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Urteilskopf

92 III 34


6. Entscheid vom 21. Mai 1966 i.S. Renault (Suisse) SA

Regeste

Ausweise zur Anmeldung eines Eigentumsvorbehalts beim Abzahlungskauf. Art. 226c OR; Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung über die Eintragung der Eigentumsvorbehalte.
1. Eine vom Käufer vor Ablauf der Frist von fünf Tagen ausgestellte Bescheinigung ist nicht zu berücksichtigen. (Erw. 1).
2. Einer Bescheinigung im Sinne der angeführten Verordnungsbestimmung bedarf es nur dann nicht, wenn sich der unbenützte Ablauf der Frist aus andern vom Verkäufer vorgelegten Urkunden einwandfrei ergibt. (Erw. 2).
3. Mit dem Ausnahmefall des Art. 226c Abs. 2 OR hat sich das um Eintragung des Eigentumsvorbehalts ersuchte Betreibungsamt nicht zu befassen, es wäre denn jener Ausnahmefall eindeutig belegt. (Erw. 4).
4. Tritt der Abzahlungskauf auch dann vor Ablauf der Frist von fünf Tagen in Kraft, wenn der Käufer die ihm übergebene Sache nicht unerlaubterweise, sondern im Einverständnis mit dem Verkäufer (nach genauer Belehrung über die ihm nach Art. 226c OR zustehenden Rechte) in vollen Gebrauch nimmt, ohne den Ablauf jener gesetzlichen Überlegungsfrist abzuwarten? Frage offen gelassen. (Erw. 3).

Sachverhalt ab Seite 35

BGE 92 III 34 S. 35

A.- J. Wicki, Agent der Rekurrentin, verkaufte dem Ernst Wicki, Zürich, am 26. Oktober 1965 einen Occasionswagen auf Abzahlung. Der "Kaufpreis bei Barzahlung" von Fr. 4100 wurde durch Eintausch und Anzahlung in einem Teilbetrag von Fr. 2100.-- sogleich getilgt. Der Restbetrag von Fr. 2000.-- nebst einem Kreditzuschlag von Fr. 322.-- sollte in 18 Monatsraten von Fr. 129.-- bezahlt werden, die erste Rate am 15. Dezember 1965. Ferner vereinbarten die Vertragsschliessenden die sofortige Lieferung des Wagens am 26. Oktober 1965 unter Eigentumsvorbehalt und die Abtretung der Rechte des Ver käufers an die Rekurrentin.

B.- Am gleichen Tage, 26. Oktober 1965, unterzeichneten die Vertragschliessenden eine Lieferungsbestätigung deren vorgedrucktem Texte zu entnehmen ist:
a) "Der Käufer bestätigt, in gutem Zustande heute erhalten zu haben:...";
b) "Der Käufer bestätigt, vor mindestens 5 Tagen ein beidseitig unterzeichnetes Vertragsdoppel erhalten und binnen dieser Frist nicht schriftlich auf den Vertragsabschluss verzichtet zu haben."
BGE 92 III 34 S. 36

C.- Gestützt auf den von der Ehefrau des Käufers mitunterzeichneten und im übrigen dem Art. 226 a Abs. 3 OR entsprechenden Kaufvertrag und die Lieferungsbestätigung meldete die Rekurrentin am 27. Dezember 1965 den Eigentumsvorbehalt zur Sicherung ihrer Restforderung von Fr. 2322.-- zur Eintragung an. Das Betreibungsamt Zürich 2 lehnte das Gesuch ab, weil die vom Käufer vor Ablauf der gesetzlichen Frist von fünf Tagen ausgestellte Bescheinigung den Vorschriften (Art. 226 c OR und Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte) nicht entspreche.

D.- Beschwerde und Rekurs der Gesuchstellerin wurden in beiden kantonalen Instanzen abgewiesen.

E.- Mit vorliegendem Rekurs gegen den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 19. April 1966 hält die Gesuchstellerin am Antrag fest, das Betreibungsamt Zürich 2 sei anzuweisen, den Eigentumsvorbehalt im Register einzutragen.

Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Nach den am 1. Januar 1963 in Kraft getretenen Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag hat der Käufer das Recht, binnen fünf Tagen nach Empfang eines beidseitig unterzeichneten Vertragsdoppels dem Verkäufer schriftlich zu erklären, er verzichte auf den Vertragsabschluss. Auf dieses Recht kann er nicht zum voraus verzichten, und wenn er es ausübt, kann von ihm kein Reugeld verlangt werden (Art. 226 c Abs. 1 und 3 OR). Um diesen gesetzlichen Normen Rechnung zu tragen, lässt Art. 4 Abs. 5 der Verordnung betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte die Eintragung eines im Abzahlungsvertrage vereinbarten Eigentumsvorbehaltes nur zu, wenn
c) "der Käufer bescheinigt, vor mindestens fünf Tagen ein beidseitig unterzeichnetes Vertragsdoppel erhalten und binnen dieser Frist nicht gemäss Artikel 226 c schriftlich auf den Vertragsabschluss verzichtet zu haben."
Die von der Rekurrentin dem Betreibungsamt vorgelegte Lieferungsbestätigung vom 26. Oktober 1965 enthält nun gewiss in ihrem vorgedruckten Text eine dahin lautende Bescheinigung. Dieser Text setzt aber voraus, dass die Bescheinigung erst nach Ablauf der Frist, auf die er sich bezieht, ausgestellt
BGE 92 III 34 S. 37
wird. Wird sie unterzeichnet, wenn diese Frist noch läuft oder, wie hier, eben erst zu laufen beginnt, so ist sie offensichtlich, weil verfrüht, nicht der Wahrheit entsprechend und kann daher nicht als Ausweis über die von ihr bezeugte Tatsache verwendet werden. Das vorliegende Formular für die Lieferungsbestätigung ist in seinem zweiten, die Bestätigung b) enthaltenden Teil auf den Normalfall zugeschnitten, da die Kaufsache erst nach Ablauf der fünftägigen Überlegungsfrist (und natürlich nur, wenn der Käufer sie unbenützt, also ohne eine Verzichtserklärung abzugeben, verstreichen liess) geliefert wird. Bei früherer Lieferung lässt sich über die nach Ablauf jener Frist bestehende Sachlage noch nichts aussagen, und es sollte daher jener vorgedruckte Text in einem solchen Falle durchgestrichen werden. Jedenfalls lässt sich die Unterschrift des Käufers unter diesen Umständen nicht auf den betreffenden Textteil beziehen. Es bedurfte daher, um der Vorschrift von Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung zu genügen, einer besondern, mindestens fünf Tage später ausgestellten Bescheinigung.
Der Einwand der Rekurrentin, das Betreibungsamt habe die sachliche Richtigkeit der vorliegenden Bescheinigung ebenso wenig wie die materiellrechtliche Gültigkeit des Kaufvertrages zu prüfen (wobei sie auf BGE 91 III 38 /39 hinweist), geht fehl. Der Kaufvertrag genügt allerdings als Ausweis für die Eintragung des Eigentumsvorbehaltes, wenn er den Vorschriften von Art. 226 a Abs. 3 und Art. 226 b OR entspricht (Art. 4 Abs. 5 lit. a und b der Verordnung). Dazu muss aber mit Rücksicht auf Art. 226 c Abs. 1 und 3 OR die Bescheinigung nach Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung treten, welche den unbenützten Ablauf der fünftägigen Überlegungsfrist zum Gegenstand hat. Es versteht sich von selbst, dass das Betreibungsamt bei der Prüfung dieses Ausweises dessen Datum mit demjenigen des Vertragsabschlusses zu vergleichen und eine vor Ablauf der massgebenden Frist ausgestellte Bescheinigung als untauglichen Beleg zurückzuweisen hat, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt. Die wesentliche Bedeutung des Zeitmoments, weshalb zum voraus ausgestellte Bescheinigungen dieser Art ausser Betracht fallen müssen, wird denn auch in der Literatur hervorgehoben (vgl. HANS GIGER, Anwendungs- und Umgehungsprobleme der neuen Bestimmungen über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag SJZ 60/1964, 317 ff., besonders S. 324; H. STOFER, Kommentar zum Bundesgesetz über den Abzahlungs-
BGE 92 III 34 S. 38
und Vorauszahlungsvertrag, S. 80: "Diese Bescheinigung lässt sich auf dem Lieferschein anbringen, wenn die Lieferung nicht vor Ablauf der 5 Tage erfolgt".).

2. Unter Umständen kann der Verkäufer oder sein Zessionar das Inkrafttreten des Abzahlungsvertrages auf andere Weise als mittels einer Bescheinigung im Sinne von Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung dartun. Auf einen solchen Fall bezieht sich BGE 89 III 83 ff. Damals hatte der Käufer zwar bloss bescheinigt, fünf Tage zuvor ein beidseitig unterzeichnetes Vertragsdoppel erhalten zu haben. Dass er die gesetzliche Überlegungsfrist unbenützt hatte verstreichen, den Vertrag also in Kraft hatte erwachsen lassen, ergab sich jedoch aus einer von ihm später abgegebenen Erklärung, er sehe sich aus Not gezwungen, (nun) vom Vertrage zurückzutreten. Hier aber fehlt es an jeglicher Erklärung, welche die nach der erwähnten Verordnungsbestimmung vorzulegende Bescheinigung zu ersetzen vermöchte.

3. Die Rekurrentin nimmt endlich den Standpunkt ein, der Kaufvertrag vom 26. Oktober 1965 sei aus einem besonderen Grunde, nämlich gemäss Art. 226 c Abs. 2 OR schon am Tage seines Abschlusses in Kraft getreten. Denn aus der Klausel a) der Lieferungsbestätigung, wonach der Käufer die Sache in gutem Zustand geliefert erhielt, ergebe sich, dass er sie bereits zuvor geprüft habe. Somit habe er sie nicht bloss zu eingehenderer Prüfung, sondern zu vollem Gebrauch in Besitz genommen.
Die Vorinstanz lässt offen, ob jener Klausel der Wille zu sofortigem vollen Gebrauch zu entnehmen sei. Selbst wenn dem so sein sollte, trat der Vertrag nach Ansicht der Vorinstanz nicht sogleich in Kraft. Art. 226 c Abs. 2 OR untersage dem Käufer, die ihm vor Ablauf der Überlegungsfrist gelieferte Sache anders als zur üblichen Prüfung zu benützen, ansonst er sein Verzichtsrecht verwirke. Wenn ihm aber der Verkäufer die Sache vorzeitig zu vollem Gebrauch überlassen habe, so handle der Käufer nicht pflichtwidrig; daher stehe ihm die Überlegungsfrist unverkürzt zur Verfügung. Die Vorinstanz verweist auf ihre bereits in diesem Sinn bestehende Praxis (BlSchK 1964 S. 41 ff.) und die zustimmende Stellungnahme von B. HABERTHÜR (ebendort S. 40/41 Ziff. 4). Der gleichen Ansicht ist anscheinend H. STOFER (Kommentar, S. 79): der Käufer genehmige den Vertrag durch konkludente Handlung, wenn er den ihm vor Ablauf der Überlegungsfrist übergebenen Kaufgegenstand
BGE 92 III 34 S. 39
"entgegen einer Vertragsbestimmung so benützt, dass eine wesentliche Abnützung erfolgt". Aus Art. 226 c Abs. 2 OR lässt sich indessen keine Regel entnehmen für den Fall, dass der Käufer die Sache vor Ablauf der Überlegungsfrist im Einverständnis mit dem Verkäufer in vollen Gebrauch nimmt. Es fragt sich also, wie diese Lücke des Gesetzes auszufüllen sei. Nun darf gewiss Missbräuchen nicht Vorschub geleistet werden, wie sie etwa vorliegen, wenn der Verkäufer dem Käufer die sofortige Abnahme der Sache aufdrängt, um den Vertrag möglichst bald in Kraft treten zu lassen, also um die dem Käufer zukommende Überlegungsfrist abzukürzen oder gar nicht in Lauf kommen zu lassen. In der Literatur wird denn auch zu Art. 226 c Abs. 2 OR bemerkt, diese Anordnung des Gesetzes berge die Gefahr in sich, "von der um den Geschäftsabschluss bangenden Verkäuferschaft zur bewussten Abkürzung der Überlegungsfrist des Käufers missbraucht zu werden" (H. GIGER, a.a.O. S. 324 rechts). Von vornherein unzulässig ist eine Vereinbarung, wonach der Käufer bei vorzeitiger Abnahme der Sache das Recht auf Verzicht durch jede, sei es auch bloss der üblichen Prüfung dienende, Benützung verliere (BGE 90 III 32 Erw. 2). Darauf läuft auch eine Klausel hinaus, wonach der Käufer schlechthin zu bestätigen hat, er benütze die erhaltene Kaufsache "im Bewusstsein, dass er nach Gesetz nicht mehr auf den Vertrag verzichten kann" (Bescheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 29. März 1963 an Prof. R. Patry). Denn es darf dem Käufer bei vorzeitiger Lieferung nicht verschwiegen werden, dass sein Verzichtsrecht gewahrt bleibt, wenn er die Kaufsache während der gesetzlichen Überlegungsfrist bloss zur üblichen Prüfung benützt. Will aber ein darüber orientierter Käufer sich nicht auf das Ausprobieren der Sache beschränken, sondern begehrt er sie sogleich in vollen Gebrauch zu nehmen, weil er ihrer dringend bedarf, so ist fraglich, ob sich hiebei die gesetzliche Überlegungsfrist nicht wegbedingen lässt. Indessen braucht hier nicht näher untersucht zu werden, ob bei vorzeitiger Lieferung einer auf Abzahlung verkauften Sache zu vollem Gebrauche gewisse Differenzierungen hinsichtlich der Rechtsfolgen gerechtfertigt seien, oder ob der Verkäufer sein Einverständnis hiezu in allen Fällen nur unter Wahrung der gesetzlichen Überlegungsfrist des Käufers erteilen könne. Denn in Wahrheit betrifft die von der Rekurrentin angerufene Klausel a) der Lieferungsbestätigung gar nicht die
BGE 92 III 34 S. 40
Art der Benützung des Fahrzeugs, so dass nicht der geringste Grund bestand, die Rekurrentin vom Erfordernis einer dem Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung entsprechenden, frühestens fünf Tage nach Vertragsabschluss ausgestellten Bescheinigung zu entbinden.
Die erwähnte Klausel besagt nichts darüber, was der Käufer mit dem gekauften Wagen in den nächsten Tagen vorhatte. Man weiss übrigens auch nicht, in welcher Art ihm der Wagen vor dem Kaufabschluss vorgeführt wurde, und inwieweit er sich von dessen Zustand damals Rechenschaft gab. Wie dem auch sein mag, ist nicht von vornherein auszuschliessen, dass er die Überlegungsfrist dazu benützen wollte, den Wagen noch eingehender zu prüfen, und dass er ihn auch deshalb in Besitz nahm, um ihn dann bei Inkrafttreten des Vertrages gleich zur Hand zu haben. Nach der in Art. 226 c Abs. 2 OR getroffenen Regelung ist bei Lieferung des Kaufgegenstandes vor Ablauf der fünftägigen Frist vermutungsweise anzunehmen, der Käufer habe ihn nur zur üblichen Prüfung benützt. Den Beweis des normalen (vollen) Gebrauches hat der Verkäufer zu leisten (B. HABERTHÜR, BlSchK 1963 S. 172; H. GIGER, a.a.O. S. 324). Dafür kann die Erklärung des Käufers, die Sache in gutem Zustand empfangen zu haben, keineswegs genügen.

4. Das Betreibungsamt hat somit das Eintragungsgesuch mit Recht abgelehnt. Es ist Sache des Gesuchstellers, sich über die Voraussetzungen der Eintragung auszuweisen. Eine nähere Abklärung ungewisser Tatsachen liegt nicht im Aufgabenbereich des Amtes. Insbesondere zieht die Verordnung in Art. 4 Abs. 5 den Ausnahmefall eines vorzeitigen Inkrafttretens des Vertrages nach Art. 226 c Abs. 2 OR gar nicht in Betracht. Das Amt ist denn auch gewöhnlich nicht in der Lage, einen solchen Sachverhalt festzustellen. Es darf deshalb eine dahingehende Behauptung, deren Richtigkeit nicht einwandfrei belegt ist, ungeprüft lassen und vom Normalfall des unverminderten Verzichtsrechts des Käufers ausgehen.

Dispositiv

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

Dispositiv

Referenzen

BGE: 91 III 38, 89 III 83, 90 III 32

Artikel: Art. 226c Abs. 2 OR, Art. 226c OR, Art. 226 a Abs. 3 OR, Art. 226 c Abs. 1 und 3 OR