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Urteilskopf

141 III 590


78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Ltd. und Mitb. gegen N. AG in Liquidation (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_592/2015 vom 10. Dezember 2015

Regeste

Art. 230 SchKG; Art. 319 ff. ZPO; Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven.
Das Recht des Gläubigers, nach Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven die Durchführung des Verfahrens zu verlangen und die Sicherheit für die nicht gedeckten Kosten zu leisten, schliesst die Anfechtung der Einstellungsverfügung des Konkursgerichts noch nicht aus (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 590

BGE 141 III 590 S. 590

A.

A.a Am 25. Februar 2015 eröffnete das Bezirksgericht Meilen als Konkursgericht über die N. AG in Liquidation zufolge Überschuldungsanzeige den Konkurs. Das zur Durchführung des Verfahrens zuständige Konkursamt Küsnacht teilte dem Konkursgericht mit Bericht vom 23. Juni 2015 mit, aufgrund seiner Abklärungen würden die Aktiven zur Durchführung des Verfahrens nicht ausreichen, und beantragte die Einstellung des Konkurses im Sinne von Art. 230 Abs. 1 SchKG.

A.b Mit Urteil vom 24. Juni 2015 stellte das Bezirksgericht das Konkursverfahren ein und wies das Konkursamt an, nach Art. 230 Abs. 2 SchKG vorzugehen; der Konkurs gelte als geschlossen, falls nicht ein Gläubiger binnen zehn Tagen von der öffentlichen Bekanntmachung an die Durchführung des Konkursverfahrens begehrt und für die Kosten hinreichende Sicherheit leistet.

B. Am 1. Juli 2015 gelangten die A. Ltd. sowie 8 weitere Fondsgesellschaften mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich.
BGE 141 III 590 S. 591
Sie verlangten die Aufhebung des Entscheides über die Konkurseinstellung sowie die Abweisung des Antrags des Konkursamtes auf Konkurseinstellung und die Durchführung des Konkurses im summarischen, eventuell ordentlichen Verfahren. Das Obergericht trat mit Beschluss vom 17. Juli 2015 auf die Beschwerde nicht ein.

C. Mit Eingabe vom 31. Juli 2015 sind die A. Ltd. sowie 12 weitere Fondsgesellschaften mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerinnen beantragen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Juli 2015 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Angefochten ist die Verfügung des Konkursgerichts über die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven gemäss Art. 230 Abs. 1 SchKG. Streitpunkt ist im Wesentlichen das Recht der Beschwerdeführerinnen als Gläubigerinnen, die Voraussetzung zur Einstellung des Konkursverfahrens durch das Konkursgericht überprüfen zu lassen, welche gegebenenfalls Anlass zum weiteren Vorgehen des Konkursamtes gibt (Art. 230 Abs. 2 SchKG: Ansetzung einer Frist zum Begehren um Durchführung und zur Sicherheitsleistung).

3.1 Gemäss Art. 230 Abs. 1 SchKG verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens, wenn die Konkursmasse voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken (vgl. Art. 39 der Verordnung vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter [KOV; SR 281.32]). Voraussetzung für die Einstellung ist das Ergebnis der Inventarisierung (Art. 221 SchKG) der bekannten Vermögenswerte des Schuldners, welche ergibt, dass sie nicht zur Deckung ausreichen, oder, selbst wenn sie ausreichen würden, dem Schuldner als Kompetenzstücke überlassen oder von Dritten beansprucht werden (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 9 zu Art. 230 SchKG; LUSTENBERGER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 3 ff. zu Art. 230 SchKG).
BGE 141 III 590 S. 592

3.2 Der Antrag des Konkursamtes selber ist keine Verfügung, die nach Art. 17 SchKG anfechtbar ist (u.a. GILLIÉRON, a.a.O., N. 12 zu Art. 230 SchKG). Die Verfügung des Konkursrichters ist hingegen mit Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO anfechtbar (vgl. Art. 309 lit. b Ziff. 7 ZPO; u.a. LUSTENBERGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 230 SchKG); die Regeln über die Weiterziehung der Konkurseröffnung (Art. 174 SchKG) gelten nicht. Zur Beschwerde ist befugt, wer durch den angefochtenen Entscheid beschwert ist und daher ein schützenswertes Interesse an dessen Korrektur besitzt (vgl. STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 25 Rz. 28, § 26 Rz. 30).

3.2.1 Der Schuldner, über welchen der Konkurs eröffnet worden ist, kann sich gegen die Einstellung des Konkurses mangels Aktiven gemäss Art. 230 Abs. 1 SchKG wehren (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 1911, N. 4 zu Art. 230 SchKG). Er kann wegen der Thematik des fehlenden neuen Vermögens - d.h. an der Erlangung des Verlustscheines und des damit verbundenen Vorteils (Art. 265 Abs. 2 SchKG) - an der Durchführung des Konkurses interessiert sein (vgl. JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 4. Aufl. 1997, N. 8 zu Art. 230 SchKG; VOUILLOZ, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 2 zu Art. 230 SchKG; LUSTENBERGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 230 SchKG). Das Konkursamt kann mit der Anfechtung des Einstellungsentscheides die Interessen der Gläubigergesamtheit wahren (JAEGER, a.a.O., N. 4 zu Art. 230 SchKG; VOUILLOZ, a.a.O., N. 2 zu Art. 230 SchKG; LUSTENBERGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 230 SchKG), da bei Erlass der Einstellungsverfügung ungewiss ist, ob ein (oder mehrere) Gläubiger das Durchführungsbegehren stellt (bzw. stellen). Zu prüfen ist im Folgenden, ob ein Gläubiger die Einstellungsverfügung des Konkursrichters anfechten kann.

3.2.2 Das Obergericht hat im Wesentlichen die basellandschaftliche Praxis übernommen, nach welcher auf das (kantonale) Rechtsmittel des Gläubigers nicht eingetreten wird. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gläubigereigenschaft zur Beschwerdelegitimation nicht genüge und der Gläubiger sein Interesse an der Durchführung der Generalexekution gerade durch entsprechendes Begehren und Leistung des Kostenvorschusses wahrnehmen könne (BlSchK 2003 Nr. 28 S. 130). Diese Praxis wird in der Lehre für die Beschwerde gemäss ZPO als weiterhin massgebend erachtet (LUSTENBERGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 230 SchKG). Andere Autoren,
BGE 141 III 590 S. 593
welche sich zur Beschwerdelegitimation bzw. -möglichkeit äussern, lassen den Gläubiger unerwähnt (VOUILLOZ, a.a.O., N. 2 zu Art. 230 SchKG) oder behalten das Recht des Gläubigers, die Durchführung des Konkursverfahrens zu verlangen, vor (GILLIÉRON, a.a.O., N. 13 zu Art. 230 SchKG: "Sous réserve du droit du créancier [...] de requérir la liquidation [...]"). Schliesslich wird auch die Auffassung (ohne weitere Begründung) vertreten, dass der Gläubiger die Einstellungsverfügung des Konkursgerichts anfechten könne (STOCKER, Entscheidgrundlagen für die Wahl des Verfahrens im Konkurs, 1985, S. 177; FRITSCHI, Verfahrensfragen bei der Konkurseröffnung, 2010, S. 102).

3.3 Das Bundesgericht hat die Frage, ob ein Gläubiger ein hinreichendes schutzwürdiges Interesse hat, um die Einstellungsverfügung des Konkursrichters anzufechten - soweit ersichtlich - bisher nicht abschliessend erörtert. Das mag auch daran liegen, dass erst mit Inkrafttreten der ZPO ein bundesrechtliches Rechtsmittel gegen die Einstellungsverfügung gemäss Art. 230 Abs. 1 SchKG geschaffen wurde. Unverändert geblieben ist jedoch die Aufgabe des Konkursgerichts: Es hat aufmerksam zu kontrollieren, ob der Antrag des Konkursamtes auf Abklärungen beruht, welche genügend ernsthaft, tief und vollständig sind, um die Einstellung mangels Aktiven zu begründen (MARTIN, La surveillance en matière de poursuites et faillites [...], SJ 2008 II S. 214/215; vgl. JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, a.a.O., N. 6 zu Art. 230 SchKG). In einem Urteil aus dem Jahre 1914 hat das Bundesgericht bereits festgehalten, dass die Prüfung (des Antrages des Konkursamtes) vom Konkursgericht ausgeht, in dessen Hände das Gesetz die Verfügung über die Einstellung des Verfahrens gelegt hat, und der Einstellungsbeschluss, je nach kantonalem Recht, nicht nur vom Gemeinschuldner, sondern auch von den Gläubigern an das obere kantonale Konkursgericht weitergezogen werden kann. Nach dem Urteil bestehen damit gewisse Garantien dafür, dass das Verfahren erst geschlossen wird, nachdem wirklich feststeht, dass das scheinbar vorhandene Massavermögen kein für die Befriedigung der Konkursgläubiger dienliches Objekt darstellt (BGE 40 III 344 E. 3 S. 349). Nach dem zitierten Urteil und mit Blick auf die Aufgabe des Konkursrichters kann - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - das Nichteintreten auf die nunmehr bundesrechtlich geregelte Beschwerde nicht mit dem "Fehlen der Eigenschaft als im Konkurs zugelassener Gläubiger" gerechtfertigt werden.
BGE 141 III 590 S. 594

3.4 Nach dem Dargelegten ist ein Gläubiger legitimiert, die Einstellungsverfügung mit Beschwerde anzufechten, um z.B. geltend zu machen, dass der Konkursrichter über die Einstellung des Konkursverfahrens ohne gehörigen Antrag des Konkursamtes entschieden habe. Bleibt zu prüfen, ob die grundsätzliche Legitimation des Gläubigers zur Kritik an der Ausübung der Kontrolle über den vom Konkursamt vorgelegten Antrag eingeschränkt wird, weil er die Möglichkeit hat, das Begehren auf Durchführung des Konkursverfahrens zu stellen.

3.4.1 Die richterliche Einstellungsverfügung ist gemäss Art. 230 Abs. 2 SchKG suspensiv bedingt (vgl. STOCKER, a.a.O., S. 178). Die Bedingung besteht im Einverständnis sämtlicher Gläubiger; es liegt darin, dass keiner innerhalb der zehntägigen Frist seit der Publikation beim Konkursamt das Durchführungsbegehren unter gleichzeitiger Leistung der publizierten Kautionssumme stellt (BGE 40 III 344 E. 1 a.E. S. 347). Ein solches Begehren findet seine Begründung z.B. darin, dass der betreffende Gläubiger sich einen vom Konkursamt als im Inventar aufgenommenen bestrittenen Anspruch nach Art. 260 SchKG abtreten lassen möchte, oder Eigentumsansprüche Dritter anders beurteilt, d.h. für unbegründet hält und sie bestreiten will, oder von einem Pfandgegenstand einen namhaften Übererlös erwartet (vgl. JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, a.a.O., N. 10 zu Art. 230 SchKG; LUSTENBERGER, a.a.O., N. 13 zu Art. 230 SchKG; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 2. Aufl. 2010, § 11 Rz. 45; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 1993, § 45 Rz. 2; bereits WEBER/BRÜSTLEIN, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 1901, N. 7 zu Art. 230 SchKG).

3.4.2 In diesem Sinn haben die Beschwerdeführerinnen in ihrer Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung argumentiert, worauf sie sich im vorliegenden Verfahren berufen. Vor dem Obergericht haben sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die beim Konkursamt eingegangenen Aussonderungsansprüche an den inventarisierten Vermögenswerten ihrer Ansicht nach "offensichtlich haltlos" seien. Aus diesem Grund seien die Fr. 1,3 Mio. nicht von Dritten beansprucht; der Betrag stehe (daher) zur Verfahrenskostendeckung zur Verfügung.

3.4.3 Die blosse Neubeurteilung der Begründetheit von Ansprüchen Dritter soll indes gerade nicht von der Beschwerdeinstanz vorgenommen werden, sondern ist der eigenen Beurteilung des
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Gläubigers vorbehalten, weshalb ihm das Gesetz das Recht gibt, mit dem Durchführungsbegehren ohne weiteres die Einstellungsverfügung dahinfallen zu lassen und die Verfahrenseröffnung zu bewirken. Die Beschwerdeführerinnen halten dem Konkursgericht (und dem Obergericht) lediglich die eigene Einschätzung, insbesondere der Begründetheit von Drittansprüchen entgegen. Insoweit ist - mit Blick auf die Vorbringen der Beschwerdeführerinnen gegen die Einstellungsverfügung - nicht ersichtlich, inwieweit das Obergericht schützenswerte Interessen bzw. das Beschwerderecht verkannt habe, wenn es die Beschwerdeführerinnen auf ihr Recht zur Stellung des Durchführungsbegehrens verwiesen hat. Der Nichteintretensentscheid ist im Ergebnis mit Bundesrecht vereinbar.

3.5 Was die Beschwerdeführerinnen im Weiteren vorbringen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

3.5.1 Soweit die Beschwerdeführerinnen von "Fr. 1,3 Mio. in flüssiger Form" und damit allenfalls sinngemäss geltend machen, das Konkursamt habe zu Unrecht Drittansprüche in das Inventar aufgenommen (so dass die Aktiven zur Deckung der Verfahrenskosten nicht zur Verfügung stehen; vgl. E. 3.1), geht ihre Kritik fehl. Der Konkursrichter (bzw. die Beschwerdeinstanz) ist nicht Aufsichtsbehörde (Art. 13 SchKG) über das Konkursamt: Die unrichtige oder unvollständige Erstellung des Inventars kann - auch vom Gläubiger - mit Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG gerügt werden (BGE 114 III 21 E. 5b S. 22; LUSTENBERGER, a.a.O., N. 33 zu Art. 221 SchKG).

3.5.2 Die Beschwerdeführerinnen kritisieren weiter die Verfügung des Konkursamtes, mit welcher den Konkursgläubigern eine Frist von 10 Tagen angesetzt wird, um die Durchführung des Konkursverfahrens zu verlangen und einen Kostenvorschuss von Fr. 350'000.- zu leisten (SHAB vom 3. Juli 2015). Der Kostenvorschuss sei "prohibitiv hoch" angesetzt und "für einen einzelnen Gläubiger utopisch". Diese Vorbringen gehen an der Sache vorbei, denn der vom Konkursamt nach Art. 230 Abs. 2 SchKG angesetzte Kostenvorschuss ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern eine Verfügung gemäss Art. 17 SchKG, welche mit betreibungsrechtlicher Beschwerde angefochten und anhand der konkreten Umstände überprüft werden kann (BGE 130 III 90 E. 1 S. 92).

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 3

Referenzen

BGE: 114 III 21, 130 III 90

Artikel: Art. 230 SchKG, Art. 230 Abs. 1 SchKG, Art. 230 Abs. 2 SchKG, Art. 17 SchKG mehr...