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Urteilskopf

114 II 371


70. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Dezember 1988 i.S. Firma A. gegen Firma B. (Berufung)

Regeste

Schutz einer international registrierten Marke.
1. Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ, Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG. Enthält die Marke beschreibende Angaben, so ist ihr nach diesen Bestimmungen der Schutz zu verweigern; Beispiele. Sinn und Zweck der Weigerung (E. 1).
2. Die Marke "alta tensione" hat auf gestrickten Damenoberkleidern, für die sie bestimmt ist, beschreibenden Charakter; sie ist daher in der Schweiz nicht zu schützen (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 372

BGE 114 II 371 S. 372

A.- Die deutsche Firma A. ist Inhaberin der Wortmarke "alta tensione", die im deutschen Warenzeichenregister eingetragen und seit 25. September 1985 unter Nr. 497 157 auch international registriert ist. Die Marke ist für den Gebrauch auf gestrickten Damenoberkleidern italienischen Stils bestimmt. Dazu gehören insbesondere Pullover.
Die schweizerische Firma B. verkauft Damenkleider. Darunter befanden sich 1985 auch solche der Firma Alta Tensione in Brescia (Italien), die ihren Handelsnamen auch als Marke verwendet.

B.- Im März 1987 klagte die deutsche Firma beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die schweizerische insbesondere mit dem Begehren, der Beklagten den weitern Vertrieb von Textilien der Marke "Alta Tensione" in der Schweiz bei Strafe zu verbieten. Sie warf der Beklagten Verletzung von Markenrechten und unlauteren Wettbewerb vor. Die Beklagte hielt dem insbesondere entgegen, dass die Bezeichnung "alta tensione" im romanischen Sprachraum ein Allgemeinbegriff sei.
Das Handelsgericht wies die Klage am 11. April 1988 ab. Es fand, dass die Marke der Klägerin einer blossen Beschaffenheitsangabe zwar nahekomme, eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen, die sich grafisch deutlich voneinander unterschieden, aber zu verneinen sei.

C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt mit den Anträgen, es aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen oder ihr Rechtsbegehren gutzuheissen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.

Erwägungen

Erwägungen:

1. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz gelten seit 1970 das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA) sowie die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) in den am 14. Juli 1967 in Stockholm revidierten Fassungen (SR 0.232.112.3 und 0.232.04). Nach Art. 5 Abs. 1 MMA darf einer international registrierten Marke eines andern Verbandslandes der Schutz in der Schweiz nur verweigert werden, wenn nach den in der PVÜ genannten Bedingungen ihre Eintragung in das nationale Register abgelehnt werden könnte. Das trifft gemäss
BGE 114 II 371 S. 373
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ insbesondere zu, wenn die Marke jeder Unterscheidungskraft entbehrt oder ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt ist, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder des Ursprungsortes der Erzeugnisse dienen können.
Dieser zwischenstaatlichen Regelung entsprechen die Vorschriften von Art. 3 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG, wonach eine Marke nicht zu schützen, ihre Eintragung folglich zu verweigern ist, wenn sie im wesentlichen aus einem Zeichen besteht, das als Gemeingut anzusehen ist. Als Gemeingut im Sinne dieser Bestimmungen gelten insbesondere Hinweise auf Eigenschaften, die Beschaffenheit oder die Zusammensetzung, die Zweckbestimmung oder die Wirkung der Erzeugnisse, für welche die Marke bestimmt ist. Blosse Gedankenassoziationen oder Anspielungen, die nur entfernt auf die Ware hindeuten, genügen dafür aber nicht; wenn die Marke eine Sachbezeichnung enthält, muss der gedankliche Zusammenhang mit der Ware vielmehr derart sein, dass ihr beschreibender Charakter ohne besondere Denkarbeit oder besondern Phantasieaufwand zu erkennen ist.
Als beschreibend bezeichnete das Bundesgericht z.B. die Wortmarken "Less" für pharmazeutische Produkte (BGE 108 II 216), "More" und "Tender" für Tabakwaren (BGE 103 II 339, PMMBl 1974 I 65), "Discotable" für Möbel (BGE 99 Ib 24), "Top set" für Spitzenprodukte der Schokoladenindustrie (BGE 97 I 81), "Dominant" für Weine und andere Getränke (BGE 96 I 248) und "Synchrobelt" für Transmissionsriemen (BGB BGE 95 I 477). Als blosse Phantasiebezeichnungen gewürdigt hat es dagegen die Marken "Okt" für chemische Erzeugnisse (BGE 109 II 256), "Jet set" für Kleider, Reise- und Sportartikel (PMMBl 1977 I 54), "Banquet" für Nahrungsmittel (BGE 103 Ib 16), "Materna" für Miederwaren (zitiert in BGE 99 Ib 24), "Isola" für Isoliermaterial (BGE 97 II 158), "Blue marine" für Parfümerien (BGE 93 II 263), "Farmerhösli" für Kinderspielkleider (BGE 84 II 433) und "Liliput" für Heizkissen (BGE 79 II 101). In all diesen Fällen hat das Bundesgericht die Marke zugelassen, in jenen ihr aber unbekümmert um die Herkunft der Wörter (BGE 108 II 488 E. 3 und BGE 96 I 755 mit Hinweisen) den Schutz versagt (siehe auch TROLLER, Immaterialgüterrecht I, 3. Aufl. S. 292 ff., sowie E. SCHMIDT, in GRUR Int. 82/1980 S. 399 ff. mit zahlreichen weitern Beispielen).
Die Vorschrift, beschreibende Angaben als Marken nicht zu schützen, beruht vorweg auf der Überlegung, dass dem Gemeingut
BGE 114 II 371 S. 374
angehörende Zeichen nicht monopolisiert werden dürfen, sondern freizuhalten sind. Sie will ferner der Gefahr vorbeugen, dass mit verkappten Angaben in der Marke für die Ware geworben, diese verglichen mit ähnlichen Erzeugnissen als preislich oder qualitativ besonders günstig ausgegeben wird, um sich gegenüber Mitbewerbern einen geschäftlichen Vorteil zu verschaffen (BGE 80 II 174). Dies widerspricht nicht nur der Kennzeichnungs- und Unterscheidungsfunktion der Marke (Art. 1 Ziff. 2 MSchG), sondern bei irreführenden oder täuschenden Angaben auch Treu und Glauben im Wettbewerb, weshalb einer Marke der Schutz schon wegen Sittenwidrigkeit zu versagen ist. Die Gefahr der Täuschung beurteilt sich dabei nach dem Eindruck, den die Marke als Ganzes beim angesprochenen Käuferkreis erweckt (BGE 109 II 259 E. 4, BGE 108 II 219 und 489, BGE 104 Ib 140, BGE 103 Ib 271).

2. Die Marke der Klägerin besteht aus zwei beschreibenden Begriffen der italienischen Sprache, nämlich aus dem Eigenschaftswort "alta" (hohe) und dem Hauptwort "tensione" (Spannung). Es stellt sich deshalb vorweg die Frage, ob dem Zeichen, wenn es auf Pullovern oder andern gestrickten Damenoberkleidern verwendet wird, ebenfalls beschreibender Charakter zukommt, wie die Beklagte behauptet, oder ob es als blosse Phantasiebezeichnung anzusehen sei, wie die Vorinstanz zusammen mit der Klägerin annimmt.
"Alta tensione" ist in erster Linie mit "Hochspannung" zu übersetzen. So verstanden geht es in beiden Sprachen um einen Begriff, der mit der Übertragung elektrischer Energie über grössere Entfernungen zusammenhängt. "Alta" kann als Synonym von "nobilmente" aber auch den Sinn von "vornehm oder edel" haben, "tensione" neben "Spannung" auch "Erregung" oder "Druck" bedeuten. Das Hauptwort ist aus dem Tätigkeitswort "tendere" abgeleitet, das einen Spannungsvorgang durch Zugkraft beschreibt; in diesem Sinne wird es z.B. für die Spannung einer Faser, eines Seils, eines Kabels oder einer Instrumentenseite verwendet (siehe DEVOTO/OLI, Nuovo vocabolario illustrato della lingua italiana, G. D'ANNA/SINTESI, Dizionario italiano ragionato, je unter dem entsprechenden Stichwort).
Bei dieser Bedeutung der beiden Begriffe bedarf es entgegen der Annahme des Handelsgerichts keiner besondern Denkarbeit, um aus der Wortverbindung "alta tensione" auf eine beschreibende Angabe über die Beschaffenheit und die Wirkung der Strickwaren zu schliessen, für welche die Marke bestimmt ist. Die Vorinstanz
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spricht denn auch selber von einem versteckten Hinweis, der "doch etwas über die Beschaffenheit der Produkte auszusagen" vermöge. Nahe liegt insbesondere der Schluss, Damenpullover und andere gestrickte Oberkleider, die mit der Marke "alta tensione" versehen sind, zeichneten sich wegen der Struktur, der Qualität oder der Konsistenz des Gewebes durch eine hohe Spannbarkeit aus, passten sich leicht der Körperform an und wirkten deshalb wie andere eng anliegende Kleidungsstücke (z.B. Jeans-Hosen, Miniröcke, kurze Damenshorts) besonders attraktiv. Wegen dieser tatsächlichen oder vermeintlichen Wirkung kann die Wortverbindung "alta tensione" ohne besondern Phantasieaufwand nicht bloss als Hinweis auf Eigenschaften des Gewebes, sondern auch modebezogen verstanden werden. Die grafische Gestaltung der Marke ändert daran nichts, zumal das Hauptwort damit noch besonders hervorgehoben wird.
Ist die Wortverbindung "alta tensione" aber beschreibender Natur, so ist der Marke der Klägerin der Schutz zu verweigern, das Urteil des Handelsgerichts, das die Klage abgewiesen hat, im Ergebnis folglich nicht zu beanstanden. Die Fragen, ob zwischen den streitigen Zeichen trotz grafischer Unterschiede eine Verwechslungsgefahr anzunehmen wäre und die Vorinstanz eine solche Gefahr zu Unrecht verneint habe, sind damit gegenstandslos. Dass die Klägerin sich ergänzend auf Wettbewerbsrecht beruft, hilft ihr nicht. Sie übersieht, dass ein von den Spezialgesetzen des Immaterialgüterrechts nicht erfasstes Verhalten unter Vorbehalt besonderer Umstände, wofür hier nichts vorliegt, auch nicht gegen Treu und Glauben im Sinne von Art. 1 UWG verstösst (BGE 113 II 312 E. 5 und 321/22 mit Hinweisen).

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2

Referenzen

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Artikel: Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ, Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG, Art. 5 Abs. 1 MMA, Art. 3 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG mehr...