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Urteilskopf

117 V 394


53. Auszug aus dem Urteil vom 8. November 1991 i.S. Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft gegen M. und Verwaltungsgericht des Kantons Zug

Regeste

Art. 40 UVG. Für die Ermittlung der Überentschädigung gemäss Art. 40 UVG ist eine Globalrechnung im Sinne der zu Art. 74 Abs. 3 KUVG ergangenen Rechtsprechung (BGE 105 V 315 Erw. I/4) vorzunehmen (Erw. 3).
Art. 51 Abs. 3 UVV. Bei der Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes sind die aus der Verwertung einer Restarbeitsfähigkeit effektiv erzielten Einkünfte in Abzug zu bringen, nicht dagegen hypothetische Einkommen, welche der Versicherte bei zumutbarer Ausnützung der verbleibenden Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit hätte erzielen können (Erw. 4).

Erwägungen ab Seite 394

BGE 117 V 394 S. 394
Aus den Erwägungen:

2. a) Vorbehältlich besonderer Koordinationsregeln werden gemäss Art. 40 UVG Geldleistungen, ausgenommen Hilflosenentschädigungen,
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so weit gekürzt, als sie mit anderen Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen und den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen. Nach Art. 51 Abs. 3 UVV entspricht der mutmasslich entgangene Verdienst jenem Verdienst, den der Versicherte ohne schädigendes Ereignis erzielen würde.
b) Die Vorschrift von Art. 40 UVG stellt eine Generalklausel zur Vermeidung von Überentschädigungen dar (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 536 f.). Sie gilt ihrem Wortlaut nach nur subsidiär, d.h. wenn keine andere Koordinationsnorm anwendbar ist. So finden Art. 40 UVG und die entsprechenden gemäss altrechtlicher Rechtsprechung (namentlich zu Art. 74 Abs. 3 KUVG) entwickelten Grundsätze keine Anwendung beim Zusammentreffen von Renten der obligatorischen Unfallversicherung mit solchen der AHV oder IV, da die Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG diesbezüglich eine besondere Koordinationsregel enthalten. Demgegenüber greift Art. 40 UVG beispielsweise dann Platz, wenn - wie im vorliegenden Fall - Taggelder der Unfallversicherung mit Renten der Invalidenversicherung zusammentreffen ( BGE 115 V 279 Erw. 1c mit Hinweisen).

3. Zu prüfen ist zunächst, welche Sozialversicherungsleistungen (Taggelder der Unfallversicherung, Renten der Invalidenversicherung) in zeitlicher Hinsicht in die Berechnung der Überversicherung einzubeziehen sind. Während die beschwerdeführende Versicherungsgesellschaft sich für den Grundsatz der zeitlichen Kongruenz der Leistungen ausspricht, vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, es sei eine Globalrechnung ab Unfalldatum vorzunehmen.
a) Der Tatbestand des Zusammentreffens von Taggeldern der Unfallversicherung mit Renten der Invalidenversicherung wurde vor Inkrafttreten des UVG (1. Januar 1984) durch Art. 74 Abs. 3 KUVG geregelt. Diese Bestimmung schrieb vor, dass, wenn Leistungen auch von anderen Versicherern für denselben Unfall ausgerichtet werden, das Krankengeld den von diesen nicht gedeckten Teil des entgehenden Verdienstes nicht überschreiten dürfe. Im Rahmen dieser Bestimmung hat das Eidg. Versicherungsgericht die Auffassung, dass bei der Berechnung der Überversicherung stets gleiche Zeitabschnitte einander gegenüberzustellen seien, sowohl aus rechtlichen wie auch aus praktischen Gründen abgelehnt und sich für eine globale Abrechnung für die gesamte Bezugsperiode ausgesprochen. Diese Betrachtungsweise gewährleiste namentlich einen sachlich gerechtfertigten Ausgleich
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zwischen Perioden mit unterschiedlichen Einkommensverhältnissen. Eine Aufteilung in verschiedene Abrechnungsperioden hätte dagegen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Benachteiligung der Versicherten zur Folge. Dazu komme, dass sich die Einteilung der Zeitabschnitte - von der unpraktikablen Lösung der Eintagsabrechnung abgesehen - auf keine zuverlässigen Kriterien stützen könnte und insoweit weitgehend willkürlichen Charakter hätte. Ein solches Vorgehen würde daher auch die Grundsätze der Rechtsgleichheit und der Rechtssicherheit gefährden ( BGE 105 V 315 Erw. I/4).
b) Die Bestimmung von Art. 40 UVG unterscheidet sich von Art. 74 Abs. 3 KUVG insofern, als Art. 40 UVG das Zusammentreffen mit anderen Sozialversicherungsleistungen regelt, wogegen in Art. 74 Abs. 3 KUVG von Leistungen anderer Versicherer die Rede war, worunter auch Leistungen aus Privatversicherung zu verstehen waren ( BGE 105 V 309 ; vgl. auch BBl 1976 III 199). Anderseits beschränkte Art. 74 Abs. 3 KUVG die Berücksichtigung von Leistungen anderer Versicherer auf solche aus dem gleichen Leistungsgrund ("für den gleichen Unfall"), während Art. 40 UVG keine solche Einschränkung enthält. Diese Unterschiede stehen einer Übertragung der zu Art. 74 Abs. 3 KUVG ergangenen Rechtsprechung zur Berechnungsmethode ( BGE 105 V 315 Erw. I/4) auf Art. 40 UVG indessen nicht entgegen. Der Umstand, dass Art. 40 UVG vom "Zusammentreffen" mit anderen Sozialversicherungsleistungen spricht, schliesst eine Weiterführung der früheren Rechtsprechung nicht aus, weil dieser Ausdruck primär sachlich (gleicher Fall) und nicht zeitlich (gleicher Zeitabschnitt) aufzufassen ist. Auch aus den Materialien ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit Art. 40 UVG den Grundsatz der zeitlichen Kongruenz der für die Berechnung der Überentschädigung massgeblichen Leistungen einführen wollte.
Richtig ist, dass beim Anspruch auf Komplementärrenten der Unfallversicherung zu Renten der Invalidenversicherung oder der AHV nach Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG praxisgemäss von identischen Zeitabschnitten ausgegangen wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Grundsatz der zeitlichen Kongruenz auch im Rahmen von Art. 40 UVG zu gelten hat. Art. 40 UVG ist vorbehältlich der genannten, hier nicht näher zu erörternden Unterschiede der Vorschrift von Art. 74 Abs. 3 KUVG nachgebildet und gilt als Generalklausel grundsätzlich für das Zusammentreffen mit
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sämtlichen sozialversicherungsrechtlichen Geldleistungen. Demgegenüber regeln die Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG den besondern Tatbestand des Zusammentreffens von Renten der Unfallversicherung mit solchen der Invalidenversicherung oder der AHV und damit das Zusammentreffen gleichartiger Leistungen, die nach ähnlichen Regeln festgesetzt werden. Dass die Komplementärrenten als Gegenstand spezieller Koordinationsvorschriften anderen Grundsätzen folgen, kann für die Auslegung von Art. 40 UVG daher nicht entscheidend sein. Ebensowenig kommt es darauf an, dass im Rahmen der Bestimmungen über den Regress gemäss Art. 41 ff. UVG der Grundsatz der zeitlichen Kongruenz Geltung hat (Art. 43 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 UVG; vgl. auch MAURER, a.a.O., S. 550 f.). Beim Regress im Sinne dieser Bestimmungen handelt es sich um eine zivilrechtlich ausgestaltete Regelung, welche weitgehend haftpflichtrechtlichen Grundsätzen folgt und die sozialversicherungsrechtliche Überentschädigungsberechnung nicht zu präjudizieren vermag.
Andere Gründe, die zu einer Praxisänderung Anlass zu geben vermöchten, sind nicht ersichtlich. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 105 V 315 Erw. I/4 festgestellt hat, bieten weder der Grundsatz der zeitlichen Kongruenz noch die globale Betrachtungsweise Gewähr dafür, dass schlechthin alle Fälle durchwegs gleich behandelt werden. Gerade unter diesem Gesichtswinkel ist der Globalrechnung aber der Vorzug zu geben, weil sie einen längeren Anspruchszeitraum umfasst, wodurch das Ergebnis der Überentschädigungsberechnung weniger von kurzfristigen Schwankungen und zufälligen Konstellationen abhängt, als dies bei strenger Beachtung des Grundsatzes der zeitlichen Kongruenz der Fall wäre. Insofern sprechen auch die Rechtsgleichheit und die Rechtssicherheit für die Globalrechnung. Überlegungen der Praktikabilität vermögen hiegegen nicht aufzukommen, zumal diesbezüglich auch eine Abrechnung für einzelne Zeitabschnitte Nachteile aufweist.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die Ermittlung der Überentschädigung gemäss Art. 40 UVG eine Globalrechnung im Sinne der zu Art. 74 Abs. 3 KUVG ergangenen Rechtsprechung vorzunehmen ist. Treffen dabei - wie im vorliegenden Fall - Taggelder der Unfallversicherung mit Renten anderer Sozialversicherungen zusammen, so ist der Beginn der Berechnungsperiode auf den Beginn des Taggeldanspruchs festzusetzen ( BGE 105 V 315 Erw. I/4).
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4. Streitig ist des weitern der für die Ermittlung der Überentschädigung gemäss Art. 40 KUVG massgebende Verdienstausfall. Dabei stellt sich vorab die Frage, ob (hypothetische) Einkommen anzurechnen sind, welche die Beschwerdegegnerin bei zumutbarer Ausnützung der verbleibenden Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit zu erzielen vermöchte.
a) Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, dass bei der Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes kein Einkommen aus der Verwertung einer Restarbeitsfähigkeit anzurechnen sei. Sie verweist auf die Botschaft des Bundesrates zum UVG vom 18. August 1976, worin ausgeführt wird, dass bei der Ermittlung des mutmasslich entgangenen Verdienstes jeweils vom Bestehen einer vollen Erwerbsfähigkeit auszugehen ist. Verunfalle z.B. ein Rentner der Invalidenversicherung, der wegen seiner stark eingeschränkten Erwerbsfähigkeit einen entsprechend niedrigeren Lohn bezogen habe, so erfolge keine Kürzung des Taggeldes der Unfallversicherung; der Verunfallte erhalte infolge der nur teilweisen Erwerbsfähigkeit bereits ein niedrigeres Taggeld, das zusammen mit der Invalidenrente den Lohn eines vergleichbaren Vollbeschäftigten nicht erreiche (BBl 1976 III 199). Nach MAURER (a.a.O., S. 538 N 1398a) findet diese Auffassung im Wortlaut von Art. 40 UVG keine Stütze, da nach dieser Bestimmung darauf abzustellen sei, was der Versicherte ohne schädigendes Ereignis, d.h. ohne Unfall verdient hätte; sie dürfte aber dem Sinn des Gesetzes - bei stark extensiver Auslegung - doch entsprechen. Die Vorinstanz schliesst sich dieser Auffassung an mit der Feststellung, der Sinn der gesetzlichen Regelung (Art. 40 UVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 3 UVV) bestehe darin, mittels eines angemessenen Schadenausgleichs - zwecks Vermeidung einer Überversicherung - den Heilungs- und Eingliederungsprozess beim Versicherten zu beschleunigen, was nicht dadurch erreicht werden könne, dass bei der Ermittlung des mutmasslich entgangenen Verdienstes eines Teilarbeitsfähigen vom effektiv erlittenen Erwerbsausfall ausgegangen werde. Eine entsprechende Kürzung der Versicherungsleistungen infolge Überversicherung erwiese sich wegen der hohen Rückfallquote oftmals als kontraproduktiv. Gerade dies habe der Gesetzgeber mit den neu geschaffenen Koordinationsregeln verhindern wollen. Deshalb sei es gerechtfertigt, bei der Ermittlung des mutmasslich entgangenen Verdienstes "jeweils vom gesamten hypothetischen Einkommen einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen" und das aus
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einer Restarbeitsfähigkeit erzielte Einkommen unberücksichtigt zu lassen.
Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, auch nach Auffassung von MAURER (a.a.O., S. 538 N 1398a) sei bei der Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes das Einkommen in Abzug zu bringen, das der Versicherte bei teilweiser Arbeitsfähigkeit noch erziele. Massgebend sei der infolge des Unfallereignisses nicht erzielbare Verdienst, d.h. der effektiv entstandene Schaden im haftpflichtrechtlichen Sinn. Auf diesem Boden bewege sich auch die Rechtsprechung. So habe das Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen von Art. 74 Abs. 3 KUVG den Einbezug eines im Aufgabenbereich (Haushalt) entstandenen Schadens abgelehnt ( BGE 112 V 126 ). Indem das Gericht den auf die Haushalttätigkeit entfallenden Teil der Invalidenrente aus der Überversicherungsberechnung ausgenommen habe, habe es den mutmasslich entgangenen Verdienst dem effektiven Lohnausfall gleichgesetzt. Dies habe in gleicher Weise im Rahmen von Art. 40 UVG zu gelten. Nicht einzusehen sei, weshalb sich eine solche Berechnungsweise bei Teilarbeitsfähigen kontraproduktiv auswirken sollte. Wenn ein Teilarbeitsfähiger seine Restarbeitsfähigkeit nicht verwerte, fielen ihm gesamthaft weniger Geldleistungen zu, als wenn er ein Einkommen aus der Teilarbeitsfähigkeit erziele und zusätzlich die mittels Überversicherungsberechnung gekürzten Versicherungsleistungen beziehe.
b) Mit Bezug auf die streitige Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes bei teilweiser Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit stehen drei Möglichkeiten zur Diskussion, nämlich die Festsetzung aufgrund eines hypothetischen Einkommens bei voller Erwerbsfähigkeit, die Festsetzung unter Anrechnung eines der teilweisen Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit entsprechenden hypothetischen Einkommens oder die Festsetzung unter Anrechnung nur der effektiv erzielten Einkommen.
Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 40 UVG und Art. 51 Abs. 3 UVV, wonach der mutmasslich entgangene Verdienst jenem Verdienst entspricht, den der Versicherte ohne schädigendes Ereignis erzielen würde, keine Antwort auf die Frage ergibt, ob bei der Festsetzung des massgebenden Verdienstausfalls auch das aus einer Verwertung der Restarbeitsfähigkeit erzielbare Einkommen zu berücksichtigen ist. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass ungeachtet einer bestehenden Teilarbeitsfähigkeit und des hieraus erzielten Einkommens
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stets das hypothetische Einkommen ohne den Gesundheitsschaden als massgebend zu erachten wäre. Es ist daher unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zugrunde liegenden Wertung festzustellen, welche Tragweite der Bestimmung mit Bezug auf die vorliegende Streitfrage zukommt (vgl. BGE 115 V 348 Erw. 1c).
Nach dem Art. 40 UVG zugrunde liegenden Zweckgedanken soll ein Versicherter, welcher aus dem gleichen Ereignis Leistungen mehrerer Sozialversicherungen bezieht, finanziell nicht bessergestellt sein, als wenn er vom versicherten Ereignis nicht betroffen worden wäre (MAURER, a.a.O., S. 538; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 386). Daraus folgt, dass bei der Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes gemäss Art. 51 Abs. 3 UVV zwar von einer völligen Erwerbsfähigkeit und dem entsprechenden Verdienst (bzw. dem völliger Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit entsprechenden Verdienstausfall) auszugehen ist, dass hievon jedoch diejenigen Einkünfte in Abzug zu bringen sind, die der Versicherte bei teilweiser Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit noch erzielt hat (in diesem Sinne auch MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 538 N 1398a). Die Beschwerdeführerin will indessen nicht nur effektiv erzielte Verdienste, sondern auch solche Einkünfte vom mutmasslich entgangenen Verdienst in Abzug bringen, welche der Versicherte bei zumutbarer Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit hätte erzielen können. Sie beruft sich damit sinngemäss auf den Grundsatz der Schadenminderung, wonach der Versicherte alles ihm Zumutbare vorzunehmen hat, um die erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens bestmöglich zu mildern ( BGE 115 V 53 mit Hinweisen; vgl. auch MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 377; MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 131). Diese Schadenminderungspflicht ist als allgemeiner Grundsatz des Sozialversicherungsrechts bei der Leistungsfestsetzung regelmässig und zwingend zu beachten. Eine andere Frage ist, ob der Schadenminderungsgrundsatz auch bei der Ermittlung der Überentschädigung zu berücksichtigen ist, indem der massgebliche Verdienstausfall entsprechend vermindert wird, wenn sich herausstellt, dass der Versicherte seine Restarbeitsfähigkeit nicht in zumutbarer Weise ausgenützt hat. Dies liefe in den meisten Fällen jedoch auf eine ungerechtfertigte doppelte Berücksichtigung des aus einer verbleibenden Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit erzielbaren
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Einkommens hinaus. Zudem käme damit ein sachfremdes und weitgehend unbestimmbares Element in die Überversicherungsberechnung, welche einen rein rechnerischen Vorgang darstellt. Die Bestimmungen über die Verhinderung einer Überentschädigung können daher nicht die Grundlage dafür geben, den Versicherten eine Schadenminderungspflicht nicht nur bei der Leistungsfestsetzung, sondern zusätzlich auch bei der Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes bei der Überversicherung tragen zu lassen.
Die Vorinstanz hat damit im Ergebnis richtig erkannt, dass der mutmasslich entgangene Verdienst nicht nach Massgabe des jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsgrades festgesetzt werden kann. An diesem Ergebnis vermögen die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass nach der Rechtsprechung zu Art. 74 Abs. 3 KUVG bei teilerwerbstätigen Hausfrauen nur der auf die Erwerbsunfähigkeit im beruflichen Bereich entfallende Rentenanteil zu berücksichtigen ist (was in gleicher Weise im Rahmen von Art. 40 UVG gilt; BGE 112 V 129 Erw. 2c), nicht geschlossen werden, dass bei teilinvaliden Versicherten das hypothetische Einkommen aus einer zumutbaren Verwertung der Restarbeitsfähigkeit anzurechnen ist. Zu den von der Beschwerdeführerin befürchteten negativen Auswirkungen auf den Eingliederungswillen der Versicherten ist festzuhalten, dass der Nichtverwertung einer bestehenden Teilarbeitsfähigkeit bei der Leistungsfestsetzung Rechnung getragen wird und bei Verwertung der Restarbeitsfähigkeit in der Regel ein höheres Gesamteinkommen resultiert.

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Erwägungen 2 3 4

Referenzen

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