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Urteilskopf

140 II 185


18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Universität Luzern, Studiendienste, und Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_457/2013 vom 13. März 2014

Regeste

Art. IV.1 des Lissabonner Übereinkommens vom 11. April 1997, Art. 1 der Europaratskonvention Nr. 15; Art. 1, 2 und 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Bildung, der Berufsbildung, der Jugend und der Mobilitätsförderung; Art. 22 UFG; Grundsatz der Akzeptanz bzw. Äquivalenz bei der Zulassung zum Hochschulstudium.
Der in Art. IV.1 des Lissabonner Übereinkommens verankerte Grundsatz der wechselseitigen Akzeptanz bzw. Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen für den Hochschulzugang ist direkt anwendbar ("self-executing"). Als Prinzip gilt die Gleichwertigkeit der Hochschulreifezeugnisse; Ausnahmen bedürfen eines gewichtigen Unterschieds im jeweiligen Bildungssystem ("substantial differences"). Die fehlende Äquivalenz ist im Einzelfall zu belegen (E. 3 und 4). Fall eines Studenten, der auf dem zweiten Bildungsweg die deutsche Hochschulreife erworben hatte und an einer deutschen Universität immatrikuliert war (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 186

BGE 140 II 185 S. 186
X. (geb. 1964) besuchte vom September 2006 bis zum Dezember 2006 und vom September 2007 bis zum Juli 2009 die Staatliche Berufsoberschule Augsburg (Deutschland) in der Ausbildungsrichtung "Wirtschaft". Am 10. Juli 2009 schloss er diese mit dem Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife ab. Gleichzeitig erteilte ihm die Staatliche Berufsoberschule Augsburg das Zeugnis über die zweite Fremdsprache (Spanisch). Die Verbindung der beiden Zeugnisse weist die allgemeine Hochschulreife nach, welche zum Universitätsstudium in Deutschland berechtigt. Im Wintersemester 2009 war X. an der Universität Augsburg immatrikuliert (Fachrichtung Rechtswissenschaften).
BGE 140 II 185 S. 187
Nachdem X. sich bereits für das Frühlingssemester 2012 erfolglos für das Bachelorstudium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern angemeldet hatte, ersuchte er für das Herbstsemester 2012 erneut um Studienzulassung. Mit Schreiben vom 11. Mai 2012 bzw. Verfügung vom 9. Juli 2012 teilten ihm die Studiendienste der Universität Luzern mit, dass er die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfülle. X. gelangte hiergegen erfolglos an das Bildungs- und Kulturdepartement (Entscheid vom 8. November 2012) und an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (nunmehr Kantonsgericht; Urteil vom 8. April 2013).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von X. gut, hebt das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und weist die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Vorinstanz hat erwogen, Studienbewerber an der Universität müssten gemäss § 21 Abs. 1 und 3 des Luzerner Gesetzes vom 17. Januar 2000 über die universitäre Hochschulbildung (Universitätsgesetz; SRL 539) die im Universitätsstatut vom 12. Dezember 2001 (SRL 539c) festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Gemäss § 31 des Statuts würden Studierende unter anderem dann immatrikuliert, wenn sie über einen gemäss den Zulassungsrichtlinien der Universität Luzern als gleichwertig anerkannten ausländischen Ausweis verfügten. Nach den Zulassungsrichtlinien müssten in den letzten drei Schuljahren durchgehend mindestens sechs allgemeinbildende Fächer gemäss einer bestimmten Fächerliste absolviert worden sein, darunter auch solche der Kategorie 4: Naturwissenschaften (Biologie, Chemie oder Physik). Der Beschwerdeführer erfülle diese Anforderungen nicht, da er zwar Unterricht in Physik genossen habe, aber nicht während durchgehend dreier Jahre. Damit liege ein wesentlicher Unterschied im Sinne von Art. IV.1 des Übereinkommens vom 11. April 1997 über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region (Lissabonner Übereinkommen, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Februar 1999; SR 0.414.8) im Vergleich zur schweizerischen gymnasialen Matura vor. Der Beschwerdeführer möge zwar in seiner früheren, im Jahre 1995 abgeschlossenen Ausbildung zum Industriemechaniker Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern erhalten
BGE 140 II 185 S. 188
haben, doch könne dieser nicht berücksichtigt werden, da er nicht in den letzten drei Schuljahren erfolgt sei.

2.2 Der Beschwerdeführer wendet hiergegen ein, er habe an der Berufsoberschule zwei Jahre das Fach Technologie belegt, das die Sparten Biologie, Chemie und Physik umfasse. Zudem habe er bereits an der Fachoberschule das Fach Chemie besucht. Mit diesen Vorbringen, die zudem teilweise auf unzulässigen Noven beruhen, wird nicht dargelegt, dass die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz offensichtlich unrichtig wäre. Sie ist deshalb der bundesgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

3.

3.1 Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid auf die aufgrund von § 31 des Statuts der Universität Luzern erlassenen Zulassungsrichtlinien der Universität Luzern, welche gemäss ihren Feststellungen in Bezug auf die hier umstrittenen Zulassungsvoraussetzungen vollständig die Empfehlungen der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) vom 7. September 2007 für die Bewertung ausländischer Reifezeugnisse übernommen hätten. Die CRUS ist ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB (vgl. Art. 1 ihrer Statuten). Sie ist das in Art. 8 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1999 über die Förderung der Universitäten und über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich (UFG; SR 414.20) vorgesehene gemeinsame Organ der Leitungen der schweizerischen universitären Hochschulen. Ihre Rechtsgrundlage sind die Art. 11 ff. der Vereinbarung vom 14. Dezember 2000 zwischen dem Bund und den Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich (Zusammenarbeitsvereinbarung; SR 414.205). Weder das UFG noch die Zusammenarbeitsvereinbarung noch das Interkantonale Konkordat vom 9. Dezember 1999 über universitäre Koordination (SRL 543b) ermächtigen die CRUS, Rechtsnormen zu erlassen. Sie kann nur Empfehlungen abgeben, die allenfalls im massgebenden kantonalen Recht umgesetzt werden. Rechtsgrundlage des angefochtenen Entscheids bildet daher nicht Bundes- oder interkantonales Recht, sondern kantonales Recht, dessen Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Lissabonner Überkommens - und diesbezüglich internationalem Recht als Bundesrecht - zu überprüfen ist.

3.2

3.2.1 Das Lissabonner Übereinkommen will die Bemühungen aller Menschen in den Signatarstaaten erleichtern, "ihre Bildung an
BGE 140 II 185 S. 189
Hochschuleinrichtungen dieser anderen Vertragsstaaten fortzusetzen oder dort eine Studienzeit abzuschliessen", wobei eine "gerechte Anerkennung von Qualifikationen" einen wesentlichen Bestandteil des Rechts auf Bildung und eine Aufgabe der Gesellschaft darstellen soll (vgl. die Präambel). Zu diesem Zweck sieht Art. III.5 insofern verfahrensrechtliche Garantien vor, als die Verweigerung der Anerkennung der Qualifikationen zu begründen und der Antragsteller über mögliche Massnahmen zu unterrichten ist, die er ergreifen kann, um die Anerkennung zu einem späteren Zeitpunkt zu erlangen. Wird die Anerkennung versagt oder ergeht kein Entscheid, so kann der Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist Rechtsmittel einlegen. Abschnitt IV regelt die "Anerkennung von Qualifikationen, die den Zugang zur Hochschulbildung ermöglichen". Der im vorliegenden Zusammenhang diesbezüglich relevante Art. IV.1 hält fest, dass "jede Vertragspartei (...) für den Zweck des Zugangs zu den zu ihrem Hochschulsystem gehörenden Programmen die von den anderen Vertragsparteien ausgestellten Qualifikationen" anerkennt, "welche die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschulbildung in diesen Staaten erfüllen, sofern nicht ein wesentlicher Unterscheid zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in der Vertragspartei, in der die Qualifikation erworben wurde, und denen in der Vertragspartei, in der die Anerkennung der Qualifikation angestrebt wird, nachgewiesen werden kann".

3.2.2 Die Europäische Konvention vom 11. Dezember 1953 über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse (Europaratskonvention Nr. 15; SR 0.414.1) wurde von der Bundesversammlung am 6. März 1991 genehmigt und trat für die Schweiz am 25. April 1991 in Kraft. Ihr Art. 1 Ziff. 1 sieht analog dem Lissabonner Übereinkommen vor, dass jede vertragschliessende Partei für die Zulassung zu den in ihrem Gebiet gelegenen Universitäten, falls diese Zulassung der staatlichen Kontrolle unterliegt, die Gleichwertigkeit der im Gebiet jedes anderen Signatarstaats erteilten Zeugnisse anerkennt, deren Besitz für ihre Inhaber die Voraussetzung für die Zulassung zu den entsprechenden Anstalten des Landes bildet, in dem diese Zeugnisse erteilt wurden; Ziffer 4 hält fest, dass der vertragschliessende Staat den Wortlaut der Konvention den Universitäten, deren Zulassung nicht der staatlichen Kontrolle unterliegt, übermittelt und sich dafür einsetzt, dass die genannten Universitäten die entsprechenden Grundsätze ebenfalls beachten.
BGE 140 II 185 S. 190

4.

4.1 Die kantonalen Instanzen sind davon ausgegangen, das Lissabonner Übereinkommen sei nicht "self-executing", weshalb sich daraus kein Zulassungsanspruch herleiten lasse. Sie haben sich für diese Auffassung im Wesentlichen auf die Botschaft des Bundesrats vom 17. September 1990 über Massnahmen für die internationale Zusammenarbeit im Bereich der höheren Bildung und für die Mobilitätsförderung (BBl 1990 III 1059) gestützt, mit welcher unter anderem beantragt wurde, die Europaratskonvention Nr. 15 zu genehmigen. Der Bundesrat hat dort unter Bezugnahme auf deren Art. 1 Ziff. 1 und 4 ausgeführt, es handle sich dabei nicht um einen unmittelbar anwendbaren ("non-self-executing") Vertrag, weshalb der innerstaatlichen Kompetenzaufteilung und namentlich der traditionellen Autonomie der Universitäten Rechnung getragen werde (a.a.O., 1072 Ziff. 126, 1096 Ziff. 61). Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 6. März 1991, mit welchem die Konvention genehmigt wurde (AS 1991 2000), verlangte dementsprechend, dass der Bundesrat beim Beitritt die Erklärung abgebe, dass "der verfassungsmässigen Zuständigkeit der Kantone im Bildungswesen sowie der Hochschulautonomie bei der Anwendung der Konventionen Rechnung zu tragen" sei. Gestützt auf diese Botschaft hat auch das Bundesgericht erkannt, dass die Europaratskonvention Nr. 15 nicht unmittelbar anwendbar ist (Urteil 2A.331/2002 vom 24. Januar 2003 E. 6.2).

4.2 Zu Recht kritisiert der Beschwerdeführer die Auffassung, das Lissabonner Übereinkommen sei - wie die Europaratskonvention Nr. 15 - im hier interessierenden Punkt nicht "self-executing": Eine staatsvertragliche Bestimmung ist praxisgemäss direkt anwendbar, wenn sie inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides bilden zu können. Die Norm muss mithin justiziabel sein, d.h. es müssen die Rechte und Pflichten des Einzelnen umschrieben und der Adressat der Norm die rechtsanwendenden Behörden sein. Wie es sich damit verhält, ist von diesen zu bestimmen (BGE 136 I 297 E. 8.1; BGE 133 I 286 E. 3.2; BGE 124 III 90 E. 3a S. 91). Das Lissabonner Übereinkommen als gemeinsames Abkommen im Rahmen des Europarats und der UNESCO beruht mit Art. IV.1 auf dem Prinzip der Akzeptanz ("acceptance") der im Ausland erworbenen Qualifikationen. Neu müssen die Transparenz und Fairness des jeweiligen Anerkennungsentscheids bzw. eine allfällige Ablehnung ausländischer Diplome als gerecht, nicht diskriminierend und im Gebiete des Abkommens stehend
BGE 140 II 185 S. 191
nachgewiesen werden. Jeder Mitgliedstaat hat zwar die Möglichkeit, die wesentlichen Unterschiede ("substantial differences") ausländischer Studienleistungen zum eigenen Studiensystem selbst zu definieren und gewisse Ergänzungen zu verlangen, doch liegt die Beweislast, dass ein Antrag die vermutete Äquivalenz bzw. die entsprechenden Voraussetzungen zwischen den Unterzeichnerstaaten nicht erfüllt, bei der die Bewertung durchführenden Stelle (Art. III.3). Die im Übereinkommen vorgesehenen Rechte und Erleichterungen werden durch entsprechende verfahrensrechtliche Garantien gesichert (vgl. Art. III.5). Es ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass das Prinzip der Akzeptanz bzw. (wechselseitigen) Anerkennung - wesentliche Unterschiede vorbehalten - von den Antragstellern direkt geltend gemacht werden kann und Art. IV.1 "self-executing"-Wirkung im Sinne der Rechtsprechung hat. Dies gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Zuständigkeit für die Anerkennungsangelegenheiten an sich in der Kompetenz der Gliedstaaten, d.h. der Kantone bzw. deren Anstalten, liegt (vgl. Art. II.1). Als Prinzip gilt die Gleichwertigkeit der Hochschulreifezeugnisse, Ausnahmen bedürfen eines gewichtigen Unterschieds. Ob ein solcher konkret vorliegt, ist eine justiziable Frage (a.M. jedoch ohne weitere Begründung PFENNINGER-HIRSCHI/HAFNER, § 24 Ausländische Schulkinder und ausländische Studierende, in: Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, S. 1267 ff., dort N. 24.56 und 24.57).

4.3 Die Unterzeichnung des Lissabonner Übereinkommens seitens des Bundesrats ohne Genehmigungsvorbehalt zugunsten des Parlaments beruht auf den Kompetenzen, die dem Bund (Art. 1) und der Regierung (Art. 2) im Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Bildung, der Berufsbildung, der Jugend und der Mobilitätsförderung (SR 414.51) eingeräumt worden sind. Bereits zuvor war der Bundesrat zum Abschluss solcher Verträge ermächtigt (AS 1991 1972); der entsprechende Bundesbeschluss vom 22. März 1991 ist durch die neue gesetzliche Regelung ersetzt worden (Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes). Die Universitäten wurden vor Beitritt zum Abkommen konsultiert und haben diesem zugestimmt (vgl. PFENNINGER-HIRSCHI/HAFNER, a.a.O., N. 24.55). Ihre Autonomie wird dadurch nicht beeinträchtigt; sie haben nach wie vor die Möglichkeit, den Zugang aufgrund einer sachlich belegten, diskriminierungsfrei festgestellten tatsächlich fehlenden Äquivalenz im Einzelfall zu beschränken. Im Unterschied zur
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Europaratskonvention Nr. 15 hat der Bundesrat beim Lissabonner Abkommen darauf verzichtet, eine Erklärung abzugeben, wonach die Hochschulautonomie bei dessen Anwendung vorbehalten bleibe (vgl. die Erklärungen zu SR 0.414.1 einerseits und zu 0.414.8 andererseits), sodass nicht unter Hinweis auf die bundesrätliche Botschaft zum älteren Abkommen die direkte Anwendbarkeit von Art. IV.1 und des Grundsatzes der Akzeptanz verneint werden kann.

5.

5.1 Die Rektorenkonferenz der Schweizerischen Universitäten hat in ihren Empfehlungen vom 7. September 2007 die Anforderungen an die Akzeptanz ausländischer Zeugnisse in Anlehnung an die Erfordernisse gemäss der Maturitätsverordnung näher umschrieben. Dabei behielt sie jedoch ausdrücklich die Zulassungsbestimmungen der jeweiligen Universität vor; im Einzelfall gingen diese ihren Länderbewertungen vor. Als Grundsatz gilt, dass der ausländische Vorbildungsausweis im ausstellenden Land (1) den höchstmöglichen Mittelschul- bzw. Gymnasiumsabschlussgrad darstellt, (2) im ausstellenden Land den allgemeinen Zugang zum universitären Studium ermöglicht, (3) in einem unverkürzten, in der Regel im Klassenverband absolvierten Ausbildungsgang erworben worden ist, (4) altsprachlicher, neusprachlicher, geistes-sozialwissenschaftlicher oder mathematisch-naturwissenschaftlicher Natur ist und (5) allgemeinbildenden Charakter hat. Ziffer 2.2.1 der Zulassungsrichtlinien der Universität Luzern für das Studienjahr 2012/2013 sieht in diesem Zusammenhang vor:
Kategorie
Fach
1
Erstsprache
Muttersprache
2
Zweitsprache
frei wählbar
3
Mathematik
Mathematik
4
Naturwissenschaften
Biologie, Chemie oder Physik
5
Sozial - Geisteswissenschaften
Geografie, Geschichte oder Wirtschaft/Recht
6
zusätzlich
1 Fach aus Kategorie 2, 4 oder 5

5.2 Die kantonalen Instanzen sind davon ausgegangen, der Beschwerdeführer erfülle die Anforderungen in Naturwissenschaften
BGE 140 II 185 S. 193
nicht (Kategorie 4). Er habe zwar Unterricht in Physik erhalten, jedoch nicht während durchgehend dreier Jahre. Die Physik sei gemäss der Maturitätsverordnung ein Grundlagenfach und werde als Teil der Naturwissenschaften unterrichtet, zu welchen auch die Fächer Biologie und Chemie zählten, wobei die Unterrichtszeit in Naturwissenschaften zusammen mit dem Fach Mathematik einen Anteil von 25-35 % des gesamten Unterrichts umfassen müsse (Art. 9 Abs. 2 lit. g i.V.m. Art. 11 der Verordnung vom 15. Februar 1995 über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen [MAV; SR 413.11]). Das Verwaltungsgericht verkennt mit dieser Argumentation Sinn und Zweck des Grundsatzes der Äquivalenz, wie ihn Art. IV.1 des Übereinkommens in Fällen wie dem vorliegenden statuiert, in denen die Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg erworben worden ist. Werden die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschulbildung in einem anderen Konventionsstaat erfüllt, darf der Zugang nur verweigert werden, "sofern nicht ein wesentlicher Unterschied" zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in den Vertragsparteien besteht. Dabei darf nicht ein zu strenger Massstab angewendet werden, sollen Sinn und Zweck der Hochschulmobilität im europäischen Raum nicht übermässig erschwert und die Äquivalenz wiederum der jeweiligen nationalen bzw. kantonalen Regelung anheimgestellt werden.

5.3 Ziffer 2.2.1 der Zulassungsrichtlinien 2012/2013 sieht unter Kategorie 4 (Naturwissenschaften) vor, dass der Unterricht die Fächer Biologie, Chemie oder Physik umfasst haben muss. Nach der Empfehlung der CRUS vom 7. September 2007 für die Bewertung ausländischer Reifezeugnisse soll es zulässig sein, während der drei Jahre "verschiedene Fächer dieser Kategorie zu belegen (z.B. Kategorie 4: in den ersten beiden Jahren Biologie und im dritten Jahr Chemie)", wenn innerhalb einer Kategorie mehrere Fächer zur Auswahl stehen. Nach der Länderliste gilt für die Äquivalenz für Deutschland an der Uni Luzern "das Reifezeugnis mit Notendurchschnitt 2,5 oder Studienplatznachweis einer anerkannten Universität im Herkunftsland des Reifezeugnisses". Gemäss einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 4. Dezember 2012 umfasst das vom Beschwerdeführer belegte Fach "Technologie" schwerpunktmässig naturwissenschaftliche Lerninhalte aus Physik und Chemie; in Deutschland berechtigt die an der Berufsoberschule in Bayern erworbene Allgemeine Hochschulreife grundsätzlich zum Studium aller Fachrichtungen an
BGE 140 II 185 S. 194
Hochschulen und Universitäten. Unter diesen Umständen ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese hat zu prüfen, ob die nach den kantonalen Regeln verneinte Äquivalenz im spezifischen Einzelfall auf einem Unterschied beruht, der legitimerweise als "wesentlich" im Sinne der - wie dargelegt - direkt anwendbaren Regelung von Art. VI.1 oder einer anderen Ausschlussbestimmung gelten kann und den Umständen des Falles (zweiter Bildungsweg) angemessen erscheint.

Inhalt

Ganzes Dokument:
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 2 3 4 5

Referenzen

BGE: 136 I 297, 133 I 286, 124 III 90

Artikel: Art. 22 UFG, Art. 60 ff. ZGB, Art. 11 der Verordnung vom 15. Februar 1995 über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen [MAV; SR 413.11]

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