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Urteilskopf

115 II 28


6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Februar 1989 i.S. B. gegen M. (Berufung)

Regeste

Art. 63 Abs. 1 OR. Ungerechtfertigte Bereicherung.
Bereicherungsrechtliche Rückforderung einer Anzahlung, die in Kenntnis der Formungültigkeit eines Kaufvorvertrags, aber in der nicht verwirklichten Erwartung geleistet worden ist, auch die Gegenleistung werde freiwillig erbracht.

Sachverhalt ab Seite 28

BGE 115 II 28 S. 28

A.- Am 10. August 1984 schloss M. mit den beiden Mitgliedern B. und D. der einfachen Gesellschaft X. einen Kaufvorvertrag in einfacher Schriftform über eine noch zu erstellende Stockwerkseinheit in St. Moritz. An den Kaufpreis von Fr. 703'750.-- sollte M. bis zum 15. August 1984 Fr. 10'000.-- und bis zum 1. Dezember
BGE 115 II 28 S. 29
1984 weitere Fr. 50'000.-- bezahlen. Die erste Anzahlung leistete M. am 16. August 1984; weitere Anzahlungen erfolgten verspätet und lediglich im Umfang von Fr. 34'200.--, was die Verkäufer veranlasste, mit Schreiben vom 24. Januar 1985 vom Vertrag zurückzutreten.
Unter Berufung auf die Formungültigkeit des Vorvertrags forderte M. die Verkäuferschaft vergeblich zur Rückerstattung der Anzahlungen auf.

B.- Die von M. erhobene Rückforderungsklage aus ungerechtfertigter Bereicherung hiess das Bezirksgericht Maloja am 23. September 1987 gegenüber B. als Solidarschuldner für Fr. 44'200.-- nebst Zins gut. Mit Urteil vom 14. März 1988 wies das Kantonsgericht Graubünden die Berufung von B. (Beklagter) ab. Die von diesem gegen das kantonsgerichtliche Urteil erhobene eidgenössische Berufung weist das Bundesgericht ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Der Beklagte bestreitet die Rückerstattungspflicht einmal mit dem Einwand, der Kläger habe entgegen dem angefochtenen Urteil bei Abschluss des unstreitig formungültigen Vorvertrags (Art. 216 Abs. 2 OR) Kenntnis vom Formmangel gehabt und sich daher nicht im Irrtum über die Schuldpflicht befunden, wie es die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Art. 63 Abs. 1 OR voraussetze.
a) Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nach dieser Bestimmung nur zurückfordern (condictio indebiti), wenn er nachweist, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat. Leistet eine Partei somit in Kenntnis der Ungültigkeit eines Vertrags, ist ihr die Berufung auf Art. 63 Abs. 1 OR verwehrt. Bei synallagmatischen Verträgen führt das zu stossenden Ergebnissen, wenn die eine Partei im Bewusstsein der fehlenden Durchsetzbarkeit freiwillig leistet und die andere Partei die Gegenleistung gestützt auf die Unwirksamkeit des Vertrags entweder verweigert oder mit Erfolg zurückverlangt. Würde in derartigen - Fällen die Rückerstattung abgelehnt, könnte der Leistungsempfänger die Leistung ohne Gegenleistung behalten. Bei gestörten Austauschverhältnissen darf deshalb die Rückforderung nicht von der Voraussetzung der irrtümlichen Leistung abhängig gemacht werden (GAUCH/SCHLUEP, OR Allgemeiner Teil, 4. A. 1987, S. 291 Rz. 1190 f.). Hier muss es genügen, dass der bei der Leistung
BGE 115 II 28 S. 30
vorausgesetzte Leistungsgrund ausbleibt. Dem entspricht die Regelung des Art. 62 Abs. 2 OR, wonach eine Vermögenszuwendung auch ohne Irrtum des Leistenden über die Schuldpflicht (BGE 52 II 232 E. 2) dann ungerechtfertigt ist, wenn im Hinblick auf einen in der Folge nicht verwirklichten Grund geleistet wird (condictio causa data non secuta). Als Leistungsgrund kommt dabei auch ein Umstand in Betracht, der kein Rechtsgeschäft darstellt (BGE 105 II 96 E. 3a). Leistet ein Vertragspartner, obwohl ihm die fehlende Durchsetzbarkeit der Gegenleistung bekannt ist, liegt der Leistungsgrund in der Erwartung, der Leistungsempfänger werde ebenfalls freiwillig leisten. Bleibt die Gegenleistung aus, ist die eigene Leistung grundlos erfolgt und zurückzuerstatten (vgl. BGE 105 II 96 E. 3a; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil OR, S. 237; KELLER/SCHAUFELBERGER, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64).
b) Der Kläger erbrachte die Anzahlungen in der Erwartung, dass die noch zu erstellende Stockwerkseinheit auf ihn übertragen werde. Diese Gegenleistung verweigerten die Mitglieder des Baukonsortiums mit der Rücktrittserklärung vom 24. Januar 1985. Damit entfiel der Grund für die Anzahlungen, was für die bereicherungsrechtliche Rückforderung ausreicht.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1

Referenzen

BGE: 105 II 96

Artikel: Art. 63 Abs. 1 OR, Art. 216 Abs. 2 OR, Art. 62 Abs. 2 OR