Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Urteilskopf

105 Ib 22


4. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Februar 1979 i.S. Amt für Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz des Kantons St. Gallen gegen Abderhalden und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises, Ergänzung durch den Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises; Art. 34 der V über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV).
Art. 34 VZV enthält - abweichend von der früheren Regelung des BRB vom 27. August 1969 - keine Grundlage dafür, den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises durch den Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises oder ein entsprechendes Fahrverbot zu ergänzen. Die Ergänzung ist nur zulässig, wenn nicht ein Warnungs-, sondern ein Sicherungsentzug in Frage steht.

Sachverhalt ab Seite 23

BGE 105 Ib 22 S. 23
Das Amt für Administrativmassnahmen nach SVG des Kantons St. Gallen entzog Hans Werner Abderhalden den Führerausweis wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand für die Dauer von fünf Monaten. Gleichzeitig verbot es ihm das Führen eines Motorfahrrades für die Dauer von vier Monaten. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen bestätigte den Entzug des Führerausweises; die Verfügung betreffend das Motorfahrrad-Fahrverbot hob sie auf, mit der Begründung, die Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV) vom 27. Oktober 1976 enthalte für eine Ergänzung des Führerausweisentzugs durch ein Motorfahrrad-Fahrverbot keine Grundlage mehr. Die in Art. 28 Abs. 2 des Bundesratsbeschlusses über administrative Ausführungsbestimmungen zum SVG vom 27. August 1969 (BRB) enthaltene Bestimmung, wonach der Führerausweisentzug durch ein Fahrverbot ergänzt werden könne, sei in das neue Recht bewusst nicht übernommen worden.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Amtes für Administrativmassnahmen nach SVG ab.
BGE 105 Ib 22 S. 24

Erwägungen

Erwägungen:

2. Art. 28 des Bundesratsbeschlusses über administrative Ausführungsbestimmungen zum SVG trug die Überschrift "Ausdehnung der Massnahmen" und lautete wie folgt:
"1. Wird ein Fahrverbot verfügt, so ist damit auch stets der Entzug eines allfälligen Führerausweises und das Verbot zum Führen aller Fahrzeugkategorien zu verbinden.
2. Der Führerausweis-Entzug kann durch ein Fahrverbot ergänzt werden, wenn dies erforderlich ist, um dem Entzug seine Wirksamkeit zu sichern."
a) In der Verkehrszulassungsverordnung wurde für Motorfahrräder neu ein Führerausweis eingeführt (Art. 27 VZV), den jedoch nicht benötigt, wer den Führerausweis nach irgendeiner der in Art. 3 VZV aufgezählten Motorfahrzeugkategorien besitzt. Ebenso benötigt bis Ende 1979 keinen solchen Ausweis, wer das 14. Altersjahr vor dem 1. Juli 1977 vollendet hat (Art. 151 Abs. 2 VZV). Die neue Verordnung enthält im Abschnitt betreffend "Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern" unterschiedliche Bestimmungen in bezug auf den Entzug des Führerausweises für Motorfahrzeuge (Ziff. 131) und den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder sowie das Fahrverbot (Ziff. 132).
Art. 37 Abs. 1 VZV bestimmt für den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot:
"Der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot gelten nur für die Fahrzeugarten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind."
Das Bundesgericht hatte sich in BGE 104 Ib 87 ff. mit der Frage zu befassen, ob auch nach der neuen Verordnung wegen einer Widerhandlung, die mit einem Motorfahrrad begangen wird und die zum Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises oder zu einem entsprechenden Fahrverbot führt, ein allfällig vorhandener Motorfahrzeug-Führerausweis entzogen werden könne. Es kam aufgrund der erwähnten Bestimmung zum Schluss, dass die neue Verordnung eine hinreichende Grundlage für eine solche Ergänzung der Massnahme enthalte. Sie schreibe im Gegensatz zum früheren Bundesratsbeschluss jedoch nicht mehr eine obligatorische Ausdehnung vor, sondern stelle diese
BGE 105 Ib 22 S. 25
dem pflichtgemässen Ermessen der verfügenden Behörde anheim.
b) Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises nach der neuen Verordnung durch ein Motorfahrrad-Fahrverbot ergänzt, also "nach unten" ausgedehnt werden könne. Art. 34 VZV enthält folgende Regelung:
"1. Der Entzug des Führerausweises für eine bestimmte Kategorie hat den Entzug des Ausweises für alle Motorfahrzeugkategorien zur Folge. Dies gilt nicht, wenn der Führerausweis aus medizinischen Gründen nur für eine bestimmte Kategorie entzogen werden muss oder der Führerausweis der Kategorie B 1 oder D nicht aus Verkehrssicherheitsgründen, sondern aus gewerblichen Gründen entzogen werden muss.
2. In Härtefällen kann - unter Einhaltung der gesetzlichen Minimaldauer für alle Kategorien - der Führerausweis für verschiedene Ausweiskategorien von unterschiedlicher Dauer verfügt werden. Dies ist namentlich zulässig, wenn der Ausweisinhaber die Widerhandlung, die zum Entzug führte, mit einem Fahrzeug begangen hat, auf dessen Benützung er beruflich nicht angewiesen ist, und wenn der Betroffene als Führer der Kategorie, für die die Entzugsdauer verkürzt werden soll, unbescholten ist."
Motorfahrräder sind Motorfahrzeuge im Sinne der gesetzlichen Ordnung, wie sich aus der Legaldefinition von Art. 7 Abs. 1 SVG ergibt (BGE 104 Ib 93). Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG spricht nur vom Entzug "des Führer- und Lernausweises" und enthält keine Bestimmung darüber, ob aufgrund eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrzeuges einer bestimmten Kategorie ereignete, stets der Führerausweis für sämtliche Motorfahrzeugkategorien zu entziehen sei, oder ob auch der Entzug für einzelne Kategorien in Frage komme. Es stände vom Gesetz her deshalb nichts im Wege, den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises auch auf ein Motorfahrrad-Fahrverbot auszudehnen. Die Verkehrszulassungsverordnung sieht das - im Gegensatz zum früheren Bundesratsbeschluss - jedoch nicht mehr vor. Wenn Art. 34 Abs. 1 VZV bestimmt, dass der Entzug des Führerausweises für eine bestimmte Kategorie den Entzug des Ausweises für alle Motorfahrzeugkategorien zur Folge hat, so sind damit die in Art. 3 VZV aufgezählten Motorfahrzeugkategorien gemeint. Auf Motorfahrräder bezieht sich die Bestimmung dagegen nicht, denn diese werden im Verordnungsrecht nicht zu den Motorfahrzeugen gezählt, sondern speziellen Vorschriften unterstellt (vgl. z.B. die Abschnitte 11
BGE 105 Ib 22 S. 26
und 12, 131 und 132 VZV). Es ist auch keine andere Vorschrift der Verordnung ersichtlich, die eine solche Ausdehnung des Führerausweisentzugs auf ein Motorfahrrad-Fahrverbot vorsehen würde. Das Amt für Administrativmassnahmen stellt das nicht in Abrede. Es macht jedoch geltend, die Ausdehnung ergebe sich einerseits daraus, dass nach der neuen Verordnung auch für Motorfahrräder ein Führerausweis erforderlich sei, und anderseits aus dem Umstand, dass der Motorfahrzeug-Führerausweis zugleich den Motorfahrrad-Führerausweis enthalte. Wenn jener entzogen werde, so bewirke das zugleich den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie bereits die Rekurskommission zutreffend darlegte, versteht das schweizerische Recht unter dem "Führerausweis" sowohl die Bewilligung zum Führen eines Fahrzeuges der im Ausweis genannten Art im öffentlichen Verkehr, als auch die Urkunde über diese Bewilligung (vgl. STAUFFER, Der Entzug des Führerausweises, Diss. Bern 1966, S. 13). Nach dem neuen Recht verbrieft der Führerausweis für eine der Motorfahrzeugkategorien nach Art. 3 VZV neben der Berechtigung zum Führen eines entsprechenden Motorfahrzeuges zugleich die Bewilligung zum Führen eines Motorfahrrades. Wenn jene Berechtigung entzogen wird, so heisst das nicht notwendigerweise, dass auch die Bewilligung zum Führen eines Motorfahrrades dahinfalle. Wie es sich damit verhält, hängt vielmehr davon ab, wie die massgebenden Vorschriften den Umfang der Massnahme bestimmen, und es kommt nicht entscheidend darauf an, dass die Bewilligungen in ein und derselben Urkunde verbrieft sind. Massgebend ist demnach, dass die Verkehrszulassungsverordnung eine Ausdehnung des Führerausweisentzugs auf ein Fahrverbot für Motorfahrräder nicht vorsieht, wie eingangs dargelegt wurde.
Wie die Eidg. Polizeiabteilung in ihrer Vernehmlassung ausführt, wurde bewusst darauf verzichtet, in die Verkehrszulassungsverordnung eine Vorschrift über die Ausdehnung des Führerausweis-Entzugs auf ein Motorfahrrad-Fahrverbot aufzunehmen. Es trifft freilich zu, dass dabei nicht die Auffassung bestand, eine solche Ausdehnung solle überhaupt nicht mehr zulässig sein. Vielmehr herrschte die Meinung, das Vorgehen in dieser Frage solle der Praxis überlassen bleiben. In den Weisungen des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 15. Dezember 1976 für die Anwendung der Verordnung wurde
BGE 105 Ib 22 S. 27
näher dargelegt, wie vorzugehen sei, wenn der Führerausweis entzogen werde, ohne gleichzeitig ein Motorfahrrad-Fahrverbot auszusprechen (vgl. die Weisung zu Art. 27 VZV). Damit wurde indirekt zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Ausdehnung des Führerausweisentzugs nicht ausgeschlossen, aber auch nicht obligatorisch sei. Bei dieser Vorschrift handelt es sich indes um eine blosse Dienstanweisung, die als Grundlage für eine Ausdehnung des Führerausweisentzugs nicht in Betracht kommt. Die Polizeiabteilung vertritt über dies in ihrer Vernehmlassung zur vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde selber die Auffassung, dass auf die Ausdehnung des Führerausweisentzugs "nach unten" angesichts der Tatsache, dass die neue Verordnung das nicht mehr vorsehe, aber auch aus sachlichen Gründen, zu verzichten sei. Es bleibt deshalb bei der Feststellung, dass nach der Verkehrszulassungsverordnung der Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises für eine bestimmte Kategorie zwar grundsätzlich den Entzug des Ausweises für alle Motorfahrzeugkategorien gemäss Art. 3 VZV zur Folge hat, nicht dagegen das Verbot, ein Motorfahrrad zu führen. Eine Bestimmung, welche die Ergänzung des Führerausweisentzugs durch ein Motorfahrrad-Fahrverbot vorsehen würde, ist in der neuen Verordnung nicht mehr enthalten. Eine Ausdehnung "nach unten" kann deshalb nicht mehr angeordnet werden, es sei denn, es stehe nicht ein Warnungs-, sondern ein Sicherungsentzug in Frage (Art. 16 Abs. 1 SVG, Art. 36 Abs. 1 VZV). Darum geht es hier jedoch nicht. Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschwerde des Amtes für Administrativmassnahmen als unbegründet.
c) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verkehrszulassungsverordnung es dem pflichtgemässen Ermessen der Verfügenden Behörde überlässt, wegen einer Widerhandlung, die mit einem Motorfahrrad begangen wird, auch den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises auszusprechen (Art. 37 Abs. 1 VZV; vgl. BGE 104 Ib 87 ff.). Sie sieht dagegen nicht vor, dass der Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises durch ein Verbot des Motorfahrradfahrens ergänzt werden könne (Art. 34 VZV). Vorbehalten bleibt der Fall des Sicherungsentzugs (Art. 36 Abs. 1 VZV).
Ab dem 1. Januar 1980 wird die Entzugsbehörde den Fahrzeugführern, denen der Motorfahrzeug-Führerausweis entzogen wird und die keinen besonderen Führerausweis für
BGE 105 Ib 22 S. 28
Motorfahrräder besitzen, für die Dauer der Massnahme einen Ausweis für das Führen eines Motorfahrrades zu erteilen haben (Art. 27 Abs. 1, 151 Abs. 2 VZV). Das kann durch Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die Entzugsverfügung oder durch Abgabe eines speziellen Ausweises geschehen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

BGE: 104 IB 87, 104 IB 93

Artikel: Art. 3 VZV, Art. 34 VZV, Art. 27 VZV, Art. 37 Abs. 1 VZV mehr...