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Urteilskopf

134 III 399


66. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Paritätische Berufskommission Bauhauptgewerbe des Kantons Schwyz gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_300/2007 vom 6. Mai 2008

Regeste

Lohnforderung gemäss Landesmantelvertrag für das Schweizerische Bauhauptgewerbe (LMV); abweichende Einzelabrede hinsichtlich des Ferienlohns für Arbeitnehmer im Stundenlohn (Art. 329d Abs. 1 und Art. 357 Abs. 2 OR, Art. 34 LMV).
Die Zulässigkeit einer vom LMV abweichenden Einzelabrede hinsichtlich des Ferienlohns ist nicht anhand eines Vergleichs des Gesamtlohns, sondern anhand einer Gegenüberstellung der im LMV und im Einzelarbeitsvertrag vorgesehenen monatlichen Ferienentschädigungen zu beurteilen (E. 3.2.4.3). Vergleich der einzelarbeitsvertraglichen mit der gesetzlichen Ferienentschädigung nach Art. 329d Abs. 1 OR (E. 3.2.4.4).

Sachverhalt ab Seite 400

BGE 134 III 399 S. 400

A. A. (Beschwerdegegner) betreibt ein Akkordunternehmen im Bereich des Bauhauptgewerbes. Die Paritätische Berufskommission Bauhauptgewerbe des Kantons Schwyz (Beschwerdeführerin) hatte für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. März 2002 und vom 1. Dezember 2002 bis zum 31. März 2003 eine Lohnbuchkontrolle beim Beschwerdegegner durchgeführt. Diese Kontrollen hatten nach ihrer Auffassung ergeben, dass der Beschwerdegegner verschiedene vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen des Landesmantelvertrages für das Schweizerische Bauhauptgewerbe (LMV) verletzt und dadurch seinen Mitarbeitern geldwerte Leistungen von über Fr. 909'567.15 vorenthalten habe. Die Beschwerdeführerin verhängte dafür eine Konventionalstrafe von Fr. 300'000.- gegen den Beschwerdegegner und forderte von ihm die Untersuchungskosten im Betrag von Fr. 8'915.- sowie Neben- und Verfahrenskosten von Fr. 1'985.- ein.

B. Nachdem der Beschwerdegegner nicht bereit war, diese Beträge zu bezahlen, klagte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 15. Oktober 2004 beim Bezirksgericht Höfe auf Bezahlung von Fr. 310'900.- zuzüglich Zins und Kosten. Mit Urteil vom 13. Februar 2006 hiess das Bezirksgericht Höfe die Klage teilweise gut und verurteilte den Beschwerdegegner zur Bezahlung von Fr. 100'900.- (entsprechend Fr. 90'000.- Konventionalstrafe sowie Fr. 10'900.- Untersuchungs- und Verfahrenskosten der Beschwerdeführerin) nebst Gerichtskosten.
Auf Berufung des Beschwerdegegners hin, reduzierte das Kantonsgericht Schwyz mit Urteil vom 15. Mai 2007 die
BGE 134 III 399 S. 401
Konventional strafe von Fr. 90'000.- auf Fr. 24'000.- und verurteilte ihn folglich zur Bezahlung von Fr. 34'900.- zuzüglich eines Teils der Gerichtskosten.

C. Die Beschwerdeführerin gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen gegen diesen Entscheid des Kantonsgerichts Schwyz an das Bundesgericht und beantragt, die Konventionalstrafe auf Fr. 90'000.- festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung des Rechtsmittels. Auch die Vorinstanz beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.2. (...)

3.2.4 Es bleibt zu prüfen, ob der vom Beschwerdegegner bezahlte übertarifliche Lohn die Differenz zwischen der vom Beschwerdegegner berechneten und der im Landesmantelvertrag vorgesehenen Ferienentschädigung ausgleichen konnte.

3.2.4.1 Mit der Vorinstanz ist der Ansicht des Beschwerdegegners zu folgen, wonach sich der vom Arbeitgeber einem Arbeitnehmer für ein volles Arbeitsjahr zu bezahlende Lohn aus dem laufenden Lohn einerseits und dem Ferienlohn andererseits zusammensetzt. Es liegt auch auf der Hand, dass für den Arbeitgeber wirtschaftlich nur der Gesamtbetrag von Bedeutung ist. Das gilt weitgehend - aber nicht vollständig - auch für den Arbeitnehmer. Für diesen hat meist auch der Zeitpunkt der Fälligkeit eine wesentliche Bedeutung. In der Regel ist der Lohn für den Arbeitnehmer das einzige wesentliche Einkommen und er ist für sein tägliches Leben darauf angewiesen. Deshalb enthält das Gesetz eine Vielzahl von Bestimmungen, welche die Ausrichtung des Lohnes innert bestimmten Fristen und zu bestimmten Zeiten regeln. Dazu gehört auch Art. 329d OR, der sicherstellen will, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt, in dem er die Ferien tatsächlich bezieht, auch über das notwendige Geld verfügt, um diese sorgenfrei verbringen zu können. Das Gesetz will, dass der Arbeitnehmer im richtigen Zeitpunkt weiss, welches Geld für diesen Zeitabschnitt gespart ist (vgl. AUBERT, Commentaire romand, N. 5 zu Art. 329d OR). Aus diesem Grund ist es - wie aufgezeigt - nach der
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bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch notwendig, dass der auf die Ferien entfallende Teil der Zahlungen genau ausgewiesen wird.

3.2.4.2 Soweit es um den gesetzlichen Anspruch nach Art. 329d Abs. 1 OR geht, steht auf Grund dieser Überlegungen ausser Zweifel, dass als Ferienlohn nur gelten kann, was zusätzlich zum vereinbarten Lohn bezahlt wird. Andernfalls wäre die Bestimmung ohne jede Bedeutung. Das Gesetz kennt keine Mindestlöhne. Damit könnte bei jedem noch so geringen Lohn geltend gemacht werden, darin sei auch der Lohn für die Ferien enthalten. Mangels Mindestlohn besteht gar keine Grösse, mit der ein Gruppenvergleich angestellt werden könnte. Die Parteien hätten es immer in der Hand gehabt, einen niedrigeren Lohn zu vereinbaren, so dass der Arbeitgeber jeweils geltend machen könnte, er hätte einen niedrigeren Lohn vereinbart, wenn er gewusst hätte, dass er noch zusätzlich etwas für die Ferien bezahlen müsse. Insofern ist für die Frage, ob die Mindestvorschrift von Art. 329d Abs. 1 OR eingehalten worden ist, nur massgebend, ob der Arbeitnehmer für die Zeit seiner Ferien gleich viel bezahlt bekommen hat, wie er erhalten hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte.

3.2.4.3 Vorliegend geht es aber in erster Linie nicht um die Einhaltung des Gesetzes, sondern der Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrags (GAV). Die Vorinstanz erblickte zu Recht in Art. 34 des LMV, der den Ferienanspruch regelt, eine normative Bestimmung, die einen Mindestanspruch festsetzt. Dass der LMV auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anwendbar ist, wird zu Recht nicht mehr bestritten.
Gemäss Art. 357 Abs. 2 OR sind Abreden in einem Einzelarbeitsvertrag nichtig, wenn sie gegen die unabdingbaren Bestimmungen eines GAV verstossen, und werden durch dessen Bestimmungen ersetzt. Jedoch können abweichende Vereinbarungen zu Gunsten des Arbeitnehmers getroffen werden. Haben die Parteien eine vom GAV abweichende Regelung getroffen, ist somit ein so genannter Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Es muss bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis geprüft werden, ob die einzelarbeitsvertragliche Vereinbarung für den Arbeitnehmer günstiger ist als die Regelung im GAV oder nicht (JEAN-FRITZ STÖCKLI, Berner Kommentar, N. 37 zu Art. 357 OR). Dabei kommt es nicht darauf an, welche Regelung dem konkreten Arbeitnehmer lieber ist. Vielmehr muss von einem objektiven Massstab ausgegangen werden (BGE 116 II 153 E. 2a/aa).
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Es ist darauf abzustellen, wie ein vernünftiger Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Berufsstandes und der Verkehrsanschauung die Bewertung treffen würde (VISCHER, Zürcher Kommentar, N. 23 zu Art. 357 OR; STÖCKLI, a.a.O., N. 38 zu Art. 357 OR). Die Objektivierung des Massstabs hat auch zur Folge, dass man nicht die einzelnen Bestimmungen isoliert miteinander vergleichen kann. Andererseits ist es aber auch nicht zulässig, in einem so genannten Gesamtvergleich den Einzelarbeitsvertrag insgesamt mit dem GAV zu vergleichen. Vielmehr ist ein so genannter Gruppenvergleich vorzunehmen (BGE 116 II 153 E. 2a/bb S. 156; VISCHER, a.a.O., N. 23 f. zu Art. 357 OR; STÖCKLI, a.a.O., N. 39 zu Art. 357 OR). Mit dem Gruppenvergleich werden eng zusammenhängende Bestimmungen des GAV mit den entsprechenden Regelungen im Einzelarbeitsvertrag verglichen (VISCHER, a.a.O., N. 24 zu Art. 357 OR). Daraus ergibt sich, dass beispielsweise verschiedene Lohnsysteme als Ganzes einander gegenübergestellt werden können.
Der Vergleich kann aber nur innerhalb eines zusammenhängenden Regelwerkes erfolgen. Das Erfordernis des inneren Zusammenhangs ist dabei eng zu verstehen (VISCHER, a.a.O., N. 24 zu Art. 357 OR). Selbst bei einem Vergleich der Lohnsysteme kann deshalb nicht in jedem Fall das gesamte mutmassliche Jahreseinkommen mit der Regelung des GAV verglichen werden. Vielmehr ist - wie das Bundesgericht ausdrücklich festgehalten hat (BGE 116 II 153 E. 2a/bb S. 156) - die Gegenüberstellung des Gesamtlohnes gemäss GAV sowie gemäss Einzelarbeitsvertrag auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen. Dabei ist der Schutzgedanke der entsprechenden GAV-Norm von zentraler Bedeutung. Im damals zu entscheidenden Fall gelangte das Bundesgericht zum Schluss, dass der entsprechende GAV dem Arbeitnehmer während einer kurz bemessenen Zeitspanne den Mindestlohn gewährleisten wollte und es deshalb unbillig gewesen wäre, den Vergleich aufgrund des Jahresgesamtlohns vorzunehmen. Vielmehr erschien es dem Bundesgericht angemessen, den Vergleich auf die Zeitspanne eines Monats zu begrenzen (BGE 116 II 153 E. 2a/bb S. 156 f.).
Die Vorinstanz hat nun in den Gruppenvergleich nicht nur die Berechnung der Ferienentschädigung einbezogen, sondern den gesamten Lohn. Sie hat geklärt, welcher Anspruch sich auf Grund des einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Lohnes zusammen mit der im Einzelarbeitsvertrag vorgesehenen Ferienentschädigung (7,7 %) in Franken ergibt und ob dieser Betrag mindestens gleich hoch ist wie der
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Betrag, der sich aus dem im GAV festgesetzten Mindestlohn und der im GAV vorgesehenen Ferienlohnberechnung (10,6 bzw. 13 %) in Franken errechnet.
Damit hat die Vorinstanz den Rahmen eines Gruppenvergleichs gesprengt. Wohl geht es - wie aufgezeigt - beim Ferienanspruch auch um Entgelt für die geleistete Arbeit. Es können aber nicht einfach alle Teile des Entgelts miteinander verglichen werden. Zweck der Ferienregelung ist es, dass der Arbeitnehmer einerseits während der vorgesehenen fünf bzw. sechs Wochen im Jahr tatsächlich in die Ferien gehen kann und andererseits in dieser Zeit tatsächlich das entsprechende Geld zur Verfügung hat. "Entsprechend" ist in diesem Zusammenhang jener Betrag, den er gemäss Lohnabrechnung für diese Periode erhalten würde, wenn er arbeiten würde. Nach der vorliegenden einzelarbeitsvertraglichen Vereinbarung erhält er in dieser Zeit aber weniger ausbezahlt, als er (abzüglich des für die Ferien bestimmten Teils des Lohnes) erhalten würde, wenn er nicht in den Ferien wäre. Ob er dafür vorher mehr als den laufenden Lohn ausbezahlt erhalten hat, ist dabei ohne Bedeutung. Die Ferienregelung sowohl des Gesamtarbeitsvertrages wie auch des Gesetzes will sicherstellen, dass derjenige Arbeitnehmer, der seinen Lohn unter dem Jahr ausgibt, während der Ferien den gleichen Betrag ausgeben kann. Das ist aber bei der im vorliegenden Fall einzelarbeitsvertraglich getroffenen Lösung nicht gewährleistet. Die Berechnung der Vorinstanz widerspricht auch dem vom Bundesgericht für den Vergleich von Lohnsystemen aufgestellten zeitlichen Rahmen von einem Monat (BGE 116 II 153 E. 2a/bb S. 156 f.).
Zu beachten ist auch, dass der Festsetzung der Löhne einerseits und der Ferienregelung andererseits eine für das Wirtschaftsleben wichtige Transparenzfunktion zukommt. Die Bezahlung übertariflicher Löhne ist auf einem hoch kompetitiven Arbeitsmarkt, wie er im Baugewerbe namentlich bei Akkordunternehmen besteht, ein wesentliches Element, um gute Arbeitskräfte zu finden. Dabei wird regelmässig der Stunden-, Monats- oder Akkordlohnansatz angegeben.
Die Arbeitnehmer können diese dann mit den Angeboten anderer Unternehmen vergleichen. Wird dann aber in Tat und Wahrheit gar nicht dieser Ansatz, sondern ein tieferer bezahlt, weil entgegen den entsprechenden Angaben im Vertrag darin auch ein Teil der Ferienentschädigung enthalten ist, fehlt es an der Vergleichbarkeit. Die klare Trennung zwischen dem Lohn für die Zeit, in der der Arbeitnehmer
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tatsächlich arbeitet, und dem Ferienlohn bezweckt auch, diese Transparenz zu schützen.
Dass eine Rechnung, wie sie die Vorinstanz angestellt hat, mit den Regeln von Art. 357 OR nicht vereinbar ist, zeigt auch eine weitere Überlegung. Wären die Ferienregelung und das Lohnsystem im Sinne einer einheitlichen Normgruppe miteinander zu vergleichen, müsste umgekehrt auch mit einer Erhöhung des Ferienanspruchs ein untertariflicher Lohn ausgeglichen werden können. Davon geht aber wohl auch die Vorinstanz nicht aus.

3.2.4.4 Auch wenn bezüglich der Regelung des GAV anders zu entscheiden wäre, könnte die Berechnung der Vorinstanz keinen Bestand haben. Das Günstigkeitsprinzip gilt auch im Verhältnis zwischen dem GAV und dem Gesetz. Der GAV ist nur insoweit verbindlich, wie er nicht gegen zwingende Bestimmungen des Gesetzes verstösst. Die in Art. 329d Abs. 1 OR aufgestellte Regel ist aber einseitig zwingend. Ein GAV kann somit nicht eine für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelung vorsehen. Für den Vergleich des Gesamtarbeitsvertrages mit dem Gesetz hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Ferienentschädigung kann aber der Lohn nicht mit einbezogen werden. Wie aufgezeigt (siehe vorn E. 3.2.4.2) kennt das Gesetz gar keine Mindestlöhne, die einen solchen Vergleich zulassen würden. Die Regelung der Ferienentschädigung im GAV kann damit immer nur mit der entsprechenden Ferienregelung im Gesetz verglichen werden, ohne dass das Lohnsystem zusätzlich einzubeziehen wäre. Daher steht ausser Zweifel, dass die einzelarbeitsvertragliche Vereinbarung jedenfalls die Vorgaben des Art. 329d OR einhalten muss.
Diesen Voraussetzungen genügen aber die streitigen Einzelarbeitsverträge nicht. Bei einem Anspruch von fünf Wochen Ferien beträgt der entsprechende Ansatz für den Ferienlohn bei einem Bezug während der Anstellung bereits 9,62 % und nach dem Ende der Anstellung 10,64 % (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Aufl., Zürich 2006, N. 10 zu Art. 329d OR). Die fraglichen Arbeitsverträge rechnen aber nur mit 7,7 %.

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Sachverhalt

Erwägungen 3

Referenzen

BGE: 116 II 153

Artikel: Art. 357 OR, Art. 329d Abs. 1 und Art. 357 Abs. 2 OR, Art. 329d OR, Art. 34 LMV mehr...