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Urteilskopf

99 II 268


36. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. November 1973 i.S. Speissegger gegen Glogg AG.

Regeste

Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen.
Gilt ein Vertrag über ein Kaufsrecht, das erst nach dem Ableben des Verpflichteten ausgeübt werden kann, als Rechtsgeschäft unter Lebenden oder als solches von Todes wegen? Die Abgrenzung hat nicht schematisch auf Grund eines abstrakten Kriteriums, sondern einer Würdigung aller Umstände des konkreten Falles zu erfolgen.

Sachverhalt ab Seite 268

BGE 99 II 268 S. 268
Aus dem Tatbestand:

A.- Georg Speissegger, geb. 1880, übertrug mit öffentlich beurkundetem "Kaufvertrag" vom 28. August 1962 der Firma Willy Glogg AG verschiedene Grundstücke mit den dazugehörenden Gebäuden. Unter den "weitern Bestimmungen" des Kaufvertrages räumte er der Firma Willy Glogg AG zudem für die Dauer von 15 Jahren, von der Eigentumsübertragung an gerechnet, an den Parzellen Nr. 439, 441, 488 und 492 sowie am Rest der Parzelle Nr. 437 ein Kaufsrecht ein. Hiezu vereinbarten die Vertragsparteien noch folgendes:
"Für den Fall, dass der heutige Verkäufer beabsichtigt, auf dem Grundstück Parz. No. 492 ein Einfamilienhaus für seine eigenen Bedürfnisse zu erstellen, verzichtet die Kaufsberechtigte auf den spätern Erwerb dieser Parzelle. Das Kaufsrecht ist in diesem Falle mit Bezug auf dieses Grundstück zu löschen.
Das Kaufsrecht ist unübertragbar. Es kann erst nach dem Ableben des Kaufsrechtsbelasteten ausgeübt werden, und ist für die Dauer von zehn Jahren, vom Datum der Eigentumsübertragung an gerechnet, im Grundbuch vorzumerken.
BGE 99 II 268 S. 269
7. Der Verkäufer G. Speissegger verpflichtet sich, bei irgendwelchen Verhandlungen mit der Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Hittnau über die Neuzuteilung oder irgendwelche andern Fragen, welche den Grundbesitz des Verkäufers tangieren, die Käuferin beizuziehen."
Am 8. Juli 1963 schloss Georg Speissegger mit der Firma Willy Glogg sodann noch einen öffentlich beurkundeten "Kaufrechtsvertrag" ab, worin er der genannten Firma an weitern Gebäuden sowie ca. 17 a Land ein Kaufsrecht einräumte. Der Vertrag enthielt unter anderem folgende Bestimmungen:
"2. Das Kaufsrecht ist unübertragbar. Es kann erst nach dem Ableben des Kaufsrechtsbelasteten ausgeübt werden, und ist für die Dauer von zehn Jahren, vom Tage der Eigentumsübertragung der belasteten Liegenschaft an Georg Speissegger an gerechnet, bei der belasteten Liegenschaft im Grundprotokoll vorzumerken. Das Kaufsrecht selber dauert 15 Jahre vom obgenannten Tage der Eigentumsübertragung an gerechnet.
6. Der Kaufsrechtsbelastete verpflichtet sich, bei irgendwelchen Verhandlungen mit der Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Hittnau über die Neuzuteilung oder irgendwelche andern Fragen, welche den Grundbesitz des Belasteten tangieren, die Kaufsrechtsberechtigte beizuziehen."
Georg Speissegger starb am 10. Juli 1970. In der Folge versuchte die Firma Willy Glogg AG, gegenüber seinen Erben ihre Kaufsrechte geltend zu machen. Die Erben stellten sich jedoch auf den Standpunkt, die Kaufrechtsverträge seien nichtig, weil sie nicht in den Formen des Erbvertrages (unter Mitwirkung zweier Zeugen) abgeschlossen worden seien.

B.- Am 23. Juli 1971 leitete die Firma Willy Glogg AG beim Bezirksgericht Pfäffikon (ZH) gegen die Erben des Georg Speissegger Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass die öffentlich beurkundeten Kaufrechtsverträge zwischen Georg Speissegger und der Klägerin Geschäfte unter Lebenden und nicht Geschäfte von Todes wegen darstellen.
Das Bezirksgericht Pfäffikon und das Obergericht des Kantons Zürich hiessen die Klage gut. Das Bundesgericht hat die Berufung der Beklagten abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes bestätigt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Das Bundesgericht hatte sich in BGE 84 II 247 ff. mit einem "Vorkaufsvertrag" zu befassen, der unter anderem die Bestimmung enthielt, dass das Vorkaufsrecht, sofern es innert
BGE 99 II 268 S. 270
der gesetzlichen Maximaldauer von zehn Jahren nicht wirksam werden sollte, erst mit dem Ableben der Eigentümerin untergehe und dass der Vorkaufsberechtigte sich zu diesem Zeitpunkt entscheiden solle, ob er alsdann das Objekt antreten oder den gesetzlichen Erben überlassen wolle. Gestützt auf diesen Vertrag war im Grundbuch ein Vorkaufsrecht vorgemerkt worden. Das Bundesgericht nahm an, der Vertrag habe dem Berechtigten in Wirklichkeit neben dem Vorkaufsrecht auch ein beim Tode der Erblasserin wirksam werdendes Kaufsrecht eingeräumt. In diesem Zusammenhang führte es unter anderem aus, bei der Prüfung der Frage, ob man es bei der Bestellung dieses Kaufsrechtes mit einem Geschäft unter Lebenden oder mit einer Verfügung von Todes wegen (deren Form nicht gewahrt wäre) zu tun habe, dürfe dieser Akt nicht für sich allein betrachtet werden. Das Kaufsrecht hänge mit dem eingeräumten Vorkaufsrecht eng zusammen. Da der Vertrag eine Einheit bilde und darauf angelegt sei, neben dem sofort in Kraft tretenden Vorkaufsrecht auch das erst mit dem Tode der Erblasserin wirksam werdende Kaufsrecht schon zu Lebzeiten zu sichern, sei der ganze Vertrag als Geschäft unter Lebenden zu betrachten.
MERZ (ZbJV 95/1959, S. 426 ff) erwähnte zu diesem Entscheid, das Bundesgericht setze in einer praktisch wichtigen und dogmatisch subtilen Frage die mitBGE 46 II 234f undBGE 50 II 373f begründete Praxis fort. GUISAN (Festgabe Lausanne 1934, S. 34/35 und 39) habe den dieser Praxis zugrunde liegenden Gedanken verallgemeinert und ein Geschäft unter Lebenden immer dann bejaht, wenn noch ein anderer Rechtsgrund als die blosse Zuwendung auf den Todesfall festgestellt werden könne, insbesondere wenn sie im Rahmen eines Geschäftes unter Lebenden und in funktionellem Zusammenhang mit dessen Bestimmungen stehe. Ob mit dem vieldeutigen Begriff des Rechtsgrundes eine saubere und praktikable Abgrenzung vorgenommen werden könne, sei allerdings fraglich. In grundsätzlicher Beziehung werde eher in Übereinstimmung mit Theorie und Praxis zu Art. 245 OR (Schenkung auf den Todesfall) danach zu unterscheiden sein, ob die Bindung schon das Vermögen oder erst den Nachlass betreffe. Die praktischen Ergebnisse beider Betrachtungsweisen dürften indessen weitgehend übereinstimmen. Ausnahmsweise dürfe ein aus Elementen der Zuwendung auf den Todesfall und des Geschäftes unter Lebenden bestehendes Rechtsgeschäft einheitlich geordnet werden. Wo nicht ein besonderes Schutzbedürfnis der Erben oder Gläubiger im Spiele stehe,
BGE 99 II 268 S. 271
spreche die Rücksichtsnahme auf die Absichten des Erblassers für die Aufrechterhaltung seines Rechtsgeschäftes in der einen oder andern Form.
b) In der Folge hat sich das Bundesgericht in BGE 93 II 223 ff. erneut mit der Abgrenzung des Rechtsgeschäftes unter Lebenden vom Rechtsgeschäft von Todes wegen befasst. Es näherte sich dabei der von Merz vertretenen Auffassung und führte unter anderem aus, zur Abgrenzung dieser beiden Arten von Rechtsgeschäften sei auf den Zeitpunkt abzustellen, "auf den das Geschäft seinem typischen Entstehungszweck und seiner juristischen Natur nach seine Wirkungen zu äussern bestimmt ist"; massgebend sei "ob diese Wirkungen beim Tod oder zu Lebzeiten des oder der Handelnden eintreten sollen". Da in jenem Fall das Geschäft gemäss dem eindeutigen Willen der Parteien erst nach dem Ableben des Erblassers wirksam werden sollte (die Parteien hatten den Vertrag mit der Aufschrift "Letztwillige Verfügung" versehen und verschlossen bei der Gemeinde hinterlegt), wurde es vom Bundesgericht als Rechtsgeschäft von Todes wegen qualifiziert.
Dieser Entscheid wurde von MERZ (ZbJV 104/1968, S. 480) gebilligt. HAUSHEER (Grenzfragen des Erbrechts und ihre Reflexwirkung auf das Grundbuch, in ZBGR 1971 S. 259) bemerkte, dass gegen das vom Bundesgericht aufgestellte, weitgehend von TUOR übernommene Unterscheidungskriterium bei aller Verschiedenheit der Formulierung in der Lehre kein Widerstand zu erwarten sei. Er fügte unter anderem bei, schwierig sei im einzelnen Fall allerdings die Beurteilung der entscheidenden Frage, ob der rechtsgeschäftliche Wille der Parteien auf das Vermögen oder den Nachlass gerichtet sei; wenn in einem Vertrag der Erfüllungszeitpunkt auf den Tod des Zuwendenden oder später festgelegt werde, könne daraus noch nicht ohne weiteres auf ein Rechtsgeschäft mortis causa geschlossen werden.
PIOTET (de la distinction entre actes entre vifs et actes à cause de mort in JdT 1968 I S. 354 ff) erklärte dagegen, das Problem sei komplexer als das Bundesgericht es dargestellt habe, und er wies den Praktiker darauf hin, "qu'il ne serait pas prudent de prendre à la lettre l'arrêt examiné et d'appliquer de manière simpliste le critère qu'il utilise". Ein Geschäft, das Wirkungen zu Lebzeiten des Erblassers entfalte, sei kein Rechtsgeschäft von Todes wegen; der Umkehrschluss sei jedoch nicht zulässig, denn ein Rechtsgeschäft unter Lebenden könne auch gewollt sein, wenn es erst Wirkungen nach dem Tod des Erblassers zeitige
BGE 99 II 268 S. 272
(S. 355 oben); ob ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder ein solches von Todes wegen vorliege, könne nicht auf Grund eines abstrakten Unterscheidungskriteriums, sondern nur auf Grund einer Würdigung und Interpretation der im einzelnen Fall vorliegenden Beweise entschieden werden, wobei zur Erleichterung der Wahrheitsfindung auch auf tatsächliche Vermutungen zurückgegriffen werden dürfe (S. 357 oben). PIOTET hält dafür, ein zweiseitiges entgeltliches Rechtsgeschäft, das Leistungen beim Tod des Erblassers oder später vorsieht, sei in der Regel eher als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu qualifizieren; wenn es an die Bedingung des Überlebens des Zuwendungsempfängers geknüpft sei, spreche die Vermutung eher für ein Rechtsgeschäft von Todes wegen, ausgenommen wenn ein oder mehrere Elemente darauf hindeuteten, dass das Geschäft nach dem Willen der Parteien schon zu Lebzeiten des Erblassers Wirkungen entfalten solle. Als Beispiel führt er den Fall an, in dem die Parteien an einer Liegenschaft des Erblassers ein Kaufsrecht vereinbaren, dessen Ausübung zwar an die Bedingung des Überlebens des Zuwendungsempfängers geknüpft wird. das aber im Grundbuch vorzumerken ist. Die Vereinbarung der sofortigen Vormerkung deutet nach PIOTET darauf hin, dass ein Recht schon zu Lebzeiten des Erblassers existiert und das Geschäft demzufolge als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu qualifizieren ist (S. 358 f).
Diese Ausführungen PIOTETS stellen keinen Widerspruch zu den Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils 93 II 223 ff. dar. Das Bundesgericht brachte bereits in diesem Entscheid (S. 226) sinngemäss zum Ausdruck, es sei jeweils auf Grund einer Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles, vor allem unter Mitberücksichtigung des Willens der Vertragsschliessenden (Entstehungszweck) zu beurteilen, ob das Geschäft von den Vertragsschliessenden dazu bestimmt worden sei, das Vermögen des Verpflichteten oder erst dessen Nachlass zu belasten, bzw. in welchem Zeitpunkt nach dem Willen der Vertragsschliessenden seine Wirkungen eintreten sollten. Die Abgrenzung des Rechtsgeschäftes unter Lebenden von den Verfügungen von Todes wegen ist somit auch nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht schematisch auf Grund eines abstrakten Kriteriums, sondern einer Würdigung aller Umstände des konkreten Falles vorzunehmen.

3. a) Die umstrittenen Kaufrechtsverträge hängen mit dem am 28. August 1962 abgeschlossenen Kaufvertrag eng zusammen. Das zuerst eingeräumte Kaufsrecht wurde mit dem
BGE 99 II 268 S. 273
Kaufvertrag im gleichen Schriftstück verurkundet. Das würde nach der angeführten Meinung Guisans für die Annahme eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden bereits ausreichen. Sodann ging es der Klägerin, wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich feststellte, beim Abschluss der Kaufrechtsverträge um die Arrondierung ihres mit Kaufvertrag vom 28. August 1962 erworbenen Grundbesitzes, was ebenfalls für einen Zusammenhang der beiden Geschäfte spricht.
b) Dass Speissegger die Klägerin zur Erbin habe einsetzen wollen, wird nicht behauptet. Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen haben die Parteien auch die Ausrichtung eines Vermächtnisses nicht gewollt. Erbrechtliche Ausdrücke, wie sie normalerweise in einem Rechtsgeschäft von Todes wegen Verwendung finden (wie "Erbeinsetzung", "Vermächtnis" usw.), fehlen in den streitigen Verträgen (im Gegensatz zu dem in BGE 93 II 223 ff. behandelten Falle).
c) Die Vorinstanz gelangte auf Grund einer Würdigung der Umstände zum Ergebnis, es sei zu vermuten, dass der Wille der Vertragsparteien auf eine lebzeitige rechtsgeschäftliche Bindung Speisseggers gerichtet gewesen sei. Das ist eine auf Grund der Beweiswürdigung getroffene Feststellung tatsächlicher Art, die das Bundesgericht bindet (Art. 63 Abs. 2 OG). Was die Beklagten dagegen vorbringen, ist Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren vor Bundesgericht nicht zulässig ist. Dass die vorinstanzliche Beweiswürdigung willkürlich sei, behaupten die Beklagten zu Recht nicht.
d) Die beiden Kaufrechtsverträge äusserten insofern Wirkungen zu Lebzeiten Speisseggers, als dieser verpflichtet war, bei Verhandlungen mit der Meliorationsgenossenschaft über die Neuzuteilung oder irgendwelche andere seinen Grundbesitz betreffende Fragen die Klägerin beizuziehen.
e) Die Vertragsparteien haben das Kaufsrecht im Grundbuch vormerken lassen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, kann dies zusammen mit den andern angeführten Umständen als Indiz dafür gewertet werden, dass die Parteien ein Geschäft unter Lebenden abschliessen wollten. Die Vormerkung zeitigte schon zu Lebzeiten Speisseggers gewisse Wirkungen, sodass angenommen werden darf, der Parteiwille sei bereits auf derartige lebzeitige Wirkungen gerichtet gewesen.
f) Schliesslich durfte die Vorinstanz bei ihrer Vertragsauslegung und Beweiswürdigung auch tatsächliche Vermutungen mitberücksichtigen (zum Problem der tatsächlichen Vermutungen:
BGE 99 II 268 S. 274
vgl. KUMMER, N. 362 ffzu Art. 8 ZGB). Es ist allgemein bekannt, dass Rechtsgeschäfte von Todes wegen besonderen Formvorschriften unterstehen. Wenn die Parteien diese Formvorschriften nicht einhalten, ist dies ein Indiz dafür, dass sie ein Rechtsgeschäft unter Lebenden abschliessen wollen (dazu PIOTET, a.a.O. S. 357 Ziff. 2). Nach dem Grundsatz des favor negotii ist sodann eher ein gültiges Rechtsgeschäft unter Lebenden als ein ungültiges Rechtsgeschäft von Todes wegen anzunehmen, wenn beide Arten von Rechtsgeschäften möglich sind (PIOTET, a.a.O., S. 358 Ziff. 4).
g) Berücksichtigt man alle diese Momente in ihrer Gesamtheit, dann verstiess die Vorinstanz nicht gegen Bundesrecht, wenn sie die Kaufrechtsverträge als Rechtsgeschäfte unter Lebenden qualifizierte.

4. Die Beklagten stützen sich zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunktes im wesentlichen auf den Wortlaut der Kaufrechtsklauseln und die Tatsache, dass die Haupt- und Gegenleistung erst nach dem Tode Speisseggers zu erfüllen war. Auf diese Punkte darf indessen nicht allein abgestellt werden, da die Abgrenzung zwischen den beiden Arten von Rechtsgeschäften auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände vorzunehmen ist.
Nach der Ansicht der Beklagten darf aus der Vormerkung der Kaufsrechte nicht geschlossen werden, die Vertragsparteien hätten ein Rechtsgeschäft unter Lebenden tätigen wollen, da auch ein erbvertraglich begründetes Kaufsrecht im Grundbuch vorgemerkt werden dürfe. Ob die letzte Behauptung richtig ist (was vom Notariatsinspektor bestritten wird), kann offen bleiben. Müsste ihr beigetreten werden, dann dürfte doch zumindest aus der erfolgten Vormerkung in Verbindung mit den andern angeführten Umständen abgeleitet werden, dass die Vertragsparteien ein Rechtsgeschäft unter Lebenden gewollt hatten. Selbst wenn aber die erfolgte Vormerkung nichts beitragen könnte zur Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder ein solches von Todes wegen gewollt gewesen war, bleiben immer noch genügend Anhaltspunkte für die Qualifizierung der fraglichen Kaufsrechtsverträge als Rechtsgeschäfte unter Lebenden.
Ob allgemein die Möglichkeit besteht, auf den Tod gestellte Kaufrechtsverträge in der Form eines Rechtsgeschäftes von Todes wegen abzuschliessen, ist hier nicht zu entscheiden. In
BGE 99 II 268 S. 275
diesem Verfahren ist lediglich zu prüfen, ob die beiden Kaufrechtsverträge vom 28. August 1962 und 8. Juli 1963 Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder solche von Todes wegen sind. Die Ausführungen der Vorinstanz beziehen sich denn auch auf die beiden im Streite liegenden Kaufrechtsverträge. Aus dem angefochtenen Urteil kann deshalb, entgegen der Meinung der Beklagten, nicht abgeleitet werden, die Vorinstanz habe generell die Möglichkeit verneinen wollen, auf den Tod gestellte Kaufrechtsverträge als Rechtsgeschäfte von Todes wegen zu qualifizieren.
Der Typus eines Vertrages ergibt sich nach Auffassung der Beklagten aus den sogenannten "essentialia negotii". Da in den Kaufrechtsverträgen die Klausel, dass die Kaufsrechte erst nach dem Ableben des Kaufrechtsbelasteten ausgeübt werden könnten, auf ein Rechtsgeschäft von Todes wegen hinweise, allen andern essentialia negotii und Nebenabreden sich nach Art ihrer Abfassung und ihrem Inhalt aber nicht entnehmen lasse, ob eine lebzeitige Verpflichtung von Speissegger im Sinne eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden beabsichtigt war, seien die Kaufrechtsverträge als Rechtsgeschäfte von Todes wegen zu qualifizieren. Bei dieser Argumentation stellen die Beklagten jedoch einseitig auf gewisse Formulierungen in den Verträgen ab und lassen dabei andere Vertragsbestimmungen sowie alle übrigen Umstände ausser Betracht, was nach der angeführten Rechtsprechung nicht zulässig ist.
Dass alte Leute - (Speissegger war bei Abschluss der Kaufrechtsverträge 82 bzw. 83 Jahre alt) - "praktisch ohne Ausnahme keine lebzeitigen Verfügungen über ihr vorhandenes Eigentum mehr treffen", ist eine Behauptung, für welche die Beklagten den Beweis schuldig bleiben. Nach der verbindlichen vorinstanzlichen Feststellung schloss Speissegger die Kaufrechtsverträge ab, weil er die fraglichen Grundstücke zu Lebzeiten noch zu behalten wünschte. Ein solches Verhalten ist auch bei alten Leuten einfühlbar und liegt jedenfalls nicht ausserhalb jeder Norm. Wenn die Vorinstanzen demnach davon ausgingen, das hohe Alter Speisseggers spreche nicht zwingend dagegen, dass dieser ein Rechtsgeschäft unter Lebenden habe abschliessen wollen, kann darin keine Verletzung von Bundesrecht erblickt werden.
Richtig ist, dass Speissegger am 14. August 1969 über das fragliche Land noch einen zehnjährigen Pachtvertrag mit Boller abschloss. Die Beklagten leiten daraus ab, Speissegger sei beim
BGE 99 II 268 S. 276
Abschluss der Kaufrechtsverträge der Meinung gewesen, zu Lebzeiten noch frei zu sein und durch die Verträge lediglich seinen Nachlass zu belasten. Die Vorinstanz mass dem Abschluss des Pachtvertrages jedoch keine Bedeutung bei, weil sie annahm, Speissegger habe damals die Existenz der Kaufrechtsverträge einfach vergessen oder sich über deren Verhältnis zum Pachtvertrag keine Gedanken gemacht. Diese Annahme ist vertretbar und verletzt keine Bestimmung des Bundesrechts. Sofern Speissegger das Kaufrechtsobjekt (eine landwirtschaftliche Liegenschaft) nicht mehr selbst bewirtschaften wollte, war er zu dessen Verpachtung geradezu gezwungen. Machte der Pächter den Abschluss eines Pachtvertrages von einer zehnjährigen Vertragsdauer abhängig, musste Speissegger diese Bedingung wohl oder übel eingehen. Welche Rechtsfolgen sich daraus für seine Erben und die das Kaufsrecht ausübende Klägerin ergeben werden, konnte er der Zukunft überlassen. Der Abschluss des Pachtvertrages trägt demnach auch unter diesem möglichen Gesichtspunkt nichts zur Beantwortung der Frage bei, ob die Kaufrechtsverträge Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder solche von Todes wegen seien.
Im Vertrag vom 28. August 1962 wurde bestimmt, dass das Kaufsrecht mit Bezug auf Parzelle Nr. 492 erlösche, falls Speissegger auf dieser Parzelle ein Einfamilienhaus für eigene Bedürfnisse zu erstellen beabsichtige. Dies beweist entgegen der Meinung der Beklagten nicht, dass die Kaufrechtsverträge Rechtsgeschäfte von Todes wegen gewesen seien, da beim allfälligen Bau eines Einfamilienhauses durch Speissegger das Kaufsrecht an den andern im Vertrag vom 28. August 1962 angeführten Grundstücken bestehen blieb.
Speissegger schloss den Kaufrechtsvertrag vom 8. Juli 1963 unter dem Vorbehalt ab, dass der Kaufvertrag zwischen Frau Rosa Jucker-Furrer (als Verkäuferin) und ihm (als Käufer) vom 8. Juli 1963 zur Eintragung ins Grundprotokoll angemeldet werde. Er hatte demnach einen Kaufrechtsvertrag über ein Grundstück abgeschlossen, das sich in diesem Zeitpunkt noch nicht in seinem Eigentum befand. Inwiefern dieser Umstand gegen die Annahme eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden sprechen sollte, ist nicht ersichtlich. Die Rüge der Beklagten ist diesbezüglich nicht substanziert.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2 3 4

Referenzen

BGE: 93 II 223, 84 II 247

Artikel: Art. 245 OR, Art. 63 Abs. 2 OG, Art. 8 ZGB