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Urteilskopf

122 III 166


33. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. März 1996 i.S. X. Corporation gegen Y. (Berufung)

Regeste

Aktienrechtliche Verantwortlichkeit; Klagerecht des Gesellschaftsgläubigers beim Vorliegen eines Nachlassvertrags mit teilweiser Vermögensabtretung.
Dem Gesellschaftsgläubiger steht beim gerichtlichen Nachlassvertrag mit (teilweiser) Vermögensabtretung - nicht aber beim Prozentvergleich - das Klagerecht gemäss Art. 758 aOR zu, soweit die aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche zu den Nachlasswerten gehören (E. 3a und b).
Die Ansprüche aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit gehören beim gerichtlichen Nachlassvertrag mit teilweiser Vermögensabtretung nicht zwingend zu den Vermögenswerten, welche den Gläubigern zur Liquidation überlassen werden. Massgebend sind vielmehr die entsprechenden Anordnungen im Nachlassvertrag (E. 3c).

Sachverhalt ab Seite 167

BGE 122 III 166 S. 167

A.- Y. war vom 13. Januar 1966 bis 19. Mai 1982 Mitglied des Verwaltungsrates der Z. AG. Am 25. April 1983 bestätigte das Kantonsgericht Schwyz der Z. AG einen Nachlassvertrag mit teilweiser Vermögensabtretung. Die Z. AG überliess darin einen Teil ihres Vermögens den Gläubigern zur Liquidation und Verteilung nach den Vorschriften über den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, bot die Schaffung eines Genussscheinkapitals an und erklärte sich mit einer Herabsetzung ihres Grundkapitals einverstanden. Die Liquidation der den Gläubigern überlassenen Vermögenswerte sollte in der Weise erfolgen, dass diese formell auf die ebenfalls zur Liquidationsmasse gehörende V. AG übertragen und deren Aktien treuhänderisch der Liquidatorin übereignet wurden. Alsdann sollte die V. AG nach Änderung ihres Zwecks und ihrer Firma in "V.-Abwicklungsgesellschaft" gegenüber Dritten als Veräussererin auftreten, intern jedoch für Rechnung aller beteiligten Gläubiger handeln. Der Erlös war unter Beachtung der Bestimmungen über die Rangordnung und die Rangklassen der Gläubiger gemäss SchKG zu verteilen. Die Genussscheine waren vorerst auf den Namen der Abwicklungsgesellschaft auszustellen und nach Verwertung aller anderen überlassenen Aktiven unter die Gläubiger zu verteilen. Schliesslich war die Abwicklungsgesellschaft aufzulösen und zu liquidieren. Die Z. AG setzte ihr Grundkapital gemäss den Bestimmungen des Nachlassvertrags herab und führte ihre Geschäfte mit den verbliebenen Mitteln fort, wobei ihrer Firma nie der Zusatz "in Nachlassliquidation" beigefügt wurde.
BGE 122 III 166 S. 168
Gegenstand der Vermögensabtretung sollen auch die Verantwortlichkeitsansprüche aus Aktienrecht gegenüber den seinerzeitigen Mitgliedern des Verwaltungsrates und der seinerzeitigen Kontrollstelle gebildet haben. Die Liquidatorin trat diese Ansprüche am 20. August 1985 an die X. Corporation, welche mit einer Forderung von mehr als 13 Millionen Franken in der 5. Klasse kolloziert war, sowie an eine weitere Gläubigerin ab.

B.- Mit Klage vom 14. September 1987 beim Amtsgericht Luzern-Stadt belangte die X. Corporation Y. aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit für Fr. 500'000.-- nebst Zins und unter Vorbehalt des Nachklagerechts. Mit Urteil vom 4. Oktober 1993 wies das Amtsgericht die Klage ab. Dieses Urteil bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern am 6. Juni 1995 unter Abweisung der Berufung der Klägerin.
Die Klägerin hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen wird.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Das Obergericht hat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung des mittelbaren Schadens der Gläubigergesamtheit verneint mit der Begründung, dass Art. 758 aOR nicht anwendbar sei im Fall eines Nachlassvertrags, mit welchem nur ein Teil der Vermögenswerte den Gläubigern zur Liquidation übertragen wird und die Gesellschaft mit den übrigen Mitteln ihr Geschäft weiterbetreibt. Damit habe die Liquidatorin gar keinen solchen Anspruch gemäss Art. 260 SchKG abtreten können. Nach dem klaren Wortlaut und den einzelnen Bestimmungen beinhalte die Abtretung vom 20. August 1985 auch keine zivilrechtliche Abtretung von Verantwortlichkeitsansprüchen; zudem hätte eine solche nur durch die Gesellschaftsorgane der Z. AG erfolgen können. Mit der Berufung rügt die Klägerin, diese Auffassung verletze Art. 758 aOR.
a) Mit BGE 117 II 432 ff. hat das Bundesgericht bei der Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen durch die Gläubiger im Konkurs die Unterscheidung zwischen einem Anspruch aus dem Schaden der Gesellschaft und einem solchen aus dem mittelbaren Schaden der Gläubiger aufgegeben. Der der Gesellschaft direkt zugefügte Schaden ist deckungsgleich mit dem Schaden, welcher den Aktionären und Gläubigern insgesamt indirekt entsteht (E. 1a/cc, S. 438). Ein Anspruch von Aktionären ist nach der Konkurseröffnung,
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sofern nicht infolge vollständiger Deckung aller Gläubigerforderungen ein Widerruf erfolgen kann, nicht mehr denkbar (E. 1a/ee, S. 439). Nach der Konkurseröffnung ist deshalb einzig noch die Konkursmasse befugt, Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen. Sie stützt sich dabei nicht auf die individuellen Rechte der einzelnen Gläubiger, sondern auf einen einheitlichen Anspruch der Gläubigergesamtheit. Für einen Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft bleibt damit neben diesem im Konkurs kein Raum mehr (E. 1a/ee, S. 439). Verzichtet die Konkursmasse auf die Geltendmachung der Verantwortlichkeitsansprüche, so kann gemäss Art. 756 Abs. 2 aOR jeder Gläubiger deren Abtretung verlangen, was lediglich einen Anwendungsfall der Abtretung eines streitigen Anspruchs der Konkursmasse gemäss Art. 260 SchKG darstellt. Auch der Abtretungsgläubiger klagt daher wie die Konkursmasse einzig aus dem Recht der Gläubigergesamtheit (S. 440). Damit kann auch er den Ersatz des gesamten Schadens fordern, den die verantwortlichen Organe der Gesellschaft und mittelbar der Gesamtheit der Gläubiger zugefügt haben. Gegenüber dem Anspruch der Gläubigergesamtheit sind die Einreden, welche bis zur Konkurseröffnung dem Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft entgegengehalten werden konnten, ausgeschlossen (E. 1a/gg, S. 440).
b) Die Konkurseröffnung bewirkt somit gemäss Art. 758 aOR, dass der bis dahin bestehende Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft abgelöst wird durch einen einheitlichen Anspruch der Gläubigergesamtheit. Betragsmässig sind die beiden Ansprüche deckungsgleich. Sie stimmen auch hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen überein, unterscheiden sich aber hinsichtlich der Einreden, die ihnen entgegengehalten werden können. Damit stellt sich die Frage, ob diese Ablösung des Anspruchs aus dem Recht der Gesellschaft durch den Anspruch der Gläubigergesamtheit allein im Falle des Konkurses eintritt oder auch in anderen Fällen, wo die Verantwortlichkeitsansprüche wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger herangezogen werden müssen.
aa) Bereits in BGE 49 II 241 E. 2 S. 244 f. hat das Bundesgericht unter der Herrschaft des Obligationenrechts von 1881/1911 die Bestimmungen über das Klagerecht der Gesellschaftsgläubiger auf einen Zwangsnachlassvertrag angewandt, bei dem sämtliche Vermögenswerte den Gläubigern zur Liquidation abgetreten worden waren. In späteren Urteilen wurde diese Rechtsprechung bestätigt, wobei auch die Legitimation der Liquidationsmasse anerkannt
BGE 122 III 166 S. 170
wurde (BGE 65 II 2 E. 2 S. 5, BGE 67 II 167 E. 1 S. 171 ff., BGE 86 II 171 E. 3a S. 185 und BGE 93 II 22 E. 2 S. 24). Diese Rechtsprechung beruhte zwar noch auf der Unterscheidung zwischen der Klage aus dem Recht der Gesellschaft und dem Anspruch des einzelnen Gläubigers aus mittelbarem Schaden. Es besteht indessen kein Anlass, davon abzuweichen, wenn nun nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts im Konkurs vom einheitlichen Anspruch der Gläubigergesamtheit aus mittelbarem Schaden ausgegangen wird. Auch in der Lehre wird hinsichtlich der Geltendmachung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche durch die Gläubiger der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung generell den für den Konkurs geltenden Bestimmungen unterstellt (RASCHEIN, Die Abtretung von aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüchen im Konkurs, in: Festschrift 100 Jahre SchKG, S. 358; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Auflage, Rz. 77 f., 100 und 116; VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Auflage, S. 275 Anm. 357; BÜRGI/NORDMANN, Zürcher Kommentar, N. 1 zu Art. 756 aOR; SCHUCANY, Kommentar zum schweizerischen Aktienrecht, S. 206 zu Art. 756 aOR).
bb) Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Bestimmungen über die Geltendmachung der Verantwortlichkeitsansprüche durch die Gesellschaftsgläubiger im Konkurs seien auch in allen anderen Fällen der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft anzuwenden. Zur Begründung führt sie an, der Ausschluss des Klagerechts der Gläubiger sei nur gerechtfertigt, solange die Gesellschaft aufrechtstehend sei. Falle diese Voraussetzung dahin, so müsse das Klagerecht der Gläubiger aktualisiert werden, ohne dass dafür eine Konkurseröffnung oder der Abschluss eines Nachlassvertrags erforderlich wäre.
Für ihre Auffassung beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf verschiedene Literatur- und Judikaturstellen. Diese befassen sich einzig mit der Darlegung der Gründe, welche den Gesetzgeber dazu bewogen haben, bei aufrechtstehender Gesellschaft ein Klagerecht der Gläubiger auszuschliessen und ihnen ein solches dann im Konkurs zuzugestehen. Wenn dort von der aufrechtstehenden Gesellschaft die Rede ist, bedeutet dies einfach das Gegenteil zur Gesellschaft im Konkurs ohne nähere Ausführungen darüber, welche anderen Sachverhalte einem Konkurs gleichzustellen sind. An keiner Stelle wird hingegen die These der Klägerin vertreten, dass ein Klagerecht der Gläubiger auch ohne Konkurseröffnung oder Abschluss eines
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Nachlassvertrags bereits bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit bestehen soll. Das gilt auch für MAYA SCHIESS (Das Wesen aktienrechtlicher Verantwortlichkeitsansprüche aus mittelbarem Schaden und deren Geltendmachung im Gesellschaftskonkurs, Diss. Zürich 1978, S. 68 ff.), die zu Beginn ihrer Ausführungen festhält, dass gemäss Art. 758 aOR der Gläubigeranspruch mit der Konkurseröffnung entsteht, und die dann lediglich mit Blick auf ausländische Rechtsordnungen darlegt, dass dieser Entscheid des schweizerischen Gesetzgebers objektiv nicht zwingend sei. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht im übrigen, dass sie gegen den klaren Wortlaut von Art. 758 aOR verstösst. Dazu kommt, dass der blosse Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ein zu unbestimmtes und damit untaugliches Kriterium darstellt, um damit ein Klagerecht der Gesellschaftsgläubiger zur Geltendmachung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche entstehen zu lassen. Schliesslich wäre eine solche Regelung unvereinbar mit dem Konzept des einheitlichen Anspruchs der Gläubigergesamtheit, welcher ihren gesamten mittelbaren Schaden umfasst und den Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft ablöst. Ein solcher Anspruch der Gläubigergesamtheit setzt zwingend voraus, dass diese organisiert ist, was nur beim Konkurs und beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zutrifft. In BGE 82 II 48 ff. wurde demgemäss auch nicht etwa Art. 758 aOR angewendet, sondern es wurden die Verantwortlichkeitsansprüche der Gesellschaft aufgrund einer zivilrechtlichen Abtretung geltend gemacht, obwohl die Gesellschaft angesichts der in der Zwischenzeit erfolgten Eröffnung und Einstellung des Konkurses offensichtlich zahlungsunfähig war.
Die für den Konkursfall geltende Regelung lässt sich sodann auch nicht auf den Stundungs- oder Prozentvergleich übertragen. Bei diesem verbleibt die schuldnerische Gesellschaft (unter Vorbehalt der Sicherstellung für den Vollzug des Nachlassvertrags) im vollen Verfügungsrecht über ihre gesamte Vermögenssubstanz. Für eine Ablösung des Anspruchs aus dem Recht der Gesellschaft durch einen Anspruch der Gläubigergesamtheit bleibt damit kein Raum. Der Gläubigergesamtheit würde auch die erforderliche Organisation fehlen, um einen solchen Anspruch geltend machen zu können. Zudem würde die zusätzliche Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber den Organen gegen den Grundsatz verstossen, dass die Gläubiger beim Prozentvergleich auf ihre ganzen Forderungen verzichten, soweit diese die im Nachlassvertrag festgelegten Leistungen des Nachlassschuldners übersteigen.
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cc) Zu prüfen bleibt die Frage, wie Nachlassverträge zu behandeln sind, bei welchen nur ein Teil der Vermögenswerte den Gläubigern zur Liquidation überlassen werden, während weitere Vermögenswerte der Nachlassschuldnerin verbleiben und sie mit diesen (allenfalls unter Einbezug der seinerzeitigen Gläubiger als Aktionäre, Partizipanten oder Inhaber von Genussscheinen) fortbesteht. Die Lehre äussert sich zu dieser Frage nicht, da bei den Ausführungen über die Behandlung der Verantwortlichkeitsansprüche im Nachlassvertrag jeweils nicht unterschieden wird, ob alle oder nur einzelne Vermögenswerte den Gläubigern überlassen werden (vgl. die in E. 3b/aa zitierten Autoren). Wie das Kantonsgericht Schwyz in seinem ersten Beschluss vom 15. März 1983, mit welchem es die ursprüngliche Fassung des Nachlassvertrags zur entsprechenden Anpassung zurückwies, zutreffend feststellte, untersteht ein solcher Zwangsvergleich ebenfalls den Bestimmungen über den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 316a ff. SchKG). Die Gläubigergesamtheit ist damit organisiert, womit die Geltendmachung von aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüchen aus einem Recht der Gläubigergesamtheit möglich wird.
Gehören bei einem Nachlassvertrag mit bloss teilweiser Vermögensabtretung die Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber den Gesellschaftsorganen zu den Vermögenswerten, welche den Gläubigern zur Liquidation überlassen werden, so rechtfertigt es sich, auch in diesem Fall in analoger Anwendung von Art. 758 aOR eine Ablösung des Anspruchs aus dem Recht der Gesellschaft durch einen Anspruch der Gläubigergesamtheit anzunehmen. Hinsichtlich der Haftungsvoraussetzungen und des betragsmässigen Umfangs sind diese beiden Ansprüche ja deckungsgleich. Für die weitere Anwendung der Einredenordnung, welche für den Anspruch der Gesellschaft galt, entfällt mit dem Abschluss eines solchen Nachlassvertrags die sachliche Rechtfertigung. Wie beim Konkurs ist die Gesellschaft zahlungsunfähig, und die Gläubiger müssen auf einen Teil ihrer Forderung verzichten oder sich zumindest die Umwandlung in andere Rechte gefallen lassen. Hinsichtlich der den Gläubigern zur Liquidation überlassenen Vermögenswerte sind dann einzig noch die Interessen der Gesellschaftsgläubiger massgeblich. Die Lebensfähigkeit der mit einem Teil der Vermögenswerte weiterexistierenden Gesellschaft steht auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber den (früheren) Organen bzw. mit den Einreden, welche diesen Ansprüchen entgegengehalten werden können. Wäre
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dies ausnahmsweise der Fall, so könnten auch die Verantwortlichkeitsansprüche im Nachlassvertrag von der Übertragung auf die Gläubiger ausgeklammert werden.
Die Gründe, aus welchen die Vorinstanz eine analoge Anwendung von Art. 758 aOR verneint hat, erweisen sich demgegenüber nicht als stichhaltig. Ob die Gesellschaft aufgelöst und im Handelsregister gelöscht wird, hat keinen erkennbaren Bezug zur Frage, unter welchen Modalitäten die auf die Gläubigergesamtheit übergegangenen Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen sind. In BGE 49 II 241 E. 2 S. 244 f. hat das Bundesgericht die analoge Anwendung von Art. 675 Abs. 2 aOR (Fassung 1881/1911) auf den Nachlassvertrag mit Abtretung aller Vermögenswerte auch nicht etwa ausschliesslich mit der Auflösung der Gesellschaft begründet, sondern gleichzeitig die einschneidenden Beschränkungen der Gläubigerrechte erwähnt. In BGE 86 II 171 E. 3a S. 185 wurde der Aspekt der Auflösung der Gesellschaft nicht erwähnt, und es wurde statt dessen auf die Liquidation des überlassenen Vermögens nach den Regeln des Konkurses abgestellt. Auch wenn nur ein Teil der schuldnerischen Vermögenswerte den Gläubigern zur Liquidation überlassen werden, gilt dabei das Prinzip der Totalität der Vollstreckungsansprüche (concursus omnium creditorum). Entgegen der bei der Vorinstanz offenbar bestehenden Meinung geht es beim Entscheid über die analoge Anwendbarkeit von Art. 758 aOR nicht etwa um die Frage, ob die Verantwortlichkeitsansprüche zu den Vermögenswerten gehören, welche den Gläubigern zur Liquidation überlassen wurden, sondern einzig darum, welchen Modalitäten die Geltendmachung der überlassenen Verantwortlichkeitsansprüche untersteht, das heisst, ob der Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft abgelöst wird durch einen einheitlichen Anspruch der Gläubigergesamtheit mit der entsprechenden Ordnung der Einreden. In diesem Zusammenhang ist zudem unerheblich, dass die mit einem Teil der Vermögenswerte weiterexistierende Gesellschaft nie den Zusatz "in Nachlassliquidation" führt und deshalb die Liquidation der den Gläubigern überlassenen Vermögenswerte mit geringerer Publizität verbunden ist. Der Wert des bei der Gesellschaft verbliebenen Vermögens kann allenfalls ein Element sein, welches zu beachten ist bei der Beantwortung der Frage, ob die Verantwortlichkeitsansprüche den Gläubigern überlassen wurden oder bei der Gesellschaft verblieben. Gleiches gilt für das Argument, dass die Gläubiger auf jenen Teil der Forderung, der aus der Liquidation der überlassenen Vermögenswerte nicht befriedigt werden konnte, nicht etwa
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ersatzlos verzichten mussten, sondern dafür in Form der Genussscheine noch eine Beteiligung an der weiterexistierenden Gesellschaft erhielten.
In Abweichung von der Auffassung der Vorinstanz ist deshalb festzuhalten, dass Art. 758 aOR analog anzuwenden ist auf gerichtliche Nachlassverträge, mit welchen den Gläubigern nur ein Teil der Vermögenswerte zur Liquidation überlassen wird, soweit die aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche zu diesen überlassenen Vermögenswerten gehören.
c) Eine Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung des mittelbaren Schadens der Gläubigergesamtheit lässt sich aus der auf Art. 260 SchKG gestützten Abtretung vom 20. August 1985 indessen nur ableiten, wenn diese Verantwortlichkeitsansprüche tatsächlich zu den Vermögenswerten gehörten, welche den Gläubigern zur Liquidation überlassen wurden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dies keineswegs zwingend. Dies belegt schon die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach auch beim Nachlassvertrag mit Abtretung aller Vermögenswerte die Liquidationsorgane nur bei besonderer Bevollmächtigung durch den Nachlassvertrag zur Anhebung der Verantwortlichkeitsklage gegen die Gesellschaftsorgane befugt waren (BGE 48 III 71 ff., BGE 60 III 99 ff.). Mit der Praxisänderung in BGE 64 III 20 ff. hat das Bundesgericht dann den Grundsatz statuiert, dass beim Nachlassvertrag mit Abtretung aller Vermögenswerte das abgetretene Vermögen ohne gegenteilige Abrede auch die der Gesellschaft zustehenden Verantwortlichkeitsansprüche umfasst, selbst wenn diese im Inventar nicht aufgeführt sind (ebenso BGE 67 II 167 E. 1 S. 171; FORSTMOSER, a.a.O., S. 55 Rz. 77). Der Vorbehalt gegenteiliger Abrede schliesst es aus, die Überlassung der Verantwortlichkeitsansprüche an die Gläubiger als zwingend zu betrachten. Ein solcher zwingender Charakter lässt sich entgegen einem Teil der Lehre (ERWIN GERSBACH, Der Nachlassvertrag ausser Konkurs nach dem Schweizerischen Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen und seinen Ausführungserlassen, Diss. Zürich 1937, S. 125; SCHODER, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, ZBJV 1952, S. 418; PETER LUDWIG, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, Diss. Bern 1970, S. 70; HANS HURTER, Der Nachlassvertrag mit Gesellschaftsgründung, Diss. Bern 1988, S. 125) auch nicht aus Art. 260 SchKG ableiten. Dieser Bestimmung unterstehen nur jene Ansprüche, welche überhaupt zur Konkursmasse bzw. Liquidationsmasse gehören; über den
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materiellen Bestand der Masse sagt diese Bestimmung hingegen nichts aus.
Ob die Verantwortlichkeitsansprüche zur Liquidationsmasse gehören, ist damit eine Frage der Auslegung des Nachlassvertrags. Darüber enthält das angefochtene Urteil keine Ausführungen. Es fehlen auch die tatsächlichen Feststellungen, welche es dem Bundesgericht erlauben würden, diese Frage selbst zu beurteilen. Eine Vervollständigung des Sachverhalts durch das Bundesgericht anhand der Akten (Art. 64 Abs. 2 OG) ist ausgeschlossen, da es sich dabei nicht bloss um einen nebensächlichen Punkt handelt. Zudem gibt auch der Wortlaut des Nachlassvertrags keinen klaren Aufschluss, da die Verantwortlichkeitsansprüche dort ausdrücklich weder unter den den Gläubigern überlassenen Vermögenswerten noch unter den davon ausgenommenen Vermögenswerten aufgeführt sind. Die Streitsache ist deshalb zur Vervollständigung des Sachverhalts und zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG).
d) Anzufügen bleibt im übrigen, dass die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung an die Vorinstanz zur Vervollständigung des Sachverhalts im vorstehend genannten Punkt selbst dann erforderlich wäre, wenn eine analoge Anwendbarkeit von Art. 758 aOR verneint würde. Wie ausgeführt regelt diese Bestimmung nur die Modalitäten für die Geltendmachung der Verantwortlichkeitsansprüche. Gehörten diese nach der Auslegung des Nachlassvertrags zu den Vermögenswerten, welche den Gläubigern zur Liquidation überlassen wurden, so würde damit bei verneinter analoger Anwendbarkeit von Art. 758 aOR den Gläubigern einfach das Verfügungsrecht eingeräumt über den unverändert fortbestehenden Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft. Auch dieser Anspruch wäre dann von der Liquidatorin zu verwerten gewesen, sei es durch eigene Geltendmachung im Namen der Liquidationsmasse bzw. der Abwicklungsgesellschaft oder durch Abtretung an einzelne Gläubiger gemäss Art. 260 SchKG. Zentrale Frage bliebe damit auch bei dieser Rechtsauffassung, ob die Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber den Organen aufgrund des Nachlassvertrags zu den Vermögenswerten gehören, welche den Gläubigern zur Liquidation überlassen wurden.
e) Die vom Obergericht ebenfalls aufgeworfene Frage der zivilrechtlichen Abtretung der Verantwortlichkeitsansprüche erweist sich demgegenüber als irrelevant. Falls diese Ansprüche zu den den Gläubigern übertragenen Vermögenswerten gehörten, so hatten die Liquidationsorgane diese im Falle
BGE 122 III 166 S. 176
des Verzichts auf eine eigene Geltendmachung gemäss Art. 316 Art. 260 SchKG den Gläubigern zur Abtretung anzubieten. Für eine zivilrechtliche Abtretung gemäss Art. 164 ff. OR bleibt in diesem Fall kein Raum. Wären die Verantwortlichkeitsansprüche dagegen bei der Gesellschaft verblieben, so hätten sie in der Folge nur durch deren Organe gemäss Art. 164 ff. OR abgetreten werden können (vgl. BGE 82 II 48 E. 3 S. 55 ff.). Das Vorliegen einer solchen Abtretung wurde indessen nie behauptet.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 3

Referenzen

BGE: 86 II 171, 82 II 48, 117 II 432, 93 II 22

Artikel: Art. 260 SchKG, Art. 164 ff. OR, Art. 316a ff. SchKG, Art. 64 Abs. 2 OG mehr...