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Urteilskopf

80 II 171


26. Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Juni 1954 i. S. Aswag A.-G. gegen Ri-Ri A.-G.

Regeste

Unlauterer Wettbewerb, Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG, nicht die Verwendung einer gemeinfreien Sachbezeichnung, selbst wenn diese mit der Marke eines Konkurrenten verwechselbar ist. Begriff der Sachbezeichnung.
Markenschutz, MSchG Art. 3. Nichtigkeit täuschender Marken.

Sachverhalt ab Seite 171

BGE 80 II 171 S. 171

A.- Die Aswag A.-G. und die Ri-Ri A.-G. brachten in den letzten Jahren neben den von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Reissverschlüssen neuartige Verschlüsse
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in den Handel, die sich von den eigentlichen Reissverschlüssen dadurch unterscheiden, dass der Schieber nicht die Verbindung oder Trennung zweier Zahnketten bewirkt, sondern auf einer einzigen Zahnkette gleitet und durch Hinunterdrücken der Lasche an jeder beliebigen Stelle festgeklemmt werden kann. Diese Verschlüsse dienen vor allem dazu, die Bundweite von Wickeljupes und Hosen verstellbar zu machen.
Für diese Art von Verschlüssen verwendet die Aswag A.-G. die Marke "Clix", die sie 1948 sowohl im schweizerischen wie im internationalen Markenregister für "Reissverschlüsse und deren Bestandteile" hatte eintragen lassen.
Die Ri-Ri A.-G. bezeichnet die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse in Prospekten, Rechnungen usw. mit "riri-Clip" oder "Clip" schlechthin.

B.- Die Aswag A.-G. erblickte in diesem Vorgehen der Ri-Ri A.-G. wegen Verwechselbarkeit der Bezeichnung "Clip" mit ihrer Marke "Clix" eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie unlauteren Wettbewerb. Sie erhob daher am 31. Juli 1953 gegen die Ri-Ri A.-G. Klage auf Feststellung, dass die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Clip" ihr Markenrecht verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ferner verlangte sie ein Verbot weiterer marken- und wettbewerbsmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte, Verurteilung derselben zur Bezahlung von Fr. 2000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteils.
Nach Einleitung des Prozesses, am 6. August 1953, liess die Klägerin das Wort "Clip" als Marke "für Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse aller Art" unter Nr. 147, 758 im schweizerischen Markenregister eintragen.
Die Beklagte bestritt die Begründetheit der Klage und erhob Widerklage auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin, weil "Clip" als Sachbezeichnung Gemeingut sei.

C.- Das Handelsgericht Zürich schützte mit Urteil vom 11. Dezember 1953 die wettbewerbsrechtlichen Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Klage in dem Sinne,
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dass die Verwendung des Wortes "Clip" zur Bezeichnung des ganzen Verschlusses oder unter schlagwortartiger Hervorhebung gegenüber dem weiteren Text einen unlauteren Wettbewerb darstelle und der Beklagten untersagt werde. Die auf Markenrecht gestützten Begehren dagegen wies es mangels markenmässiger Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte ab. Abgewiesen wurden schliesslich auch das Schadenersatz- und das Publikationsbegehren der Klägerin.
Die Widerklage der Beklagten auf Nichtigerklärung und Löschung der Marke "Clip" der Klägerin wurde geschützt.

D.- Gegen dieses Urteil erklärten beide Parteien die Berufung.
Die Beklagte beantragt vollumfängliche Abweisung der Klage, die Klägerin Bestätigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Klage und Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung ihrer Marke "Clip"; eventuell sei die Widerklage nur in dem Sinne zu schützen, dass die Warenliste durch die Worte "mit Ausnahme von Klammern bzw. Klemmen" eingeschränkt, subeventuell, dass sie auf Reissverschlüsse beschränkt werde.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Gegenstand der Hauptklage ist einzig noch die Frage, ob der nicht markenmässige Gebrauch der mit der Marke "Clix" der Klägerin verwechselbaren Bezeichnungen "Clip" und "riri-Clip" durch die Beklagte für die von ihr vertriebenen verstellbaren Verschlüsse einen unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG darstelle.
a) Diese Frage ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, zu verneinen, wenn "Clip" eine Sachbezeichnung, eine Beschaffenheitsangabe darstellt. Denn aus den gleichen Gründen, aus denen ein Geschäftsmann keine Markenschutzrechte zu erlangen vermag an Worten, die zur Bezeichnung einer Ware dienen oder auf ihre Eigenschaften hinweisen (BGE 79 II 102,BGE 70 II 243,BGE 70 I 196,BGE 63 II 426f.), kann er auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts
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einem Konkurrenten die Verwendung solcher Sachbezeichnungen nicht verwehren. Hier wie dort kann es nicht statthaft sein, dass er eine beschreibende Angabe der genannten Art für sich allein in Anspruch nimmt und sich so gegenüber seinen Konkurrenten einen geschäftlichen Vorsprung verschafft. Solche Sachbezeichnungen müssen als Gemeingut auch im Bereiche des Wettbewerbsrechtes dem allgemeinen Verkehr freigehalten werden, soweit nach dem Sprachgebrauch das Bedürfnis besteht, sie zur Bezeichnung einer Ware zur Verfügung zu haben. Jeder Wettbewerber muss die Möglichkeit haben, im Geschäftsverkehr, insbesondere in der Reklame und der Korrespondenz für die Bezeichnung seiner Ware diejenigen Ausdrücke zu verwenden, die ihre Beschaffenheit, ihre Eigenschaften, ihren Verwendungszweck beschreiben, ohne darin durch die Marke eines Konkurrenten behindert zu sein. Sonst würde diesem auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht ein Schutz gewährt, der durch die Markenrechtsgesetzgebung ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Verwechselbarkeit einer gemeinfreien Sachbezeichnung mit der Marke eines Konkurrenten ändert hieran nichts. Wer eine Marke wählt, die an eine gemeinfreie Sachbezeichnung anklingt und darum ein sog. schwaches Warenzeichen darstellt, hat die Folgen daraus hinzunehmen.
b) Ob ein Ausdruck als Beschaffenheitsangabe im vorstehenden Sinne zu gelten habe, ist gleichfalls nach den von der Rechtsprechung zum Markenrecht entwickelten Grundsätzen zu entscheiden, da die Gleichheit des Zweckes auch Übereinstimmung hinsichtlich des Begriffsinhaltes erheischt. Danach gilt als Beschaffenheitsangabe nicht schon jede entfernte Anspielung, bei der die sachliche Beziehung zur Ware erst unter Zuhilfenahme der Phantasie, auf dem Wege der Ideenverbindung, der Gedankenassoziation erkennbar wird. Vielmehr muss die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware stehen, dass sie unmittelbar auf eine bestimmte Beschaffenheit hinweist.
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2. Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz auf Grund des von der Beklagten vorgelegten Beweismaterials (Preislisten, Prospekte, Auskünfte von Warenhäusern usw.) festgestellt, dass auf dem Gebiete der Schreibartikel, der Bijouterie und der Lederwaren die Bezeichnung "Clip" heute in der Schweiz zur Sachbezeichnung für eine bestimmte Art des Verschlusses oder der Befestigung, nämlich für diejenige vermittels einer Klemmvorrichtung, geworden ist. So spricht man allgemein von "Clips" an Füllfederhaltern und Bleistiften und meint damit die Klemmen, mit der diese Gegenstände an der Taschenkante angesteckt werden. "Clip" heisst sodann auch der Halter, der dazu dient, die Kravatte am Hemd festzuklemmen, um ihr Flattern zu verhindern. Die Bezeichnung wird ferner verwendet für Verschlüsse von modischen Damenhandtaschen. Als "Clip" werden aber auch Schmuckstücke bezeichnet, die durch Festklemmen am Ohr, als Brosche an Damenkleidern oder als Agrafen an Damenhüten befestigt werden. In diesen letzteren Fällen gilt, wie die Vorinstanz darlegt, die Bezeichnung also für Gegenstände, bei denen die Klemmvorrichtung nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet. Die Klemmvorrichtung, die ursprünglich allein "Clip" hiess, ist zur Bezeichnung des ganzen Gegenstandes geworden, zu dessen Befestigung sie dient.
Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Kleiderverschlüsse ist die Vorinstanz dagegen zum Ergebnis gelangt, dass "Clip" sich bis heute noch nicht allgemein als Bezeichnung des ganzen Verschlusses eingelebt habe. Als "Clip" könne allenfalls der einen wesentlichen Bestandteil des Verschlusses bildende Schieber mit der Klemmvorrichtung gelten. Da dieser aber kaum sichtbar sei und darum an Bedeutung gegenüber der einem Reissverschluss ähnlichen Kette zurücktrete, bedürfe es für die Übertragung der Sachbezeichnung "Clip" auf den ganzen Verschluss eines nicht einfachen Denkvorganges unter Zuhilfenahme der Phantasie. Gestützt auf diese Erwägungen
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hat die Vorinstanz daher das Vorliegen einer Sachbezeichnung abgelehnt und die Verwendung der Bezeichnung "Clip" durch die Beklagte für den ganzen Verschluss als unlautere Wettbewerbshandlung erachtet. Weil der Schieber mit der Klemmvorrichtung für sich allein dem verkehrsüblichen Begriffe des "Clip" entspreche, hat sie es aber immerhin als zulässig erklärt, diesen Ausdruck ohne schlagwortartige Hervorhebung zu rein beschreibender Verwendung im laufenden Text zu gebrauchen.

3. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Sie beruht auf einer unrichtigen Problemstellung. Entgegen der Meinung der Vorinstanz kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Bezeichnung "Clip" für die in Frage stehenden Verschlüsse bereits allgemein gebräuchlich sei. Es können vielmehr auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein verständlicher Weise beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort, sobald es im Geschäftsverkehr beim Vertrieb der Ware gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als Hinweis auf die Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden kann (REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., S. 38).
Geht man nun davon aus, dass in verschiedenen Geschäftszweigen das Wort "Clip" in der Schweiz zur Sachbezeichnung für Klemmvorrichtungen geworden ist und sogar zur Bezeichnung von ganzen Gegenständen dient, die an Stelle bisher üblicher andersartiger Verschlüsse eine Klemmvorrichtung aufweisen, und zieht man anderseits in Betracht, dass das technisch wesentliche Merkmal, durch das sich die in Frage stehenden verstellbaren Verschlüsse vom bisherigen üblichen Reissverschluss unterscheiden, gerade in der allgemein als "Clip" bezeichneten Klemmvorrichtung besteht, so kann nicht zweifelhaft sein, dass auch bei verstellbaren Verschlüssen die Bezeichnung "Clip" als Sachbezeichnung angesehen werden muss.
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Einer besonderen Zuhilfenahme der Phantasie bedarf es entgegen der Meinung der Vorinstanz dazu nicht. Der Kunde, der von einem solchen "Clip"-Verschluss hört, wird auf Grund einer einfachen Überlegung ohne weiteres erkennen, dass es sich bei der so bezeichneten Verschlussart um einen mit einer Klemmvorrichtung ausgestatteten Verschluss handle. Das gilt in besonderem Masse auch für die nach den Ausführungen der Vorinstanz als Abnehmer in erster Linie in Betracht kommenden Kreise der Schneider und Hausfrauen. Diese betrachten den verstellbaren Verschluss als Unterart des Reissverschlusses, da es sich dabei, trotz der sonstigen technischen Verschiedenheit, ebenfalls um einen Verschluss handelt, bei dem ein Schieber auf einer Kette hin und her bewegt wird. Da der verstellbare Verschluss sich vom gewöhnlichen Reissverschluss gerade durch die bei einem solchen nicht vorhandene Klemmvorrichtung zur Arretierung an jeder beliebigen Stelle unterscheidet, liegt für ihn entsprechend dieser Funktion die Sachbezeichnung "Clip" nahe.
Dass die Klemmvorrichtung bei den verstellbaren Verschlüssen kaum sichtbar ist, hat entgegen der Meinung der Vorinstanz keine Bedeutung. Die Bezeichnung "Clip" hat sich im Verkehr auch durchgesetzt für Gegenstände, bei denen, wie namentlich bei Schmuckstücken (Ohr- und Broschenclips), die Klemmvorrichtung nicht nur nach Grösse und Wert nicht den Hauptbestandteil bildet, sondern auch nur noch zum Teil oder sogar überhaupt nicht mehr sichtbar ist.
Ist demnach das Wort "Clip" auch für den in Frage stehenden Verschluss als Sachbezeichnung anzusehen, so bedeutet seine Verwendung durch die Beklagte keinen unlauteren Wettbewerb. Das führt zur Gutheissung der Berufung der Beklagten auf gänzliche Abweisung der Hauptklage.

4. Da nach den Ausführungen zur Hauptklage "Clip" als im Gemeingut stehende Sachbezeichnungen zu gelten hat, erweist sich die Gegenstand der Widerklage bildende
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Marke "Clip" der Klägerin als nichtig. Die gegen ihre Nichtigerklärung gerichtete Berufung der Klägerin ist daher unbegründet.
Das gilt auch für die von der Klägerin gestellten Eventualbegehren, den Schutzbereich ihrer Marke auf verstellbare Verschlüsse ohne Klammern bzw. Klemmen oder auf gewöhnliche Reissverschlüsse zu beschränken.
Für gewöhnliche Reissverschlüsse und verstellbare Verschlüsse ohne Klemmvorrichtung stellt die Marke "Clip" zwar keine Beschaffenheitsangabe dar. Ihre Zulassung in dem von der Klägerin verlangten Sinne wäre aber zur Täuschung der Käuferschaft geeignet. Denn die Bezeichnung "Clip" würde den Eindruck erwecken, es handle sich bei den so bezeichneten Verschlüssen um solche mit einer Klemmvorrichtung. Marken, die zur Täuschung des Publikums Anlass geben können, sind aber nach ständiger Rechtsprechung unzulässig, da sie im Sinne von Art. 3 Abs. 4 MSchG gegen die guten Sitten verstossen (BGE 69 II 203und dort erwähnte Entscheide).

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- In Gutheissung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 11. Dezember 1953 dahin abgeändert, dass die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird.
2.- Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen und in Bestätigung des angefochtenen Entscheides die von der Klägerin unter Nr. 147'758 hinterlegte Marke "Clip" nichtig erklärt.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

Dispositiv

Referenzen

Artikel: Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG, Art. 3 Abs. 4 MSchG