeben. Dieser kann erst erfolgen, nachdem ein endgültiges Konkurserkenntnis vorliegt und die Gläubiger ihre Forderungen im Konkurs eingereicht haben (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl., S. 312 N. 6). Die Gesamtheit der Passiven muss feststehen, damit der Schuldner den Nachweis erbringen kann, dass sämtliche Gläubiger ihre Konkurseingaben zurückziehen. Aber auch diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Obergerichtskommission hat die Konkurseröffnung annulliert, obwohl ihr bekannt war, dass eine Betreibung auf Pfandverwertung hängig war und dass die der Betreibung zugrundeliegende Forderung weder bezahlt worden war, noch dass die Gläubigerin auf deren Geltendmachung verzichtet hatte. Die in BGE 75 III 69 in fine offengelassene Frage, ob gewisse Betreibungen auch nach dem Konkurswiderruf gemäss Art. 195 SchKG weitergeführt werden könnten, wie dies nach der Einstellung des Konkurses mangels
BGE 111 III 70 S. 73
Aktiven im Sinne von Art. 230 SchKG der Fall ist, braucht somit auch hier nicht geprüft zu werden.

3. In Wirklichkeit war der Konkurs am 22. Februar 1985 gemäss Art. 175 SchKG eröffnet worden und entfaltete seine Wirkungen bis zum Entscheid des Obergerichts vom 18. Juli 1985. Indessen war die Konkurseröffnung nicht definitiv wegen des hängigen Berufungsverfahrens. Die Massnahmen, die das Konkursamt während dieses Verfahrens treffen konnte, und die Rechtswirkungen des Konkurses konnten nur als vorsorgliche Anordnungen im Sinne von Art. 170 SchKG gelten, da schliesslich nicht auf Konkurs erkannt wurde. Nachdem das Konkurserkenntnis des Konkursrichters aufgehoben worden war, mussten auch die vom Konkurs entfalteten Wirkungen dahinfallen. In Übereinstimmung mit der Obergerichtskommission ist daher anzunehmen, dass die vor dem Erlass des Konkursdekrets angehobene Betreibung auf Pfandverwertung, soweit sie gestützt auf Art. 206 SchKG dahingefallen war, wieder gültig wurde, nachdem definitiv feststand, dass kein Konkurs durchgeführt werde. Jede andere Lösung hätte zur Folge, dass ein nicht erfolgter Konkurs Wirkungen entfalten könnte, was insbesondere auch im Hinblick auf Art. 206 SchKG unmöglich wäre. Unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts spielt die Begründung, mit der die Berufung gegen das Konkursdekret gutgeheissen wurde, keine Rolle. Ob es sich bei den von der Rekurrentin vorgebrachten neuen Tatsachen um Nova im eigentlichen Sinne gehandelt habe oder nicht, ist eine Frage, die sich nicht nach Bundesrecht beurteilt (vgl. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 238).
Ist die Betreibung Nr. 4097 nach dem Ausgeführten nicht dahingefallen, so hat das Betreibungsamt Giswil die Versteigerung der Liegenschaften der Schuldnerin zu Recht angeordnet. Damit erweist sich der Rekurs als unbegründet.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Referenzen

BGE: 88 III 21

Artikel: Art. 206 SchKG, Art. 230 SchKG, Art. 195 SchKG, Art. 175 SchKG mehr...