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Urteilskopf

119 Ia 1


1. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Januar 1993 i.S. R. gegen B. und K. und Obergericht des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Art. 4 BV; Willkür; Kostenauflage im Zivilprozess.
Es ist nicht willkürlich, die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens, das durch fehlerhaftes Vorgehen des erstinstanzlichen Richters veranlasst wurde, dem Rechtsmittelbeklagten aufzuerlegen, wenn er am Rechtsmittelverfahren teilnimmt und Abweisung des Rechtsmittels beantragt.

Erwägungen ab Seite 1

BGE 119 Ia 1 S. 1
Aus den Erwägungen:

1. Das Obergericht des Kantons Aargau hob auf Beschwerde des B. und K. mit Entscheid vom 13. März 1992 den erstinstanzlichen Entscheid hinsichtlich der Kostenauflage auf. Die durch das fehlerhafte Vorgehen des erstinstanzlichen Richters verursachten Prozess- und gegnerischen Parteikosten wurden auf die Gerichtskasse genommen. Dagegen auferlegte das Obergericht die Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens sowie die gegnerischen
BGE 119 Ia 1 S. 2
Parteikosten nach Massgabe des Unterliegens dem R., der Abweisung der Kostenbeschwerde beantragt hatte.
Eine gegen die obergerichtliche Kostenverlegung erhobene staatsrechtliche Beschwerde des R. weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.

6. Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe §§ 112, 119 und 120 ZPO AG unzutreffend angewendet. § 112 ZPO AG, wonach die Gerichts- und Parteikosten der unterliegenden Partei auferlegt werden, komme nur zur Anwendung, wenn ein Verfahren durch einen unbegründeten Parteiantrag veranlasst worden sei, was allerdings vorliegend nicht zutreffe.
a) Nach § 112 Abs. 1 ZPO AG werden die Gerichtskosten und die Parteikosten des Gegners in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Ein Verschulden wird dabei nicht vorausgesetzt, sondern es genügt die erfolglose Veranlassung des Prozesses (EICHENBERGER, Zivilrechtspflege des Kantons Aargau, N. 2 zu § 112 ZPO). § 119 ZPO AG sieht ausnahmsweise eine Gerichtskostenbefreiung vor, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen, insbesondere wenn die Kosten von keiner Partei veranlasst worden sind. Nach EICHENBERGER (a.a.O., N. 1 zu § 119 ZPO) ist die Gerichtskostenbefreiung meistens in einem Verfahren auf Erläuterung, Berichtigung oder Ergänzung eines Urteils gerechtfertigt, kann unter Umständen auch in einem Rechtsmittelverfahren gegen ein Urteil angezeigt sein, das nicht durch eine Partei veranlasst worden, sondern auf fehlerhaftes Vorgehen der unteren Instanz zurückzuführen ist. Schliesslich kann nach § 120 ZPO AG das Obergericht zu Lasten der Gerichtskasse ganz oder teilweise Ersatz der Parteikosten zusprechen, wenn durch Verstoss des erstinstanzlichen Richters gegen grundlegende gesetzliche Bestimmungen einer Partei Kosten entstanden sind.
b) Der Beschwerdeführer hat im Rechtsmittelverfahren die Abweisung der Kostenbeschwerde beantragt. Das Obergericht heisst die Beschwerde jedoch gut und legt die Kosten gemäss der allgemeinen Kostenverteilungsregel von § 112 ZPO AG dem Beschwerdeführer als unterliegende Partei auf. Diese Kostenauflage widerspricht dem Willkürverbot nicht. Im Zivilprozess gilt als Hauptgrundsatz für die Kostenverteilung das Erfolgsprinzip (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 406; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. Aufl. 1992, S. 262 N. 24). Dieses beruht auf der Vermutung, dass die unterliegende Partei die Kosten verursacht hat (HUGO CASANOVA, Die Haftung der Parteien für prozessuales Verhalten, Diss. Freiburg 1982, S. 24; GUIDO ENRIQUE FISCHER, Die
BGE 119 Ia 1 S. 3
Kostenverteilung im aargauischen Zivilprozessrecht, Diss. Basel 1984, S. 10). Die Kostenverursachung ist dabei nicht in einem engen Sinn zu verstehen, wonach eine Partei nur solche Kosten zu tragen habe, die durch ihr Verhalten unmittelbar entstanden sind. Darunter fallen vielmehr auch Kosten, die durch Massnahmen des Richters im Interesse oder auf Antrag einer Partei veranlasst worden sind. Wer ein Rechtsmittel ergreift oder sich auf ein Rechtsmittelverfahren einlässt und entsprechende Rechtsbegehren stellt, hat mit seinem Unterliegen zu rechnen und die damit verbundenen finanziellen Folgen zu tragen. Will eine Partei ein solches Prozessrisiko nicht auf sich nehmen, hat sie sich vom Prozess zu distanzieren. Es steht ihr frei, sich am Rechtsmittelverfahren nicht zu beteiligen und auf eine Stellungnahme zu verzichten. Vorliegend hat der Beschwerdeführer am Beschwerdeverfahren teilgenommen, Abweisung der Beschwerde beantragt und dies auch eingehend begründet, obwohl der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens für ihn eigentlich nicht von Interesse war. Durch seine Teilnahme am Rechtsmittelverfahren hat er damit auch das Risiko auf sich genommen, im Falle der Gutheissung der Beschwerde mit seinem Antrag zu unterliegen und kostenpflichtig zu werden. Die Frage, welche Partei unterlegen ist und damit die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, beurteilt sich dabei nach Massgabe des Rechtsbegehrens. Da der Beschwerdeführer auf Abweisung der Beschwerde geschlossen hat, ist er als unterliegende Partei zu betrachten. Auch wenn die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers und einer Minderheit des Obergerichts ebenfalls vertretbar erscheint, ist die beanstandete Kostenverlegung nicht schon daher willkürlich.
Gleich wie das Obergericht verlegt im übrigen auch das Bundesgericht die Kosten. Es auferlegt diese grundsätzlich der unterliegenden Partei. Namentlich im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren wird bei der Kostenverteilung nur darauf abgestellt, welche Partei mit ihrem Antrag unterlegen ist.

Inhalt

Ganzes Dokument:
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1 6

Referenzen

Artikel: § 112 ZPO, §§ 112, 119 und 120 ZPO, § 119 ZPO, Art. 4 BV mehr...

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