Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Urteilskopf

116 II 428


79. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1990 i.S. E. AG gegen T. AG (Berufung)

Regeste

Forderungen aus Handwerksarbeit; Verjährung.
- Begriff der Handwerksarbeit im Sinne von Art. 128 Ziff. 3 OR (E. 1).
- Langes Zuwarten mit der Geltendmachung einer Forderung ist nicht generell rechtsmissbräuchlich (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 428

BGE 116 II 428 S. 428

A.- Mit Werkvertrag vom 15. Juni 1978 übertrug die T. AG der E. AG die Lieferung und Montage von Türen für eine Überbauung. Nachdem die Türen am 23. September 1978 montiert worden waren, rügte die T. AG mit Schreiben vom 27. September und vom 13. November 1978 verschiedene Mängel und forderte die E. AG zu deren Behebung auf. Diese bestritt indessen das Vorliegen von Mängeln und stellte der T. AG am 31. Januar 1979 Rechnung für ihren Werklohn von Fr. 14'915.--. Unter Hinweis
BGE 116 II 428 S. 429
darauf, dass hinsichtlich der Beanstandungen nichts unternommen worden sei, weigerte sich die Bauleitung zu bezahlen.

B.- Am 27. Mai 1986 reichte die E. AG beim Zivilgericht des Kantons Glarus gegen die T. AG Klage auf Bezahlung von Fr. 14'950.-- nebst Zins und Zahlungsbefehlskosten ein.
Mit Urteil vom 8. Oktober 1987 verpflichtete das Zivilgericht die Beklagte zur Bezahlung von Fr. 1'078.-- nebst Zins und wies die Klage im übrigen ab. Das Gericht verwarf zwar die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede, schützte den Anspruch der Klägerin aber deshalb nur in geringem Umfang, weil es ihn angesichts der Mängelrügen der Beklagten grösstenteils nicht für ausgewiesen hielt.
Auf Appellation der Klägerin bestätigte das Obergericht des Kantons Glarus den zivilgerichtlichen Entscheid mit Urteil vom 29. September 1989; es betrachtete die Forderung der Klägerin als verjährt und verwies im übrigen auch auf die Erwägungen des Zivilgerichts.

C.- Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung teilweise gut und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Das Obergericht stellt sich auf den Standpunkt, der Anspruch der Klägerin sei verjährt, da er als Forderung aus Handwerksarbeit nach Art. 128 Abs. 3 OR einer fünfjährigen Verjährungsfrist unterliege. Die Klägerin erblickt darin eine Verletzung von Bundesrecht.
a) Massgebliches Kriterium für die Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährungsfrist von Art. 128 Ziff. 3 OR ist einzig der Charakter der Arbeit, zu der sich der Unternehmer nach dem Inhalt des konkreten Werkvertrages verpflichtet hat, wobei es keine Rolle spielt, ob die Arbeit von einem Handwerker im herkömmlichen Sinn erbracht wird (BECKER, Berner Kommentar, N. 9 zu Art. 128 OR; SJZ 64, S. 308 Nr. 170); unbeachtlich ist auch, ob der Unternehmer die Arbeit allein oder mit Hilfspersonen ausführt oder gar durch Subunternehmer ausführen lässt (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl. 1985, Nr. 874; RBOG 1986, S. 56). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Handwerksarbeit dadurch gekennzeichnet, dass die manuelle Tätigkeit die übrigen Leistungen, insbesondere die maschinellen und organisatorischen
BGE 116 II 428 S. 430
oder administrativen, überwiegt oder zumindest aufwiegt (BGE 109 II 115 E. 2c). Das entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach unter Handwerk eine gewerbliche Tätigkeit zu verstehen ist, die im wesentlichen mit der Hand und unter Benutzung einfacher Werkzeuge und Geräte ausgeübt wird und die Bearbeitung oder Verarbeitung von Stoffen bezweckt; der Verwendung von Maschinen sind dabei eher enge Grenzen gesetzt (unveröffentlichtes Urteil vom 25. Februar 1986 i.S. Konkursmasse G. AG gegen L. & Cie, E. 2b mit Hinweis auf Herders Standard Lexikon, Freiburg i.Br. 1960, Der Grosse Brockhaus, Wiesbaden 1954, Schweizer Lexikon 1946, je unter Handwerk). Die handwerkliche Einzelanfertigung steht mithin im Gegensatz zur Lieferung industrieller Serienprodukte.
Dass der Hände Werk durch Maschinen unterstützt wird, wie dies mehr und mehr der Fall ist, steht allerdings der Annahme von Handwerksarbeit nicht grundsätzlich entgegen; doch muss es nach der angewandten Arbeitsweise immer auch - und zwar in erheblichem Mass - auf das handwerkliche Können ankommen (GAUCH in BR 1986, S. 17, Anmerkung zu den Entscheiden Nrn. 10 und 11). Auch die Verwendung von normierten Materialien schliesst den handwerklichen Charakter einer Leistung nicht von vornherein aus; wer vorfabrizierte Stäbe auf die erforderliche Länge zuschneidet und zu Bilderrahmen verarbeitet, leistet ebenso Handwerksarbeit wie der Schreiner, der aus Normbrettern individuell ausgemessene Tablare schneidet und diese als Büchergestell an eine Wand schlägt. Wenn sich hingegen die Tätigkeit eines Unternehmers darin erschöpft, dass er Normfenster, Normtüren oder sonstige Norm-Elemente liefert und an ihrem Bestimmungsort montiert, kann sie nicht mehr als handwerklich gelten, erscheint hier doch die Montage als blosse Nebenleistung zur Lieferung serienmässig hergestellter Fertigprodukte, steht mithin nicht die manuelle Arbeitsleistung, sondern der Verkauf von Produkten aus industrieller Fertigung im Vordergrund (vgl. BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 457 Anm. 68; SJZ 64, S. 308 f. Nr. 170).
b) Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin zwar die von ihr gelieferten Normtüren jeweils auch am Bau angepasst; das geht jedoch über das blosse Montieren nicht wesentlich hinaus. Im Gesamtrahmen kann auch nicht ausschlaggebend sein, dass einzelne Spezialtüren auf Mass anzufertigen waren; als Wesenskern der Vertragsleistung der Klägerin
BGE 116 II 428 S. 431
erscheint insgesamt doch die Lieferung und Montage von Normtüren. Unter diesen Umständen die von der Klägerin erbrachte Leistung als Handwerksarbeit im Sinne von Art. 128 Abs. 3 OR zu bezeichnen, geht umso weniger an, als diese Bestimmung gegenüber Art. 127 OR eine Ausnahmevorschrift darstellt und nach der Rechtsprechung deshalb eng auszulegen ist (BGE 109 II 115).

2. Unbegründet ist der Einwand der Beklagten, das lange Zuwarten der Klägerin mit der Klageeinleitung sei rechtsmissbräuchlich. Davor, dass er zu einer Zeit in Anspruch genommen wird, zu der er den Untergang einer wirklich oder die Mängel einer scheinbar entstandenen Forderung nicht mehr beweisen kann, schützen den Schuldner die gesetzlichen Verjährungsfristen (SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, S. 9); diese Fristen auf dem Umweg über Art. 2 ZGB generell zu verkürzen, geht nicht an. Rechtsmissbrauch fällt dem Gläubiger, der mit der Geltendmachung eines Anspruchs lange zuwartet, nur zur Last, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Zuwarten als Verstoss gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BGE 94 II 41 E. 6b und c). Solche Umstände macht die Beklagte nicht geltend.

Inhalt

Ganzes Dokument:
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1 2

Referenzen

BGE: 109 II 115, 94 II 41

Artikel: Art. 128 Ziff. 3 OR, Art. 128 OR, Art. 127 OR, Art. 2 ZGB

Navigation

Neue Suche