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Urteilskopf

118 Ib 145


18. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Juni 1992 i.S. D. gegen Regierungsrat des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde).

Regeste

Art. 88 und Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und Art. 7 ANAG sowie Art. 8 EMRK; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers.
1. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer (E. 1).
2. Bei der Zulässigkeitsprüfung ist grundsätzlich auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse abzustellen (E. 2).
3. Art. 7 ANAG bildet die Grundlage für einen Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizerbürgers auf Aufenthaltsbewilligung; für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzig entscheidend, ob formell eine Ehe besteht (E. 3).
4. Dagegen setzt eine Berufung auf Art. 8 EMRK voraus, dass die Ehe auch tatsächlich als Gemeinschaft geführt wird (E. 4).
5. Verneinung der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Fall (E. 5).
6. Hat der Ausländer keinen Anspruch auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung, ist er nicht zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 146

BGE 118 Ib 145 S. 146
Der jugoslawische Staatsangehörige D., geboren 1957, heiratete am 20. Dezember 1988 in Zurzach die 1952 geborene Schweizerbürgerin S. D. erhielt von der Fremdenpolizei des Kantons Aargau eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehefrau und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Am 28. Dezember 1988 unterzeichnete er eine Erklärung, wonach er Kenntnis genommen habe von der Bedingung, mit seiner Ehefrau zusammenzuleben, und davon, dass die Bewilligung widerrufen oder nicht mehr verlängert würde, wenn er diese Bedingung nicht oder nicht mehr restlos erfülle.
Anfangs 1991 leitete die Ehefrau ein Scheidungsverfahren ein. Mit gerichtlicher Verfügung vom 17. Januar 1991 wurde die Trennung der Ehe angeordnet; danach hatte D. die eheliche Wohnung zu verlassen.
Am 21. Mai 1991 verfügte die Fremdenpolizei des Kantons Aargau, dass die am 31. Oktober 1991 ablaufende Aufenthaltsbewilligung für D. nicht mehr verlängert würde. Zur Begründung führte sie aus, die Ehe werde nicht mehr gelebt und es sei das Scheidungsverfahren eingeleitet worden.
Mit Entscheid vom 2. September 1991 wies der Regierungsrat des Kantons Aargau eine Beschwerde von D. vom 14. Juni 1991 gegen die Verfügung der Fremdenpolizei ab.
BGE 118 Ib 145 S. 147
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, eventualiter staatsrechtlicher Beschwerde, vom 8. Oktober 1991 stellt D. folgende Rechtsbegehren:
"1. Die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 2. September
1991 sei vollumfänglich aufzuheben.
2. Die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers sei zu verlängern.
Eventualiter seien die kantonalen Verwaltungsinstanzen anzuweisen, die
Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers zu verlängern."
In seiner Vernehmlassung vom 4. November 1991 beantragt der Regierungsrat des Kantons Aargau, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Das Bundesamt für Ausländerfragen schliesst in seiner Stellungnahme vom 20. November 1991 auf Nichteintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
Mit Verfügung vom 1. Juni 1992 hat der Instruktionsrichter D. aufgefordert, dem Bundesgericht Mitteilung über den aktuellen Stand des Scheidungsverfahrens zu erstatten. D. reichte daraufhin ein Urteil des Bezirksgerichts Zurzach vom 12. Februar 1992 ein, mit dem seine Ehe mit S. geschieden wurde.
Mit dem Entscheid in der Sache selbst wird der Antrag auf aufschiebende Wirkung - dem superprovisorisch stattgegeben wurde und dem sich der Regierungsrat des Kantons Aargau nicht widersetzte - gegenstandslos.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrages berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 116 Ib 355 E. 1a).
BGE 118 Ib 145 S. 148
b) Unter Berufung auf Art. 8 Ziff. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101) macht der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung geltend. Er führt aus, seine schweizerische Ehefrau habe den Scheidungsprozess angestrebt; er selber habe die Ehe weiterführen wollen.
Bevor auf die Anwendbarkeit von Art. 8 EMRK einzugehen ist, muss allerdings geprüft werden, ob dem Beschwerdeführer ein massgeblicher Anspruch nicht bereits gestützt auf Gesetzesrecht zusteht.

2. a) Im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde gab es noch keine Gesetzesbestimmung, aus welcher der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Anwesenheitsbewilligung in der Schweiz hätte ableiten können. Am 1. Januar 1992 ist jedoch der neue Art. 7 ANAG in Kraft getreten (Gesetzesnovelle vom 23. März 1990, AS 1991 1042), der sich als mögliche Grundlage für einen solchen Anspruch anbietet. Es fragt sich allerdings, ob er im vorliegenden Fall überhaupt berücksichtigt werden kann.
b) Dass sich der Beschwerdeführer, wohl weil die Bestimmung bei Beschwerdeerhebung noch nicht in Kraft war, nicht auf Art. 7 ANAG berufen hat, steht einer Berücksichtigung dieses Artikels nicht entgegen, da das Bundesgericht an die Begründung der Begehren nicht gebunden ist (Art. 114 Abs. 1 OG). Hingegen ist für die Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zu verlangen, dass die formellen Voraussetzungen (bereits) im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde beziehungsweise, solange die Beschwerde- oder eine allfällige Nachfrist läuft, erfüllt sind. Davon kann bei solchen Voraussetzungen, die nicht - wie die Beschwerdeerhebung als solche oder die Leistung eines Kostenvorschusses - streng an eine Frist gebunden sind, unter Umständen dann abgewichen werden, wenn bis zum Zeitpunkt des Urteils die Heilung eines allfälligen Mangels eingetreten ist (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 75, mit Hinweisen).
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG nennt zwar eine formelle Voraussetzung, stellt dafür aber auf einen materiellrechtlichen Gesichtspunkt ab. Die dafür massgeblichen Umstände, seien sie rechtlicher oder tatsächlicher Art, unterliegen dem Wandel. Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht für sein Urteil regelmässig auf die Umstände im Zeitpunkt des letztinstanzlichen, das heisst bundesgerichtlichen Entscheides ab (vgl. BGE 114 Ib 4 E. b). Dies tut es insbesondere auch bei der Prüfung des Zulässigkeitserfordernisses, ob ein Anspruch auf
BGE 118 Ib 145 S. 149
eine fremdenpolizeiliche Bewilligung besteht (BGE 109 Ib 183 und daran anschliessende Rechtsprechung). Dabei geht es nicht nur um die Neubeurteilung tatsächlicher Umstände, bei denen das Bundesgericht ohnehin befugt ist, eine Überprüfung von Amtes wegen vorzunehmen (Art. 105 OG); vielmehr trifft dies auch bei rechtlichen Gesichtspunkten wie zum Beispiel der Berücksichtigung der Rechtsprechung der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention zu Art. 8 EMRK zu. Dieses Vorgehen gewährleistet nicht nur eine möglichst zeitgemässe Fallerledigung, sondern bringt auch den prozessökonomischen Vorteil mit sich, dass sich ein allfälliges neues Verfahren infolge der veränderten Umstände vermeiden lässt. Ferner steht es nicht im Widerspruch zum Rückwirkungsverbot, handelt es sich doch bei den zu beurteilenden Verhältnissen nicht um einen abgeschlossenen Zustand, sondern um andauernde und sich weiterentwickelnde Umstände (vgl. BGE 116 Ia 213 /4 E. 4a; BGE 113 Ia 425 mit Hinweisen).
c) Im vorliegenden Zusammenhang ist somit von den aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen auszugehen, weshalb auch der neue Art. 7 ANAG berücksichtigt werden kann.

3. a) Art. 7 ANAG lautet:
"1. Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren hat er Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt.
2. Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen."
Im Unterschied zum neuen Art. 17 Abs. 2 ANAG (AS 1991 1043), der den Nachzug des ausländischen Ehegatten eines Ausländers mit Niederlassungsbewilligung regelt, setzt der Wortlaut von Art. 7 ANAG nicht ausdrücklich voraus, dass die Ehegatten zusammen wohnen. Es fragt sich, ob dies Zufall ist oder ob dieses Tatbestandsmerkmal vom Gesetzgeber bewusst weggelassen wurde.
b) Dazu ist die Entstehungsgeschichte von Art. 7 ANAG aufschlussreich. In seiner Botschaft vom 26. August 1987 hatte der Bundesrat folgenden Wortlaut (der damals noch als Art. 5a bezeichneten Gesetzesbestimmung) vorgeschlagen (BBl 1987 III 342):
BGE 118 Ib 145 S. 150
"Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, solange die Ehegatten zusammen wohnen. Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren hat er Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt."
Der Bundesrat vertrat die Meinung, die Vorzugsbehandlung sollte nur so lange gelten, als die eheliche Gemeinschaft rechtlich und nach den tatsächlichen Verhältnissen bestünde (BBl 1987 III 321).
Der Ständerat als Erstrat ist dem bundesrätlichen Vorschlag in einer ersten Runde gefolgt, obwohl ihm dazu zwei Gegenanträge - die heutige Fassung sowie ein Antrag einer Kommissionsminderheit auf direkte Erteilung der Niederlassungsbewilligung - unterbreitet wurden (Amtl. Bull. 1988 S 207-209).
Dem Nationalrat lagen sogar vier Anträge vor (Amtl.Bull. 1989 N 1456-1460). Zunächst handelte es sich um den bundesrätlichen - und in der Zwischenzeit auch vom Ständerat übernommenen - Vorschlag. Die Kommissionsmehrheit beantragte die heutige Gesetzesbestimmung. Eine Kommissionsminderheit wollte unmittelbar einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung vorsehen. Ein weiterer Antrag bezweckte, die bundesrätliche Fassung zu verdeutlichen ("..., solange die Ehegatten tatsächlich in ehelicher Gemeinschaft leben ..." anstelle von: "..., solange die Ehegatten zusammen wohnen..."). Die Kommissionsmehrheit (und damit der heutige Wortlaut) setzte sich durch.
Im Differenzbereinigungsverfahren schloss sich der Ständerat dem Nationalrat (und damit der heutigen Fassung) an (Amtl.Bull. 1990 S 124-125). Die Einschränkung, dass ein Anspruch nur bestehe, "solange die Ehegatten zusammen wohnen" oder "tatsächlich in ehelicher Gemeinschaft leben", fiel somit ersatzlos dahin.
c) In der Diskussion in den Räten kam deutlich zum Ausdruck, dass der Ausländer hinsichtlich des Anwesenheitsrechts nicht vom guten Willen seines schweizerischen Ehegatten abhängig sein sollte. Namentlich dürfe es nicht zu einer Entfernung eines Ausländers führen, wenn dessen schweizerischer Ehepartner erreicht, dass die Ehe faktisch oder - im Eheschutzverfahren - richterlich getrennt wird. Ferner sollte es dem ausländischen Ehepartner eines Schweizers nicht verunmöglicht werden, aus dem Grunde, weil er gleichzeitig mit einer fremdenpolizeilichen Wegweisung zu rechnen hätte, selbst Eheschutzmassnahmen und dabei namentlich eine richterliche Trennung zu beantragen.
BGE 118 Ib 145 S. 151
Zwar bezweckte das Parlament vor allem, ausländische Frauen vor der Willkür ihrer schweizerischen Ehemänner zu schützen, doch kann aus Gleichheitsgründen für ausländische Männer von Schweizerinnen nichts anderes gelten (Art. 4 Abs. 2 BV). Das Fehlen der tatsächlichen Voraussetzung des Zusammenlebens der Ehegatten in Art. 7 ANAG muss daher als qualifiziertes Weglassen dieser Voraussetzung durch den Gesetzgeber betrachtet werden.
Hätten die Räte im übrigen die Anträge der Kommissionsminderheiten befolgt, wäre die Regelung noch grosszügiger ausgefallen. Mit erteilter Niederlassungsbewilligung hätte der ausländische Ehegatte sein Anwesenheitsrecht sogar nach Auflösung der Ehe beibehalten. So weit wollte das Parlament zwar nicht gehen, es hat aber bewusst die Mittellösung gewählt.
d) Aus den Materialien ist demnach zu folgern, dass Art. 7 ANAG so lange die Grundlage für einen Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizerbürgers auf Aufenthaltsbewilligung enthält, als die Ehe rechtlich besteht; dies gilt selbst dann, wenn die Eheleute - zumindest wenn dies wenigstens eine gewisse Zeit lang der Fall war - später tatsächlich nicht mehr zusammenleben.
Freilich erleidet dieser Anspruch Ausnahmen und Einschränkungen; vorbehalten sind insbesondere die in Art. 7 ANAG selbst ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen sowie eigentliche Rechtsmissbrauchsfälle. Die Frage, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen zur Befolgung des Anspruches auch erfüllt sind, gehört jedoch zur Prüfung der materiellen Rechtslage und nicht mehr des Eintretens (vgl. BGE 115 Ib 99 E. b und 101 E. f).
Für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzig entscheidend, ob formell eine eheliche Beziehung besteht.
e) Weil am 1. Januar 1992 das eheliche Verhältnis zu seiner schweizerischen Gattin noch gegeben war, stand dem Beschwerdeführer mit Inkrafttreten von Art. 7 ANAG eine anspruchsbegründende Norm für eine Aufenthaltsbewilligung zur Verfügung. Indessen wurde die Ehe am 12. Februar 1992 vom Bezirksgericht Zurzach geschieden. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, das Scheidungsurteil sei nicht in Rechtskraft erwachsen; abgesehen davon ist aus dem Urteil ersichtlich, dass er mit seiner geschiedenen Ehefrau einen Nebenfolgenvergleich abgeschlossen und sich insofern mit der Situation abgefunden hat.
Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils ist für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, sich auf Art. 7 ANAG zu berufen, wieder weggefallen.
BGE 118 Ib 145 S. 152

4. a) Es bleibt zu prüfen, ob Art. 8 EMRK dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung einräumt.
Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantiert den Schutz des Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der nahe Verwandte mit Anwesenheitsrecht (Schweizerbürgerrecht, Niederlassungsbewilligung) in der Schweiz hat, die in der Schweiz bleiben wollen; wird ihm selber die Anwesenheit in der Schweiz untersagt, kann dies Art. 8 EMRK verletzen. Soweit deshalb eine familiäre Beziehung im beschriebenen Sinn besteht und tatsächlich gelebt wird und intakt ist, ist das der zuständigen Behörde durch Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt.
In solchen Fällen bildet Art. 8 EMRK eine Grundlage für einen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung (BGE 116 Ib 355 E. 1 mit Hinweis).
b) Wie bei Art. 7 ANAG setzt eine Anrufung von Art. 8 EMRK ebenfalls voraus, dass die eheliche Beziehung formell besteht. Darüber hinaus entfällt gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Berufung auf diese Bestimmung, wenn bei getrennter Ehe der Ausländer selbst die Ehe weiterführen möchte, dies für seinen schweizerischen Gatten aber nicht zutrifft. Da Art. 8 EMRK grundsätzlich voraussetzt, dass die massgeblichen Familienmitglieder zusammenleben und sich gegenseitig Unterhalt gewähren (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, S. 201, N 13), fehlt es am Schutzobjekt der Familie, wenn eine Ehe nicht als Gemeinschaft geführt wird. Dabei spielt keine Rolle, auf welche Gründe dies zurückgeht beziehungsweise welcher Ehepartner die Verantwortung dafür trägt. Die eheliche Beziehung ist diesfalls nicht intakt beziehungsweise wird nicht gelebt (unveröffentlichte Urteile vom 13. September 1991 in Sachen I., E. 1c und d, und vom 4. Juli 1986 in Sachen Q., E. 1).
Der Beschwerdeführer konnte sich somit bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht mehr auf Art. 8 EMRK berufen. Erst recht gilt dies seit der Scheidung.

5. Dem Beschwerdeführer stand somit im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung, als dafür einzig Art. 8 EMRK in Frage kam, keine Norm zur Verfügung, die Grundlage für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gebildet hätte. Dies änderte sich mit dem Inkrafttreten von Art. 7 ANAG, das heisst vom 1. Januar 1992 an, weil von da an eine grosszügigere Rechtslage galt. Da aber jedenfalls der formelle Bestand des ehelichen Verhältnisses weiterhin Voraussetzung einer Anspruchsbegründung blieb, fiel die
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Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Scheidungsurteil vom 12. Februar 1992 wieder weg. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann daher im heutigen Zeitpunkt nicht (mehr) eingetreten werden.

6. Hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung, verfügt er auch nicht über ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 88 OG. Die Beschwerde ist daher auch nicht als staatsrechtliche Beschwerde zu behandeln (BGE 114 Ia 311 /2 E. 3b; BGE 109 Ib 180 E. 2).

Inhalt

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Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5 6

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