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Urteilskopf

91 II 1


1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1965 i.S. P. gegen M. B.

Regeste

Vaterschaftsklage.
Dem bundesrechtlichen Anspruch, es sei ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten anzuordnen, stehen einschränkende kantonale Prozessvorschriften entgegen. In vorliegender Sache hat der Beklagte den Beweisantrag erst vor zweiter Instanz - nach kantonalem Prozessrecht verspätet - eingereicht. Das Obergericht konnte aus diesem Grunde die Durchführung des Gutachtens ablehnen.

Sachverhalt ab Seite 1

BGE 91 II 1 S. 1

A.- Die ledige V. B., geboren 1940, gebar am 28. Dezember 1962 das Kind M. B. Die kritische Zeit dauerte vom 3. März bis 1. Juli 1962. In diesem Zeitraum verkehrte die Kindsmutter geschlechtlich mit P., Taxichauffeur in Zürich. Das Kind, vertreten durch seinen Beistand, belangte P. auf Feststellung der Vaterschaft und bestimmte Vermögensleistungen.

B.- Der Beklagte erhob die Einrede des Mehrverkehrs gemäss Art. 314 Abs. 2 ZGB. Vor Bezirksgericht stellte der als Zeuge einvernommene V. Geschlechtsverkehr mit der Kindsmutter in Abrede. Die Mutter des Beklagten erklärte, die Kindsmutter habe sich ihr gegenüber einmal geäussert, sie hätte auch mit einem andern Mann als dem Kläger etwas gehabt.
BGE 91 II 1 S. 2
Das Bezirksgericht nahm auf Grund dieser Aussagen an, ein Mehrverkehr der Mutter sei nicht nachgewiesen. Es berücksichtigte ein serologisches Gutachten vom 7. Februar 1964, das den Beklagten als Vater nicht ausschloss, und hiess am 12. Mai 1964 die Klage gut.

C.- Das Obergericht bestätigte am 18. Dezember 1964 den Entscheid der ersten Instanz. Es ging davon aus, Geschlechtsverkehr der Kindsmutter mit einem Dritten sei auch nach dem Beweisverfahren vor zweiter Instanz nicht nachgewiesen, in welchem W. intime Beziehungen zur Mutter bestritt und U. das Zeugnis verweigerte. Den vom Beklagten eingebrachten Antrag, es sei ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten einzuholen, lehnte es mit folgender Begründung ab: Da sich der Beklagte auf dieses Gutachten erstmals in der Verhandlung vor Obergericht berufen habe, sei sein Antrag verspätet; zudem wäre er auch materiell unbegründet.

D.- Der Beklagte hat Berufung an das Bundesgericht eingereicht und beantragt, "das angefochtene Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben und es sei die Klage zur Durchführung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung an die Vorinstanz zurückzuweisen". - Die Klägerin begehrt Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In Vaterschaftssachen haben die Parteien - wie der Beklagte zutreffend ausführt - einen bundesrechtlichen Anspruch auf Anordnung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens. Ein solcher Beweisantrag ist jedoch nur abzunehmen, wenn ihm keine, von der Rechtsprechung näher umschriebene Schranken des Prozessrechtes oder des materiellen Rechtes entgegenstehen (BGE 90 II 224 Erw. 4).
In der hier umstrittenen Sache stützt das Obergericht die Ablehnung des vom Beklagten begehrten Beweismittels darauf, er habe es verspätet, erst in der Beweisverhandlung vor zweiter Instanz beantragt; mit andern Worten führt es aus, der Beklagte habe kantonalrechtliche Prozessvorschriften betreffend den Zeitpunkt des Beweisantrages nicht eingehalten. An die Entscheidung in dieser, ausschliesslich vom kantonalen Recht beherrschten Frage ist das Bundesgericht als Berufungsinstanz
BGE 91 II 1 S. 3
gemäss Art. 43 Abs. 1 OG gebunden. Das Gutachten ist wegen verspäteter Einreichung des Beweisantrages im kantonalen Verfahren nicht einzuholen.
Der Beklagte vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, das verlangte Gutachten sei anzuordnen, weil den zürcherischen Vaterschaftsprozess die Offizialmaxime beherrsche und ein Parteiantrag gar nicht erforderlich sei. Die Tragweite der Offizialmaxime betrifft wie die Frage der Verspätung einzig kantonales Recht, dessen Anwendung vom Bundesgericht nicht zu überprüfen ist (vgl.BGE 78 II 97f.).

2. Mehrverkehr der Mutter oder andere Tatsachen, die erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten rechtfertigten, sind nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht nachgewiesen. Von einem nachgewiesenen unzüchtigen Lebenswandel der Mutter kann keine Rede sein. Den Beklagten, welcher der Kindsmutter in der kritischen Zeit beigewohnt hat, trifft die Vermutung der Vaterschaft. Er ist von der Vorinstanz zu Recht zu Vermögensleistungen verurteilt worden.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2

Referenzen

BGE: 90 II 224

Artikel: Art. 314 Abs. 2 ZGB, Art. 43 Abs. 1 OG