93 II 11
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Urteilskopf
93 II 11
4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Januar 1967 i.S. O. gegen Z.
Regeste
Haftung für Schulden der Erbengemeinschaft. Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer von Dritten (einer andern Erbengemeinschaft) erhobenen Forderung; Aktiv- und Passivlegitimation.
1. Für Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit der für gemeinsame Rechnung erfolgten Weiterführung eines Betriebs des Erblassers zulasten der Erbengemeinschaft entstanden sind, haften die Erben solidarisch. Der einzelne Erbe ist legitimiert, auf Feststellung des Nichtbestehens einer solchen Verpflichtung zu klagen (Erw. 2a).
2. Eine Klage, mit der die Feststellung des Nichtbestehens einer von einer Erbengemeinschaft gegen den Kläger erhobenen Forderung verlangt wird, ist grundsätzlich gegen alle Erben zu richten. Abweisung einer Klage gegen einen einzelnen Erben mangels Passivlegitimation (Erw. 2b).
3. Unzulässigkeit einer Klage gegen die Miterben, die darauf abzielt, im Hinblick auf die Teilung der Erbschaft mit Wirkung für die Prozessparteien das Nichtbestehen einer Forderung Dritter gegen die Erbengemeinschaft feststellen zu lassen (Erw. 2c).
Die Schwestern Frau O. und Frau Z. bilden die Erbengemeinschaft H. Zur Erbschaft gehörte neben einem dem Ehemann Z. verpachteten Landwirtschaftsbetrieb ein grösserer Weinbaubetrieb, den die Eheleute Z. ungefähr zehn Jahre lang für Rechnung der Erbengemeinschaft H. führten. Nachdem der Ehemann Z. im Jahre 1960 gestorben war, erstellte Frau Z. zur Vorbereitung der Teilung der Erbschaft H. eine Abrechnung über den Stand dieser Erbschaft, in der sie die Erbengemeinschaft H. für die Führung des Weinbaubetriebs durch "Familie Z." in den Jahren 1951-1960 mit Fr. 63'501.25 belastete. Im Erbteilungsprozess, den Frau O. hierauf gegen Frau Z. einleitete, beantragte die Klägerin u.a. die Feststellung, dass die geltend gemachte "Lohnforderung" unbegründet und die erwähnte Belastung daher zu streichen sei. Das obere kantonale Gericht schützte die - vom Bezirksgericht auf Fr. 30'000.-- herabgesetzte - "Lohnforderung" für den Betrag von Fr. 62'500.--. Das Bundesgericht weist das Feststellungsbegehren der Klägerin ab mit der Begründung, eine allfällige
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Forderung gegen die Erbengemeinschaft H. aus der Führung des Weinbaubetriebs durch die Eheleute Z. stünde den Erben des (nicht nur von der Beklagten, sondern auch noch von weitern Personen beerbten) Ehemannes Z. zu, und über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Forderung der Erben Z. gegen die Erben H. könne im vorliegenden Prozesse nicht entschieden werden.Aus den Erwägungen:
2. ... a) Soweit die Erbengemeinschaft H. dem Z. dafür, dass er und die Beklagte für Rechnung der Erbengemeinschaft H. den Weinbaubetrieb führten, ein Entgelt schuldig geworden ist, handelt es sich um eine sog. Erbgangsschuld, d.h. um eine Verpflichtung, die nach dem Tode des Erblassers zulasten der Erbengemeinschaft entstanden ist.
In der neuern Lehre herrscht die Auffassung vor, das Gesetz weise hinsichtlich der Haftung für solche Schulden eine Lücke auf, die in der Weise auszufüllen sei, dass die Erben für diese Schulden wie für die Schulden des Erblassers (Art. 603 ZGB) grundsätzlich solidarisch haften (ESCHER, 3. Aufl., N. 3a zu Art. 603 ZGB; TUOR/PICENONI N. 7a zu Art. 603 ZGB, mit Hinweisen auf weitere neuere Lehrmeinungen und auf zahlreiche kantonale Entscheide sowie auf das in ZBGR 1955 Nr. 19 S. 114 ff. abgedruckte Urteil des Bundesgerichtes vom 30. September 1954 i.S. K. gegen Regierungsrat des Kantons Bern). Im eben genannten Urteil hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob das zuständige Grundbuchamt die Eintragung eines Schuldbriefes, den eine Witwe im eigenen Namen sowie im Namen ihrer minderjährigen Kinder zwecks Finanzierung eines Umbaues zulasten des Heimwesens ihres verstorbenen Ehemannes errichten lassen wollte, mit der Begründung ablehnen durfte, der Errichtungsakt verpflichte die Verpfänder als Glieder einer Erbengemeinschaft solidarisch und führe somit zu einer Verpflichtung der Kinder im Interesse der Mutter, weshalb gemäss Art. 282 ZGB ein Beistand mitzuwirken und die Vormundschaftsbehörde das Geschäft zu genehmigen habe. Zur Begründung dafür, dass ein zureichender Grund bestanden habe, der Mutter das Recht zur Vertretung der Kinder in dieser Sache abzusprechen, führte das Bundesgericht u.a. aus, es liege nahe, aus der Art des Gemeinschaftsverhältnisses der Erben eine solidarische Verpflichtung abzuleiten;
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Art. 603 ZGB sehe die solidarische Haftung der Erben für Schulden des Erblassers vor, und bei vertraglichen Verpflichtungen der Erben selbst in gemeinsamen Angelegenheiten komme eine entsprechende Anwendung der für die Gemeinderschaft und für die einfache Gesellschaft geltenden Vorschriften, welche sie solidarische Haftung vorsehen (Art. 342 Abs. 2 ZGB, 544 Abs. 3 OR), in Frage. In der Tat ist die Solidarhaftung der Erben für Erbgangsschulden auf jeden Fall dann, wenn sie im Zusammenhang mit der für gemeinsame Rechnung erfolgten Weiterführung eines landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebs des Erblassers eingegangen wurden, sachlich ebensosehr gerechtfertigt wie die Solidarhaftung, die nach den angeführten Gesetzesbestimmungen für die zulasten einer Gemeinderschaft oder einer einfachen Gesellschaft begründeten Verpflichtungen besteht.Haftet die Klägerin als eine der beiden Erbinnen, welche die Erbengemeinschaft H. bilden, für eine allfällige Schuld dieser Gemeinschaft gegenüber den Erben Z. aus der Führung des Weinbaubetriebs durch Z. und die Beklagte solidarisch, so ist die Klägerin legitimiert, selbständig, d.h. ohne Mitwirkung ihrer Miterbin, auf Feststellung des Nichtbestehens einer solchen Schuld zu klagen (BGE 89 II 433 Erw. 3).
b) Eine in der Person des Z. entstandene Forderung gegen die Erbengemeinschaft H. steht seinen Erben gemäss Art. 602 ZGB zu gesamter Hand zu, solange seine Erbschaft mit Bezug auf diese Forderung noch nicht geteilt ist, wofür keine Anhaltspunkte bestehen.
Forderungen gegen Dritte, die den Erben zu gesamter Hand zustehen, können grundsätzlich nicht von einzelnen Erben, sondern nur von allen Erben zusammen (oder an ihrer Stelle von einem Erbenvertreter gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB, einem Willensvollstrecker oder einem Erbschaftsverwalter) gerichtlich geltend gemacht werden (BGE 50 II 219ff.,BGE 51 II 269/70,BGE 52 II 197,BGE 54 II 112, 200 Erw. 2 und 243; zur prozessualen Stellung des Erbenvertreters, Willensvollstreckers und Erbschaftsverwalters vgl. namentlichBGE 53 II 208,BGE 54 II 200Erw. 1,BGE 59 II 123,BGE 79 II 116, BGE 85 II 601, BGE 90 II 381; soweit LEUCH, 3. Aufl., in N. 2 zu Art. 36 der bern. ZPO hinsichtlich der Notwendigkeit gemeinsamer Klage der Erben eine andere Ansicht vertritt, ist ihm nicht zu folgen). Die Rechtsprechung lässt die Klage eines einzelnen Erben zur Wahrung von Interessen der
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Erbengemeinschaft nur ausnahmsweise in Fällen der Dringlichkeit und nur in dem Sinne zu, dass der betreffende Erbe im Namen aller Erben, d.h. im eigenen Namen und als gesetzlicher Vertreter der Miterben, zu klagen hat (BGE 58 II 200).Umgekehrt darf eine Klage, mit der ein Dritter die Feststellung des Nichtbestehens einer von der Erbengemeinschaft gegen ihn erhobenen Forderung verlangt, nicht gegen einzelne Erben geführt werden, sondern eine solche Klage ist gegen alle Erben (oder gegebenenfalls gegen den für sie handelnden Erbenvertreter, Willensvollstrecker oder Erbschaftsverwalter) zu richten (vgl. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweiz. Recht, S. 193), was in aller Regel auch in dem bei solchen Klagen wohl seltenen (hier nicht gegebenen) Falle der Dringlichkeit möglich sein dürfte. Auch das ist eine notwendige Folge der Gesamtberechtigung der Erben. Zudem kann ein für alle Erben verbindliches Urteil, wie es mit einer solchen Klage regelmässig erstrebt wird, grundsätzlich nur ergehen, wenn in der angegebenen Weise alle Erben in den Prozess einbezogen werden (vgl. BGE 89 II 434 Erw. 4).
Im Streit über ein Rechtsverhältnis unter den Erben dürfen nach der Rechtsprechung solche Erben, die sich dem Urteil zum voraus unterzogen haben, dem Prozess fernbleiben (vgl. z.B.BGE 74 II 217,BGE 75 II 198/99). Ob das auch für Streitigkeiten über Rechtsverhältnisse zwischen der Erbengemeinschaft und einem Dritten gelte (vgl. BGE 89 II 435), was KUMMER in ZBJV 1964 S. 540 f. bei Besprechung des zuletzt genannten Urteils in Zweifel zieht, kann dahingestellt bleiben; denn die Personen, die neben der Beklagten Erben von Z. sind, haben nicht erklärt, sie seien bereit, das gegenüber der Beklagten ergehende Urteil gegen sich gelten zu lassen.
Dass die Beklagte behördlich ernannte Vertreterin der Erben Z., Willensvollstreckerin des Z. oder für dessen Nachlass bestellte Erbschaftsverwalterin sei, wird nicht behauptet, geschweige denn dargetan. Die Beklagte ist vielmehr nach den vorliegenden Akten nichts anderes als einer der Erben des Z. Daher ist sie bezüglich einer Klage auf Feststellung, dass die Erbengemeinschaft Z. von der Erbengemeinschaft H. bzw. von der Klägerin als solidarisch haftendem Glied dieser Gemeinschaft für die Führung des Weinbaubetriebs durch Z. nichts zu fordern habe, für sich allein nicht passivlegitimiert.
Das Fehlen der Passivlegitimation (die von der Beklagten
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im kantonalen Verfahren unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Klage gegen die Erben Z. bestritten wurde) führt zur Abweisung des Feststellungsbegehrens der Klägerin (vgl. LEUCH, 3. Aufl., N. 8 zu Art. 192 der bern. ZPO; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 181).c) Das Bezirksgericht vertrat in seinem Urteil freilich die Auffassung, mit Bezug auf den streitigen "Lohnanspruch" stelle sich die Frage der Sachlegitimation überhaupt nicht; für die Teilung der Hinterlassenschaft (gemeint: der Erbschaft H.) sei die Ermittlung der Aktiven und Passiven notwendige Voraussetzung; die Beklagte habe diese Aufgabe übernommen, indem sie sich bereit erklärt habe, eine Abrechnung zu erstellen; darüber, was als Aktivum oder als Passivum in diese Abrechnung aufzunehmen sei, seien Meinungsverschiedenheiten entstanden, die zu entscheiden der Richter angerufen worden sei. Das Bezirksgericht scheint also anzunehmen, es handle sich im vorliegenden Prozess nur darum, zur Gewinnung der Grundlagen für die Teilung der Erbschaft H. mit Wirkung für die beiden Erbinnen festzustellen, welche Forderungen und welche Schulden gegenüber Dritten zum Nachlass gehören; diese Feststellung könne in einem Verfahren getroffen werden, an dem nur die beiden Erbinnen teilnehmen.
Richtig ist, dass die Feststellungsklage nicht bloss rechtliche Beziehungen zwischen den Parteien oder einer Partei zu einer Sache sowie die daraus sich ergebenden Rechte und Pflichten, sondern auch Rechtsverhältnisse Dritter, z.B. die Rechtsbeziehungen zwischen einem Dritten und einer Prozesspartei zum Gegenstand haben kann (LEUCH, 3. Aufl., N. 2 zu Art. 174; GULDENER a.a.O. S. 176; ROSENBERG, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechtes, 7. Aufl., S. 389/90; STEIN/JONAS, 18. Aufl., Bem. II/3 zu § 256 der deutschen ZPO; vgl. BGE 84 III 19 /20). Voraussetzung einer solchen Klage ist nach den angeführten Lehrmeinungen, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der verlangten Feststellung hat, was z.B. für den Fall bejaht wird, dass der Bestand oder Inhalt der Rechtsbeziehungen unter den Prozessparteien vom Vorhandensein eines bestimmten Rechtsverhältnisses zwischen Dritten (oder zwischen einer Partei und einem Dritten) abhängig ist (GULDENER S. 176 Fussnote 12). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Klage auf Feststellung eines dem eidgenössischen Recht unterstehenden Rechtsverhältnisses
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von Bundesrechts wegen stets zuzulassen, wenn der Kläger an der Feststellung ein erhebliches rechtliches Interesse hat (BGE 91 II 409 mit Hinweisen), und dürfen die Kantone eine solche Klage in weitern Fällen gewähren, insbesondere an das Feststellungsinteresse weniger strenge Anforderungen stellen als das Bundesrecht, sofern dieses eine derartige Erweiterung der Klagemöglichkeit nicht ausdrücklich oder dem Sinne nach verbietet (BGE 92 II 108 mit Hinweisen).Ein Erbe hat daran, dass in einem nur zwischen den Erben geführten Prozess das Nichtbestehen einer Forderung festgestellt werde, die ein Dritter gegenüber dem Erblasser oder der Erbengemeinschaft erworben zu haben behauptet, kaum ein rechtliches Interesse, sondern das Bundesrecht schliesst eine solche Klage seinem Sinne nach geradezu aus. Die in Gutheissung einer solchen Klage getroffene Feststellung des Nichtbestehens der Forderung des Dritten wäre nämlich, da ein Urteil grundsätzlich nur für die Prozessparteien Recht schafft (BGE 89 II 434 Erw. 4), für den Gläubiger nicht verbindlich. Dieser wäre also nicht gehindert, den einen oder andern Erben als Solidarschuldner (vgl. lit. a hievor) zu belangen, und dem Erben, der zahlen müsste, bliebe das Recht gewahrt, gegen die andern Erben gemäss Art. 640 ZGB Rückgriff zu nehmen. Eine Klage gegen die Miterben auf Feststellung des Nichtbestehens einer bestimmten Erbschaftsschuld vermag daher die Erbteilung nicht zu fördern. Die Forderung des Dritten müsste vielmehr, auch wenn das Urteil ihren Bestand verneinen würde, auf Verlangen eines Erben gemäss Art. 610 Abs. 3 ZGB (der auf Erbgangsschulden entsprechend anzuwenden ist) vor der Teilung der Erbschaft sichergestellt werden, da nach wie vor mit ihrer erfolgreichen Geltendmachung durch den Gläubiger zu rechnen wäre. Mit einer Klage gegen die Miterben auf Feststellung des Nichtbestehens einer von einem Dritten behaupteten Forderung gegen die Erbengemeinschaft lässt sich daher überhaupt kein vernünftiger Zweck erreichen, so dass einer solchen Klage das aus Art. 2 Abs. 2 ZGB sich ergebende Verbot völlig nutzloser Rechtsausübung entgegensteht.
Hiezu kommt im vorliegenden Falle, dass die Beklagte einer der Erben von Z. ist, denen die streitige Forderung im Falle ihrer Begründetheit zusteht. Mit Wirkung bloss für einen oder einzelne von mehreren Erben Feststellungen über Rechte der Erbengemeinschaft gegen Dritte zu treffen, ist mit der Gesamtberechtigung
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der Erben nicht vereinbar und hätte auch praktisch unleidliche Folgen (KUMMER, Das Klagerecht...., S. 190 ff.).Aus diesen Gründen ist das Feststellungsbegehren der Klägerin auch insoweit abzuweisen, als es entsprechend der Auffassung des Bezirksgerichtes darauf abzielen sollte, das Nichtbestehen der streitigen Forderung im Hinblick auf die Teilung der Erbschaft H. mit Wirkung für die Parteien feststellen zu lassen.