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Urteilskopf

141 II 307


23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Gemeinde U. und WEKO gegen Gemeinde U. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_919/2014 / 2C_920/2014 vom 21. August 2015

Regeste

Art. 89, 95 und 110 BGG, Art. 3, 5 und 9 Abs. 2bis BGBM. Öffentliches Beschaffungsrecht; Einladungsverfahren; Beschwerdebefugnis der Anbieterin, die an einem Einladungsverfahren teilgenommen hat; Rechtsanwendung von Amtes wegen.
Zulässigkeit des Einladungsverfahrens (E. 5).
Die Beschwerdelegitimation richtet sich auch für das kantonale Verfahren mindestens nach Art. 89 BGG. Das schutzwürdige Interesse, welches die Legitimation begründet, besteht dabei im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn die Beschwerdeführerin mit ihren Anliegen obsiegt. Sind die Voraussetzungen von Art. 89 BGG erfüllt, ist die Beschwerdeführerin mit sämtlichen in Art. 95 BGG vorgesehenen Rügen zum Verfahren zugelassen. Diese allgemeinen Regeln gelten auch im Beschaffungsrecht (E. 6.1- 6.4). Muss das gesamte Verfahren wiederholt werden, könnte die im Einladungsverfahren unterlegene Anbieterin ein neues Angebot einreichen und ihre Chancen auf den Zuschlag erhöhen sich; es entsteht ihr ein praktischer Nutzen. Sie ist deshalb befugt, die Durchführung eines offenen Verfahrens zu beantragen. Tritt das kantonale Gericht auf die Beschwerde ein, hat es das Recht von Amtes wegen anzuwenden und muss offensichtliche rechtliche Mängel bei der Wahl des Vergabeverfahrens selbst ohne entsprechende Rüge der Beschwerdeführerin beseitigen (E. 6.5-6.8).

Sachverhalt ab Seite 308

BGE 141 II 307 S. 308

A. Die Gemeinde U. lud mit Schreiben vom 6. Februar 2014 sechs Unternehmen, worunter die B. AG und die C. AG, ein, eine Offerte für die Beschaffung, Installation und Einführung von Gemeinde-Fachapplikationen (neue Softwareinfrastruktur) einzureichen. Innert Frist gingen fünf Angebote ein, worunter je eines der Firma B. AG und der A. AG, welche durch Vermittlung der C. AG offeriert hatte und in der Folge ebenfalls zum Verfahren zugelassen worden war. Am 28. April 2014 erteilte die Gemeinde den Zuschlag der Firma B. AG.

B. Dagegen erhob die A. AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und beantragte, die angefochtene Vergabe
BGE 141 II 307 S. 309
aufzuheben und den Zuschlag an sie zu erteilen, eventuell die Sache zu neuer Entscheidung, subeventuell zur Durchführung einer Ausschreibung im offenen Verfahren, an die Vergabestelle zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht untersagte mit Präsidialverfügung vom 14. Mai 2014 der Gemeinde einstweilen, den Vertrag abzuschliessen. Mit Urteil vom 28. August 2014 wies es sodann die Beschwerde ab. Es erwog, die Anbieterin sei zur Rüge, es sei zu Unrecht ein Einladungsverfahren durchgeführt worden, nicht legitimiert, da sie dadurch keine Nachteile erlitten habe. Die Vergabe sei auch materiell nicht zu beanstanden.

C.

C.a Die A. AG erhob am 6. Oktober 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_919/2014) mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vergabestelle zurückzuweisen, wobei diese anzuweisen sei, die Bewertung der Kriterien Lösungskonzept sowie Wirtschaftlichkeit und Kosten in einer für die Anbieter nachvollziehbaren Weise nachzuholen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vergabestelle zur Durchführung einer neuen Ausschreibung im offenen Verfahren durchzuführen, subeventualiter sei festzustellen, dass der angefochtene Entscheid rechtswidrig sei. (...)

C.b Die Wettbewerbskommission (nachfolgend: WEKO) erhob am 6. Oktober 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_920/2014) mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil den freien Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränkt.

C.c Das Verwaltungsgericht beantragt, beide Beschwerden abzuweisen. Die Gemeinde U. beantragt, auf die Beschwerde der A. AG sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen; die Beschwerde der WEKO sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die B. AG hat keine Stellungnahme eingereicht. (...)
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde im Verfahren 2C_919/2014 nicht ein. Die Beschwerde im Verfahren 2C_920/2014 heisst das Bundesgericht in dem Sinne gut, als festgestellt wird, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Bundesrecht verletzt hat, indem es den Antrag auf Rückweisung zur Durchführung eines offenen Verfahrens nicht beurteilt hat.
(Auszug)
BGE 141 II 307 S. 310

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Gemäss Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02) sorgen Kantone und Gemeinden sowie andere Träger kantonaler und kommunaler Aufgaben dafür, dass die Vorhaben für umfangreiche öffentliche Einkäufe, Dienstleistungen und Bauten sowie die Kriterien für Teilnahme und Zuschlag amtlich publiziert werden. Sie berücksichtigen dabei die vom Bund eingegangenen staatsvertraglichen Verpflichtungen. Das Übereinkommen vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement der WTO [GPA; SR 0.632.231.422]) findet gemäss seinem Art. I Abs. 1 i.V.m. Anhang I Annex 2 i.V.m. Art. 2 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68) auch auf die Vergabeverfahren der schweizerischen Gemeinden Anwendung, sofern die darin genannten Schwellenwerte (für Lieferungen und Dienstleistungen Fr. 200'000.-) überschritten werden. Es sieht in seinem Art. VII die drei Verfahrensarten des offenen, des selektiven und des freihändigen Verfahrens vor. Ausser in den Fällen, in denen nach Art. XV das freihändige Verfahren zulässig ist, veröffentlichen die Beschaffungsstellen für jede geplante Beschaffung eine Einladung zur Teilnahme (Art. IX Abs. 1 GPA). Diese Vorgaben werden für kantonale und kommunale Beschaffungen durch Art. 12 Abs. 1, Art. 12bis Abs. 1 sowie Anhang 1 der Interkantonalen Vereinbarung vom 25. November 1994/15. März 2001 über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB; AS 2003 196) umgesetzt. Die IVöB kennt daneben das Einladungsverfahren, in welchem die geplante Beschaffung nicht öffentlich ausgeschrieben wird, sondern die Vergabestelle eine Anzahl von Anbietern direkt zur Angebotsabgabe einlädt (Art. 12 Abs. 1 lit. bbis IVöB). Dieses Einladungsverfahren ist gemäss Art. 12bis Abs. 2 IVöB nur im Nicht-Staatsvertragsbereich und unterhalb der Schwellenwerte gemäss Anhang 2 IVöB zulässig (für Lieferungen und Dienstleistungen Fr. 250'000.-).

5.2 Vorliegend hatte die Gemeinde das Einladungsverfahren gewählt. In ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht hatte die A. AG subeventualiter beantragt, die Sache sei zur Durchführung einer Ausschreibung im offenen Verfahren an die Gemeinde zurückzuweisen. Sie begründete dies damit, der Schwellenwert von Fr. 250'000.- sei
BGE 141 II 307 S. 311
überschritten, so dass das Einladungsverfahren nicht zulässig sei. Das Verwaltungsgericht erwog, die Beschwerdeführerin sei zum Verfahren zugelassen worden; es erwachse ihr aus der Durchführung des Einladungsverfahrens kein Nachteil. Sie sei daher nicht berechtigt zu rügen, die Submission sei zu Unrecht im Einladungsverfahren erfolgt.

5.3 Die WEKO trägt vor, die streitige Beschaffung liege über dem massgeblichen Schwellenwert und hätte gemäss Art. 5 Abs. 2 BGBM amtlich publiziert werden müssen. Die Durchführung des Einladungsverfahrens verstosse gegen Art. 5 BGBM. Gemäss Art. 16 IVöB sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 BGBM müsse es einer beschwerdelegitimierten Partei möglich sein, einen Rechtsverstoss gegen Art. 5 BGBM geltend zu machen. Indem das Verwaltungsgericht gestützt auf das kantonale Verfahrensrecht diese Prüfung verweigert habe, verletze es das BGBM und damit auch Art. 49 BV. Das Verwaltungsgericht hätte von Amtes wegen prüfen müssen, ob das Einladungsverfahren zulässig gewesen sei oder eine öffentliche Ausschreibung erforderlich gewesen wäre. Nur so könne eine Umgehung von Art. 5 BGBM wirksam verhindert werden. Mit der Konzeption des Verwaltungsgerichts könnte die falsche Wahl einer Vergabeart nie gerichtlich angefochten werden, da die nicht zugelassenen Dritten mangels Kenntnis des Verfahrens faktisch keine Möglichkeit zur Anfechtung hätten und die eingeladenen die falsche Wahl der Vergabeart nicht rügen könnten.

5.4 Die Beschwerdegegnerin ist demgegenüber der Auffassung, die Wahl des Einladungsverfahrens sei zulässig gewesen, da die ex ante geschätzten Kosten des Projekts unter dem Schwellenwert gelegen seien. Zudem sei der Rechtsschutz gewährleistet. Es sei nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz gestützt auf das kantonale Verfahrensrecht angenommen habe, die A. AG habe kein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung der Frage, ob anstelle des Einladungsverfahrens eine Ausschreibung hätte erfolgen müssen.

6.

6.1 Die WEKO wie auch die Beschwerdegegnerin gehen davon aus, dass sich die Legitimation zur Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht nach kantonalem Recht richte. Das ist insofern zu präzisieren, als nach Art. 111 Abs. 1 BGG die Legitimation im kantonalen Verfahren mindestens so weit gefasst sein muss wie vor Bundesgericht. Da gegen Entscheide im Bereich des öffentlichen
BGE 141 II 307 S. 312
Beschaffungswesens unter gewissen Voraussetzungen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig ist, muss zumindest dann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, auch vor dem kantonalen Verwaltungsgericht die Legitimation des nicht berücksichtigten Anbieters von Bundesrechts wegen mindestens im gleichen Umfang wie nach Art. 89 BGG zugelassen werden (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 642 f. Rz. 1298; POLTIER/CLERC, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 94 zu Art. 9 BGBM). Nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde legitimiert, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Ob das kantonale Recht diese Mindestanforderungen einhält, ist als Frage des Bundesrechts vom Bundesgericht frei zu prüfen (Art. 95 lit. a BGG; Urteil 2C_596/2014 vom 6. März 2015 E. 2.2).

6.2 Das die Legitimation begründende schutzwürdige Interesse besteht im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn der Beschwerdeführer mit seinem Anliegen obsiegt und dadurch seine tatsächliche oder rechtliche Situation unmittelbar beeinflusst werden kann. Die Beschwerde dient nicht dazu, abstrakt die objektive Rechtmässigkeit des staatlichen Handelns zu überprüfen, sondern dem Beschwerdeführer einen praktischen Vorteil zu verschaffen. Das blosse Anliegen, dem Prozessgegner einen (behaupteterweise) rechtswidrigen Vorteil zu verwehren, kann nicht zur Legitimation ausreichen, wenn es nicht mit einem eigenen schutzwürdigen Vorteil für den Beschwerdeführer korreliert (BGE 141 II 14 E. 4.4 S. 29 f.).

6.3 Für das Beschaffungsrecht gilt keine Sonderregelung. Die einschlägigen internationalen Abkommen (Art. XX GPA; Art. 5 und Anhang V des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens) sehen zwar eine Beschwerdemöglichkeit der "Anbieter" vor, regeln aber nicht im Einzelnen, wer unter welchen Voraussetzungen zur Beschwerde legitimiert ist; dies richtet sich nach nationalem Recht. Auch der von der WEKO angerufene Art. 9 BGBM enthält - abgesehen von der Beschwerdebefugnis der WEKO (Abs. 2bis) - keine
BGE 141 II 307 S. 313
Sonderregeln zur Legitimation; diese richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Regeln (BGE 141 II 14 E. 2.3 S. 25 f.; BGE 137 II 313 E. 3.2 S. 320; MARTIN BEYELER, Öffentliche Beschaffung, Vergaberecht und Schadenersatz, 2004, S. 311 f. Rz. 399; THOMAS LOCHER, Wirkungen des Zuschlags auf den Vertrag im Vergaberecht, 2013, S. 168; ETIENNE POLTIER, Droit des marchés publics, 2014, S. 259 f.). Nach Art. 89 Abs. 1 BGG bzw. Art. 48 Abs. 1 VwVG (SR 172.021) kann die Legitimation nur bejaht werden, wenn dem Beschwerdeführer bei Gutheissung seiner Begehren ein effektiver praktischer Vorteil erwächst (BGE 141 II 14 E. 4.5 S. 30). Das Interesse des nicht berücksichtigten Anbieters ist in der Regel primär darauf gerichtet, anstelle des Zuschlagsempfängers selber den Zuschlag zu erhalten. Sekundär besteht ein Feststellungsanspruch, wenn sich das Rechtsmittel als begründet erweist, aber mit dem Anbieter bereits ein Vertrag abgeschlossen worden ist (Art. 9 Abs. 3 BGBM; Art. 18 Abs. 2 IVöB; BGE 132 I 86 E. 3 S. 87 ff.). Der Feststellungsentscheid eröffnet dem nicht berücksichtigten Anbieter gegebenenfalls einen Schadenersatzanspruch (Art. XX Ziff. 7 lit. c GPA; Art. 34 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen [BöB; SR 172.056.1]). Die Legitimation sowohl für den Primäranspruch auf Aufhebung des Zuschlags als auch für den sekundären Anspruch auf Schadenersatz setzt voraus, dass der nicht berücksichtigte Anbieter bei Obsiegen seiner Anträge eine reelle Chance auf den Zuschlag hätte (BGE 141 II 14 E. 4.6-4.8 S. 31 ff.). Ferner ist legitimiert, wer zu Unrecht gar nicht die Möglichkeit erhalten hat, am Verfahren teilzunehmen (Art. 89 Abs. 1 lit. a zweite Satzhälfte BGG). Ein nicht eingeladener potenzieller Anbieter kann Beschwerde erheben und geltend machen, es sei zu Unrecht ein freihändiges oder Einladungsverfahren durchgeführt und ihm so die Einreichung eines Angebots verunmöglicht worden, sofern er geltend macht, dass er das zu beschaffende Produkt hätte anbieten können (BGE 137 II 313 E. 3.3.2 S. 321 f.; LOCHER, a.a.O., S. 174 ff.; KASPAR LUGINBÜHL, Die Beschaffungsbeschwerde, 2014, S. 70 f.; POLTIER, a.a.O., S. 262 Rz. 408). Hier zur Diskussion steht jedoch, ob auch ein eingeladener Anbieter, der am Verfahren teilgenommen und ein Angebot eingereicht hat, geltend machen kann, es hätte anstelle des Einladungsverfahrens ein offenes Verfahren durchgeführt werden müssen.

6.4 Die Vorinstanz hat erwogen, die Anbieterin sei zum Einladungsverfahren zugelassen gewesen und habe aus dessen Durchführung
BGE 141 II 307 S. 314
anstelle des offenen oder selektiven Vergabeverfahrens keinen Nachteil erlitten. Sie sei deshalb zur Rüge, die Submission sei zu Unrecht im Einladungsverfahren erfolgt, nicht legitimiert. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Mit ihrer rügespezifischen Beurteilung vermengt die Vorinstanz Beschwerdelegitimation (bzw. Beschwerdebefugnis) und Beschwerdegründe. Die Beschwerdelegitimation richtet sich ausschliesslich nach Art. 89 BGG. Sind dessen Voraussetzungen wie hier erfüllt, ist die Beschwerdeführerin mit sämtlichen der in Art. 95 ff. BGG aufgeführten Rügen zum Verfahren zuzulassen (BGE 137 II 30 E. 2.3 S. 34). Die Beschwerdeführerin kann daher die Überprüfung des angefochtenen Entscheids im Lichte all jener Rechtssätze verlangen, die sich rechtlich oder tatsächlich in dem Sinne auf ihre Stellung auswirken, dass ihr im Falle des Obsiegens ein praktischer Nutzen entsteht.

6.5 Ist auf eine Beschwerde einzutreten, muss sodann nach Art. 110 BGG mindestens eine gerichtliche Instanz im Kanton das Recht von Amtes wegen anwenden. Das gilt auch in Submissionsangelegenheiten (POLTIER/CLERC, a.a.O., N. 105 zu Art. 5 BGBM), hier für das zürcherische Verwaltungsgericht, da es als einzige gerichtliche Instanz im Kanton entscheidet. Art. 110 BGG schliesst zwar nicht aus, dass eine Beschwerde - wie auch vor Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht (Art. 52 VwVG, Art. 42 BGG) - als Zulässigkeitsvoraussetzung überhaupt eine rechtliche Begründung enthalten muss (BERNARD CORBOZ, Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 22 zu Art. 110 BGG; BERNHARD EHRENZELLER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 20 zu Art. 110 BGG; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 2012, S. 274 Rz. 1135 und S. 292). Daraus wird abgeleitet, dass eine Rechtsmittelinstanz trotz Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht verpflichtet ist, wie eine erstinstanzliche Behörde alle möglicherweise relevanten Rechtsfragen von Amtes wegen aufzugreifen, sondern sie sich grundsätzlich darauf beschränken kann, sich mit den Argumentationen der Parteien auseinanderzusetzen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; CORBOZ, a.a.O., N. 30 zu Art. 106 BGG; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, a.a.O., S. 30 Rz. 101 und S. 275 Rz. 1139; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 54 f. Rz. 159; MOOR/POLTIER, Droit administratif, Bd. II, 3. Aufl. 2011, S. 300 f. und 820 f.). Indessen ist eine eigentliche Rügepflicht, wie sie vor
BGE 141 II 307 S. 315
Bundesgericht in bestimmten Fällen gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG), im kantonalen Verfahren nicht zulässig (EHRENZELLER, a.a.O., N. 19 zu Art. 110 BGG).

6.6 Im Submissionsrecht ist die legitimationsbegründende Interessenlage des nicht berücksichtigen Anbieters in dem Sinne von dessen Vorbringen abhängig, als er beantragen muss, dass die vor ihm platzierten Anbieter ausgeschlossen oder tiefer rangiert werden, so dass seine eigene reelle Chance auf den Zuschlag erhöht wird (BGE 141 II 14 E. 4.7 und 4.8 S. 31 ff.). Rügt der Anbieter formelle Mängel, verfügt er nur dann über ein schutzwürdiges Interesse, wenn sich durch die Gutheissung der Beschwerde seine Rechtsstellung verbessert. Wurden z.B. in einem Einladungsverfahren zu wenige Anbieter eingeladen, so kann der nicht berücksichtigte Anbieter kein schutzwürdiges Interesse daran haben, dass neben den zugelassenen Anbietern noch weitere Anbieter am Verfahren teilnehmen können; denn dadurch wird seine eigene Chance auf den Zuschlag nicht grösser, sondern noch kleiner (DOMINIK KUONEN, Das Einladungsverfahren im öffentlichen Beschaffungsrecht, 2005, S. 229; ROBERT WOLF, Die Beschwerde gegen Vergabeentscheide, ZBl 104/2003 S. 13 f. insb. Fn. 69). Anders präsentiert sich die Situation jedoch, wenn der unterlegene Anbieter derart schwere Verfahrens- oder Zuständigkeitsmängel formeller Natur geltend macht, die eine Wiederholung des ganzen Verfahrens zur Folge haben. In einem neuen Verfahren könnte er ein neues Angebot einreichen und seine Chancen auf den Zuschlag erhöhen sich dadurch. Die Beschwerdelegitimation des unterlegenen Anbieters muss in dem Fall bejaht werden (Urteile 2P.261/2002 vom 8. August 2003 E. 4.6; 2P.176/2003 vom 6. Februar 2004 E. 3.3; vgl. BGE 141 II 14 E. 4.7 S. 33 f. in fine; BEYELER, a.a.O., S. 316 f.; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 646 f.; WOLF, a.a.O., S. 11, 14; KUONEN, a.a.O., S. 225, 229; MARTIN BERTSCHI, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Alain Griffel [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 42 zu § 21 VRG).

6.7 Vorliegend hat die unterlegene Anbieterin primär den Zuschlag an sich beantragt; subeventualiter hat sie beantragt, die Sache sei zur Durchführung eines offenen Verfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht erwog zunächst, nicht berücksichtigte Anbieter seien zur Beschwerde befugt, wenn sie bei Gutheissung eine realistische Chance haben, mit dem eigenen Angebot zum Zuge zu kommen, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde zu einer Wiederholung des Submissionsverfahrens führte,
BGE 141 II 307 S. 316
in welchem sie ein neues Angebot einreichen können. Dies steht im Einklang mit dem vorne (E. 6.6) Dargelegten. Alsdann erwog die Vorinstanz jedoch, die A. AG sei zur Rüge, die Vergabe sei zu Unrecht im Einladungsverfahren erfolgt, nicht befugt, da ihr aus der Durchführung der Vergabe im Einladungsverfahren kein Nachteil entstanden sei. Das ist zwar insofern richtig, als die Anbieterin am Einladungsverfahren teilnehmen konnte. Massgebend ist jedoch nicht, ob ihr durch die bisherige Durchführung des Verfahrens ein Nachteil entstanden ist, sondern ob sie aus dem Obsiegen ihrer Anträge einen praktischen Nutzen erzielen könnte (vorne E. 6.2 und 6.4). Bei Obsiegen ihres Subeventualantrags auf Wiederholung des Verfahrens hätte die Anbieterin ein neues Angebot einreichen können und damit ihre Chance auf den Zuschlag gewahrt. Sie hätte damit einen praktischen Nutzen gehabt (vorne E. 6.6). Die unterlegene Anbieterin war somit zum Antrag, die Sache sei zur Durchführung eines offenen Verfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, ebenfalls befugt. Ist auf die Beschwerde einzutreten, muss die Vorinstanz in der Folge das Recht von Amtes wegen anwenden, falls sich für entsprechende Fehler Anhaltspunkte aus den Parteivorbringen oder den Akten ergeben oder die rechtlichen Mängel offensichtlich sind (E. 6.5). Die Beseitigung offensichtlicher Mängel durch die richterlichen Behörden soll sicherstellen, dass nicht aufgrund fehlerhafter Voraussetzungen Recht gesprochen wird. Im vorliegenden Fall bestehen offenkundige Hinweise für die Wahl des falschen Vergabeverfahrens (nicht publ. E. 2.3), so dass die Vorinstanz diesen rechtlichen Mangel selbst ohne entsprechende Rüge des Beschwerdeführers hätte berücksichtigen müssen (vgl. zur kantonalen Praxis GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 150 f. Rz. 337 f.). Aus Treu und Glauben mag sich umgekehrt zwar ergeben, dass offensichtliche Mängel frühzeitig schon bei der Ausschreibung zu beanstanden wären. Angesichts des Zeitdrucks, der beschränkten Rechtskenntnisse der Anbietenden sowie der Furcht vor der Verringerung der Chancen im Vergabeverfahren sind hier allerdings keine strengen Anforderungen zu stellen (BGE 130 I 241 E. 4.3 S. 246 f.; vgl. GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 290 Rz. 668; WOLF, a.a.O., S. 10).

6.8 Eine andere Frage ist, ob ein kantonales Gericht auch dann einen Vergabeentscheid wegen falscher Wahl des Vergabeverfahrens von Amtes wegen aufheben muss, wenn kein legitimierter Beschwerdeführer diesen Antrag gestellt hat. Das ist nicht eine Frage der Rechtsanwendung von Amtes wegen, sondern eine Frage der Bindung an die
BGE 141 II 307 S. 317
Parteianträge. Auch der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen gilt nur im Rahmen des Streitgegenstands, der dem Gericht zur Entscheidung vorliegt (Urteile 2C_356/2013 vom 17. März 2014 E. 6.1; 2C_124/2013 vom 25. November 2013 E. 2.2.2, in: ASA 82 S. 379). Auf die Frage, ob eine Aufhebung des Verfahrens von Amtes wegen den Streitgegenstand unzulässig ausdehnen würde, wenn kein solcher Antrag gestellt wurde, braucht hier jedoch nicht eingegangen zu werden; denn die Anbieterin hat subeventualiter den Antrag auf Rückweisung zur Durchführung eines offenen Verfahrens gestellt.

6.9 Die Beschwerde der WEKO ist somit in dem Sinne gutzuheissen, als festzustellen ist, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Antrag auf Rückweisung zur Durchführung eines offenen Verfahrens nicht beurteilt hat.

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