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Urteilskopf

105 IV 341


87. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1979 i.S. Ha. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 36 Abs. 2 SVG und Art. 14 Abs. 1 VRV. Missachtung des Vortrittsrechts.
Fall eines Automobilisten, der in eine Hauptstrasse einbog in der Absicht, diese gleich darauf wieder zu verlassen, um auf einen Parkplatz zu gelangen, und der schon beim Einbiegen erkannte, dass er auf der Hauptstrasse verkehrsbedingt werde anhalten müssen und dadurch einen auf dieser Strasse daherkommenden Verkehrsteilnehmer in seiner freien Fahrt behindern werde.

Erwägungen ab Seite 341

BGE 105 IV 341 S. 341
Aus den Erwägungen:

3. a) Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern (Art. 14 Abs. 1 VRV). Das Vortrittsrecht ist verletzt, wenn der Berechtigte durch das Verhalten des Vortrittsbelasteten zu brüskem Bremsen, Beschleunigen oder Ausweichen vor, auf oder kurz nach der Verzweigung gezwungen wird, gleichgültig, ob eine Kollision erfolgt oder nicht.
Gewiss ist im dichten Innerortsverkehr eine etwas elastische Handhabung der Vortrittsregeln notwendig. In gewissen Situationen mag ein Verzicht auf das Vortrittsrecht im Interesse der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs angezeigt sein und daher als wünschbar erscheinen, dass ein Berechtigter, auch wenn er dazu gesetzlich nicht verpflichtet ist, einem Wartepflichtigen durch Verlangsamen der Fahrt und nötigenfalls Anhalten das Einbiegen ermögliche, wenn dies ohne Gefährdung
BGE 105 IV 341 S. 342
anderer Verkehrsteilnehmer geschehen kann. Auch kommt es bei sich auf kurze Distanz folgenden Kreuzungen und Einmündungen nicht selten vor, dass ein eben eingebogenes Fahrzeug schon bei der nächsten Verzweigung wieder nach links oder nach rechts abschwenken wird und dabei verkehrsbedingt, etwa wegen der entgegenkommenden Fahrzeuge oder wegen der die Seitenstrasse überquerenden Fussgänger, anhalten muss. Im Interesse der Rechtssicherheit, der gerade im Bereich des Strassenverkehrs grosse Bedeutung zukommt, ist aber auch in solchen Fällen nur mit grösster Zurückhaltung anzunehmen, ein Wartepflichtiger habe das Vortrittsrecht nicht vollständig zu respektieren.
b) Im vorliegenden Fall stellen sich indessen solche Fragen nicht. Weder in der Moosgasse noch auf der Hauptstrasse Kerzers-Ins herrschte dichter Verkehr. Obschon der Beschwerdeführer bei der Einmündung der Nebenstrasse in die Hauptstrasse nach eigenen Angaben einen Sicherheitshalt von über einer Minute eingelegt hatte, befanden sich hinter ihm, mit Ausnahme des ihm folgenden Wagens seiner Tochter, keine weiteren Fahrzeuge. Ha. bemerkte den auf der Hauptstrasse aus Richtung Kerzers nahenden Lastenzug auf eine Distanz von 120 m. Die Sicht in Richtung Ins war auf 195 m frei, und der Beschwerdeführer sah von dort einen einzelnen Personenwagen herannahen. Es bestand überhaupt kein Grund, diese beiden vortrittsberechtigten Fahrzeuge nicht vorbeifahren zu lassen, zumal Ha. nicht auf der Hauptstrasse beschleunigend in normaler Geschwindigkeit zumindest bis zu einer nächsten Verzweigung fahren wollte, sondern beabsichtigte, kurz nach dem Einbiegen die Hauptstrasse wieder zu verlassen, um auf den Parkplatz vor dem Eckhaus (Restaurant "Rössli") zu gelangen. Die Vorinstanz beziffert die von Ha. auf der Hauptstrasse zurückgelegte Fahrtstrecke nicht; sie stellt lediglich fest, er habe "gleich darauf" auf den Parkplatz abschwenken wollen. Im Polizeirapport wird zweimal eine Strecke von 20 m erwähnt; nach dem Plan und den Fotos sind es eher noch weniger. Jedenfalls konnte und wollte der Beschwerdeführer auf der Hauptstrasse nicht beschleunigen; vielmehr benötigte er für sein Manöver - Wegfahren aus der Moosgasse bis zum Stillstand auf der Hauptstrasse - nach den Feststellungen der Vorinstanz gegen neun Sekunden. Ha. konnte dabei von Anfang an erkennen, dass sich das von ihm beabsichtigte Manöver
BGE 105 IV 341 S. 343
nicht rasch und in einem Zuge ausführen liess, sondern dass er wegen des aus Richtung Ins entgegenkommenden Wagens auf der Hauptstrasse werde anhalten müssen und dadurch den aus Richtung Kerzers kommenden Ho. in seiner Fahrt behindern werde.
Bei dieser Sachlage kann der Verkehrsablauf entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht in zwei getrennte Phasen zerlegt werden, deren zweite so weit entfernt wäre, dass für sie das in der ersten Phase zugunsten Ho. bestehende Vortrittsrecht nicht mehr gelten würde. Indem Ha. trotz genügender Sicht auf die beiden vortrittsberechtigten Fahrzeuge ganz langsam in die Hauptstrasse einbog und auf dieser nach wenigen Metern schliesslich anhielt, hat er eindeutig das Vortrittsrecht des Ho. missachtet. Wie weit auch Ho. sich vorschriftswidrig verhalten hat - er wurde rechtskräftig gebüsst - ist in diesem Verfahren nicht zu beurteilen.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

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Considérants 3

Dispositif

références

Article: Art. 14 Abs. 1 VRV, Art. 36 Abs. 2 SVG