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Urteilskopf

143 I 328


30. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH in Liquidation gegen Obergericht des Kantons Solothurn (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_75/2017 vom 22. Mai 2017

Regeste

Art. 29 Abs. 3 BV; unentgeltliche Rechtspflege für juristische Personen.
Die unentgeltliche Rechtspflege ist juristischen Personen zu verweigern, wenn das Verfahren, für das sie beansprucht wird, deren Weiterexistenz nicht sichert (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 329

BGE 143 I 328 S. 329

A. Die A. GmbH in Liquidation (Gesellschaft, Klägerin, Beschwerdeführerin) wurde per 1. Dezember 2014 in Anwendung von Art. 153b der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV; SR 221.411) von Amtes wegen als aufgelöst erklärt, weil die ihr zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes in Bezug auf das Domizil angesetzte Frist fruchtlos abgelaufen war.
B., Gründer und einziger Gesellschafter (nachfolgend: Gesellschafter), wird seit dem 3. Juni 2014 mit Sozialhilfe unterstützt. Er mietete mit Vertrag vom 18. Februar 2011 von C. (Vermieter, Beklagter) eine Werkstatt.
Am 19. April 2013 wies das Richteramt Solothurn-Lebern den Gesellschafter per 3. Mai 2013 aus dem Mietobjekt aus. Da er sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befand, konnte er das Mietobjekt nicht rechtzeitig räumen.
Am 26. Juni 2013 verkaufte der Vermieter das Inventar der Werkstatt an D. für Fr. 10'000.-.

B.

B.a Am 26. November 2014 klagte die Gesellschaft beim Richteramt Solothurn-Lebern mit dem Antrag, der Beklagte sei zu verpflichten, Schadenersatz für die nicht ordnungsgemässe Lagerung und die Nichtrückgabe der der Klägerin gehörenden Gegenstände, welche sich allesamt in der gemieteten Werkstatt befanden, in der Höhe von Fr. 30'000.- zu bezahlen. Sie beantragte ausserdem die unentgeltliche Rechtspflege.
Mit Verfügung vom 11. Juni 2015 gewährte der Amtsgerichtspräsident Solothurn-Lebern die unentgeltliche Rechtspflege zugunsten der Gesellschaft.

B.b Mit Entscheid vom 5. Februar 2016 hiess das Obergericht des Kantons Solothurn eine vom Beklagten gegen die Verfügung vom 11. Juni 2015 erhobenen Beschwerde gut und wies das Gesuch der Gesellschaft um unentgeltliche Rechtspflege ab.

B.c Die Gesellschaft zahlte darauf den Kostenvorschuss von Fr. 4'000.- sowie die Parteikostensicherheit von Fr. 6'000.-.
Mit Urteil vom 5. Oktober 2016 wies das Richteramt Solothurn-Lebern die Klage ab.

B.d Die Gesellschaft gelangte mit Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn und ersuchte um unentgeltliche Rechtspflege.
BGE 143 I 328 S. 330
Mit Verfügung vom 23. Januar 2017 wies der Präsident des Obergerichts des Kantons Solothurn das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab und verpflichtete die Gesellschaft zur Leistung eines vorläufigen Kostenvorschusses von Fr. 4'000.- mit der Androhung des Nichteintretens.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Gesellschaft dem Bundesgericht, die Verfügung des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 23. Januar 2017 sei aufzuheben und es sei ihr rückwirkend seit 18. Januar 2017 (Zeitpunkt der Gesuchseinreichung) die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, unter Beiordnung ihres Rechtsvertreters als unentgeltlicher Rechtsbeistand; eventualiter sei die Sache unter Feststellung, dass ein grundsätzlicher Anspruch auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an sie bestehe, zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

3.1 Die Regelung ist auf natürliche Personen zugeschnitten; juristische Personen können grundsätzlich weder die unentgeltliche Prozessführung noch eine Verbeiständung beanspruchen; sie sind nicht arm oder bedürftig, sondern bloss zahlungsunfähig oder überschuldet und haben in diesem Fall die gebotenen gesellschafts- und konkursrechtlichen Konsequenzen zu ziehen (BGE 131 II 306 E. 5.2.1; BGE 119 Ia 337 E. 4b S. 339). Juristische Personen verfügen deshalb - wie grundsätzlich auch die Konkurs- oder Nachlassmasse (BGE 125 V 371 E. 5c; BGE 116 II 651 E. 2d; 61 III 170 E. 2 f.) - über keinen bundesrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung (BGE 131 II 306 E. 5.2.1; BGE 126 V 42 E. 4 S. 47; je mit Hinweisen; vgl. auch Urteile 6B_920/2016 vom 5. Oktober 2016 E. 6; 6B_261/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 4, nicht publ. in: BGE 141 IV 1; 5A_446/2009 vom 19 April 2013 E. 3.2; 1A_183/2006 vom 1. Februar 2007 E. 2.4).
BGE 143 I 328 S. 331
In seiner Verfassungsrechtsprechung hat das Bundesgericht stets daran festgehalten, dass eine juristische Person keinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege erheben kann. In BGE 119 Ia 337 hat es eine Ausnahme in Betracht gezogen, wenn das einzige Aktivum der juristischen Person im Streit liegt und "se risultano adempiute altre condizioni, sul modello della legislazione tedesca" (BGE 119 Ia 337 E. 4e S. 341). Der Sache nach ist es bei diesen weiteren Bedingungen - in Anlehnung an die in der deutschen Zivilprozessordnung geltende Regelung (§ 116 Abs. 1 Ziff. 2 dZPO) - lediglich um die Mittellosigkeit der "persone interessate economicamente alla società" (BGE 119 Ia 337 E. 4e S. 341) gegangen. Die später veröffentlichte Rechtsprechung ist denn auch davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege für eine juristische Person ausnahmsweise dann bestehen kann, wenn ihr einziges Aktivum im Streit liegt und neben ihr auch die wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind (BGE 131 II 306 E. 5.2.2 S. 327); die weiteren Bedingungen, dass es sich um eine inländische juristische Person handeln muss und die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege allgemeinen Interessen zuwiderlaufen muss, hat das Bundesgericht nicht übernommen, wie in einem nicht amtlich veröffentlichten Urteil bemerkt wird (Urteil 5A_446/2009 vom 19. April 2013 E. 4.2.1; vgl. dazu auch 4A_665/2014 vom 2. April 2015 E. 3).

3.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei nicht in der Lage, die Mittel aufzubringen, die sie für die Verwertung ihres einzigen Aktivums, d.h. für die gerichtliche Durchsetzung ihrer Forderung gegen den Beklagten, benötige. Sie äussert sich zu den Passiven nicht. Die zum Nachweis der Bedürftigkeit im Zusammenhang mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im vorliegenden Verfahren eingereichten Unterlagen betreffen den Gesellschafter der Beschwerdeführerin, nicht sie selbst. Die Beschwerdeführerin hat auch - wie sich aus den Erwägungen des Obergerichts im Urteil vom 5. Februar 2016 ergibt - behauptet, es würden ihre Geschäftsunterlagen vorenthalten. Die Vorinstanz hat dazu festgestellt, es wäre zumindest teilweise möglich gewesen, weitere Buchhaltungsunterlagen über die Treuhandfirma E. AG erhältlich zu machen, welche die Buchhaltung für die Beschwerdeführerin erledigt hatte. In ihrer Beschwerde an das Bundesgericht setzt sich die Beschwerdeführerin mit dieser Erwägung der Vorinstanz nicht auseinander; sie wiederholt vielmehr einfach ihre Behauptung, aktuellere Unterlagen seien von der Beklagten mutmasslich entsorgt worden. Es ist daher davon
BGE 143 I 328 S. 332
auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht alles unternommen hat, um ihre gegenwärtige finanzielle Situation möglichst konkret und aktuell zu belegen - sie hat nicht einmal über ihre Schulden verlässlich informiert, obwohl aus den Akten hervorgeht, dass Steuerschulden bestehen. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer finanziellen Lage im massgebenden Zeitpunkt der Gesuchstellung die Mittel zur Bezahlung der mutmasslichen Gerichts- und Anwaltskosten nicht aufzubringen vermag und daher analog der Bedürftigkeit natürlicher Personen die erste Voraussetzung für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bestände, kann indes offenbleiben.

3.3 Während die Lehre der Ansicht mehrheitlich folgt, dass ausnahmsweise die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auch an juristische Personen in Betracht fallen kann, wenn der Streit deren einziges Aktivum betrifft und auch die wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind, wird teilweise namentlich unter Hinweis auf kantonale Rechtsprechung zusätzlich verlangt, dass die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege Allgemeininteressen und ihrer Wahrnehmung zuwiderlaufen muss (vgl. FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 117 ZPO; ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 31 Vorbemerkungen zu Art. 117-123 ZPO; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 117 ZPO; ANDREAS KLEY, Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege: die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 4 Abs. 1 BV und der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention zu Art. 6 EMRK, AJP 4/1995 S. 183). Gestützt auf diese Doktrin hat die Vorinstanz erwogen, es sei kein Grund ersichtlich, dieses Kriterium nicht zu übernehmen, da es den Besonderheiten der juristischen Person als künstliches Gebilde mit einer bestimmten Funktion und einem bestimmten Zweck Rechnung trage. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass vorliegend keine Allgemeininteressen den Weiterbestand der Beschwerdeführerin erfordern würden. Ob dieser Ansicht zu folgen und positiv zu verlangen sei, dass ein öffentliches und allgemeines Interesse an der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zur Weiterexistenz der juristischen Person zusätzlich ausgewiesen wird, kann vorliegend offenbleiben. Denn die unentgeltliche Rechtspflege ist juristischen Personen, die ansonsten die Ausnahmevoraussetzungen erfüllen, jedenfalls dann zu verweigern, wenn das Verfahren, für das sie beansprucht wird, deren
BGE 143 I 328 S. 333
Weiterexistenz nicht sichert (vgl. BÜHLER, a.a.O., N. 31 Vorbemerkungen zu Art. 117-123 ZPO).

3.4 Die Beschwerdeführerin befindet sich, wie sie selbst darlegt und auch aus dem Handelsregistereintrag hervorgeht, in Liquidation. Für die Folgen der Auflösung der GmbH sind gemäss Art. 821a Abs. 1 OR die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar. Danach werden die Befugnisse der Organe der Gesellschaft auf die Handlungen beschränkt, die für die Durchführung der Liquidation erforderlich sind (Art. 739 Abs. 2 OR). Mit der Auflösung gibt die Gesellschaft die Verfolgung ihrer statutarischen Ziele endgültig auf und ihr einziger Zweck besteht in der Durchführung der Liquidation (Urteil 4C.17/2000 vom 17. April 2000 E. 4b mit Hinweisen; vgl. auch CHRISTOPH STÄUBLI, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 5. Aufl. 2016, N. 3 zu Art. 738 OR; HABEGGER/BENEDICK, in: Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, N. 4 zu Art. 738 OR). Die Liquidatoren haben nach Art. 742 OR bei der Übernahme ihres Amtes eine Bilanz aufzustellen und die Gläubiger über die Auflösung in Kenntnis zu setzen. Gemäss Art. 743 Abs. 1 OR haben sie namentlich die laufenden Geschäfte zu beenden, die Aktiven zu verwerten und die Verpflichtungen der Gesellschaft zu erfüllen. Sie haben nach Art. 743 Abs. 2 OR, sobald sie eine Überschuldung feststellen, den Richter zu benachrichtigen (vgl. auch Art. 810 Abs. 2 Ziff. 7 OR); dieser hat die Eröffnung des Konkurses auszusprechen. Im Falle des Konkurses besorgt die Konkursverwaltung die Liquidation nach den Vorschriften des Konkursrechts und die Organe der Gesellschaft behalten ihre Vertretungsbefugnis nur, soweit eine Vertretung durch sie noch notwendig ist (Art. 740 OR). Das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft wird grundsätzlich unter den Gesellschaftern verteilt, wenn feststeht, dass alle Schulden getilgt sind (Art. 745 OR). Dass der einzige Gesellschafter der Beschwerdeführerin, der als Liquidator eingesetzt ist, diesen Verpflichtungen nachgekommen wäre, ist nicht festgestellt. Die Frage, ob eine Überschuldung besteht, welche den Liquidator gemäss Art. 743 Abs. 2 OR zur Benachrichtigung des Konkursrichters verpflichten würde, kann daher nicht beantwortet werden und würde überdies wohl vom mutmasslichen Ausgang des vorliegenden Hauptverfahrens abhängen, zu dessen Aussicht sich die Vorinstanz nicht geäussert hat. Sie kann indes offenbleiben.
BGE 143 I 328 S. 334

3.5 Nach Art. 778 OR ist die Gesellschaft ins Handelsregister des Ortes einzutragen, an dem sie ihren Sitz hat. Als Sitz einzutragen ist gemäss Art. 117 Abs. 1 HRegV der Name der politischen Gemeinde; ausserdem ist nach Art. 117 Abs. 2 HRegV das Rechtsdomizil gemäss Art. 2 lit. c HRegV einzutragen. Darunter ist die Adresse zu verstehen, unter der die Rechtseinheit (d.h. gemäss Art. 2 lit. a Ziff. 6 HRegV u.a. die GmbH) an ihrem Sitz erreicht werden kann, mit folgenden Angaben: Strasse, Hausnummer, Postleitzahl und Ortsnamen. Dem Sitz einer juristischen Person kommt für die physische Erreichbarkeit wie auch als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen zentrale Bedeutung zu (vgl. CHRISTIAN CHAMPEAUX, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], 2013, N. 1 ff. zu Art. 117 HRegV). Der Bundesrat hat denn auch für den Fall des fehlenden Rechtsdomizils gestützt auf Art. 929 OR ein Verfahren des Handelsregisteramts vorgesehen, das schliesslich zur Auflösung der juristischen Person und zum Einsetzen der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans als Liquidatorinnen oder Liquidatoren führt (Art. 153b Abs. 1 lit. a und b HRegV). Dass die Beschwerdeführerin über kein Rechtsdomizil verfügt und von Amtes wegen aufgelöst ist, bestreitet sie nicht. Sie ist gestützt auf Art. 153b HRegV von Amtes wegen in Liquidation versetzt.

3.6 Die Beschwerdeführerin hat sich nicht freiwillig aufgelöst; selbst in diesem Fall wäre wohl ein Rückkommen auf den Auflösungsbeschluss nicht mehr möglich (vgl. BGE 91 I 438 E. 3 S. 441, E. 5 S. 444; PETER BÖCKLI, Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 2331 Rz. 9); sie ist auch nicht wegen Zahlungsunfähigkeit aufgelöst worden, sodass sich die Frage von Sanierungsmassnahmen von vorneherein nicht stellt (vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 2334 Rz. 17 ff.). Die Beschwerdeführerin ist von Amtes wegen nach Art. 153b HRegV wegen fehlenden Domizils aufgelöst. Die Verfügung des zuständigen Handelsregisteramtes ist nach Ablauf der in Art. 153b Abs. 3 HRegV gesetzten Frist unwiderruflich (vgl. CHAMPEAUX, a.a.O., N. 12 ff. zu Art. 153b HRegV; MICHAEL GWELESSIANI, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung, 3. Aufl. 2016, S. 206 Rz. 533). Für Organisationsmängel gemäss Art. 731b OR sieht das Gesetz - sofern der Mangel nicht behoben werden kann - zwingend die Auflösung durch Konkurs vor. Auf die konkursamtliche Liquidation kann auch dann nicht zurückgekommen werden, wenn sich ein Aktivenüberschuss ergibt bzw. die Gesellschaft nicht überschuldet ist
BGE 143 I 328 S. 335
(vgl. BGE 141 III 43 E. 2, insb. E. 2.6; vgl. auch BGE 141 V 372 E. 5.2 S. 374). Für den Fall des Sitzverlusts kann nichts anderes gelten. Für diesen Fall wird in der HRegV ausdrücklich die strenge Folge der Auflösung angeordnet, wenn dieser Mangel nach Ablauf dreier Monate gemäss Art. 153b Abs. 3 HRegV nicht behoben ist. Dass aus Gründen der Verhältnismässigkeit die Liquidation durch die bisherigen Organe der Gesellschaft als Liquidatoren erfolgen soll, ändert an der Unwiderruflichkeit der Liquidation der Gesellschaft nichts. Die Wiederaufnahme der dem ursprünglichen Zweck der Gesellschaft entsprechenden Tätigkeit ist ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin kann daher ihren ursprünglichen statutarischen Zweck im Interesse ihres Gesellschafters sowie allfälliger Vertragspartner und Dritter auch dann nicht mehr erfüllen, wenn ihr gelingen sollte, im vorliegenden Forderungsstreit ganz oder teilweise zu obsiegen, die Forderung in der Folge einzutreiben und damit eine allfällig bestehende Überschuldung zu beseitigen oder eine drohende zu verhindern. Da nicht denkbar ist, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer ursprünglichen Zwecksetzung weiter existieren könnte, nachdem sie mangels Sitzes definitiv aufgelöst wurde, kann ihr die unentgeltliche Rechtspflege für die Verwertung allfälliger Aktiven bereits aus diesem Grund nicht erteilt werden.

3.7 Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege zu Recht verweigert und die Beschwerde ist abzuweisen. (...)

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Sachverhalt

Erwägungen 3

Referenzen

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