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Urteilskopf

109 Ib 276


46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. November 1983 i.S. Aletsch AG, Dixence AG und Mattmark AG gegen Erben Bumann und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 4 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Enteignung ehehafter Wasserrechte, Umfang der Rechte.
Der Umfang ehehafter Wasserrechte bemisst sich im Kanton Wallis, sofern kein besonderer Rechtstitel vorliegt, nach den seit jeher vorhandenen Ausnützungsmöglichkeiten, d.h. nach der ausnützbaren durchschnittlichen Wassermenge und dem ausnützbaren Gefälle zwischen dem Ort der Wasserentnahme und jenem der Wasserrückgabe.

Sachverhalt ab Seite 276

BGE 109 Ib 276 S. 276
Die Rechtsvorgänger der heutigen Beschwerdegegner betrieben in Kalpetran, Gemeinde Embd (VS), mittels der Wasserkraft der Vispe eine mechanische Schreinerei. Um die Jahrhundertwende gingen sie vom mechanischen auf den elektrischen Antrieb über. In der Folge verwendeten sie den aus der Wasserkraft gewonnenen Strom ausser für den Eigenbedarf auch zur Belieferung der übrigen Bevölkerung des Weilers. Die durchschnittliche Nettoleistung ihres Kleinkraftwerkes betrug gemäss Eintrag im kantonalen Wasserrechtskataster vom 1. Januar 1928 im Winter 3,5 PS während 1500 Std. und im Sommer 4,5 PS während 1200 Std.
Am 30. September 1928 erhielt Alex Bumann von der Urversammlung der Gemeinde Embd die Bewilligung, das Kleinkraftwerk und den Zuleitungskanal zu verlegen. Gleichzeitig verstärkte
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er die Leistung. Das kantonale Baudepartement bewilligte ihm am 4. Dezember 1929 die Errichtung eines kleinen Turbinenhauses.
Am 18. Juni 1957 wurde der Zuleitungskanal infolge eines Murganges teilweise verschüttet. Seither liegt das Kleinkraftwerk still. Der Strombedarf der bisherigen Bezüger wird durch die Aletsch AG befriedigt.
Im Jahre 1905 erwarb die Lonza AG durch Ingenieur Boucher von der Gemeinde Embd die dieser an der Mattervispe zustehenden Wasserrechte. Der Walliser Staatsrat genehmigte die Konzession am 15. Januar 1905, wobei die bestehenden Rechte Dritter ausdrücklich vorbehalten wurden. 1909 nahm die Lonza AG das Kraftwerk Ackersand I in Betrieb. 1954 begann sie mit den Vorarbeiten für das Kraftwerk Ackersand II an der Mattervispe. Sie und ihre Tochtergesellschaft, die Aletsch AG, führten in der Folge mit den Gebrüdern Bumann Verhandlungen über die Ablösung des privaten Wasserrechts. Da eine Einigung nicht zustande kam, liessen schliesslich die Konzessionärinnen Aletsch AG, Grande Dixence AG und Mattmark AG im Jahre 1961 ein Enteignungsverfahren einleiten.
Innert der Eingabefrist verlangten die Gebrüder Bumann Realersatz in dem Sinne, dass ihnen - basierend auf einer Wassermenge von 800 l/sec und einem Gefälle von 21 m - Gratisstrom zur Verfügung gestellt werde. Die Enteignerinnen widersetzten sich diesem Begehren und machten geltend, die Enteigneten hätten nur ein ehehaftes Wasserrecht zum Betrieb einer Sägerei besessen, hingegen keine Konzession zum Bau eines Kraftwerkes. Sie verlangten daher wiederholt, dass zunächst die Rechtslage untersucht würde. Beide Parteien erklärten sich gestützt auf Art. 69 Abs. 2 EntG damit einverstanden, dass die Schätzungskommission über den Bestand und Umfang des den Enteigneten zustehenden Wasserrechts befinde. In der Folge entschied die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 4, dass die Wasserrechte der Erben Bumann an der Mattervispe das Recht zum Betrieb eines Kleinkraftwerkes mit einer Wassermenge von 480 l/sec und einem Nutzgefälle von 13 m umfassten. Zur Begründung führte die Kommission im wesentlichen aus, zwar habe den Enteigneten ursprünglich nur ein ehehaftes Recht des Inhalts zugestanden, wie er im Wasserrechtskataster umschrieben sei, doch müsse ihnen unter dem Gesichtswinkel von Treu und Glauben auch ein Recht an der Kraftwerkanlage von 1930 eingeräumt werden, da diese in guten Treuen und mit Bewilligung der Gemeinde gebaut worden sei und die
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Lonza AG als Konzessionärin jahrzehntelang nie gegen das Werk eingesprochen habe.
Gegen den Entscheid der Schätzungskommission haben die Aletsch AG, die Grande Dixence AG und die Mattmark AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und verlangt, es sei festzustellen, dass es sich beim zu enteignenden Recht um ein ehehaftes Wasserrecht handle, dessen Umfang durch den Eintrag im kantonalen Kataster über die Wasserrechte an der Mattervispe festgelegt sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Es ist unbestritten, dass den heutigen Beschwerdegegnern ein ehehaftes Wasserrecht an der Mattervispe zusteht, das Gegenstand der Enteignung bildet. Die Schätzungskommission hat den Umfang dieses Rechts entsprechend dem Eintrag im kantonalen Wasserrechtskataster, welcher den Stand von 1903 wiedergibt, auf 3,5 PS im Winter (1500 Std.) und 4,5 PS im Sommer (1200 Std.) festgelegt. Der Entscheid ist in dieser Hinsicht nicht beanstandet worden. Das Bundesgericht hat hier indessen das Recht von Amtes wegen anzuwenden und Aufsichtspflichten wahrzunehmen (Art. 63 EntG). Es ist daher vorerst zu prüfen, ob Inhalt und Umfang des zu enteignenden ehehaften Rechtes richtig bestimmt worden sind.
a) Die Schätzungskommission hat sich bei der Umschreibung des ehehaften Wasserrechtes im wesentlichen auf ein von Prof. Liver der Lonza AG erstattetes Gutachten vom 21. April 1959 gestützt. In diesem Gutachten wird ausgeführt, ein Rechtstitel, aus dem sich der genaue Umfang sowie die Zweckbestimmung des umstrittenen Rechtes ergeben würden, fehle offenbar. Es stelle sich daher die Frage, ob die Inhaber der abzulösenden Rechte lediglich Anspruch auf Entschädigung für die damals bestehende Anlage, d.h. die tatsächlich genutzte Wassermenge und das tatsächlich genutzte Gefälle hätten, oder ob bei der Festsetzung der Entschädigung auf die potentiell vorhandenen Ausnützungsmöglichkeiten, d.h. auf die gesamte zur Verfügung stehende Wassermenge und das ganze zur Verfügung stehende Gefälle (Bruttogefälle) abzustellen sei. Wo alte (ehehafte) private Wasserrechte zur Diskussion stünden, sei von der Tatsache auszugehen, dass diese Rechte nicht als selbständige Berechtigungen zur Ableitung einer bestimmten Wassermenge und zur Ausnützung eines bestimmten Gefälles
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begründet worden seien, sondern lediglich als Nebenrechte zu dem vom Grundherrn oder Gerichtsherrn verliehenen (erblichen) Recht, eine Mühle, ein Sägewerk oder eine Hammerschmiede auf einem bestimmten Grundstück zu erstellen und zu betreiben. Das Wasserrecht bestimme sich daher durch die Grösse und den Kraftbedarf der fraglichen Anlage. Zwar habe man sich im 19. Jahrhundert, als in den kantonalen Gesetzgebungen nach und nach festgelegt worden sei, dass Wasserkraftrechte an öffentlichen Gewässern nur noch durch Konzession begründet werden könnten, in den meisten Kantonen damit begnügt, die ehehaften Rechte anzuerkennen; nur in wenigen Kantonen seien die für den Umfang eines ehehaften Wasserrechtes massgebenden Faktoren umschrieben worden. Doch habe überall der Grundsatz gegolten, dass die ehehaften Rechte in dem Umfang bestünden, in welchem sie im gegebenen Zeitpunkt in bestehenden rechtmässigen Anlagen tatsächlich ausgenutzt worden seien. Dies werde auch in der Wissenschaft und Praxis anerkannt. Im einzelnen sei auszugehen von der Wassermenge, die von den Kraftanlagen des Werkes aufgenommen werde (Schluckfähigkeit der Wassermotoren), dagegen sei das durch den Oberwasserkanal fliessende Wasser, das die Aufnahmefähigkeit der Anlage übersteige und deshalb überlaufe, nicht miteinzubeziehen. Eine solche Regelung sei denn auch ausdrücklich im zürcherischen Gesetz über die Erteilung von Wasserrechten und Bestimmung der Wasserzinse vom 21. März 1836 sowie in der aargauischen Vollziehungsverordnung zum WRG (1856) vom 21. Juli/11. September 1857 getroffen worden. Diese Gesetze wiesen ebenfalls die erforderlichen Bestimmungen über das anrechenbare Gefälle auf, und zwar werde festgelegt, dass nur das tatsächlich ausgenutzte Gefälle in Betracht zu ziehen sei, nämlich der senkrechte Abstand vom Wasserspiegel im Zuflusskanal bis zum Wasserspiegel im Abflusskanal unmittelbar vor bzw. nach der Anlage. Lediglich die Wasserkraft, die der Wasserrechtsinhaber durch technische Verbesserungen zusätzlich gewinne, ohne die Wassermenge oder das Gefälle zu erhöhen, könne bei der Bestimmung des Umfangs des Wasserrechtes mitberücksichtigt werden.
b) In den kantonalen Gesetzgebungen finden sich indessen auch Regelungen, die den Darlegungen Livers nicht entsprechen. So wird in § 38 des basellandschaftlichen Gesetzes über die Gewässer und die Wasserbau-Polizei vom 9. Juni 1856 bestimmt, bei bestehenden Gewerbs- und Wässerungskanälen dürfe die Wassermenge beim Einlauf nur mit Bewilligung des Regierungsrates
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vermehrt oder vermindert werden. Hingegen sei es gestattet, das Wasser nach Gutdünken zu beliebigen industriellen oder landwirtschaftlichen Zwecken zu benutzen, die Zahl der Wasserräder zu vergrössern oder zu verkleinern und jede beliebige Veränderung in hydrotechnischer Beziehung oder hinsichtlich der Natur des Gewerbes vorzunehmen. Nach der luzernischen Verordnung über die Fixierung und Beaufsichtigung bestehender Wasserrechte an öffentlichen und privaten Gewässern vom 24. Februar 1880 sind für bestehende Wasserwerke, welche keine oder nur ungenügend formulierte Konzessionen besitzen, zur Festlegung des Rechtes Akten und Pläne einzureichen, die "über das Gefälle des Flusses oder Kanals, über das Nutzgefälle, die Stauhöhe und Stauweite, die Flussbreite und die Anlagen der Staueinrichtung und des Motors" Aufschluss zu geben haben (§ 5 Abs. 2). Im Tessiner Gesetz über die Nutzung der öffentlichen Gewässer (legge sulla utilizzazione delle acque pubbliche) vom 17. Mai 1894 und im Reglement über den Wasserrechtskataster (catasto dei diritti d'acqua) vom 31. Mai 1899 werden die Kriterien zur Umschreibung der "diritti acquisiti" ausdrücklich festgelegt, und zwar in dem Sinne, dass die fragliche Wasserkraft anhand der durchschnittlichen zur Verfügung stehenden Wassermenge und des Gefälles zwischen Wasserentnahme und -rückgabe zu bemessen sei ("moltiplicando la quantità media di acqua disponibile per la differenza di livello fra la presa e la restituzione"; Art. 18 § 1 des Gesetzes in Verbindung mit Art. 5 des Reglementes). Die gleiche Berechnungsart scheint im Kanton Waadt Anwendung gefunden zu haben (BONARD, Origines et caractères du double régime d'exploitation de la force hydraulique en droit vaudois, thèse Lausanne 1943, S. 111) und gilt offenbar auch im französischen Recht zur Bestimmung der Bruttowasserkraft der "usines fondées en titre" (L'HUILLIER, Energie hydraulique, Enc. Dalloz, N. 1 und 183).
c) Das Bundesgericht hat sich im nicht publizierten Entscheid i.S. Aluminium-Industrie-Aktiengesellschaft gegen Kt. Schaffhausen vom 17./18. Mai 1935 mit der Frage des Bestands und des Umfanges ehehafter Wasserrechte eingehend auseinandergesetzt (vgl. die Hinweise auf dieses Urteil bei BONARD, a.a.O., S. 110 N. 1, und LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz, Festschrift Gieseke, S. 242 N. 42).
Es hat zunächst dargelegt, dass die Verlegung des Wasserrechts für eine Mühle auf die Nachbarliegenschaft, auf welcher ein Wasserrecht für ein Eisenwerk besteht und die seit längerer Zeit dem
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selben Eigentümer gehört, als zulässig betrachtet werden müsse. Die Zusammengehörigkeit der beiden Parzellen erlaube es, die Verlegbarkeit des einen Rechtes so zu beurteilen, wie wenn der Eigentümer eines Grundstückes den Ausnutzungsort des darauf bestehenden alten Wasserrechts innerhalb der Liegenschaft etwas hätte verschieben wollen, was ihm nicht verwehrt werden könne. So sei denn schon in BGE 27 II 672 ff. angenommen worden, dass die früheren Wasserrechte der einzelnen Mühlen der Stadt Luzern bei Errichtung des neuen Wasserwerks der Korporationsgemeinde Luzern vereinigt worden seien und seither als einheitliches (privates) Wasserrecht weiterlebten, obschon das für mehrere Einzelrechte eine örtliche Verschiebung bedeutete.
Im weiteren wird ausgeführt, der Umfang der sich aus den vereinigten alten Rechten ergebenden Wassernutzungsbefugnis bestimme sich nach den Grundsätzen, die in Schaffhausen über die Festlegung des Inhalts unvordenklicher Wasserrechte ausgebildet worden seien. Dabei könnten ergänzend die entsprechenden gemeinrechtlichen Lehren und die verwandten partikularrechtlichen Regelungen berücksichtigt werden. Die in Betracht kommende allgemeine Theorie und Praxis habe sich einheitlich zu dem Grundsatz bekannt, dass private Wasserrechte, die auf unvordenklicher Ausübung beruhten, in der Regel nur im Umfang ihrer Verwirklichung in einem konkreten Werk anzuerkennen seien und daher durch Momente bestimmt werden sollten, die der geschaffenen Anlage "entsprächen"; dieser Grundsatz dürfe auch hier als unbestritten gelten. Fraglich sei indessen, in welcher Weise die alten Rechte mit den Werkanlagen in Beziehung zu setzen seien. Die Begrenzung alter Wasserrechte nach einer bestimmten Nettowasserkraft falle, wie das Bundesgericht schon in BGE 27 II 672 ff. festgestellt habe, ausser Betracht. Das Wasserrecht sei vielmehr unabhängig von der technischen Leistungsfähigkeit der maschinellen Einrichtung zu umschreiben, und zwar einerseits durch ein bestimmtes Gefälle, andererseits durch eine feste, auf Grund von Werkanlagen ermittelte Wassermenge.
Nun stelle sich die Frage, welche Werkanlagen für die Umschreibung der Wassermenge massgebend sein sollten. Einerseits werde die Auffassung vertreten, dass es auf die Schluckfähigkeit der Maschinen ankomme, andererseits, es sei auf die äusseren Werkanlagen abzustellen. Aus der Literatur und Praxis (die eingehend dargestellt werden) ergebe sich keine eindeutige Lösung. Allerdings scheine sich im Kanton Zürich die Gesetzgebung und besonders
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entschieden die Praxis des letzten Jahrhunderts zur Auffassung bekannt zu haben, dass alte Wasserrechte nur im Umfang des Wasserbedarfs der Maschinen anerkannt werden sollten. Dass die zürcherische Auffassung zu allgemein schweizerischer Anerkennung gelangt wäre, sei jedoch nicht dargetan worden. Die zürcherische Regelung sei denn auch vom schaffhausischen Gesetzgeber, der sich sonst weitgehend an die zürcherische Ordnung angelehnt habe, gerade nicht übernommen worden, so dass anzunehmen sei, er habe eine strenge Beschränkung der alten Rechte nach Massgabe des in die Maschinen fliessenden Wassers vermeiden und einer Lösung den Vorzug geben wollen, nach welcher die Begrenzung unter Berücksichtigung aller Verhältnisse nach billigem Ermessen erfolgen solle. Hieraus ergebe sich für den vorliegenden Fall, dass die Wassermenge nach den Einläufen bei niederem und mittlerem Wasserstand zu bestimmen sei. Da damit der Rechtsinhaberin neben dem ausgenützten in gewissem Umfange auch das bloss ausnützbare Wasser zuerkannt werde, sei folgerichtig auch das Gefälle nicht nach dem seinerzeit ausgenützten, sondern nach dem durch die Einläufe bestimmten ausnützbaren Höhenunterschied festzusetzen.
d) Das Walliser Gesetz vom 27. Mai 1898 betreffend die Konzessionierung von Wasserkräften enthält - wie auch das heute in Kraft stehende Gesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte - keine Vorschriften über die Begrenzung ehehafter Wasserrechte. In Art. 1 Abs. 3 wird lediglich erklärt, die Rechte Dritter blieben vorbehalten. Auch das Zivilgesetzbuch vom 1. Dezember 1853, das sein Vorbild im französischen Code civil fand (vgl. HUBER/MUTZNER, System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechts, S. 101) hält in Art. 484 einzig fest, Mühlen und Hüttenwerke dürften die zur Wässerung der Güter bestimmten Wasser, entgegengesetzte Gebräuche oder Gegenverträge vorbehalten, nicht ableiten. Dass die Rechtsprechung bestimmte Grundsätze über die Umschreibung ehehafter Wasserrechte entwickelt hätte, ist nicht bekannt. Indessen ist nicht anzunehmen, dass sich der Walliser Gesetzgeber oder Richter bei der Bestimmung des Umfangs ehehafter Rechte an die Regelungen der Kantone Zürich und Aargau angelehnt hätte: Wie schon im zitierten Entscheid Aluminium-Industrie-Aktiengesellschaft festgestellt worden ist und durch abweichende kantonale Vorschriften (oben lit. b) belegt wird, ginge es offensichtlich zu weit, in den beiden Kodifikationen ein Ausdruck gesamtschweizerischer Rechtsüberzeugung sehen zu
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wollen. Wahrscheinlicher ist, dass im Wallis jene Auffassung galt oder übernommen worden wäre, die in der Gesetzgebung und Praxis der Kantone Waadt und Tessin sowie im französischen Recht seinen Ausdruck fand. Es ist deshalb davon auszugehen, dass hier der Umfang des umstrittenen Wasserrechtes nach der seit jeher ausnützbaren Wassermenge und dem seit jeher ausnützbaren Gefälle zu bestimmen sei, d.h. nach der durch den Oberwasserkanal fliessenden mittleren Wassermenge und dem Nutzgefälle, das sich zwischen dem Ort der Wasserentnahme und jenem der Wasserrückgabe ergibt.
Was übrigens den möglichen Einwand betrifft, das Recht der Enteigneten habe ursprünglich nur dem Betrieb einer Sägerei, nicht aber der Versorgung von Dritten mit Elektrizität gedient, so kann übereinstimmend mit der Lehre angenommen werden, dass solche Zweckänderungen - jedenfalls soweit sie stillschweigend oder ausdrücklich gestattet wurden - gewohnheitsrechtlich sanktioniert und unanfechtbar geworden sind (LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz, a.a.O., S. 246; derselbe, Kommentar zum ZGB, N. 32 zu Art. 737; DUBACH, Die wohlerworbenen Rechte im Wasserrecht, S. 62).

4. Die Enteigneten haben dargelegt, dass sich die Wasserfassung und der Rückfluss des Wassers in die Mattervispe stets an den selben Stellen befunden hätten und im Jahre 1928 nur der Maschinenraum weiter nach unten in den Fels verlegt worden sei. Die Vertreter der Enteignerinnen haben eingeräumt, dass diese Darstellung aufgrund der topographischen Verhältnisse glaubwürdig sei. Es darf daher angenommen werden, dass das Bruttogefälle seit unvordenklicher Zeit und jedenfalls seit anfangs Jahrhundert gleich geblieben ist. Das Nutzgefälle, das sich hieraus ergibt und das für den Umfang des ehehaften Rechtes bestimmend ist, beträgt nach Auffassung des bundesgerichtlichen Experten 16 m.
Die Enteigneten haben im weiteren ausgeführt, die Wasserfassung sei nie vergrössert worden; es habe ihnen und ihren Rechtsvorgängern seit jeher sehr viel Wasser zur Verfügung gestanden. Auch diesen Angaben haben die Enteignerinnen nicht widersprochen. Nach einem Schreiben der Grande Dixence AG vom 21. August 1963 hat einer ihrer Ingenieure im Jahre 1956 festgestellt, das Höchstschluckvermögen des Oberwasserkanals betrage 480 l/sec. Der bundesgerichtliche Experte hat daraus geschlossen, es dürfe mit einer durchschnittlichen Wassermenge von 400 l/sec gerechnet werden. Nun haben zwar die Enteigneten gegen diese
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Folgerung eingesprochen und geltend gemacht, der durchschnittliche Zufluss sei höher gewesen, doch erübrigen sich weitere Abklärungen zu diesem Punkte: Wird nämlich den Enteigneten der Auffassung des Experten gemäss ein ehehaftes Recht auf Ausnutzung einer Wassermenge von 400 l/sec und eines Gefälles von 16 m zuerkannt, so weicht dies im Ergebnis nur unwesentlich vom Entscheid der Schätzungskommission ab, mit welchem festgestellt wurde, dass die Erben Bumann zum Betrieb eines Kleinkraftwerkes mit einer Wassermenge von 480 l/sec und einem Nutzgefälle von 13 m berechtigt seien. Mehr kann den Enteigneten, die den Kommissionsentscheid nicht angefochten haben, ohnehin nicht zugestanden werden. Der Urteilsspruch der Schätzungskommission erweist sich somit - wenn auch mit anderer Begründung - als richtig. Die Beschwerde ist abzuweisen.

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Sachverhalt

Erwägungen 2 4

Referenzen

Artikel: Art. 69 Abs. 2 EntG, Art. 63 EntG