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Urteilskopf

114 Ib 17


4. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. März 1988 i.S. Firma X. gegen Eidgenössische Zollverwaltung und Eidgenössische Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Zolltarifgesetz; Erhöhung einzelner Ansätze des Generaltarifs durch Verordnung des Bundesrates.
1. Befugnis des Bundesgerichts zur Prüfung der Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit einer Verordnung des Bundesrats (E. 2, 3).
2. Unerlässlich im Sinne des Zolltarifgesetzes kann die sofortige Tariferhöhung durch Verordnung auch aus rein fiskalischen Gründen sein, wenn sonst die erhöhten Einnahmen auf längere Zeit vereitelt würden (E. 4).
3. Keine Verfassungsverletzung durch die Erhöhung des Heizölzolls im vorliegenden Fall, weder hinsichtlich der sofortigen Erhöhung als solcher (E. 5), noch übergangsrechtlich bezüglich Kaufverträgen, die vor der Tariferhöhung abgeschlossen wurden (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 18

BGE 114 Ib 17 S. 18
Gestützt auf Art. 5 des Zolltarifgesetzes vom 19. Juni 1959 (ZTG, SR 632.10) erhöhte der Bundesrat mit Verordnung vom 26. Februar 1986 über die vorsorgliche Erhöhung des Zolles auf Ölen zu Feuerungszwecken sowie auf Erdgas und anderen gasförmigen Kohlenwasserstoffen (AS 1986, S. 351; im folgenden: Verordnung) u.a. den Zollansatz der Tarif-Nr. 2710.70 des Gebrauchszolltarifs von Fr. -.30 auf Fr. 4.-- je 100 kg brutto (Art. 1 Abs. 1 Verordnung), was zusammen mit der statistischen Gebühr, der Reverskontrollgebühr und dem Tarazuschlag die Abgabebelastung von bisher Fr. -.38 auf Fr. 4.76 je 100 kg anhob. Die Verordnung trat am 27. Februar 1986 in Kraft und sollte bis zum Inkrafttreten des sie ablösenden Bundesgesetzes oder bis zum Tage gelten, an dem die Vorlage von der Bundesversammlung oder das betreffende Bundesgesetz in der Volksabstimmung verworfen würde (Art. 4 Abs. 1 und 2 Verordnung).
Am gleichen Tag beantragte der Bundesrat mit einer Botschaft über die Erhöhung der Heizöl- und Gaszölle dem Parlament den Erlass eines Bundesgesetzes über die entsprechende Änderung des Generalzolltarifs (Anhang zum ZTG; BBl 1986 I 737). In der Sommersession 1986 beschlossen indessen beide Räte, der Nationalrat am 2. Juni und der Ständerat am 10. Juni 1986, auf die Vorlage nicht einzutreten. Damit entfiel vom 11. Juni 1986 an der erhöhte Zollansatz wieder (Amtl.Bull. 1986 N 514 ff., S 289 ff.; vgl. dazu und zum Zusammenbruch der Erdölpreise, welcher den Bundesrat zur Zollerhöhung im Februar 1986 veranlasste: Schweizerische Politik im Jahre 1986, herausgegeben vom Forschungszentrum für schweizerische Politik an der Universität Bern, Bern 1987, S. 88/9, 116).
BGE 114 Ib 17 S. 19
Die Firma X. liess am 12., 17. und 20. März 1986 beim Zollinspektorat Rheinhäfen Birsfelden-Au Heizöl der Tarifposition Nr. 2710.70 zur definitiven Einfuhrverzollung deklarieren. Das Zollinspektorat berechnete die Abgabe zum erhöhten Ansatz (Fr. 4.76 pro 100 kg). Beschwerden bei der Zollkreisdirektion Basel und bei der Eidgenössischen Zollrekurskommission blieben erfolglos.
Gegen den Entscheid der Eidgenössischen Zollrekurskommission vom 10. Juli 1987 erhebt die Firma X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht weist diese ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Das Bundesgericht ist nach Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 BV gehalten, die Bundesgesetze, von der Bundesversammlung erlassene allgemeinverbindliche Beschlüsse und die von ihr genehmigten Staatsverträge anzuwenden, ohne sie auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen.
Dagegen kann es auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin vorfrageweise Verordnungen des Bundesrats auf ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat in den Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnungen.
Wird dem Bundesrat allerdings durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 BV für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sei (BGE 110 Ib 168 E. 2b, 250 E. 3a; BGE 109 Ib 288 E. 2a mit Hinweisen).

3. Die bundesrätliche Verordnung stützt sich auf Art. 5 Abs. 1 ZTG. Diese Bestimmung ermächtigt den Bundesrat zur Erhöhung einzelner Ansätze des Generaltarifs, unter gleichzeitiger
BGE 114 Ib 17 S. 20
Vorlage eines Antrages zu einem entsprechenden Bundesbeschluss, wenn dies zur Gewährleistung des mit der Tariferhöhung verfolgten Zwecks unerlässlich ist.
Die Vorinstanz prüfte die Frage der Unerlässlichkeit einer sofortigen Tariferhöhung lediglich darauf hin, ob der Bundesrat die ihm delegierten Kompetenzen offensichtlich gesprengt habe. Sie begründet dies damit, dass das Gesetz dem Bundesrat einen weiten Ermessensspielraum einräume.
Diese Auffassung überzeugt insoweit, als Art. 5 Abs. 1 ZTG dem Bundesrat keine Einschränkungen hinsichtlich der Wahl einzelner Ansätze des Generaltarifs und hinsichtlich des Masses auferlegt, in dem er diese Ansätze durch Verordnung sofort erhöhen darf. In dieser Hinsicht kann von einer offensichtlichen Überschreitung des Ermessensspielraums, den die Bestimmung dem Bundesrat einräumt, gewiss von vornherein nicht die Rede sein. Insoweit sind auch die Rügen der Beschwerdeführerin, welche sie gegen die Wahl der in der Verordnung erhöhten Tarifpositionen und das Ausmass ihrer Erhöhung erhebt, offensichtlich nicht begründet. Der Bundesrat durfte sehr wohl den Tarifansatz für Heizöl, dessen Preis auf dem internationalen Markt Ende 1985 und zu Beginn des Jahres 1986 eigentlich zusammenbrach (Schweizerische Politik im Jahre 1986, a.a.O., S. 116), in einem den Preissturz bei weitem nicht erreichenden Masse erhöhen.
Hingegen hat der Gesetzgeber, indem er dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass einer Verordnung mit sofortiger Wirkung nur einräumte, wenn dies zur Gewährleistung des mit der Tariferhöhung verfolgten Zwecks unerlässlich ist, sein Ermessen deutlich eingeschränkt. Hätte der Gesetzgeber diesbezüglich dem Bundesrat ebenfalls einen weiten Spielraum des Ermessens einräumen wollen, hätte er einen weniger restriktiven Begriff verwendet. Somit ist nicht bloss mit der Einschränkung, welche sich die Vorinstanz auferlegte, zu prüfen, ob die sofortige Zollerhöhung unerlässlich war.

4. a) Zur Gewährleistung des mit der Tariferhöhung verfolgten Zwecks unerlässlich kann der sofortige Erlass einer Verordnung aber nicht bloss aus handelspolitischen Gründen oder im Falle eines finanziellen Notstands des Bundes sein, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Jede Tariferhöhung dient zunächst dem hauptsächlichen fiskalischen Zweck der Zölle, dem Bund (vermehrte) Einnahmen zu beschaffen (Art. 30 BV; ERNST BLUMENSTEIN, Grundzüge des Schweizerischen Zollrechts, Bern
BGE 114 Ib 17 S. 21
1931, S. 3). Davon geht die Vorinstanz zutreffend aus, und hält richtig fest, dass der Gesetzgeber dem Bundesrat mit Art. 5 Abs. 1 ZTG die Befugnis übertragen wollte, Tariferhöhungen auf dem Verordnungsweg sofort wirksam werden zu lassen, wenn es zur Sicherung der damit bezweckten höheren Bundeseinnahmen aus rein fiskalischen Gründen unerlässlich ist.
Der Bundesrat hatte in der Botschaft zur Zolltarifrevision vom 20. März 1959 (BBl 1959 I 625 ff.) ausdrücklich dargetan, dass gewisse Zollerhöhungen unerwartet angeordnet werden müssen, um zu verhindern, dass der Zweck der Tariferhöhung durch umfangreiche Käufe der Händler auf lange Zeit vereitelt werde. Er hatte beigefügt, dass er schon bisher, ohne eine gesetzliche Ermächtigung, Zollerhöhungen selber in Kraft gesetzt habe und sich erst nachträglich die Zustimmung zu einem solchen Vorgehen von der Bundesversammlung habe erteilen lassen, was sich auch in Zukunft als nötig erweisen werde (BBl 1959 I 677). Das Parlament stimmte der beantragten Ermächtigung zu, ohne der vom Bundesrat gegebenen Begründung zu widersprechen. Der Berichterstatter im Nationalrat wies im Gegenteil darauf hin, dass sich in der Vergangenheit als unerlässlich erwiesen habe, Zollerhöhungen sofort in Kraft zu setzen, "wollte man vermeiden, dass die Erhöhung auf längere Zeit hinaus illusorisch blieb". Weiter führte er wörtlich aus: "Je nach Art der Ware, die von der Tariferhöhung betroffen wird, kann sich der Importeur durch Voreindeckungen in der Zeitspanne zwischen dem Erscheinen der bundesrätlichen Botschaft und dem Inkrafttreten des Parlamentsbeschlusses der erhöhten Zollbelastung für eine mehr oder weniger lange Periode entziehen und den mit der Zollerhöhung verfolgten Zweck in entsprechendem Masse vereiteln. Darum hat die Bundesversammlung das beantragte Vorgehen des Bundesrats ohne besondere gesetzliche Ermächtigung bisher schon gebilligt" (Amtl.Bull. 1959 N 248; vgl. auch Amtl.Bull. 1959 S 203).
Obwohl bei der Beratung der Vorlage zur gesetzlichen Erhöhung des Heizölzolltarifs vom 26. Februar 1986 im Parlament teilweise die Auffassung vertreten wurde, der Bundesrat habe mit seiner Verordnung vom 26. Februar 1986 die ihm delegierten Befugnisse überschritten (Amtl.Bull. 1986 N 516, 525, 534), und obwohl in diesem Zusammenhang auch ein Vorstoss auf Änderung von Art. 5 Abs. 1 ZTG eingebracht wurde, änderte das Parlament bei der Revision des ZTG die Delegationsvorschrift schliesslich nicht ab, sondern blieb in seiner Referendumsvorlage
BGE 114 Ib 17 S. 22
vom 9. Oktober 1986 (BBl 1986 III 383, Art. 3 und 8 mit rein redaktionellen Änderungen) bei der bisherigen Ordnung. Diese entspricht trotz der damit verbundenen Abweichung vom Grundsatz der (formell-) gesetzlichen Grundlage den Notwendigkeiten der Zolltarifpolitik.
b) Die gesetzliche Voraussetzung der Unerlässlichkeit einer sofortigen Tariferhöhung ist deshalb erfüllt, und der Bundesrat bewegt sich im Rahmen der vom Gesetzgeber delegierten Befugnis, wenn die Importeure der fraglichen Ware sonst durch umfangreiche Einfuhren auf Vorrat die Verzollung zum erhöhten Ansatz für längere Zeit vermeiden könnten.
Genau damit begründete der Bundesrat die sofortige Erhöhung des Heizölzolls in seiner Botschaft vom 26. Februar 1986 an das Parlament (BBl 1986 I 742). Unter Hinweis auf frühere Erfahrungen bei der Einführung eines Zollzuschlags auf Treibstoffen bejahte auch die Vorinstanz die Gefahr, dass der Zweck der Tariferhöhung über längere Zeit vereitelt werden könnte. Sie wies zudem darauf hin, dass der Handel für solchen noch zuschlagsfrei eingeführten Treibstoff damals vom Konsumenten gleichwohl sofort den um den Zuschlagsbetrag erhöhten Preis gefordert habe (vgl. dazu BBl 1965 II 777 ff.). Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass solches wieder hätte geschehen können, sondern bezeichnet es bloss als unvermeidliche Begleiterscheinung einer Tariferhöhung. Das trifft nicht zu. Der Gesetzgeber hat den Bundesrat vielmehr ermächtigt, die "Begleiterscheinungen" durch sofortige Tariferhöhung zu verhindern, wenn der Zweck der Tariferhöhung es unerlässlich macht. Der Bundesrat konnte denn auch in der Beratung seiner Vorlage darauf hinweisen, dass er seit 1960 zuvor schon in acht Fällen und meistens mit rein fiskalischem Zweck von der delegierten Befugnis mit Billigung des Parlaments Gebrauch gemacht hatte, und zwar insbesondere auch bei Erhöhungen von Treibstoff- und Heizölzöllen (Amtl.Bull. 1986 N 544; vgl. auch Amtl.Bull. 1986 N 524, S 298, 301). Die Gefahr, dass bei Bekanntwerden einer bevorstehenden Tariferhöhung dieser durch massive Importe bzw. Verzollungen zuvorgekommen und dass überdies zulasten der Abnehmer ein unberechtigter zusätzlicher Gewinn in der Höhe des Tarifaufschlags erzielt werden kann, ist bei Heizöl nicht erkennbar geringer als bei Treibstoff.
c) Auch ohne die Einschränkung der gerichtlichen Prüfung, welche die Vorinstanz anwenden wollte, ist ihr deshalb im Ergebnis beizupflichten. Der Bundesrat überschritt mit der Verordnung die ihm
BGE 114 Ib 17 S. 23
in Art. 5 Abs. 1 ZTG delegierte Befugnis nicht. Es war unerlässlich, die Erhöhung des Tarifansatzes für Heizöl von Fr. -.30 auf Fr. 4.-- nicht mit einer blossen Vorlage an das Parlament auf Inkrafttreten der entsprechenden Gesetzesänderung, sondern durch die Verordnung mit sofortiger Wirkung vorzunehmen.

5. Hingegen stellt sich die weitere Frage, ob die Verordnung mit der Verfassung vereinbar sei. Sie ist zu prüfen, weil Art. 5 ZTG den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen. Eine Einschränkung ergibt sich nur insofern, als sich der Inhalt der Verordnung direkt oder notwendig schon aus dem Bundesgesetz ergibt, weil sonst das Bundesgericht im Ergebnis das Gesetz selbst überprüfen würde.
a) Weder die Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV), noch die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) stehen an sich einer Erhöhung des Satzes einer Abgabe im Wege, jedenfalls solange nicht, als die öffentlichen Abgaben durch die Höhe der Sätze nicht den Wesenskern des privaten Eigentums, die Substanz der privaten Vermögen aushöhlen (sog. Institutsgarantie, BGE 106 Ia 348 E. 6a) oder sich prohibitiv für einen Wirtschaftszweig auswirken (BGE 60 I 190 E. 1).
b) Ob die gesetzliche Grundlage für die Einschränkung der genannten Freiheitsrechte genügt, ist hier nicht weiter zu prüfen, da die bundesrätliche Verordnungskompetenz auf einer Delegation im Bundesgesetz beruht und das Bundesgericht daran gebunden ist.
Zu prüfen ist dagegen die Frage der Verhältnismässigkeit der Grundrechtsbeschränkung durch die sofortige Inkraftsetzung des erhöhten Tarifs. Die diesbezügliche Kritik der Beschwerdeführerin überzeugt indessen nicht. Die fiskalische Bedeutung der sofortigen Tariferhöhung war beträchtlich. Sie beschränkte sich nicht von vornherein auf den mit jährlich ca. 290 Millionen Franken geschätzten Zoll-Mehrertrag bis zum Wegfall der Verordnung (nach Art. 5 Abs. 2 ZTG), der mit dem Beschluss des Parlaments nach gut vier Monaten eintrat; nach der Vorstellung des Bundesrats hätte die Verordnung erst nach bedeutend längerer Zeit mit der erhofften Gesetzesänderung bei Ablauf der Referendumsfrist oder Annahme in der Volksabstimmung wegfallen sollen. Der Bundesrat wollte ferner verhindern, dass bis dahin alle verfügbaren Lager mit verzolltem Heizöl gefüllt werden könnten und der bezweckte Zollertrag noch über diesen Zeitpunkt hinaus zum Teil ausbleiben würde. Die Interessen der Heizölimporteure, die bei sofortiger Tariferhöhung alle in ungefähr derselben Lage gewesen sein dürften, wenn die Darstellung
BGE 114 Ib 17 S. 24
der Beschwerdeführerin über die Usancen in der Branche zutreffen, und der in erster Linie betroffenen Verbraucher waren nicht höher einzustufen, so dass der Bundesrat nicht deswegen auf die sofortige Inkraftsetzung zur Wahrung der Verhältnismässigkeit hätte verzichten müssen. Ihren Interessen kam schon der gleichzeitige Preiszerfall entgegen, während für die sofortige Inkraftsetzung nebst dem eigentlichen fiskalischen Zweck für den Bundesrat auch noch ökologische Interessen sprachen, die er zum öffentlichen Wohl verfolgen wollte (BBl 1986 I 740). Dass das Parlament die öffentlichen Interessen an der Tariferhöhung schliesslich geringer wertete als der Bundesrat, lässt den Erlass einer sofort wirksamen Verordnung noch nicht als unverhältnismässig erscheinen.
c) Der Bundesrat verletzte damit auch nicht den aus Art. 4 BV herzuleitenden Anspruch der Importeure auf ein Verhalten der Behörden nach Treu und Glauben (BGE 111 Ib 124 E. 4), dies jedenfalls nicht generell, da diesem Anspruch Rechtsänderungen grundsätzlich vorgehen (BGE 111 V 71 E. c mit Hinweisen). Auf die Frage, ob der Bundesrat aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Übergangsordnung hätte schaffen müssen, wird noch zurückzukommen sein (E. 6).
d) Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 29 Abs. 1 Ziff. 1 BV, wonach die für die inländische Industrie und Landwirtschaft erforderlichen Stoffe (lit. a) und die zum nötigen Lebensbedarf erforderlichen Gegenstände (lit. b) möglichst gering taxiert werden sollen. Sie macht geltend, diese Bestimmung stelle bindende Grundsätze über die Zollerhebung auf, und behauptet, diese Grundsätze seien wegen des Ausmasses der vom Bundesrat verordneten Zollerhöhung verletzt. Es kann offenbleiben, ob Art. 29 BV durch Zeitablauf inzwischen nur noch rein programmatischen Charakter erhalten hat (in diesem Sinne schon IRENE STEINER, Schweizerisches Zolltarifrecht, Zürich 1934, S. 228/9, wonach daraus von keiner Seite irgend ein Rechtsanspruch abgeleitet werden könne). Soweit sich aus Art. 29 BV eine Einschränkung des Ermessens ergeben sollte, welches der Gesetzgeber und gestützt auf die Delegation in Art. 5 Abs. 1 ZTG der Bundesrat handhabt, ist die Verordnung mit den Verfassungsgrundsätzen nicht unvereinbar. Das hängt gewiss nicht vom Prozentsatz der Erhöhung ab, auf den die Beschwerdeführerin hinweist (fast 1200%), sondern von der prozentualen Belastung des Werts der eingeführten Waren. Wenn Heizöl, wie die Vorinstanz unbestritten feststellt, mit 7,8% belastet werden sollte, so widerspricht dies den erwähnten Grundsätzen noch nicht.
BGE 114 Ib 17 S. 25

6. Die Beschwerdeführerin verlangt schliesslich, dass zu ihren Gunsten eine Übergangslösung in Anwendung komme, welche in der in dieser Hinsicht lückenhaften Verordnung fehle und welche richterlich zu ergänzen sei, weil ihr Fehlen eine krasse Ungerechtigkeit bedeuten würde. Sie behauptet, Anspruch auf Schutz in ihrem Vertrauen darauf zu haben, dass die ihrer Kalkulation (in bereits abgeschlossenen, am 26. Februar 1986 noch nicht erfüllten Kaufverträgen) zugrunde liegenden Zollsätze nicht unvorhergesehen und in einem Masse erhöht würden, das ihre Händlermarge übersteige.
a) In Art. 3 Verordnung hat der Bundesrat ausdrücklich bestimmt, dass bei Verzollung ab Privatlager der Zollansatz angewendet wird, der im Zeitpunkt der endgültigen Einfuhrabfertigung in Kraft steht. Damit steht fest, dass der erhöhte Tarif auch auf den nach Darstellung der Beschwerdeführerin in der Branche üblichen Fall der Auslieferung des Heizöls aus Tanks, in denen es an der Grenze unverzollt lagert, Anwendung finden soll. Dies entspricht auch Art. 21 Abs. 2 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 (SR 631.0), wonach der Zoll, soweit die Tarifvorschriften nichts anderes bestimmen, nach den Ansätzen zu entrichten ist, die am Tage der Entstehung der Zollzahlungspflicht in Kraft stehen. Von einer Regelungslücke kann demnach nicht die Rede sein.
b) Zu prüfen bleibt, ob diese Übergangsregelung insoweit verfassungswidrig sei, als von ihr auch noch nicht erfolgte Einfuhren für Heizöl erfasst werden, über das die Beschwerdeführerin bereits vor dem 26. Februar 1987 Verträge mit ihren Kunden unter Berücksichtigung des alten Zollansatzes abgeschlossen hatte.
Die Beschwerdeführerin beruft sich diesbezüglich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht diesem Gesichtspunkt für die Gestaltung von Übergangsvorschriften bei einer Rechtsänderung nicht jene zentrale Bedeutung beigemessen, wie dies teilweise in der neueren Literatur (ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 102/1983 II 123 ff.; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Basel und Frankfurt a.M. 1983, S. 280 ff.) vertreten wird. Es hat die Notwendigkeit und Ausgestaltung von Übergangsbestimmungen in erster Linie nach den Grundsätzen der rechtsgleichen Behandlung und des Willkürverbots beurteilt (BGE 107 Ib 86 E. 4, BGE 106 Ia 258 E. 3 und 4 mit weitern Hinweisen). Wie es sich damit verhält, braucht vorliegend nicht grundsätzlich erörtert zu werden.
BGE 114 Ib 17 S. 26
c) Es wurde bereits dargelegt, dass der Bundesrat die Tariferhöhung nach Gesetz sofort in Kraft setzen konnte. Der Beschwerdeführerin selber war beim Abschluss von Termingeschäften die Gefahr bekannt, dass zwischenzeitlich der Zoll erhöht wird. Sie hat sich deshalb in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen Preiserhöhungen aus diesem Grunde vorbehalten, wobei dem Käufer das Recht zusteht, vom Vertrag zurückzutreten. In diesem Falle konnten ihr in einer Zeit des Preiszerfalls nicht bloss in Aussicht stehende Gewinne entgehen, sondern auch Verluste entstehen, indem sie auf zu teuer beschaffter Ware sitzen blieb, weil der weiter sinkende Weltmarktpreis ihr nicht erlaubte, sie zu einem um den neuen Zollansatz erhöhten Preis an andere Käufer zu veräussern. Dieses Risiko übernahm sie jedoch bewusst, wenn sie gleichwohl in einer Zeit des Preiszerfalls täglich die den Verkäufen zu Tagespreisen entsprechende Warenmenge zu den Tages-Engrospreisen beschaffte. Es ist fraglich, ob die Beschwerdeführerin dies wirklich tat. Sie hat es nicht genügend belegt. Es ist aber noch viel weniger davon auszugehen, dass alle Importeure dies taten, wie sie behauptet, zumal nur ein Teil von ihnen sich ausschliesslich bei grossen internationalen Mineralölgesellschaften eindeckt, andere dagegen mit ihren Lieferanten verbunden sind (Die Konzentration auf dem schweizerischen Markt für flüssige Treib- und Brennstoffe, Veröffentlichungen der schweiz. Kartellkommission, 20. Jahrgang 1985, S. 159 ff., bes. S. 168).
Eine Sonderregelung für Fälle, in denen vor dem 26. Februar 1987 abgeschlossene Termingeschäfte zu Verlusten der Importeure zu führen drohten (weil das Heizöl sofort beschafft, aber noch nicht eingeführt und verzollt wurde), wäre entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht leicht zu treffen gewesen. Wohl wäre das Datum der jeweiligen Verkäufe grundsätzlich (anhand schriftlicher Verträge) feststellbar, dagegen kaum so leicht auch, ob das verkaufte Heizöl tatsächlich täglich beschafft, noch nicht eingeführt und noch nicht zum alten Ansatz verzollt worden war.
Unter solchen Umständen überwiegt das öffentliche Interesse an einer praktikablen Übergangsregelung, wie sie vom Bundesrat erlassen wurde, gegenüber dem privaten Interesse der einzelnen Importeure an einer Sonderbehandlung von Heizölimporten für die Erfüllung vor dem Inkrafttreten der Verordnung eingegangener Verträge, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.

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Erwägungen 2 3 4 5 6

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